Romanisch - Kastilisch - Spanisch

Spanische Sprachgeschichte im Spannungsfeld zwischen Geschichte, Gesellschaft und Politik


Hausarbeit, 2007

29 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 EINLEITUNG

2 GESCHICHTE UND SPRACHE
2.1 Das Ende des Imperium Romanum – die Völkerwanderung
2.2 Die Conquista
2.3 Linguistische Bestandsaufnahme des Jahres 1000
2.4 Warum Kastilisch? – Die Reconquista

3 GESELLSCHAFT UND SPRACHE
3.1 Vorausbauphase: Lateinisch und Romanisch
3.2 Der intensive Sprachausbau
3.3 Der extensive Sprachausbau

4 POLITIK UND SPRACHE
4.1 Der königliche Hof als Sprachausbauzentrum
4.2 Sprachnormierung im Namen des Königs

5 FAZIT

6 BIBLIOGRAPHIE

1 EINLEITUNG

Die Entwicklung der Spanischen Sprache ist im Allgemeinen nicht mit jenen der anderen großen romanischen Sprachen wie Französisch und Italienisch zu vergleichen. Für die Ausbildung des heutigen español sind bestimmte historische Entwicklungen und Strukturen verantwortlich, die so nur auf der iberischen Halbinsel entstehen bzw. sich zutragen konnten. Die These, jede Sprache sei ein Produkt der Geschichte, mag jedermann einleuchten, doch scheint sich das Spanische geradezu zu ihrer Untermauerung anzubieten.

Die vorliegende Hausarbeit wird sich auf die ca. 900 Jahre des spanischen Mittelalters beziehen, die zwischen der beginnenden Völkerwanderung, als die Ausgliederung des Romanischen aus dem Lateinischen begann, und der sprachlichen Ausbautätigkeit des kastilischen Königshofes während der Regierungszeit Alfons X. liegen. Eine Betrachtung dieser Ausbauphase des Spanischen, die sich über eine wahrlich lange Zeitspanne erstreckt, auf nur 15 Seiten im Rahmen einer Proseminarsarbeit kann sicherlich nicht allumfassend sein. Ziel dieser Ausarbeitung ist es vielmehr, die wichtigen Faktoren und Linien aufzuzeigen, die die Sprachentwicklung hin zu einem Spanisch, wie es heute gesprochen wird, maßgeblich und unübersehbar, sowohl aktiv als auch passiv, beeinflusst haben. Dies schließt die rein politische Geschichte ebenso mit ein wie sozialgeschichtliche Strukturen im Laufe des spanischen Mittelalters, kulturelle und gesellschaftliche Veränderungen und Einflüsse und politische Absichten. Jedem dieser Schwerpunktthemen, die plakativ als Geschichte, Gesellschaft und Politik bezeichnet werden, wird dabei ein eigenständiges Kapitel gewidmet, wiederum aufgeteilt in eigene Paragraphen mit eigenen Schwerpunkten.

Eine historische, soziokulturelle und politische Darstellung Spaniens zwischen dem 4. und 13.Jahrhundert kann aber nicht Ziel eines Proseminars in spanischer Sprachwissenschaft sein.

Daher wird in jedem Paragraphen neben der Vorstellung der eigentlichen Zeitspanne bzw. der für Spanien wichtigen Entwicklung, je nach Schwerpunkt, deren Auswirkung und Beeinflussung der spanischen Sprache beigestellt, mit samt Exkursen zu den anderen iberoromanischen Idiomen und illustrativen Beispielen aus dem heutigen spanischen Wortschatz.

2 GESCHICHTE UND SPRACHE

Dieses Kapitel wird sich mit der Geschichte der iberischen Halbinseln in groben Zügen beschäftigen und schauen, in wie weit die dominierenden Phasen der westgotischen Dominanz, der arabischen Eroberung und der christlichen Rückeroberung die Entwicklung der Spanischen Sprache beeinflusst oder geprägt haben.

2.1 Das Ende des Imperium Romanum – die Völkerwanderung

Seit Anfang des dritten Jahrhunderts bahnte sich der Zerfall des Römischen Reiches und damit auch der römisch-lateinischen Hochkultur an (Bollée/Neumann-Holzschuh 2003: 39). Die Provinzen erstarkten durch regionalen Handel und errangen einen hohen Grad an wirtschaftlicher Eigenständigkeit, was einen Einflussverlust des alten Zentrums Italien und seiner Hauptstadt Rom mit sich brachte (ebd.). Unter Kaiser Theodosius[1] erfolgte 395 schließlich die Teilung des alten Imperium Romanum in ein oströmisches und ein weströmisches Reich, wobei letzterem nur eine Lebensdauer von weniger als 80 Jahren vergönnt bleiben sollte[2] (ebd.).

In jene Zeit fällt auch die durch die Westwanderung der Hunnen ausgelöste Völkerwanderung, eine Migrationsbewegung germanischer Stämme aus dem Osten in Richtung Westen und Süden (Dietrich/Geckeler 2003: 147). Im Jahre 409 sollte diese Entwicklung schließlich auch die Iberische Halbinsel erreichen: Unter den germanischen Stämmen waren die Vandalen, Alanen, Sueben und Westgoten für Hispanien die dominierenden Völker (Wesch 2001: 123). Während die ersten beiden Stämme alsbald weiter nach Nordafrika zogen, siedelten sich die letzten beiden dauerhaft an (ebd.). Die Westgoten waren bereits vor ihrer Ankunft relativ stark romanisiert, konnten sie doch schon auf eine ca. 150 Jahre dauernde Geschichte als römische Bundesgenossen in ihrem Ursprungsgebiet im Donaubecken zurückblicken (Berschin 1995: 80). Schon dort nahmen sie den christlichen Glauben an, wenn auch in arianischer Ausprägung[3] (Bollée/Neumann-Holzschuh 2003: 40). Nach ihrem Zug nach Westen bewahrten sie ihre Rolle als Bundesgenossen, die sie empfänglich für die römische Kultur machte, und verteidigten weiterhin die römischen Interessen (ebd.). Doch mussten sie sich nach der Niederlage gegen das fränkische Heer bei Vouillée 507 von ihrem aquitanisch-nordhispanischen Siedlungsgebiet mit dem Zentrum Toulouse auf den südlich der Pyrenäen gelegenen Teil beschränken (Marseille 1999: 163). Die germanischen Einfälle brachten aber auch erhebliche Strukturveränderungen mit sich: Der mit der Romanisierung Hispaniens einhergehende Prozess der Urbanisierung begann sich umzukehren (Barceló 2004: 37). Das städtische Milieu. das sich vorherrschend in den Küstenzonen des Ostens und Südens ausgebildet hatte, verlagerte sich auf das Land, wo sich die romanische soziale Elite nicht so anfällig für die germanischen Plünderungszüge fühlte (ebd.). Die große Bevölkerungsmehrheit litt aber unter kärglichen Lebensbedingungen als Folge eines durch diesen Sozialwandel hervorgerufenen Produktions- und Wohlstandsrückgangs (ebd.).

Die Westgoten suchten aber auch nicht nach städtischen Strukturen, um sich niederzulassen. Sie begründeten mit Toledo ihre neue Hauptstadt in einem Gebiet, das damals nicht stark romanisiert war (Lapesa 1981: 117). Zudem zogen sie es vor, separat von der einheimischen Bevölkerung zu leben. Aber trotz des geringen Bevölkerungsanteils[4] der Goten sollte es zu keiner Assimilation an die Mehrheitsgesellschaft kommen, was vor allem am bestehenden Heiratsverbot zwischen Goten und Romanen lag (ebd.). Die Goten waren zwar Christen, aber nach dem arianischen Bekenntnis, nicht nach dem katholischen Bekenntnis der Mehrheit (Dietrich/Geckeler 2003: 148). Erst König Reccared[5] trat 587 aus politischen Überlegungen zum Katholizismus über und ermöglichte dadurch Ehen zwischen Goten und Romanen (Barceló 2004: 40). Sein Ziel war die Überwindung der Glaubensspaltung, um „ein von Toledo aus regiertes einheitliches Hispanien“ (ebd.) unter Einbeziehung aller Bevölkerungsgruppen zu verwirklichen (ebd.). „Doch was wie ein Neuanfang aussah, erwies sich bald als Epilog“ (ebd.): Zum einen beschleunigte die Aufhebung des Mischehenverbots nur die Assimilation der Goten, zum anderen würde „die Ankunft des Islam das morsche Westgotenreich hinwegfegen.“ (ebd.)

Und auch sprachlich gesehen haben die germanischen Sprachen, obwohl sie die Sprachen der Eroberer waren, keine nennenswerten Spuren in den iberoromanischen Sprachen hinterlassen (Lapesa 1981: 118). Das Portugiesische und das Spanische sind die romanischen Sprachen mit den geringsten germanischen Einflüssen, obwohl mit dem geringer werdenden Einfluss Roms als politisches Zentrum auch das sprachliche Ansehen des Lateinischen abnahm (Wesch 2001: 123; Bollée/Neumann-Holzschuh 2003: 39). Es ist sogar zu beobachten, dass der Einfluss des germanischen Superstrats noch geringer ist als derjenige der vorrömischen Substrate (Wesch 2001: 123). Wichtig ist die Zeit der germanischen Herrschaft in sprachlicher Hinsicht aber, da im Untergang der städtisch-römischen Kultur der Übergang von Latein zu Romanisch angesetzt werden kann (ebd.: 124). Die Kultur und Sprache der Eroberer blieb durch den fehlenden Austausch, den geringen gotischen Bevölkerungsanteil und die Tatsache, dass vor allem die Kultur bereits stark romanisiert waren, in der Defensive. Die romanische Bevölkerungsmehrheit konnte ihre Muttersprache beibehalten (Lapesa 1981: 118). Dennoch gibt es germanische Spuren im spanischen Wortschatz. Hierzu zählen beispielsweise germanische Wörter, die früh ins allgemeine Vulgärlatein des Imperium Romanum eindrangen und folglich auch in anderen romanischen Sprachen zu finden sind wie el jabón[6], aber auch später entlehnte Wörter aus der Zeit der germanischen Eroberungen wie el ganso[7] im Spanischen oder innerromanische Entlehnungen wie el jardín[8] (Bollée/Neumann-Holzschuh 2003: 40).

[...]


[1] Theodosius I., geb. 11.1.347 in Cauca, gest. 17.1.395 in Mailand, wurde am 19.1.379 zum Kaiser erhoben. Sein bekanntestes Dekret war jenes aus dem Jahr 380, welches das Christentum zur Staatsreligion machte (LexMA 8: 644f.).

[2] Das Weströmische Reich erlosch 476 mit der Absetzung Kaiser Romulus Augustulus durch den Germanenfürsten Odoaker, während das Oströmische Reich noch bis zum Fall Konstantinopels 1453 Bestand haben sollte (D.W.).

[3] Arianismus: christliche Glaubensgemeinschaft, die von Arius (gest. 336), einem alexandrinischen Priester, begründet wurde. Der A. geht davon aus, dass Christus nur gottähnlich, nicht gottgleich war, im Unterschied zur römisch-katholischen Lehre. Auf dem Konzil von Nikaia im Jahre 325 wurde der A. als Irrlehre verurteilt (LexMA 1: 950f.).

[4] Man kann davon ausgehen, dass der germanische Bevölkerungsanteil auf der iberischen Halbinsel eine Größenordnung von 5% nicht überschritt (Wesch 2001: 124).

[5] Reccared I, von 586 bis 601 König des Westgotenreiches. Seine Regentschaft war geprägt von Auseinandersetzungen mit Franken, Basken und Byzantinern (LexMA 7: 500).

[6] Von germ. * saipôn (dt. Seife), span . jabón, frz. savon (Bollée/Neumann-Holzschuh 2003: 40).

[7] Von got. * gans (dt. Gans) (Lapesa 1981: 120).

[8] Fränkischer Ursprung gardo (dt. Garten), zunächst frz. jardin, dann entlehnt in weitere romanische Sprachen wie spanisch (jardín), portugiesisch (jardim), katalanisch (jardí) und italiensch (giardino) (Bollée/Neumann-Holzschuh 2003: 40).

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Romanisch - Kastilisch - Spanisch
Untertitel
Spanische Sprachgeschichte im Spannungsfeld zwischen Geschichte, Gesellschaft und Politik
Hochschule
Universität Mannheim  (Romanisches Seminar)
Veranstaltung
Proseminar Diatopische Sprachvariationen und Minderheitensprachen in Frankreich und Spanien
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
29
Katalognummer
V81549
ISBN (eBook)
9783638880190
Dateigröße
414 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Romanisch, Kastilisch, Spanisch, Proseminar, Diatopische, Sprachvariationen, Minderheitensprachen, Frankreich, Spanien
Arbeit zitieren
Daniel Wimmer (Autor:in), 2007, Romanisch - Kastilisch - Spanisch, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81549

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