Strategische und soziale Kompetenz bei Managern. Systemische Organisationsberatung


Diplomarbeit, 2006

75 Seiten, Note: 1,8


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einführung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
1.2 Methodische Vorgehensweise

2 Theoretische Grundlagen des systemischen Ansatzes
2.1 Begriffsbestimmung
2.1.1 Systeme und ihre Bestandteile
2.1.2 Funktionsweise sozialer Systeme
2.1.3 Organisationen als soziale Systeme
2.2 Quellen und Geschichte systemischen Denkens
2.2.1 Autopoiesekonzept
2.2.2 Kybernetik zweiter Ordnung
2.2.3 Radikaler Konstruktivismus

3 Formen der Organisationsberatung
3.1 Darstellung ausgewählter Beratungsansätze
3.1.1 Expertenorientierte Beratung
3.1.2 Organisationsentwicklung
3.1.3 Systemische Organisationsberatung
3.2 Die Entwicklung des Berater-Klienten-Systems im systemischen Kontext

4 Der Systemische Berater zwischen Nähe und Distanz
4.1 Die systemische Schleife als Basismodell systemischen Arbeitens
4.2 Systemisches Modell von Kommunikation
4.3 Die Person des Systemischen Beraters innerhalb des Beratungsprozesses
4.3.1 Idealtypische Haltung des Systemischen Beraters
4.3.2 Der Systemische Berater in der Rolle des Beobachters
4.4 Handlungsbegleitende Prinzipien des Systemischen Beraters
4.4.1 Selbstreferenz des Beraters im Beratungsprozess
4.4.2 Von der Allparteilichkeit zur Neutralität
4.4.3 Von der Neutralität zur Neugier
4.5 Leitlinien und Ziele des Systemischen Beraters
4.5.1 Informationsneubildung
4.5.2 Reflektionsfähigkeit
4.6 Systemisches Verständnis von Problemen

5 Die drei Ebenen als Kernprozess systemischer Interventionen
5.1 Das Grundverständnis systemischer Interventionen
5.2 Die wichtigsten Interventionsebenen mit ihren fünf Dimensionen
5.2.1 Ebene Architektur
5.2.2 Ebene Design
5.2.3 Ebene Werkzeuge und Techniken
5.3 Systemische Interventionstechniken
5.3.1 Hypothesenbildung
5.3.2 Zirkuläre Fragen
5.3.3 Paradoxe Intervention
5.3.4 Positive Konnotation

6 Fazit

Literaturverzeichnis

Internetquellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Wurzeln des Systemansatzes

Abbildung 2: Das Berater-Klienten-System

Abbildung 3: Prozessmodell ‚systemische Schleife’

Abbildung 4: Selbstreferenz im Beratungsprozess

Abbildung 5: Architektur, Design, Werkzeuge / fünf Interventionsdimensionen

1 Einführung

1.1 Problemstellung und Zielsetzung

Der schnelle Wandel in den Kundenbedürfnissen und den Technologien bestimmt das Bild der Unternehmen in einer globalisierten Wirtschaft. Ob es Fusionen oder Übernahmen, Prozesse des Outsourcing oder des Reengineering, Veränderungen der internen Kooperationsstrukturen oder der Hierarchie sind, mehr als bisher müssen Unternehmen komplexe Prozesse initiieren, Aufgaben zuteilen und dabei die neuen Prozesse an die veränderten Ziele und Rahmenbedingungen anpassen und weiterentwickeln. In dieser Situation des erhöhten Komplexitätsgrades sowie eines wachsenden Koordinationsbedarfes, reichen stabile Strukturen oder feste Regeln allein nicht mehr aus. An dieser Stelle bedarf es genauer Kenntnis der konzeptionellen Hintergründe von Veränderungen. Neben Visionen, Hoffnungen und Perspektiven rufen diese Veränderungsprozesse häufig Ängste, Widerstände und somit ein Abwehrverhalten bei den betroffenen MitarbeiterInnen hervor. Strategische und soziale Kompetenz bei Managern spielt daher eine immer wichtigere Rolle, insbesondere wenn Lösungen gemeinsam mit denen erarbeitet werden, die sie nachher einsetzen und leben sollen. Systemkompetenz zu entwickeln und anzuwenden wird somit zu einer Schlüsselqualifikation für viele Verantwortliche in Unternehmen.

Die neuen Herausforderungen, vor denen die Veränderungsvorhaben in Unternehmen stehen, werfen aus genannten Gründen neue Steuerungsprobleme auf. Es bedarf einer innovativen sowie gleichermaßen zielorientierten Vorgehensweise. Damit verbunden ist das Wissen über methodische Konzepte, die Veränderungen und damit auch Weiterentwicklungen anstoßen sollen. Die wachsende Komplexität von Informationen, Kostendruck und Wettbewerb trägt ebenfalls in erheblichem Maße dazu bei, dass sich Unternehmen ohne professionelle Hilfe den Anforderungen des modernen Marktes und dem damit einhergehenden Veränderungsdruck nicht mehr alleine gewachsen sehen. Die Lösungen der Unternehmensprobleme werden in den Konzepten und Tools der professionellen Berater gesehen. Damit rückt das Betätigungsfeld der Organisationsberatung in den Vordergrund.

Um den gestiegenen und individuellen Anforderungen an Beratungsleistungen gerecht zu werden, welche die Komplexität der Unternehmen fordern, hat sich die Beratungsbranche selbst intern ausdifferenziert, da an dieser Stelle die traditionellen Beratungsformen an ihre Grenzen stoßen würden. Die angesprochenen hochkomplexen Problemstellungen lassen sich immer weniger sinnvoll durch die Bereitstellung von externem Expertenwissen oder Management Know-how bewältigen. In diesem Zusammenhang kommt der Organisationsberatung eine andere Bedeutung zu. Die Art und Weise, wie beraten wird, d.h. die Gestaltung und Steuerung von Problemlösungsprozessen mit Hilfe der Beratung im Unternehmen, rückt in den Vordergrund. Die Beratung setzt an dem Punkt an, wo bislang eingespielte Kommunikations- und Kooperationsgewohnheiten zur Bearbeitung der anstehenden Aufgaben und Problemstellungen nicht mehr ausreichen. Im Grundsatz geht es um die Unterstützung des Unternehmens als soziales System im Bereich der Eigenkomplexitätssteigerung. Diese veränderte Eigenkomplexität von Organisationen[1] erzeugt auch auf Beraterseite einen qualitativ neuen Professionalisierungsdruck. Demzufolge haben sich in den vergangenen Jahren neben der klassischen Organisationsberatung neue Beratungskonzepte etabliert, die bei den Klienten eher auf den Ausbau von Reflexionsfähigkeiten und systemtheoretischem[2] Hintergrund setzen und somit Erklärungs- und Vorgehensmodelle liefern.

Der / die Systemische OrganisationsberaterIn besitzt die notwendige Prozess- und Sozialkompetenz sowie Kenntnisse über Modelle und Techniken der Gestaltung, Steuerung und Umsetzung von Problembearbeitungen sowie Veränderungsprozessen. Der systemische Ansatz hat sich daher mittlerweile zu einer attraktiven Organisationsberatungsmethode in Wirtschaft und Non–Profit–Organisationen entwickelt. Dieser Lernansatz zählt zu den schwierigsten aber auch nachhaltigsten in dem Feld der Organisationsberatung. Aus diesem Grund soll der Versuch unternommen werden, diejenige Sparte der Organisationsberatung darzustellen, die aus einer möglicherweise noch ungewohnten, soziologisch orientierten Position heraus Beratungsdienstleistungen anbietet und sich offensichtlich von dem traditionellen Beratungsansatz abhebt. Einerseits soll die Komplexität des Ansatzes verdeutlicht werden und andererseits soll ein Einblick in die Praxis der Systemischen Organisationsberatung, in konkrete Methoden und Interventionsmöglichkeiten gegeben werden. Aus diesen Einblicken ergibt sich das Erkenntnisinteresse, ob sich die Systemische Beratung auch in Zukunft auf dem Beratermarkt etablieren wird und welche ökonomische Relevanz sowie Nutzen dieses Konzept in Zukunft ihren Klienten stiften kann.

1.2 Methodische Vorgehensweise

Der erste Teil (Kapitel 1) widmet sich der Problemstellung und Zielsetzung und geht auf die behandelten Themenbereiche sowie auf die Struktur der Arbeit ein. Durch eine kompakte Einführung in das systemische Paradigma sollen in Kapitel 2 die Grundannahmen und Grundbegriffe systemischen Denkens für die Beratungsarbeit, die für die weitere Vorgehensweise entscheidende Bedeutung haben, aufgezeigt werden. Daran anschließend, werden die Wurzeln des Systemansatzes und das darauf gründende Verständnis von Organisationen dargestellt. Es soll ein Überblick über die wesentlichen Bewegungen dieses Ansatzes geschaffen werden. Hierbei wird auf komplexitätsorientierte Theorien wie die Systemtheorie, Autopoiese und den Konstruktivismus eingegangen. Dabei geht es nicht nur um eine allgemeine Einführung in die Systemtheorie, vielmehr sollen die wichtigsten theoretischen Konzepte und Modelle, auf denen systemisches Arbeiten beruht, dargestellt werden.

Diese theoretischen Überlegungen werden im Anschluss in Kapitel 3 auf die Beratertätigkeit übertragen. Dieser Teil stellt sowohl die Theorien der klassischen als auch der Systemischen Organisationsberatung dar. Als Ausformulierung der klassischen Organisationsberatung wurden die Expertenberatung und die Organisationsentwicklung aufgenommen. Um eine gute Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Ansätze zu gewährleisten, werden zunächst jeweils ähnliche Gesichtspunkte untersucht wie z.B. die Rolle des Beraters oder mögliche Methoden des jeweiligen Ansatzes, bevor mögliche Hemmnisse innerhalb dieser Modelle diskutiert werden.

Bei der komprimierten Darstellung des Systemischen Beratungsansatzes im Vergleich zu den traditionellen Beratungsansätzen, lassen sich praktische Relevanz und fortgeschrittene Theoriebildung verbinden. Bei einer vertiefenden Betrachtung dieses Ansatzes wird geprüft, ob diese Beratungsform die an sich selbst gestellten Aufgaben auch erfüllt. Schließlich rundet ein Blick auf die Entwicklung des Berater-Klienten-System, das zur Problemlösung immer systemisch mitreflektiert werden muss, diesen Teil ab.

Die Wirkweise systemischen Arbeitens wird beispielhaft mit einer Betrachtung auf die systemische Haltung des Beraters und dessen Wirkung in den Systemen in Kapitel 4 dargestellt. Da ein Berater in dem Feld der Systemischen Organisationsberatung mit einem Fundus an Wissen und Handlungsoptionen zu operieren hat, liegt ein besonderes Gewicht der Problemaufnahme auf der Betrachtung der Steuerprobleme hochkomplexer Sozialsysteme. So wird auf die Leitlinien und Ziele des Systemischen Beraters und dessen handlungsbegleitenden Prinzipien eingegangen.

Es soll also einerseits die Komplexität des systemischen Ansatzes mit seiner Vielschichtigkeit und seinen Mehrdeutigkeiten in angemessener Differenziertheit dargestellt werden, andererseits soll aber auch ein möglichst klarer Einblick in die Praxis der Systemischen Organisationsberatung, in konkrete Methoden und Interventionsmöglichkeiten gegeben werden. Insoweit wird mit der Vorstellung des Gerüstes der Beratung in Kapitel 5 die Brücke zu den wesentlichen drei Ebenen als Kernprozess systemischer Interventionen und ihren fünf Dimensionen geschlagen. Gesprochen wird von der Architektur, dem Design sowie den Werkzeugen und Techniken der Beratung. Die Interventionsebenen haben wiederum jeweils fünf Dimensionen: die sachlich-inhaltliche, die soziale, die zeitliche, die räumliche und die symbolische Dimension. Mit Hilfe konkreter Interventionsmöglichkeiten, die exemplarisch anhand von Grundtechniken vorgestellt werden, sollen neue Perspektiven und neue Einsichten im Klientensystem entstehen.

Das Fazit beschließt die Arbeit mit einer aktuellen Reflexion auf Management- und Beratungsaufgaben, die sich in Zukunft stellen könnten, gespiegelt an den herausgearbeiteten Erkenntnissen und mit Blick auf die Notwendigkeit Systemischer Beratung. Die behandelten Themen und Thesen entsprechen hierbei der Sicht Systemischer Organsberatung. Die Ausführungen können jedoch in gleicher Weise auf den Managementprozess bezogen werden, wenn systemisches Arbeiten aus den eigenen Reihen und internen Kompetenzen geschieht. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Arbeit Gelegenheit bietet, systemische Arbeitsmöglichkeiten im Bereich der Organisationsberatung kennen zu lernen, den Einsatz systemischer Methoden und Techniken zu verstehen und sich mit den Besonderheiten in diesem Bereich auseinander zu setzen.

Im weiteren Verlauf wird auf die Verwendung von geschlechterspezifischer Doppelform verzichtet und nur die männliche Form des Beraters genannt, wobei sich dies immer auf beide Geschlechter bezieht.

2 Theoretische Grundlagen des systemischen Ansatzes

2.1 Begriffsbestimmung

Begriffe repräsentieren grundlegende Gedankengänge und sind Theorie in komprimierter Form. Zum besseren Verständnis der weiteren Ausführungen werden in einem ersten Schritt die Basisbegriffe und fundamentale Grundannahmen, auf denen die Systemische Organisationsberatung basiert, näher erläutert. Dabei wird der Begriff des ‚Systems’ vorangestellt, gefolgt von einer kurzen Erläuterung der Vorstellung von ‚sozialen Systemen’. Beide stehen in engem Zusammenhang mit dem Begriff der ‚Organisation’.

2.1.1 Systeme und ihre Bestandteile

„Der zentrale Grundbegriff jedes systemischen Ansatzes und somit auch der Systemtheorie ist das System.“[3] Doch obwohl der Systembegriff mittlerweile in unserer Alltagssprache fest angesiedelt ist, findet sich in der gesamten Systemtheorie bis heute kein eindeutiges Verständnis dieser Begrifflichkeit. Entsprechend vielfältig und verschwommen ist sein Gebrauch.

Verschiedene Versuche wurden unternommen diesen zentralen Grundgedanken zu beschreiben: Bertalanffy (1972) beispielsweise sieht ein System als eine Menge von Elementen, die in einem abgegrenzten oder abgrenzbaren Bereich miteinander in ständiger Wechselbeziehung stehen.[4] Charakteristisch für ein System ist seine Komplexität, die aus vielen voneinander vernetzten Variablen besteht. Jedes betrachtete System, jeder als System wahrgenommene Realitätsausschnitt wird aus stabilen Subsystemen aufgebaut und bildet weitere übergeordnete Systeme. Durch die Vernetzung erzeugt jede Veränderung an einem Element eine Neben- und Fernwirkung bei den übrigen Elementen.[5] Watzlawick bezeichnet dies als kreisförmiges aufeinander einwirken, wobei jede Einzelbewegung des Systems zu einer Ursache für und Wirkung von anderen Einzelbewegungen führt. Die Gestalt des Systems wird dadurch bestimmt, dass sich das System auf einen bestimmten Gleichgewichtszustand einpendelt, der die effektivsten Veränderungsbemühungen zulässt.[6] Zerfällt ein System in seine Bestandteile, lassen sich diese wieder zu neuen Systemen zusammensetzen.[7]

Die hier beschriebene Art von Systemen kann auf den unterschiedlichsten Ebenen beobachtet werden. Von der kleinsten Bakterie angefangen bis hin zum Menschen, sind diese Systeme durch ihre Verflechtungen integrierte Ganzheiten bzw. komplexe Systeme, deren Eigenschaften sich nicht auf die kleineren Teile reduzieren lassen, sondern deren spezifische Strukturen sich aus den wechselseitigen Beziehungen und Abhängigkeiten ihrer Teile ergeben.[8] Neben den Vorgenannten, werden Unternehmen demnach ebenfalls zu Systemen gezählt, da Menschen, Maschinen und Informationen dort aufeinander treffen und das Unternehmen selber Teil übergeordneter Systeme ist (Markt, Gesamtwirtschaft, Kultur etc.).[9] Infolgedessen wird nicht nur das Individuum als komplexes System verstanden, sondern auch das Unternehmen mit all seinen Mitarbeitern. Der Mensch als komplexes System präsentiert sich aber nicht als isoliertes Individuum, sondern lebt in einem System und wird Teil eines Systems.[10] Auch das Unternehmen ist als System durch ein unsichtbares Geflecht von zusammenhängenden Handlungen verschiedenster Mitarbeiter verbunden.[11] So wird die Struktur des Unternehmens durch jede Einzelbewegung bzw. Handlung eines Mitarbeiters (Individuums) geprägt und verursacht wiederum Wechselwirkungen im gesamten Umfeld. Denn nicht die Mitarbeiter selbst bilden die Struktur des Unternehmens, sondern Handlungen im inneren Umfeld.[12]

Lebende Systeme haben im Unterschied zu nicht lebenden Systemen (z.B. Maschinen) eine gewisse Autonomie, dies bedeutet sie organisieren sich selbst, anstatt ihre Organisation von der Umwelt auferlegt zu bekommen. Dies bedeutet aber nicht die Isolierung von der Umwelt. Gegenteilig stehen lebende Systeme mit ihrer Umwelt in ständiger Wechselbeziehung und ihr Wesen erwächst aus dieser Beziehung zur Umwelt. Im neuen Paradigma setzt sich nunmehr die Überzeugung durch, dass das lebende System Umwelteinflüsse selektiv wahrnimmt und so seine Umwelt konstruiert, wobei der faszinierend neue Aspekt in der Betrachtung liegt, dass der Erkennungsprozess als wesentlicher Teil der Selbstorganisation angesehen wird.[13] Hierbei entscheidet das System selbst über seine zu betrachtenden Umwelten, d.h. jedes Individuum produziert seine eigene Wirklichkeit. Dazu können bei einem Unternehmen z.B. Kunden und Lieferanten oder sogar die öffentliche Meinung gehören. Aber auch die innere Umwelt, eben die Mitarbeiter eines Unternehmens, können dem angehören.[14] Dabei operieren lebende Systeme grundsätzlich innerhalb ihrer eigenen Grenzen, die wiederum veränderbar sind. Doch können Systeme nicht außerhalb ihrer selbst agieren, lediglich können Sie über strukturelle Kopplung[15] miteinander verknüpft sein und über diesen Austausch neue Grenzen ziehen.[16] Je dynamischer der Systemzustand hierbei ist, desto größer seine Flexibilität Veränderungen zuzulassen und Sichtweisen zu verändern, die eine veränderte Wirklichkeit ermöglichen.[17]

Angesichts der vorbezeichneten Punkte ist es sinnvoll, je nach Gegenstandsbereich zwischen verschiedenen Systemarten zu unterscheiden und nicht nur von dem Systembegriff auszugehen. Maschinen werden beispielsweise als technische Systeme verstanden, Pflanzen als biologische und Arbeitsteams als soziale Systeme.[18] Aufgrund der weiteren Betrachtung des sozialen Systems soll dieser Begriff ebenfalls erläutert werden.

2.1.2 Funktionsweise sozialer Systeme

Um die Organisation des jeweiligen Klienten zu verstehen, ist die Funktionsweise des Systems zu analysieren, indem die Merkmale sozialer Systeme genauer betrachtet werden.[19] Aus Sicht des Beraters verändern sich soziale Systeme aus eigenem Antrieb. Der Berater kann versuchen die Voraussetzungen für Veränderungsprozesse zu schaffen und auf die Lebendigkeit des Systems zu vertrauen.[20]

Die betreffenden Personen z.B. die Mitarbeiter eines Unternehmens oder einer Arbeitsgruppe bilden die Elemente eines sozialen Systems. Bei der Betrachtung von Unternehmen als soziale Systeme, stehen die Handlungen und Handlungsmuster, die das jeweilige Unternehmen charakterisieren, im Mittelpunkt. Wobei nur die arbeitsrelevanten Handlungsweisen der Mitarbeiter zur Organisation gehören. Der Mitarbeiter als Privatperson spielt hierbei nur eine indirekte Rolle. Wie vorangehend bereits beschrieben, machen nicht die Mitarbeiter an sich die soziale Struktur aus, sondern deren Handlungen.[21] In diesem Kontext wird die Eigendynamik von komplexen sozialen Systemen und deren Grenzen der Steuerbarkeit zumeist unterschätzt (System/Umwelt-Differenz). Auf der anderen Seite eröffnet gerade diese Eigendynamik neue Entwicklungs- und Gestaltungschancen. Der wesentliche Unterschied zu technischen und biologischen Systemen liegt in der Fähigkeit des sozialen Systems zu handeln und sich ein Bild von der Wirklichkeit zu machen und ebenfalls zu kommunizieren, anstatt lediglich zu reagieren.[22] Dieses Verhalten wird durch die jeweiligen persönlichen Ziele und Absichten, durch subjektive Deutungen (warum etwas nicht funktioniert oder eben doch), Befürchtungen, Hoffnungen sowie Empfindungen geleitet. Beispielsweise macht sich ein Mitarbeiter subjektive Gedanken über seine Stärken und Schwächen, den sozialen Kontakten zu seinen Kollegen und Vorgesetzten, seinen persönlichen Wirkungsgrad im Unternehmen und damit von seinen und den generellen Zukunftsaussichten des Unternehmens. Entsprechend dieser selbst entwickelten Bilder und Vorstellungen, aus denen er seine soziale Arbeitswelt konstruiert, kommuniziert er.[23]

Die Mitarbeiter eines Unternehmens sind daher als relevante innere Umwelten zu sehen, die aufgrund ihrer jeweiligen Motivation und Wirklichkeitskonstruktion, Ausbildung sowie privater und beruflicher Vorgeschichte Handlungen herbeiführen und beeinflussen können. Bei Veränderungsprozessen in einem Unternehmen sind die Interventionen daher nicht bei den Mitarbeitern, vielmehr bei deren sozialen Handlungen anzusetzen. Nicht die einzelnen Persönlichkeiten der Mitarbeiter sollen im Prozess verändert werden, sondern es sollen Voraussetzungen geschaffen werden, die andere Verhaltensweisen ermöglichen.[24]

Bei dieser Betrachtung des Unternehmens als soziales System bestehen keine festen Grenzen der Beobachtung.[25] Worauf ein Beobachter seine Aufmerksamkeit legt, hängt von dessen Perspektive ab. Richtet sich die Beratung z.B. nur auf das Verhältnis zwischen Mitarbeiter und Vorgesetzten, dann gilt anderen Personen in diesem Zusammenhang keine Aufmerksamkeit und die beiden Personen werden als ein soziales System definiert. Hierbei wird jedoch nicht ausgeschlossen, dass andere Personen für dieses System auch relevant sind oder noch werden könnten. Zudem wird jedes soziale System durch bestimmte Regeln bestimmt, wie zum Beispiel die Arbeitsteilung, die Organisationsstruktur sowie eine Reihe von Regeln, die das Verhalten der Mitglieder dieses Systems organisieren. Auf der Grundlage dieser Regeln kann es zu gemeinsamen Deutungen kommen beispielsweise die gemeinsamen Sichtweisen der Mitarbeiter über ihre Organisation, ihr Team und ihr Unternehmen.[26]

Diese Sichtweisen können unter dem Begriff der ‚Unternehmenskultur’ zusammengefasst werden und beeinflussen das Verhalten eines jeden Mitarbeiters. Dieses Verhalten des betreffenden Sozialsystems ist nicht nur allein durch Regeln bestimmt, sondern zudem durch die Systemumwelt. Hierzu lassen sich unterschiedliche Umwelten unterscheiden: Die materielle Umwelt spielt für den Mitarbeiter eine große Rolle wie z.B. die Gestaltung und Ausstattung des Arbeitsplatzes, die vorhandenen Geräte, der Arbeitsraum, die Gebäude oder auch die räumliche Anlage des Unternehmens. Das Verhalten des Sozialsystems wird ebenfalls bestimmt durch die Personen und Sozialsysteme außerhalb des betreffenden Systems, wozu möglicherweise andere Bereiche des Unternehmens gehören, wie etwas die Geschäftsleitung, aber auch bestimmte Kunden oder möglicherweise externe Berater, die für die Abteilung Teil der Systemumwelt sind. Auch die Werte, Normen und Regeln, die von außerhalb das soziale System beeinflussen, sind bei dieser Betrachtung zu berücksichtigen.[27]

Eine nichtvorhandene Motivation des Mitarbeiters kann somit von außerhalb befindlichen Systemen beeinflusst werden z.B. von der Entscheidung der Geschäftsleitung, ein bestimmtes Projekt des Mitarbeiters frühzeitig zu beenden.

Damit wird deutlich, dass auch der Begriff des sozialen Systems nicht eindimensional zu betrachten ist, sondern dass sich viele Facetten der Deutungsperspektive und der daraus entstehenden Interventionsmöglichkeiten für eine Beratung ergeben.[28][29]

2.1.3 Organisationen als soziale Systeme

Ursprünglich ist der Begriff der Organisation abgeleitet aus ‚organon’, was übersetzt soviel wie Werkzeug bedeutete. Später wird mit diesem Begriff der Teil eines Ganzen verbunden. Heute bezeichnet ‚Organisation’ zum einen den Ordnungsrahmen für das betriebliche Geschehen und zum anderen das soziale Gebilde, z.B. ein Unternehmen oder einen Verein selbst (institutioneller Organisationsbegriff).[30] Und ebenso wie der Begriff des Systems findet auch der Organisationsbegriff umgangssprachlich Verwendung. Doch auch er bereitet im Kontext seines interdisziplinären Charakters Schwierigkeiten und wird ungleich verstanden, da organisationstheoretische Ansätze aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen bekannt sind. Aufgrund der vielfältigen Betrachtungsmöglichkeiten aus betriebswissenschaftlicher, psychologischer oder soziologischer Perspektive, sind sehr unterschiedliche Definitionen des Begriffs entstanden.[31]

Nach der traditionell, betriebswirtschaftlichen Organisationslehre sind Organisationen zielgerichtete, absichtsvoll und rational gestaltete Gebilde, innerhalb deren Menschen zweckrational handeln.[32] „Systemische Organisationstheorie erschüttert dieses Bild, indem sie die Komplexität und Dynamik, die Ambivalenz und Widersprüchlichkeit, das Prozesshafte und Konfliktträchtige als Wesensmerkmale von Organisationen hervorhebt.“[33]

Die Merkmale des systemtheoretischen Organisationsbegriffs sind Vernetztheit, Komplexität, Offenheit gegenüber der Umwelt, Ordnung und Selbstorganisation.[34] Dabei ist „die These, dass Unternehmen als eigendynamische, offene, komplexe und geordnete gesellschaftliche Systeme mit der Fähigkeit der Selbstlenkung und Selbstorganisation zu erfassen und zu gestalten sind.“[35]

In der soziologischen Betrachtung wird eine Organisation als mehrdimensionales ‚soziales System’ bezeichnet, welche nur existieren kann, indem sie ein Subsystem von größeren Systemen ist bzw. mit anderen Systemen kommuniziert und Beziehungen aufbaut. Königswieser und Hillebrand führen in diesem Zusammenhang das Beispiel eines Firmeneigentümers an, der seine Firma als Instrument zur Vermehrung seines investierten Vermögens sieht und demzufolge auch seine Angestellten. Theoretisch würde ihm eine vollautomatische Fabrik ohne Menschen ausreichen. Folglich hätte er keine (menschliche) Organisation, wäre aber auf menschliche Leistungen in Bezug auf den Bau der Fabrik oder die Wartung der Maschinen angewiesen. Dieser Unternehmer ist demnach abhängig von anderen Organisationssystemen und in letzter Konsequenz auch von dem entsprechenden Gesellschaftssystem in dem seine Organisation existiert.[36]

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Inhalt des Organisationsbegriffs nicht eindeutig erfasst ist und dass eine Unterscheidung des Systems im instrumentellen Sinne, das System als Unternehmen hat eine Organisation, und im institutionellen Sinne, das System als Unternehmen ist eine Organisation, eine Notwendigkeit für das Organisationsverständnis darstellt.[37] Wie nun ein externer Berater zu einem erfolgreichen ‚Mitspieler’ innerhalb dieses Systems wird und durch systemische Interventionen bei einer Organisation einen Veränderungsprozess bewirken kann, wird ab Kapitel 3 näher erläutert.

2.2 Quellen und Geschichte systemischen Denkens

Nach verschiedenen klassischen und neoklassischen Managementtheorien des frühen 20. Jahrhunderts, die eher technisch orientiert waren, hält seit Mitte des 20. Jahrhunderts erstmals eine soziologische Theorie Einzug: die Systemtheorie, die menschliches Verhalten in Gesellschaften und Organisationen zu erklären versucht und sich mit Möglichkeiten und Grenzen des Erkennens und Beschreibens von Wirklichkeiten befasst, wobei die Komplexität im Vordergrund steht.[38]

Wie in Kapitel 2.1.1 bereits dargestellt wurde, ist der Begriff ‚systemisch’ mittlerweile im Management- und Beratungsbereich zu einem Modewort mit nahezu inflationärem Gebrauch avanciert. Daher ist das dem Systemischen Beratungsansatz zugrunde liegende Verständnis zu konkretisieren.[39] Sucht man in diesem Zusammenhang nach einer Unterscheidung des ‚systemischen Denkens’ zu anderen Formen des Denkens (z.B. dem westlichen Alltagsdenken), so kann gesagt werden, dass systemisches Denken Erklärungen verwendet, die sich aus der Systemtheorie ableiten lassen.[40] Durch die vielen Konzepte der Systemtheorie, die über Jahre entwickelt wurden, existieren zahlreiche Varianten mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Handlungskonsequenzen. Daher ist nach Wimmer davon auszugehen, dass es die eine Systemtheorie an sich nicht gibt und auch nicht geben wird. „Was es gibt, sind interessante Denkansätze in verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen, die sich wechselseitig enorm befruchten und in ihrer Gesamtheit eine geänderte Auffassung von Wirklichkeit, ein neues Weltbild entstehen lassen.“[41]

Wie Eingangs erwähnt wird die systemische Orientierung seit einigen Jahren immer mehr zu einem Bestandteil verschiedener Anwendungsgebiete und bietet somit weitaus mehr als die Therapie in Familien.[42] In der Vergangenheit waren es zunächst Psychiater und Psychotherapeuten, die als Familientherapeuten mit ganzen Familien statt mit vereinzelten Patienten arbeiteten, bis ihre Ansätze und Methoden auf größere Systeme (Organisationen wie Schulen, Kliniken, Unternehmen) übertragen wurden. Später kam es zur theoretischen Ausformulierung dieser unabhängig von einander entwickelten Ansätze durch verschiedene Soziologen.[43] So hat Systemische Beratung aus unterschiedlichen wissenschafts-theoretischen Konzepten Impulse für neue Denk- und Praxismodelle bekommen. Ihre Methoden und Techniken reichen von der psychotherapeutischen Einzelfallberatung, Paar- und Familientherapie über Supervision bis hin zur Team- und Organisationsberatung und werden längst in anderen Dienstleistungsbereichen wie Unternehmen, Sozialmanagement, Verwaltung und Politik eingesetzt.[44]

Diese Impulse aus Biologie, Physik, Soziologie, Kybernetik, Psychologie sowie weiterer Bereiche, führten auf der Suche nach neuen Wegen zur Bewältigung von Komplexität zu Ansätzen, die sich mit weitgehend unberechenbaren Wirkungsstrukturen und –prozessen auseinandersetzen (z.B. Systemtheorie, Autopoieses oder Konstruktivismus). Diese Ansätze zeigen auf, dass komplexe Systeme nicht mehr als hierarchisierte, rational- und allein durch Regelmechanismen zusammengehaltene Konstrukte betrachtet werden können. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass Organisationen aufgrund der Unberechenbarkeit der Individuen, ihrer Wechselbeziehungsstruktur und der dynamischen Veränderung der Umwelt die Eigendynamik komplexer Systeme annehmen.[45] Der systemische Ansatz wird insofern dahingehend verstanden, als neue Art die Welt zu sehen, sie zu kategorisieren.[46] Ebenso, um Antworten zu finden, wie Systeme zu beschreiben und ihre Funktionsweise zu erklären ist.[47]

Da sich die Theoriebildung des Systemischen Ansatzes über Jahre evolutionär entwickelt hat, kann sie nicht auf einen Begründer zurückgeführt werden, es sind eher eine ganze Reihe von Persönlichkeiten zu nennen, die mit der Entwicklung in Verbindung gebracht werden. In Abbildung 1 werden daher einige wichtige Theorien dargestellt, deren die weitere Betrachtung gelten soll. Genannt werden, der Radikale Konstruktivismus (Foerster von, 1981), die Kybernetik zweiter Ordnung (Foerster von, 1993), das Autopoiesiskonzept der chilenischen Neurobiologen Maturana/Varela (1984).[48] Ebenso wie Luhmann (1996), der dieses Konzept der operativen Geschlossenheit selbstreferentieller lebender Systeme in der Theorie sozialer Systeme (Organisationen und Gesellschaften) und deren organisations-theoretischer Ausgestaltung (vgl. Luhmann 2000 sowie Baecker 1999) zum Ausdruck bringt.[49]

Der Ansatz von Luhmann wird aufgrund der in Kapitel 2.1.2 ausführlich dargestellten ‚Funktionsweise sozialer Systeme’ nicht separat thematisiert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Wurzeln des Systemansatzes[50]

Jedes der erwähnten Modelle hat zur Entwicklung moderner systemischer Therapie und Beratung einen spezifischen Beitrag geleistet, so dass das systemische Arbeiten und gerade die Systemische Organisationsberatung aus den genannten Quellen eine Vielzahl von Anregungen bezogen hat.[51] Die Orientierung an den genannten Praxisfeldern leitet die folgende Darstellung.

2.2.1 Autopoiesekonzept

Hinweise auf die Funktionsweise komplexer Systeme erhält man von der Autopoiese – Theorie, die von den chilenischen Biologen Maturana und Varela geprägt wurde. Der Begriff ‚Autopoiesis’ bzw. ‚Autopoiese’ (altgriechisch: sich selbst hervorbringen) ist eng verbunden mit dem Radikalen Konstruktivismus und der sozialwissenschaftlichen Systemtheorie.[52] Luhmann hat diesen Begriff von Maturana für seine neuere Systemtheorie übernommen. Autopoietische Systeme sind geschlossene und immer auch zugleich offene Systeme. Im Gegensatz zu offenen Systemen, die für die Informationsverarbeitung auf bestimmte Außeninformationen sowie genau festgelegte Abläufe reagieren, erzeugen und steuern sich autopoietische Systeme selbst und sorgen so für ihre fortwährende Existenz.[53]

Nach Luhmann ist Autopoiese als ein rekursives, daher symmetrisches Geschehen zu betrachten, denn das autopoietische System erzeugt selbst die Elemente seiner Existenz und zwar durch operative Verknüpfung zwischen den Elementen, aus denen es besteht.[54] Diese Prozesse gestaltet es so, dass die Integrität seiner Struktur erhalten bleibt.[55] Außerdem spricht man von Autopoiesis, „um auf die Notwendigkeit hinzuweisen, dass alles Leben zu seiner Selbstreproduktion darauf angewiesen ist, durch ein Netzwerk systemeigener Operationen eigene Strukturen und Grundelemente aufzubauen, um sich dann andererseits bei diesem Schaffungsprozess eben auf diese Strukturen und Elemente zu stützen.“[56]

Die Strukturdeterminiertheit des autopoietischen Systems zeigt sich in dem selektiven Abspeichern von den gewonnenen Erfahrungen in Bezug auf die Auseinandersetzung mit seiner Umwelt. Vor dem Hintergrund der vorhandenen Struktur werden die daraus resultierenden Informationen von dem System verdichtet, abrufbar bereitgestellt oder bei Bedarf auch wieder vergessen.[57] Dadurch, dass sich ein autopoietisches System als selbst organisierendes System erklärt, das über eine bestimmte Wahrnehmung des eigenen Wesens verfügt, schafft es sich seine interne Organisation und steht zu seiner Umwelt in einer Art Abgeschlossenheit. Es benötigt diese Umwelt jedoch, um die erforderlichen Grenzen ziehen zu können, innerhalb dieser es agiert.[58] Das System geht mit den für sich relevanten Umwelten eine strukturelle Kopplung ein und bleibt entwicklungsfähig durch ständige Dialoge mit den gleichartig gestalteten Systemen.[59] „Durch diesen ständigen Austausch mit der Umwelt wird das hohe Ungleichgewicht aufrechterhalten, das die selbstorganisierenden Prozesse in Gang hält. Autopoietische Strukturen sind global stabil, aber niemals ruhend.“[60]

2.2.2 Kybernetik zweiter Ordnung

Systemtheorie beschäftigt sich mit der Beschreibung von Systemen und deren Beziehungen untereinander; Kybernetik ist die Lehre der Steuerung von Systemen.[61] Auf dieser Basis leitete der Kybernetiker Foerster von — aus der Erzeugung subjektiver Realitäten im Nervensystem — eine Theorie ab, die die operationelle Geschlossenheit von kybernetischen Systemen interpretiert.[62] Diese Theorie, die sowohl erkenntnistheoretische als auch neurophysiologische Implikationen besitzt, geht der Frage nach, was mit einem Beobachter geschieht, der etwas beobachtet. Das heißt, es werden Beobachter beim Beobachten beobachtet. Diese Verschiebung, bekannt unter dem Begriff ‚Kybernetik zweiter Ordnung’ oder ‚Kybernetik der Kybernetik’, ist eng verwandt mit dem Radikalen Konstruktivismus. Luhmann hat das rekursive Prinzip der Beobachtung der Beobachtung im Bereich der soziologischen Systemtheorie und auf dem kommunikationstheoretischen Feld neurosozialer Kommunikationsmuster angewendet.[63]

Auf die Betriebswirtschaft bezogen, sieht der Berater sich in diesem Kontext als Bestandteil des zu beeinflussenden Systems, auf dessen Selbstorganisation er sich bezieht und entsprechend interveniert.[64] Beobachtungen bedingen Unterscheidungen, mit Hilfe dessen soziale Systeme sich in ihren Realitätsbereichen orientieren. Dabei hängt es davon ab, welche Unterscheidungen der Beobachter vollzieht und somit ständig Differenzen bildet.[65] „Mit Hilfe von solchen Differenzschemata und den dadurch ermöglichten Bezeichnungen und Festlegungen erzeugen beobachtende Systeme Informationen, sei es über sich selbst oder über bestimmte Wirklichkeitsbereiche, in denen sie existieren.“[66] Auf der Grundlage der gewonnenen Informationen bilden Systeme neue Entscheidungen, die dann wiederum die Grundlage weiterer Informationsgewinnung sowie Entscheidungsfindung bilden. Informationen sind also systemeigene Leistungen, die nicht durch z.B. einen Berater ins System hineingetragen sondern lediglich angeregt werden können. Diese Informationen bilden die eigene Wahrnehmung einer Organisation, die durch neue Erfahrungen ständig verändert wird.[67]

[...]


[1] An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass in dieser Arbeit der Begriff der Organisation nur im Sinne einer „Profit-Organisation“ verwendet wird und daher mit dem Begriff des ‚Unternehmens’ gleichgesetzt werden kann.

[2] Aufgrund ihrer Nähe und Einflüsse aus der systemischen Familientherapie (vgl. Kapitel 2) findet sich in der Literatur statt systemtheoretischer Beratung häufiger der Begriff der ‚systemischen Beratung’ (vgl. u.a. Mingers (1996)). Im Folgenden sollen beide Begriffe synonym verwendet werden, da in der Literatur kein qualitativer Unterschied in der Begriffsverwendung festgestellt werden kann.

[3] Grochowiak/Castella (2002), S. 13.

[4] Vgl. Wolf (2003), S. 126.

[5] Vgl. Palupski (2004), S. 30 u. 134.

[6] Vgl. Unger (2002), S. 11.

[7] Vgl. Schiemenz (1994), S. 12.

[8] Vgl. Capra et al (1992), S. 114 f.

[9] Vgl. Palupski (2004), S. 38 u. 61.

[10] Vgl. Schiemenz (1994), S. 12.

[11] Vgl. Senge (1999), S. 15.

[12] Vgl. Königswieser/Lutz (1992), S. 46.

[13] Vgl. Capra et al (1992), S. 114 f.

[14] Vgl. Königswieser/Lutz (1992), S. 46.

[15] Anm.: Kopplung bedeutet Zusammenfügung, Gleichschaltung.

[16] Vgl. Wimmer (1992a), S. 25.

[17] Vgl. Capra et al (1992), S. 114.

[18] Vgl. König/Volmer (1999), S. 20.

[19] Vgl. Ellebracht et al (2003), S. 19.

[20] Vgl. Hirsch (1992), S. 87.

[21] Vgl. Capra et al (1992), S. 117 f.

[22] Vgl. König/Volmer (1999), S. 25.

[23] Vgl. König/Volmer (1999), S. 25.

[24] Vgl. Capra et al (1992), S. 117 f.

[25] Anm.: eine genaue Betrachtung der Beobachtungen des Beraters erfolgt in Kapitel 4.

[26] Vgl. König/Volmer (1999), S. 34.

[27] Vgl. König/Volmer (1999), S. 34.

[28] Vgl. König/Volmer (1999), S. 36.

[29] Anm.: „Interventionen sind bestimmte abgrenzbare Maßnahmen, mit denen versucht wird das Verhalten eines anderen Menschen (bzw. einer Gruppe oder Organisation) nach einem bestimmten Konzept zu beeinflussen oder zu leiten, um dort eine im Vorfeld überlegte Wirkung hervorzurufen“ (Wimmer (1992b), S 23.

[30] Vgl. Klein (1991), S. 65.

[31] Vgl. Klein (1991), S. 63.

[32] Vgl. Königswieser/Hillebrand (2005), S. 31.

[33] Vgl. Königswieser/Hillebrand (2005), S. 31, zit. nach WEICK (1985).

[34] Vgl. Klein (1991), S. 65 f.

[35] Klein (1991), S. 65 f.

[36] Vgl. Königswieser/Hillebrand (2005), S. 29 f.

[37] Vgl. Wolf (2003), S. 38.

[38] Vgl. Wimmer (1992a), S. 11.

[39] Vgl. Wimmer (1992a), S. 82.

[40] Vgl. Simon (2006), S. 12.

[41] Wimmer (1992a), S. 82.

[42] Vgl. Schlippe von/Schweizer (2002), S. 14 f.

[43] Vgl. Simon (2006), S. 7.

[44] Vgl. Schlippe von/Schweizer (2002), S. 14 f.

[45] Vgl. Henning/Isenhardt (1994), S. 106.

[46] Vgl. Wimmer (1992a), S. 63.

[47] Vgl. Ellebracht et al (2003), S. 30.

[48] Vgl. Schlippe von/Schweitzer (2002), S. 23.

[49] Vgl. Kieser (1999), S. 301.

[50] In Anlehnung an Boos et al (2004), S. 9.

[51] Vgl. Schlippe von/Schweitzer (2002), S. 23.

[52] Vgl. Wimmer (1992a), S. 65.

[53] Vgl. Krause (2001), S. 25.

[54] Vgl. Luhmann (1996), S. 618.

[55] Vgl. Sprüngli (1992), S. 65.

[56] Wimmer (1992b), S. 65.

[57] Vgl. Krause (2001), S. 30.

[58] Vgl. Königswieser/Lutz (1992), S. 45 f.

[59] Vgl. Königswieser/Lutz (1992), S. 45 f.

[60] Sprüngli (1992), S. 65.

[61] Vgl. Ellebracht et al (2003), S. 29.

[62] Vgl. Ellebracht et al (2003), S. 32 f.

[63] Vgl. Schlippe von/Schweitzer (2002), S. 120 f.

[64] Vgl. Foerster von (1994), S. 22 f.

[65] Vgl. Wimmer (1992b), S. 15.

[66] Wimmer (1992b), S. 15.

[67] Vgl. Wimmer (1992b), S. 15.

Ende der Leseprobe aus 75 Seiten

Details

Titel
Strategische und soziale Kompetenz bei Managern. Systemische Organisationsberatung
Hochschule
FOM Essen, Hochschule für Oekonomie & Management gemeinnützige GmbH, Hochschulleitung Essen früher Fachhochschule
Note
1,8
Autor
Jahr
2006
Seiten
75
Katalognummer
V72297
ISBN (eBook)
9783638625708
ISBN (Buch)
9783638910064
Dateigröße
716 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Systemische, Organisationsberatung
Arbeit zitieren
Nadine Schulte (Autor:in), 2006, Strategische und soziale Kompetenz bei Managern. Systemische Organisationsberatung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72297

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Strategische und soziale Kompetenz bei Managern. Systemische Organisationsberatung



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden