Zur Kommunikationslosigkeit in Georg Büchners „Woyzeck“

Die Sprachlosigkeit der Hauptfigur im Gegensatz zu den „sprechenden“ epischen Formen des Dramas


Hausarbeit, 2007

21 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Problemstellung und Struktur der Arbeit
1.1 Problemstellung der Arbeit
1.2. Struktur der Arbeit

2. Büchner und sein Werk
2.1 Büchners Biographie in Hinsicht auf sein politisches Wirken
2.2 Büchners Gesamtwerk
2.3 Das Fragment „Woyzeck“
2.4 Das dichterische Selbstverständnis Büchners

3. Analyse der sprachlichen Kommunikation in ausgewählten Einzelszenen
3.1 Kommunikationsversuche zwischen Woyzeck und Marie
3.2 Kommunikationsversuche zwischen Woyzeck und dem Hauptmann
3.3 Kommunikationsversuche zwischen Woyzeck und dem Doctor
3.4 Kommunikationsversuche zwischen Woyzeck und Andres beziehungsweise dem Tambourmajor
3.5 Zusammenfassung der Ergebnisse

4. „Undramatische“ Selbstinterpretation des Dramas
4.1 Rede des Marktschreiers
4.2 Die Predigt des Handwerkburschens
4.3 Das Märchen der Großmutter

5. Schlussbemerkung bzw. Fazit

6. Bibliographie

1. Problemstellung und Struktur der Arbeit

1. 1 Problemstellung der Arbeit

Georg Büchners Drama „Woyzeck“ gehört gegenwärtig zu den bedeutensten Werken der deutschen Literatur.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, nach den Gründen für die Attraktivität dieses Stücks, welches „nur“ als ungeordnetes Fragment von ihm hinterlassen wurde.

Während des Lesens fällt zum einen auf, wie zerrissen das Stück in formaler Hinsicht ist, aber auch, wie wenig die Menschen erfolgreich im Sinne einer Verständigung miteinander sprechen. Außerdem wird deutlich, dass das Drama immer wieder von Formen unterbrochen wird, die sich in ihren Merkmalen vom Dramatischen deutlich abheben. Es ist ungewöhnlich, dass es Bereiche gibt, die augenscheinlich mit der Handlung wenig bis gar nichts zu tun haben.

Mit meiner Arbeit versuche ich diesen beiden Auffälligkeiten nachzugehen und zu analysieren, inwieweit zwischen ihnen Zusammenhänge bestehen. Es wird somit in der Arbeit auch aufgezeigt, welche Bedeutung für die Attraktivität des Werkes das Zusammenwirken der beiden stilistischen Besonderheiten hat.

1.2. Struktur der Arbeit

Zunächst werde ich in einem ersten Schritt auf Büchner, seine Zeit und sein Werk eingehen. Es erscheint mir notwendig, mit diesen Inhalten zu beginnen, da die Kenntnis der politischen und gesellschaftlichen Haltung des Autors zum Verständnis seines Werks notwendig ist. Seine Intentionen, die er mit dem Schreiben verbindet, lassen sich auf der Grundlage der politischen und sozialen Situation seiner Zeit besser verstehen und nachzuvollziehen.

In einer zweiten Arbeitsphase wird der Versuch einer Kommunikationsanalyse der beteiligten Personen unternommen. Auf der Grundlage des Textes möchte ich mit Hilfe ausgewählter Szenen aufzeigen, wie die Protagonisten miteinander sprechen bzw. inwieweit eine gelungene Kommunikation zustande kommt.

Der dritte Arbeitsschritt befasst sich mit der Erarbeitung und Interpretation verschiedener in Büchners Werk enthaltener Formen Formen, die sich aber in ihren stilistischen Merkmalen vom dramatischen Stil wesentlich unterscheiden.

Im letzten Teil der Arbeit fasse ich die Ergebnisse zusammen und gebe Antworten auf die zuvor angesprochene Problemstellung.

2. Büchner und sein Werk

2.1 Büchners Biographie in Hinsicht auf sein politisches Wirken

Büchner stirbt am 19.2.1837 im Alter von 23 Jahren im Exil in Zürich. Zu diesem Zeitpunkt hat er ein medizinisches Studium abgeschlossen und ist Doktor der Philosophie.

Sein dichterisches Gesamtwerk, aber besonders sein Drama „Woyzeck“ ist nur zu verstehen, wenn man die Person des Dichters, seine politischen, sozialen Auffassungen und sein dichterisches Selbstverständnis kennt bzw. der Analyse seiner Werke zugrundelegt.

Nicht nur das Elternhaus in Goddelau bei Darmstadt und die Schule in Darmstadt, sondern auch die politischen und sozialen Geschehnisse der Jahre 1813 bis 1831 prägten ihn entscheidend. Aus diesem Grunde sei an dieser Stelle der Arbeit kurz auf die politische und soziale Situation in Deutschland eingegangen.

Nachdem 1813 Napoleon in der Völkerschlacht bei Leipzig entscheidend geschlagen wurde, setzte mit dem Wiener Kongress eine Phase der Restauration ein. Die europäischen Machthaber versuchten mit rigorosen politischen und rechtlichen Maßnahmen die feudale Herrschaft, wie sie vor der Zeit Napoleons bestanden hatte, wieder herzustellen. Bereits eingeführte Rechte, wie Gleichheit vor dem Gesetz oder freier Handel, wurden wieder zurückgenommen.

Im Großherzogtum Hessen wurde 1820 eine neue Verfassung erlassen, die ein zwei- parlamentarisches Kammersystem konstruierte, das dem Adel (1. Kammer) bzw. vermögenden Bürgern (2. Kammer) vorbehalten war. Eine derartige Verfassung garantierte die Herrschaft des Adels, der höheren Beamtenschaft und des finanziell vermögenden Bürgertums.

Gleichzeitig sorgten strenge Zensurbestimmungen, die sich gegen Rede-, Versammlungs- und die Pressefreiheit richteten in Verbindung mit einer massiven und unnachgiebigen Strafverfolgung politisch aktiver Menschen dafür, dass es nur sehr schwer, wenn nicht unmöglich war, sich oppositionell zu betätigen. Proteste der Landbevölkerung gegen Massenarmut und Ausbeutung wurden polizeilich bzw. militärisch unterdrückt. Die staatlichen Organe schreckten auch nicht davor zurück, Waffengewalt gegen die eigene Bevölkerung einzusetzen. So wurde beispielsweise am 30. 11. 1830 eine Rebellion von Handwerkern und Bauern in der Nähe des Dorfes Södel vom Militär gewaltsam und blutig niedergeschlagen.

Nach dem Attentat auf den Schriftsteller Kotzebue wurden als weitere Verschärfung 1819 die sogenannten Karlsbader Beschlüsse verabschiedet, die bis zu diesem Zeitpunkt entstandene liberale Bewegung zerschlagen sollte.

Als Reaktion auf die staatliche Verfolgung zogen sich die meisten Vertreter des politischen Widerstands in die Privatsphäre zurück (Biedermeier). Diejenigen, die weiterhin Widerstand leisteten, mussten mit Verfolgung und strenger Bestrafung rechnen.

Büchner wuchs in gutbürgerlichen Verhältnissen auf und wurde im Elternhaus von seinem Vater ( Bezirksarzt) in naturwissenschaftlicher Hinsicht und von seiner Mutter in literarischer Hinsicht gefördert. Schon in seiner Abiturrede zeigte er erste Ansätze von politischem Interesse und von Mitmenschlichkeit.

Von 1831 bis 1833 studierte er in Straßburg Medizin. Briefe von ihm und Zeugnisse von Zeitgenossen belegen, dass sich Büchner sehr stark für politische Fragen interessiert und vor allem politische und gesellschaftliche Veränderungen befürwortet. Er beschäftigt sich mit der Theorie und dem Verlauf der sozialen und sozialistischen Bewegung in Frankreich und knüpft Kontakte zu der demokratischen Opposition des Landes.

Aus Studiengründen muss er zurück an die hessische Universität Gießen, wo er sich schon sehr bald sowohl geistig als auch körperlich von der Enge der Kleinstadt bedrängt fühlt.

Politisch aktiv wird er im Frühjahr 1835 mit der Gründung einer Sektion eines revolutionären Geheimbundes mit dem Namen „Gesellschaft der Menschenrechte“. Nicht nur die Gründung einer derartigen Gesellschaft, sondern auch die Namensgebung zeigt, dass im Mittelpunkt seiner Gedanken die Menschen stehen, die unterdrückt und sozial ausgebeutet werden. Dies wird anhand folgender Aussagen deutlich:

Ich verachte niemanden, am wenigsten wegen seines Verstandes oder seiner Bildung, weil es in niemands Gewalt liegt, kein Dummkopf oder kein Verbrecher zu werden...“[1] (Büchner in einem Brief an seine Eltern im Februar 1834)

Die politischen Verhältnisse könnten mich rasend machen. Das arme Volk schleppt geduldig den Karren, worauf die Fürsten und Liberalen ihre Affenkomödie spielen. Ich bete jeden Tag zum Hanf und den Laternen.“[2] ( Brief an August Stöber, Darmstadt, 9.12.1833).

Georg Büchner sucht den Kontakt zu hessischen Oppositionsgruppen und findet in dem Rektor Ludwig Weidig aus Butzbach einen Mitverschwörer. Gemeinsam verfassen sie die Flugschrift „Der Hessische Landbote“ , in der die Ausbeutung der Landbevölkerung bzw. der Bauern durch den Adel und die Besitzenden, die Verschwendungssucht des Adels und des Staates und die politische Unterdrückung und Rechtlosigkeit angeprangert werden.

Da Büchner davon ausging, dass eine mögliche Revolution in Hessen von der bäuerlichen Landbevölkerung getragen werden müsste, versuchen er und Weidig mit dieser Flugschrift bei ihnen mit Hilfe von sachlicher Aufklärung ein soziales und politisches Bewusstsein zu schaffen. Durch Verrat wird die Bewegung schon nach kurzer Zeit von den Behörden enttarnt und verfolgt. Während seine Mitstreiter verhaftet werden und Weidig letztendlich in der Haft an den Haftbedingungen stirbt, gelingt es Büchner vor der drohenden Verhaftung zunächst nach Straßburg zu fliehen, um dann 1836 nach Zürich ins politische Exil zu gehen.

In seiner Heimat, dem Großherzogtum Hessen-Darmstadt, wird er unterdessen wegen politischer Agitation bzw. Hochverrats steckbrieflich gesucht. Die Hoffnung mit dem „Hessischen Landboten“ eine revolutionäre Bewegung in Hessen auszulösen, erfüllte sich nicht. Zum einen waren die Unterdrückungsmaßnahmen und -mechanismen viel zu stark ausgeprägt und zum anderen war die Zeit für eine derartige politische Bewegung noch nicht „reif“ genug.

Die Thematik des unterdrückten und ausgebeuteten Menschen, sowie die sozialen Verhältnisse, die den meisten Menschen keine Chance geben, sich eine materielle Grundlage zu schaffen, um menschlich leben und sich bilden zu können, findet sich nicht nur in den von mir geschilderten Lebensaktivitäten Büchners, sondern auch in seinem literarischen Werk.

2.2 Büchners Gesamtwerk

Als Georg Büchner stirbt, hinterlässt er aufgrund seines frühen Todes ein nur schmales Gesamtwerk: eine Novelle ( „Lenz“) über das unglückliche Leben des Dichters J.R.M. Lenz, ein Lustspiel („Leonce und Lena“), in dem er den Adel verspottet, ein Drama („Dantons Tod“), das sich mit der Französischen Revolution beschäftigt, eine Flugschrift ( „Der Hessische Landbote“), in der er die hessischen Missstände schildert und zum Aufstand aufruft und ein Dramenfragment („Woyzeck“).

Während seines Lebens bleiben Büchner selbst und sein Werk nahezu unbekannt. Erst nach 1900 rückt er als Autor unterschiedlicher Werke immer mehr in den Mittelpunkt des öffentlichen und literaturwissenschaftlichen Interesses. Gegenwärtig gehören seine Theaterstücke zu den meist gelesenen und meist gespielten Klassikern der Weltliteratur.

[...]


[1] Bergemann, Fritz „Georg Büchner Werke und Briefe“ S. 164

[2] Bergemann, Fritz „Georg Büchner Werke und Briefe“ S. 164

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Zur Kommunikationslosigkeit in Georg Büchners „Woyzeck“
Untertitel
Die Sprachlosigkeit der Hauptfigur im Gegensatz zu den „sprechenden“ epischen Formen des Dramas
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
21
Katalognummer
V76166
ISBN (eBook)
9783638798426
ISBN (Buch)
9783638797573
Dateigröße
457 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kommunikationslosigkeit, Georg, Büchners
Arbeit zitieren
Sebastian Göb (Autor:in), 2007, Zur Kommunikationslosigkeit in Georg Büchners „Woyzeck“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76166

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Titel: Zur Kommunikationslosigkeit in Georg Büchners „Woyzeck“



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