Typisierungs-, Etikettierungs- und Stigmatisierungsprozesse in der Schule


Seminararbeit, 2000

17 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0.Einleitung

1. Typisierung
1.1. Typisierung eines Schülers durch den Lehrer
1.2 Konsequenzen für einen negativ typisierten Schüler bei der Behandlung und Bewertung durch den Lehrer

2. Etikettierungsprozesse
2.1 Eine Unterscheidung zwischen primärer und sekundärer Devianz basierend
auf Edwin Lemert’s Labeling - Theorie(1967)
2.2 Normalisierung oder Neutralisierung abweichenden Verhaltens
2.3 Etikettierung als Basis für einen Prozeß, der zum verstärkten Auftreten der Devianz führt

3.Stigmatisierungen
3.1. Ursachen für eine erhöhte Rate abweichenden Verhaltens , Gründe für verstärkte Devianz
3.1.1 Einschränkung der legitimen Handlungsmöglichkeiten
3.1.2.Übernahme der zugeschriebenen abweichenden Identität
3.1.2.1 Der äußere soziale Druck als Grund für die Übernahme der zugeschriebenen abweichenden Identität
3.1.2.2 Subkulturen als Grund für die Übernahme der zugeschriebenen abweichenden Identität

4. Schlußfolgerungen in Lösel´s Text

Literaturliste

0. Einleitung

Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit Typisierungs- Etikettierungs- und Stigmatisierungsprozessen innerhalb der Schule. Eine Typisierung spielt sich zunächst nur im Kopf ab, wird diese Typisierung dann jedoch nach außen getragen, so spricht man von Etikettierung. Wenn diese Etikettierung dann schließlich dauerhaft wird, so spricht man von Stigmatisierung. Grundlagen für diese Arbeit sind erstens der Text von Friedrich Lösel: „Prozesse der Stigmatisierung in der Schule“ bezüglich des Typisierungs- und Stigmatisierungsbegriffs und zweitens der Text „Labeling- Prozesse und ihre Konsequenzen für den Schüler“ von David H. Hargreaves bezüglich der Labeling- Theorie. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf der Behandlung von Etikettierungsprozessen basierend auf Edwin Lemert’s Theorie und den Stigmatisierungsprozessen in der Schule. Auf diese Aspekte der Untersuchung abweichenden Verhaltens und der dauerhaften Folgen einer Etikettierung wird in den Kapiteln zwei und drei genau eingegangen. Es soll also insbesondere um die Behandlung der Frage gehen, welche Konsequenzen die Etikettierung eines Verhaltens als abweichend für den Erzeuger oder Urheber dieses Verhaltens hat. Ein abweichendes Verhalten setzt im Zusammenhang Schule immer einen Interaktionsprozeß zwischen einem Lehrer und einem Schüler voraus. Der Schüler zeigt ein Verhalten, und der Lehrer beobachtet, sanktioniert und bewertet dies. Es soll also auch um diese Interaktionsprozesse innerhalb der Schule zwischen Lehrer und Schüler gehen, die ein abweichendes Verhalten in Form einer Verletzung der schulischen Normen- und Wertemuster durch den Schüler voraussetzen. Es geht hierbei nicht um die Frage „Warum stören oder versagen Schüler; weichen also von den Normen ab?“, sondern im Vordergrund geht es um die Frage nach den Personen, die ein Verhalten als abweichend erkennen und die Folgen einer Einstufung des Verhaltens als abweichend für den Erzeuger.

1 . Typisierung

1.1Typisierung eines Schülers durch den Lehrer

Generell kann festgestellt werden, daß Lehrer in ihrem Verhalten häufig dazu neigen, Schüler, die gegen die vorherrschenden schulischen Normen des Lehrers verstoßen, als generell abweichenden Charakter einzustufen. Das ideale Verhalten, daß ein Schüler zeigen sollte, wird von den Lehrern sehr häufig mit den Attributen Ordentlichkeit, Konformität und Passivität beschrieben Es dominiert also in den Schulen oftmals die Forderung nach Anpassung. Lehrer konzentrieren sich häufig sehr stark auf „charakterliche Eigenschaften“ und weniger auf das soziale Verhalten oder die Intelligenz der Schüler. Verstößt ein Schüler gegen die Normen des Lehrers, so wird dieses Verhalten als abweichend angesehen und oftmals erweitert der Lehrer daraufhin sein Bild vom abweichenden Verhalten auch auf viele andere Eigenschaften des Schülers, ohne wirklich etwas darüber zu wissen. Da das Normen – und Wertesystem der Lehrer, so Lösel, hauptsächlich durch die Werte der statusorientierten Mittelschicht definiert wird, liegt die Folgerung auf der Hand, daß es im schulischen Interaktionsprozeß zwischen “Unterschichtenkindern“ und Lehrer oftmals zwangsläufig zu Konflikten kommen muß. Das Unterschichtenkind hat Probleme, sich an Sprache, Interaktionsmuster und Konfliktbewältigungsschemata anzupassen, aber die Lehrer können diese Probleme häufig nicht bewältigen, sondern sie verstärken sie noch. Leistungsversagen, Verhaltensauffäligkeiten und gehäufte Besuche von Haupt- und Sonderschulen können die Folge sein. Es findet also häufig eine unbegründete Generalisierung in den unterschiedlichsten Bereichen statt. Wenn die Leistung des Schülers beispielsweise nicht zufriedenstellend ist, sucht der Lehrer oft nach für ihn naheliegenden Begründungen für dieses abweichende Verhalten. So stellte Höhn (1967) fest, daß schlechten Schülern auch charakteristische Eigenschaften wie Unordentlichkeit, Unvermögen, Interesselosigkeit, Faulheit und Lügen oftmals ungerechtfertigt unterstellt werden. Minderbegabung, die eigentliche Ursache für schwache Schulleistungen wird zu selten in Betracht gezogen. „Den Großteil der schlechten Schüler und Schülerinnen beurteilen die Lehrer vorwiegend oder generell negativ.“[1] Desweiteren wird das Bild von einem schlechtem Schüler im Kopf des Lehrers wie bereits zuvor erwähnt wurde von der Begründung des „Schlechtseins“ durch die ungünstige, ungepflegte, sozial niedrige Herkunft des betroffenen Schülers begleitet. Lehrer bedienen sich gerne dieser Begründung des schlechten Verhaltens, weil sie die Schuld dafür vollständig aus ihrem eigenen Verantwortungsbereich verlagert. Es wird also eine oftmals falsche, aber einfache

Erklärung in der sozialen Herkunft und im sozialen Umfeld des Kindes gefunden. Sämtliche Beurteilungen stehen also sehr häufig mit der sozialen Herkunft des Kindes in Verbindung. Deshalb stufen Lehrer leistungsschwache Kinder eher als kriminell ein als starke Schüler und Unterschichtenkinder werden als potentielle Abweichler eingestuft. Es finden also permanent Stereotypisierungsprozesse statt. Lösel spricht in diesem Zusammenhang den sogenannten „Hof –Effekt, wonach „mit der Zuschreibung eines bestimmten Merkmals auch automatisch eine Reihe anderer, gar nicht beobachteter Merkmale verknüpft“[2] werden. Wer also als ordentlich beurteilt wird, der wird auch häufig als ehrlicher, fleißiger und strebsamer Schüler beurteilt. Der Lehrer schließt also von einer Eigenschaft auf die andere, ohne seine Schlüsse genauer zu hinterfragen. Somit entsteht also ein „Hof“ von Eigenschaftszuschreibungen, der von nicht hinterfragten, oberflächlichen Eindrücken gekennzeichnet ist. Lehrer bauen unter anderem aus den Informationen anderer Lehrer im Kollegium oder etwa aus den Einträgen in den Schulakten ihren eigenen subjektiven „Hof“ bezüglich eines Schülers aufbauen. Die Basis für eine Typisierung ist geschaffen.

Hofer stellte in einer Untersuchung im Jahre 1969 fest, daß ein Lehrer ca. drei bis fünf differierenden Kategorien besitzt, die ihm eine subjektive Einteilung der Schüler ermöglicht. Zu diesen Kategorien zählen unter anderem das Arbeitsverhalten, Begabung und Schwierigkeiten. Es besteht natürlich die Gefahr, daß sich aus solchen Kategorien negative, stereotype Schülerbilder entwickeln, so daß eine objektive Beurteilungen in den Hintergrund gestellt wird. Beim Schulversager wird somit umgehend mit „Faulheit und moralischer Minderwertigkeit“ gerechnet und auch umgekehrt wird bei erziehungsschwierigen Schülern das Schulversagen erwartet. Diese Kategorisierung ist also äußerst negativ, da so dauerhafte Stigmatisierungsprozesse beginnen können. Die Betroffenen werden dadurch mehr und mehr in die Abweichlerrolle gedrängt.

1.2 Konsequenzen für einen negativ typisierten Schüler bei der Behandlung und Bewertung durch den Lehrer

Bezüglich dieses Aspektes stellt Lösel fest, daß sich eine Typisierung im Lehrerurteil keineswegs nur „in abstrakten Beurteilungsstrukturen aufzeigen läßt“[3], sondern sich auch in Situationen wie etwa der Notengebung ganz real im Verhalten des Lehrers manifestiert. Belegt wurde dies beispielsweise in der Untersuchung von Ferdinand und Verleger (1961), denn sie stellten fest, daß als „erziehungsschwierig“ basierend auf ihrem Betragen eingestufte Schüler im Vergleich zu den nicht „erziehungsschwierigen“ Schülern deutlich schlechtere Noten bekamen. Auch bei Schülern mit sonst gleichem Intelligenzquotient war dieses Phänomen zu beobachten. Neun Jahre später konnte Hadley diese Aussage festigen, denn nach seinen Untersuchungen bewerten Lehrer die als „sympathisch“ empfundenen Schüler fern ab von jeder Objektivität weitaus besser als dies den Ergebnissen in einem durchgeführten Schultest entsprach. Es wird also deutlich, daß die Notengebung ganz massiv durch eine Typisierung im Lehrerurteil beeinflußt wird. Selbst wenn ein Lehrer sich kein eigenes Bild von einem Schüler gemacht hat, so wird er , so er denn von einer anderen Person eine Information über die Begabung des Schülers erhält, auch im Sinne dieser Definition subjektiv bewerten. Hierbei wurden nämlich genau die Aufsätze von den Lehrern als besser beurteilt, die den zum Teil falschen Zusatz „von einem guten Schüler“ enthielten. Alle diese Ergebnisse belegen, daß Lehrer negativ typisierte Schüler durch die Notengebung in gewisser Art und Weise sanktionieren. Der betreffende Lehrer hat eine bestimmte Erwartung im Kopf und ist natürlich auch bezüglich der negativen Eigenschaften eines Schülers in höchsten Maße sensibilisiert. Er hat ein gefestigtes Bild davon, wer oft ein abweichendes Verhalten zeigt, und ein Ergebnis dessen ist natürlich eine höhere Kontrollrate des negativ typisierten Schülers. Daraus resultiert natürlich oftmals auch ein Feststellen eines erneuten negativen Verhalten beim Schüler. Beispielsweise wird beim Kontrollieren der Hefte von „schlechten“ Schülern viel genauer kontrolliert, folglich liegt das

[...]


[1] Lösel, Friedrich, Prozesse der Stigmatisierung in der Schule, in :Manfred Brusten, Hohmeier Jürgen: Stigmatisierung 2. Zur Produktion gesellschaftlicher Randgruppen, S. 12

[2] Lösel, Friedrich, Prozesse der Stigmatisierung in der Schule, in :Manfred Brusten, Hohmeier Jürgen: Stigmatisierung 2. Zur Produktion gesellschaftlicher Randgruppen, S. 14

[3] Lösel, Friedrich, Prozesse der Stigmatisierung in der Schule, in :Manfred Brusten, Hohmeier Jürgen: Stigmatisierung 2. Zur Produktion gesellschaftlicher Randgruppen, S. 15

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Typisierungs-, Etikettierungs- und Stigmatisierungsprozesse in der Schule
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Institut für Gesellschaftswissenschaften)
Veranstaltung
Soziologie der Erziehung
Note
1
Autor
Jahr
2000
Seiten
17
Katalognummer
V7057
ISBN (eBook)
9783638144322
Dateigröße
376 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Typisierung, Stigmatisierung, Etikettierung, Labelingprozesse, Schule
Arbeit zitieren
Torben Schmidt (Autor:in), 2000, Typisierungs-, Etikettierungs- und Stigmatisierungsprozesse in der Schule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7057

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