Die Afrikapolitik der Europäischen Union: Werkzeug französischer Interessen oder Gemeinschaftlicher Konsens?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

30 Seiten, Note: 2.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Frankreich und Afrika
2.1. Die Ausgangsbedingung: Entkolonialisierung und nachkoloniale Verhältnisse
2.2. Die Motive: Gründe für Frankreichs Engagement in Afrika
2.2.1. wirtschaftliche Motive
2.2.2. geopolitische Ambitionen der Grande Nation
2.2.3. Die Auswirkungen des Kalten Kriegs
2.2.4. Postkoloniale Partikularinteressen
2.2.5. humanitäre Aspekte
2.3. Die Instrumente: Formen und Strukturen des französischen Engagements in Afrika
2.3.1. Die Kooperationsabkommen
2.3.2. Die französich-afrikanischen Netzwerke und
2.3.3. ökonomische Methoden der Einflussnahem
2.3.4. Militärischer Einfluss und Interventionen
2.3.5. Frankophonie als Vehikel politischer Interessen

3. Die EU und Afrika
3.1. Die EU Assoziierungspolitik: Von den Römischen Verträgen bis Cotonou
3.1.1. Die Römischen Verträge
3.1.2. Lomé I - IV
3.1.3. Cotonou
3.2. Friedenssichernde Militärinterventionen im Rahmen der GASP

4. Fazit

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Die Europäische Union ist mit einigen Staaten Afrikas schon seit ihrer Gründung durch eine Sonderbeziehung verbunden. Bereits in den Römischen Verträgen mit denen sich die EWG 1957 gründete, ist die Assoziierung von 17 afrikanischen Staaten und Madagaskar fest verankert. Diese besondere Beziehung überdauerte seitdem sowohl die Phase der Entkolonialisierung, als auch die verschiedenen Erweiterungen der EU und das Ende des Kalten Krieges. Heute umfasst diese Beziehung, die seit 1963 in verschiedenen Verträgen zwischen den EU-Staaten und einer Vielzahl afrikanischer Staaten festgeschrieben wurde, sowohl was die Zahl der betroffenen Staaten, als auch, was die konkreten Inhalte der Beziehung angeht, einen sehr viel größeren Bereich, als das 1957 der Fall war. Die EU hat heute 25 Mitgliedsstaaten und ist durch das Abkommen von Cotonou[1] mit 48 afrikanischen AKP-Staaten[2] verbunden. Inhaltlich war es, bedingt durch das Ende des Kalten Krieges möglich, stärker Bezug auf politische Aspekte wie zum Beispiel good governance zu nehmen. Neben dem Cotonou-Abkommen engagiert sich die EU in den vergangenen Jahren auch zunehmend in friedenssichernden Maßnahmen innerhalb Afrikas, wie es momentan zum Beispiel im Rahmen des, durch die UN mandatierten EUFOR Einsatzes zur Sicherung des Wahlkampfes innerhalb der demokratischen Republik Kongo der Fall ist, die unter deutsch-französischer Führung steht. Die besondere Stellung Frankreichs innerhalb dieser Mission, wie auch bei der 2003 erfolgten Operation Artemis, die ebenfalls einer friedenssichernden Maßnahme innerhalb des Kongo entsprach, ist dabei nicht zufällig. Sie entspricht vielmehr dem besonderen, teilweise historisch ― durch koloniale Bindungen an eine Vielzahl afrikanischer Staaten ― begründetem Interesse am afrikanischen Kontinent, dass eine Konstante französischer Außenpolitik seit der Entkolonialisierung darstellt. Dieses besondere Interesse Frankreichs lässt sich an einer Vielzahl von politischen, ökonomischen, kulturellen, militärischen und persönlichen Verknüpfungen festmachen, die besonders zu seinem pré carré africain, also seiner traditionellen Einflusssphäre in Afrika, existierten und immer noch existieren.

Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Frankreich als ein Gründungsmitglied der EWG und eines der bevölkerungs- und wirtschaftsstärksten Mitglieder der heutigen EU von Anfang an eine prägende Rolle bei der Entwicklung der Politik der EU innehatte und in Anbetracht dessen, dass mit Ausnahme Großbritanniens kein weiterer Mitgliedsstaat der EU ähnlich enge Beziehungen mit den Staaten Afrikas unterhält wie Frankreich, stellen sich einige Fragen bezüglich des Engagements der EU innerhalb Afrikas.

Inwiefern fanden französische Interessen Eingang in die Afrikapolitik der EU?

Bestand eine kontinuierliche versuchte oder reale Beeinflussung der Afrikapolitik der EU durch Frankreich, wie äußerte sich diese und wie viel Erfolg hatten sie?

Wenn solche Einflussnahmen real waren, existieren sie noch heute oder kam es, vor allem durch das Ende des Kalten Krieges zu Impulsen, die den Interessen Frankreichs an der Beeinflussung der Afrikapolitik, oder aber den Möglichkeiten dazu, ein Ende setzten?

Dass eine besondere Rolle Frankreichs bei der Entwicklung der europäischen Afrikapolitik bestand, steht hierbei außer Zweifel, jedoch bedarf die eigentliche Rolle, die Frankreich in der Genese dieser Politik bis heute spielte, durchaus einer näheren Beleuchtung. Diese Arbeit soll sich näher mit der französischen Einflussnahme auf die Afrikapolitik der EU beschäftigen. Zu Beginn werden dabei die Motive und Instrumente der französischen Afrikapolitik näher beleuchtet. Darauf folgend wird die Afrikapolitik der EU im Fokus des Interesses stehen, wobei auf eine allgemeine Erläuterung, die nicht erschöpfend sein will und kann, sondern vor allem diejenigen Elemente näher betrachtet in denen Frankreich eine Rolle spielte. Abschließend wird das Fazit Aufschluss darüber bieten, ob und in welchem Maß es Frankreich gelang, Einfluss auf die europäische Afrikapolitik zu nehmen und ob es dabei zu Veränderung der Position der beiden Akteure zueinander kam. Mit Afrika ist dabei ausschließlich das subsaharische Afrika gemeint, da die historischen und politischen Realitäten im nordafrikanischen Raum sich völlig von denen im restlichen Afrika unterscheiden und daher hier fehl am Platz wären.

2. Frankreich und Afrika

„Seit der Unabhängigkeit haben Sie sich verändert, und wir auch. Aber was sich nicht verändert hat und auch nicht ändern wird, ist das entschiedene Engagement Frankreichs für Afrika und an der Seite Afrikas.“[3] Mit diesen Worten schloss Jaques Chirac seine Rede anlässlich der Eröffnung des 23. französisch-afrikanischen Gipfeltreffens 2005 in Bamoco. Diese Worte können als kurze Zusammenfassung des französischen Verhältnisses und des Selbstverständnisses der Rolle Frankreichs für den afrikanischen Kontinent gesehen werden.

2.1. Die Ausgangsbedingung: Entkolonialisierung und nachkoloniale Verhältnisse

Während des zweiten Weltkrieges schloss sich zuerst ein Teil und ab 1943 das gesamte französische Kolonialreich in Afrika dem Freien Frankreich unter Charles de Gaulle an und dienten der französischen Widerstandassarmee bis Kriegsende als Rückzugsraum, Truppen- und Rohstofflieferanten.[4] Nach Ende des Zweiten Weltkrieges verlangten die Kolonien mehr und mehr Unabhängigkeit von Paris, welches diesen auch eine schrittweise Emanzipierung zugestand. Diese mündete schließlich in der Unabhängigkeit der französischen Kolonien in Afrika, die bis 1961 abgeschlossen war. Frankreich war jedoch keineswegs bereit seinen Einfluss in diesen neu entstehenden Staaten gänzlich aufzugeben. Vielmehr ist es wahrscheinlich, dass es durch die Zersplitterung der existierenden Wirtschaftsräume in kleine und schwache Einzelstaaten versuchte, den Fortbestand der engen Bindung der Kolonien an ihre ehemalige Metropole zu sichern.[5] Die Mitglieder der neuen Regierungen, die in den afrikanischen Staaten an die Macht gelangten, zählten meist zu einer kleinen, gut ausgebildeten Elite, die durch die Einbindung in den französischen Verwaltungsapparat auf ihre Tätigkeit vorbereitet worden war.[6] Die Bedeutung des Fortbestandes des Einflusses für Frankreich wird auch dadurch sichtbar, dass eine besonders enge Kooperation den neuen Staaten annähernd zur Bedingung für die Unabhängigkeit wurde. So schrieb der französische Premierminister Debré 1960 dem designierten Präsidenten Gabuns: „On donne l'indépendance à condition que l'Etat une fois indépendant s'engage à respecter les accords de coopération signés antérieurement. Il y a deux systèmes qui entrent en vigueur simultanément: indépendance et les accords de coopération. L'un ne va pas sans l'autre.“[7] Durch diese Vorgehensweise bestand eine Vielzahl von vertraglichen Vereinbarungen zwischen Frankreich und seinen ehemaligen Kolonien, die sich auf einen Grossteil der Politikfelder der neuen Staaten bezogen. Gleichzeitig konnten sich die neuen Staaten durch diese Bindung aber auch der französischen Unterstützung im wirtschaftlichen Bereich und gegenüber dritten Staaten oder internationalen Institutionen sicher sein.[8]

2.2. Die Motive: Gründe für Frankreichs Engagement in Afrika

Der Grundstein für die besondere Stellung Afrikas, die bis heute eine Konstante französischer Außenpolitik bildet, wurde schon während der Dekolonisation gelegt. Durch die oben dargestellten Maßnahmen wird deutlich, dass die französische Politik besondere Interessen in den ehemaligen Kolonien Afrikas sah, die es zu wahren galt. Die Sonderstellung, die besonders das frankophone Afrika in der Außenpolitik Frankreichs in den folgenden Jahrzehnten einnahm und bis heute einnimmt, deutet darauf hin, dass auch diese Interessen weiter bestand hatten. Bei der Darstellung dieser Interessen wird allerdings schnell deutlich, dass sich diese aus einer schwer zu beschreibenden Mixtur aus handfesten politischen Interessen und eher symbolischen Hintergründen zusammensetzen.

2.2.1. wirtschaftliche Motive

Bei der Betrachtung der Beziehungen von ehemaligen Kolonialstaaten zu ihren ehemaligen Kolonien liegt es nahe, die wirtschaftlichen Verknüpfungen zwischen beiden näher zu betrachten, da dieser Bereich in kolonialen Beziehungen meist einen Hauptaspekt derselben darstellt. Mit Hilfe „eines absatz und rohstoffpolitisch motivierten Neomerkantilismus“[9] war es Frankreich zwar gelungen, sich auf den afrikanischen Märkten relativ erfolgreich zu behaupten. Trotzdem ging jedoch die relative Bedeutung Afrikas insgesamt, aber vor allem diejenige des frankophonen Afrikas für den französischen Außenhandel zurück.[10] So betrug der Anteil Afrikas am französischen Außenhandel 1960 noch etwa 15 % und 1965 betrug der Anteil der ehemaligen französischen Kolonien an diesem Handel etwa 80 %. Anfang der 90er Jahre importierte Frankreich nur noch etwa 7 % seiner Waren aus Afrika und lieferte 5.6 % seiner Ausfuhren dorthin. Der Anteil der ehemaligen Kolonien war zu dieser Zeit auf ca. 67 % am französischen Warenaustausch mit Afrika gefallen.[11] Betrachtete man jedoch die Einfuhrgüter aus Afrika näher, wird deutlich, dass dort Rohstoffe, die für die französische Rüstungsindustrie und für den Energiesektor von herausragender Bedeutung waren, eine große Rolle spielten. Diese Interessen, vor allem in den ressourcenreichen Staaten Afrikas, sind bis heute erhalten geblieben, wie man am Gewicht der rohstoffreichen Länder im französisch-afrikanischen Handel erkennen kann.[12] Des Weiteren spielte (und spielt immer noch) der afrikanische Markt für einzelne französische Firmen eine herausragende Rolle.[13] Allerdings ist offensichtlich, dass die wirtschaftlichen Interessen Frankreichs innerhalb von Afrika zurückgegangen sind.[14]

2.2.2. geopolitische Ambitionen der Grande Nation

Ein weiterer, im Gegensatz zu den wirtschaftlichen Verknüpfungen, stabilerer Grund liegt im Selbstverständnis der Grande Nation, die, so Stefan Brüne, seit de Gaulle eine relativ konstante Subsahara-Politik Frankreichs bewirkt habe. Brüne beschreibt das Verhalten Frankreich als „Ausdruck einer geopsychologische Ambition: des Versuchs, sich nach historischen Demütigungen und trotz begrenzter Macht- und Wirtschaftspotentiale in den internationalen Beziehungen neben den USA und der UDSSR als eigenständiger Machtfaktor zu behaupten.“ In dieser Ambition spielte Afrika eine entscheidende Rolle als „geographisch begrenzte, raumfremde Einflusszone“ durch die „Weltgeltungs- und Mittelmachtansprüche“[15] untermauert werden sollten. Oder um mit den Worten Francois Mitterands zu sprechen: „Je suis porteur de plus qu’une tradition,d’intérêts légitimes, de grands intérêts. Je ne peux pas signer- je my refuserai - la disparition de la France de la surface du globe, en dehors de son pré carré.“[16] Zwar gab es durchaus, auch in jüngster Zeit, Beispiele, in denen die französische Position in der internationalen Politik durch die afrikanischen Staaten gestützt wurde, wie bei der Opposition zum anglo-amerikanischen Irakfeldzug 2002.[17] Jedoch generierte sich das französische Engagement keine allgemeine Unterstützung der französischen Außenpolitik durch die afrikanischen Staaten, wie zum Beispiel deren häufiges Abweichen von der französischen Position in der UN-Vollversammlung schon unmittelbar nach der Unabhängigkeit verdeutlicht.[18] Die besondere Rolle, die sich Frankreich dadurch versprach, hatte folglich bestenfalls ideellen Wert.

[...]


[1] Sitz der Regierung in Benin

[2] Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks

[3] Chirac, o.S.

[4] vgl. Andereggen, S.21f.

[5] vgl. Brüne (1995, Afrikapolitik), S.50f.

[6] vgl. Anderegggen, S.62.

[7] Zitat nach: Brüne (1995, Afrikapolitik), S. 59.

[8] ebd. Brüne (1995, Afrikapolitik), S.59-61.

[9] Brüne, (1995, Afrikapolitik), S.191.

[10] vgl. hierzu: Coquet/Daniel/Fourman, S.10-14; Hugon, S.79.

[11] vgl. Coquet/Daniel/Fourman, S.10.

[12] vgl. Froehly, S.472.

[13] vgl. Kühne S.52, Brüne (1994), S.590.

[14] vgl. Kühne S.52.

[15] Brüne (1993), S.143f.

[16] Marchesin, S.9.

[17] vgl. Gillet, o.s.

[18] vgl. Brüne (1995, Afrikapolitik), S.83f.

Ende der Leseprobe aus 30 Seiten

Details

Titel
Die Afrikapolitik der Europäischen Union: Werkzeug französischer Interessen oder Gemeinschaftlicher Konsens?
Hochschule
Universität Trier
Note
2.0
Autor
Jahr
2006
Seiten
30
Katalognummer
V68612
ISBN (eBook)
9783638594721
ISBN (Buch)
9783640346141
Dateigröße
862 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Afrikapolitik, Interessen, Gemeinschaftlicher, Konsens, Frankreich, Subsahara Afrika, EU, Cotonou, Europäische Union, Francafrique, AKP, AKP Staaten
Arbeit zitieren
Tobias Dondelinger (Autor:in), 2006, Die Afrikapolitik der Europäischen Union: Werkzeug französischer Interessen oder Gemeinschaftlicher Konsens?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/68612

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