Expressionistische Lyrik im Unterricht


Hausarbeit (Hauptseminar), 1999

17 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

- Einleitung

- Lyrik im Unterricht - Didaktische Aspekte

- „Klage“ von Georg Trakl

- Wirkungen der Lyrik und des Gedichts „Klage“ auf die Schüler

- Schluss

- Literaturverzeichnis

Einleitung

Diese Arbeit beschäftigt sich mit der fachdidaktischen Seite von expressionistischer Lyrik im Deutschunterricht der Sekundarstufe I.

Sie ist in drei Hauptteile gegliedert, wovon sich der erste mit der Planung von Unterrichtsreihen und dem Analysieren von Gedichten im Allgemeinen beschäftigt. Hierbei gibt es keine wesentlichen Unterschiede zwischen der Beschäftigung mit expressionistischen Gedichten und Gedichten einer anderen Epoche oder mehrerer anderer Epochen.

Im zweiten Teil wird Georg Trakls Gedicht „Klage“ genauer betrachtet. Dies war das vorletzte Gedicht, welches er 1914 kurz vor seinem Tod verfasste. Es ist ein typisch expressionistisches Werk und handelt von Untergang und Tod. Georg Trakl ist einer der bekanntesten Lyriker aus der Epoche des Expressionismus.

Zum Schluss, im dritten Teil, werden die Wirkungen, die Gedichte auf Schüler haben können, beschrieben und es wird darauf eingegangen, was ein Gedicht beim einzelnen Schüler bewirken sollte. Außerdem wird untersucht, welche Wirkungen das Gedicht „Klage“ auf eine Schülergruppe haben könnte und ob es sinnvoll ist, dieses Werk mit einer neunten oder zehnten Klasse im Lyrikunterricht zu besprechen.

Lvrik im Unterricht - Didaktische Aspekte

Weder die Theorie noch die Praxis lassen sich allein mit den Begriffsmitteln der Rezeptionstheorie begründen. Das eigentliche Textverständnis fängt nämlich erst beim Begreifen dessen an, was vorher nie begriffen wurde. Die Schüler sollen sich jedoch nicht nur „mit dem Verstehen ihres eigenen Verstehens begnügen“1 obwohl dieser Prozess sehr wichtig ist. Doch eine Explikation eines Textes besteht nun mal nicht aus der Beschreibung von Gefühlseindrücken oder eines ersten Text- und Sinnverständnisses. Diese Position wendet sich gegen den Literaturunterricht in rezeptionsanalytischer Art und Weise und gegen ein vom Lehrer stark
dominiertes und beeinflusstes Interaktionsverhältnis zwischen ihm und den Schülern. Wichtig ist das Kennenlernen von unterschiedlichen Haltungen gegenüber Literatur, das Kennenlernen und

Einüben von Leseweisen, generell das Kennenlernen von verschiedenen Begegnungsweisen „mit Arten und Sorten von Texten, mit expositorischen sowohl als auch poetischen“ 2. Bei der Begegnung mit lyrischen Texten bedarf es besonderer Sorgfalt, denn hierbei erlebt der Lernende die Freiheit des Findens und Irrens und vor allem die Freiheit selbstständig und kreativ vorzugehen. Was bei der Erarbeitung von Lyrik im Unterricht vermieden werden sollte, ist eine Art „Positionsrolle des Lehrenden“. Die Schüler sollen nicht unter dem Diktat der Lehrperson stehen, sonder diese soll vielmehr eine „gelenkte Selbstreflexion“3 darbieten.

Der Verstehensprozess bei der Rezeption von Texten ist ein von Erfahrungen geprägter geistiger Zugriff sowie eine Operation, welche nach festen Regeln abläuft. Dieser Verstehensprozess verläuft in einem für jeden Schüler individuellen Verstehensspielraum. Inwiefern sich dieser ausweitet und ausgestaltet hängt davon ab, ob der Schüler im Unterricht seine Meinung zum Text frei äußern kann oder ob er eventuell bevormundet wird. Die Tatsache, dass er vielleicht noch ein sehr subjektives Sinnverständnis besitzt, darf keine Rolle spielen.

Auf die Phase des ersten Sinnverstehens im Verstehensprozess von literarischer Rezeption folgt die „Hauptphase der Arbeit am Text“4, welche lern- und lehrbar ist.

Oftmals ist es nicht einfach, die Schüler an Lyrik heranzuführen, so dass sie sich dafür interessieren. Andererseits haben aber auch viele Jugendliche Spaß am Aufspüren und Entdecken von Textstrukturen oder von „innertextlichen Verweisungszusammenhängen“5, am Erkennen der Konstruiertheit oder der Gemachtheit des Textes. Dies kommt den intellektuellen Interessen und Bedürfnissen vieler Schüler entgegen. Sie haben Spaß am Entdecken, was eine Art „Lust am Text“ hervorrufen kann. Diese ist für die Motivation von großer Bedeutung. Demotivierend wirken dagegen Formanalysen: Sie beziehen sich oftmals nicht genug auf den funktionalen Charakter der einzelnen Strukturelemente im Gedicht, und sie sind dementsprechend auch nicht in der Lage Sinnerlebnisse zu initiieren. Die Formanalyse genügt sich sozusagen selbst, was im Unterricht zu wenig ist.

Vor der Erarbeitung von Lyrik - Lyrik allgemein - sollen nach Kurt Bräutigam verschiedene Punkte reflektiert werden: Die Gegenwart soll als veränderbar aufgezeigt werden, Schüler sollen kritisch lesen und den eigenen Standpunkt mit reflektieren, die Manipulation durch Sprache und deren Aufdeckung oder Entlarvung soll besprochen werden, im Deutschunterricht soll eine fächerübergreifende Behandlung stattfinden und die Identifikation sowie das Rollenverständnis sollen als Grundlagen zum gesellschaftlichen Verhalten verstanden werden.

Ein Gedicht lässt sich nur sinnvoll erschließen, wenn man den historischen Kontext berücksichtigt und der Autor in seiner damaligen Umwelt gesehen wird. Es ist also förderlich, Begleitmaterial zu den einzelnen Gedichten heranzuziehen. Außerdem soll den Schülern ein Überblick über den Lebenslauf des Autors eines Gedichts geboten werden. Das gesamte Begleitmaterial wird vom Fachlehrer, eventuell in Zusammenarbeit mit Kollegen anderer Fächer, beispielsweise Geschichte, vorgeschlagen, und es kann daraufhin als Referat eines einzelnen Schülers oder einer Schülergruppe der ganzen Klasse vorgestellt werden. Der Lehrer hat für die objektive Information zu sorgen, seine didaktische Absicht klar darzulegen und „das methodische Verfahren zur Erschließung des Textes mit den Schülern zu erörtern.“[6]. Dabei ist jede Interpretationsart immer nur eine von mehreren Arten einen Text zu erschließen. Die Entscheidung, auf welche Weise man letztendlich einen Text interpretiert, hängt von vielen Faktoren ab, die nicht immer voraussehbar sind. Gäbe es ein starres Konzept, würde dies der pädagogischen Flexibilität, welche sehr wichtig ist, und der Variabilität schaden. Doch unabhängig davon, welcher Interpretationsart man folgt, einige Dinge sind immer gleich: Am Anfang jeder Interpretation eines Gedichtes steht das Vertrautwerden mit dem Text, welches durch gründliches Lesen erreicht wird. Jetzt kann man entscheiden, ob man durch die Form und ihre Elemente oder mit Hilfe der Aussage ins Detail geht. Das sinnvolle Lesen stellt eine erste Interpretationsstufe dar. Bei dem Vertrautwerden mit dem Gedicht, „verschmelzen [mit der Zeit] Inhalt und Form zur Aussageeinheit [...], die nur aus taktischen Gründen wieder getrennt wird, um den Zugang zur Aneignung und zur Identifikation von mehreren Seiten zu öffnen.“[2]. Das geschieht über einen rationalen Vorgang, der die Schüler die Elemente erfassen lässt, damit sie die Struktur des Gedichts erkennen - die Analyse. Der sinngemäße Vortrag kann eine letzte Stufe der Interpretation sein.

Generell sieht es so aus, dass jeder Pädagoge weiß, dass die Schüler hauptsächlich am Inhalt eines Textes interessiert sind. Die Erschließung vieler Texte geht aber nicht von der Form aus. Wichtig ist, dass dem Schüler die Intention des Autors klar wird und er oder sie die Realität hinter der fiktionalen Aussage begreift. Damit stellt sich als ein Unterrichtsziel die Frage nach dem Gebrauch literarischer Mittel von der Seite des Autors her, warum bestimmte Mittel an bestimmten Stellen stehen und wie diese ästhetischen Mittel wirken, bzw. wirken sollen.

Im Endeffekt ist nach Bräutigam zu sagen, dass die Lernziele nichts über den eigentlichen Lernprozess aussagen und der Stundenablauf, die Art und Weise der Interpretation inbegriffen, immer eine Sache vom Lehrer und der Klasse ist, nämlich eine freie schöpferische Leistung.

Martin Behrendt beschreibt seine didaktischen Vorstellungen vom Lyrikunterricht folgendermaßen: Wenn man im Unterricht mit der Arbeit am Text beginnt, sollte dies nicht so laufen, dass der Unterrichtende fortlaufend Fragen an die Schüler stellt, die er oder sie sich vor der Stunde mühsam ausgedacht hat. Diese Fragen kann der Lehrende daher auch am besten selbst beantworten, und sie wirken weder motivierend auf die Schüler noch werden sie dadurch zum sinnerschließenden Lesen angeleitet. Die Erschließung von Gedichttexten sollte nach Behrendt wie folgt ablaufen: Die Schüler lesen den Text, konkretisieren ihn und wenn er ihnen fragwürdig erscheint, befragen sie ihn. Dann kann man den Text noch einmal kurz „überfliegen“ und versuchen, durch „tastendes Umfassen eine Übersicht über die Gliederung zu gewinnen“ [8]. Wenn man zudem an geeigneten Textstellen verweilt, um einen Einblick in das Gesamtwerk zu erhalten, so ist dies der erste Schritt zu einer Textauslegung.

Weitere Schritte könnten Spontanäußerungen der Schüler und deren Diskussion in Gruppen sein. Im anschließenden Plenum würde sich dann herausstellen, von welchen Arbeitshypothesen der Lehrer ausgehen kann. Zusätzliche Arbeitsmaterialien, besonders historische Kontexte in Form von beispielsweise „Tagebuchnotizen, Brief- oder Parallelstellen“[9], motivieren die Weiterarbeit. Außerdem fördert es, dass die Lernenden ihren Blick auf gedankliche Gegenpositionen lenken, welches mit Hilfe einer Doppelinterpretation geschehen könnte.

Nachdem man sich dem textexternen Bereich gewidmet hat, beginnt man mit der Detailarbeit am Text. Die Textanalyse wird durchgeführt, und durch eine abschließende Textbeschreibung werden die Ergebnisse der Untersuchung festgehalten. Jetzt kann der Versuch einer Textauslegung unternommen werden.

Insgesamt zeichnen sich bei der Rezeption eines Gedichttextes im Unterricht also vier Arbeitsphasen ab: 1.Textrezeption und Bedeutungskonkretisation 2.Beschaffung von Materialien (dient der Hypothesenbildung über den Textsinn) 3.Textanalyse und Sinnbeschreibung 4.Versuch einer eigenen Textauslegung durch den Schüler/ Interpretationsversuch.

Bei der Behandlung von Gedichten sind bestimmte Aspekte besonders zu beachten, wobei aber betont werden muss, dass es sich hier um keinen systematischen Versuch handelt, die Möglichkeiten und Bedingungen von Interpretationen zu bestimmen. Die folgenden Aspekte haben sich vielmehr in der Praxis bewährt: In der Sprache der Lyrik findet man oft eine gewisse Vielschichtigkeit. Auch die Sprachkraft des Autors, welche meistens schwer beschreibbar ist, und unterschiedliche Sprachstile, die oft mit bestimmten Epochen zusammenhängen, fallen unter diesen Aspekt. Das Autorspezifische beschreibt beispielsweise, dass bestimmte Lyriker sich durch ihren eigenen unverwechselbaren Ton auszeichnen. Originalität: In manchen Epochen, wie auch im Expressionismus, soll entgegen der Tradition etwas Neues und besonders die Erfahrung einer „neuen Wahrheit“ vermittelt werden. Ein weiterer Aspekt ist die Poetik, wobei es darauf ankommt, dass spezielle Autorenpoetik von den Schülern erkannt wird. Daraufhin sollen sie jedoch ihre eigenen Maßstäbe benennen und anwenden. Unter Zeitgenossenschaft fällt, dass gerade jugendliche Leser heute besonders der Sinn eines Textes anspricht, u.a. welche Antworten das Gedicht auf Gegenwartsprobleme der jeweiligen Epoche zu geben versucht, usw.. Die Arbeit mit Lyrikbänden ist förderlich, da das Gedicht in diesem Fall nicht isoliert dasteht und andere Gedichte zum direkten Vergleich vorhanden sind. Bei der Wertung kommt es letztendlich darauf an, inwieweit ein Autor eines Gedichts mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln sein Ziel beim Leser erreicht hat.

[...]


[1] Behrendt, Martin: Lyrik im Unterricht. München, Wien, Baltimore: Urban und Schwarzenberg 1981. S.14.

[2] Behrendt, Martin: Lyrik im Unterricht. München, Wien, Baltimore: Urban und Schwarzenberg 1981. S.14.

[3] Ebd. S.15.

[4] Ebd. S.15.

[6] Bräutigam, Kurt: Zugänge zum sozialkritischen und politischen Gedicht. Eine didaktische Einführung mit Modellinterpretationen für die Sekundarstufe. Basel, Wien Freiburg: Herder Freiburg im Breisgau 1977. S.26.

[7] Ebd. S.29.

[8] Behrendt, Martin: Lyrik im Unterricht. München, Wien, Baltimore: Urban und Schwarzenberg 1981. S.111.

[9] Ebd. S.111.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Expressionistische Lyrik im Unterricht
Hochschule
Universität Paderborn  (FB Germanistik)
Note
2,7
Autor
Jahr
1999
Seiten
17
Katalognummer
V8015
ISBN (eBook)
9783638151047
ISBN (Buch)
9783640418985
Dateigröße
527 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Expressionistische, Lyrik, Unterricht
Arbeit zitieren
Stefanie Teusch (Autor:in), 1999, Expressionistische Lyrik im Unterricht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8015

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