Das Phänomen "Luderliga" - Semantische Analyse von Wortbildungen des Typs *luder/*-Luder


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

42 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffsbestimmung Luder
2.1 Definitionen aus ausgewählten Wörterbüchern
2.2 Klischeeformulierungen

3. Formale Analyse der Wortbildungstypen
3.1 Determinativkomposita
3.1.1 Substantiv + Substantiv 6
3.1.2 Eigenname + Substantiv 6
3.1.3 Verbstamm + Substantiv 7
3.2 Präfixoidbildungen
3.3 Präfixbildungen

4. Semantische Analysep
4.1 Semantische Analyse der Erstglieder
4.2 Semantische Analyse der Wortbildungen
4.2.1 Beschreibungen von Opernrollen
4.2.2 Beschreibungen von Filmrollen
4.2.3 Eigennamen von Musikgruppen
4.2.4 Beschreibungen von Comedy-/Kabarettprogramm
4.2.5 Bezeichnung realer Personen
4.2.5.1 Bezeichnung einer bestimmten Person
4.2.5.2 Bezeichnung einer Personengruppe

5. Auswertung der Untersuchungsergebnisse

6. Resümee

Literaturverzeichnis

Anhang

1. Einleitung

„ Luder – Das Wort kann auf eine erstaunliche Begriffskarriere in den 1990er Jahren zurückblicken, als die Gazetten plötzlich einen neuen Typus Frau entdeckten, der mit Hilfe unkonventioneller Methoden die Aufmerksamkeit prominenter Personen sucht. Neben dem vom Autorennen allseits bekannten Boxenluder gab es das Puddingluder […], das Teppichluder[…] und das Botschaftsluder[…], um nur einige zu nennen.“(Mrozek 2007, S.124)

Bei Untersuchung der Liste zur Wahl der Wörter des Jahres 2001 (Gesellschaft für deutsche Sprache) lässt sich der Begriff Luderliga auf dem 9. Platz finden.[1] So hat es den Anschein, dass die oben zitierte Begriffskarriere sogar zum Erfinden einer Art eigenen Wettkampfklasse, in der die verschiedenen Luder erfasst werden können, führte.

Eine Recherche in digitalen Korpora des COSMAS II - Webdienstes[2] des IDS Mannheim lieferte bei den Suchanfragen *-Luder sowie *luder tatsächlich ca. 50 verschiedene Wortformvarianten.[3] Diese recherchierten Wortbildungen stellen das Basismaterial für die Untersuchungen der Seminararbeit.

Hauptthema und zugleich Untersuchungsziel ist die semantische Analyse unterschiedlicher Wortformen des Typus *luder / *-Luder. Überprüft werden der jeweilige Kontext, mögliche Paraphrasen, die Abhängigkeit des Bedeutungsverständnisses vom Kontextwissen und die erzielte Konnotation der Wortbildung; Hauptaugenmerk soll vor allem auf den assoziativen, emotionalen, stilistischen oder wertenden Nebenbedeutungen der Wortbildungen liegen.

Vorab findet eine formale Analyse der Wortformen hinsichtlich der Klassifikation ihrer Komponenten und der Wortbildungstypen sowie eine semantische Analyse der Erstglieder statt[4]. Auf dieser Basis werden mögliche Gruppen gebildet und wenn notwendig eine Auswahl an Material getroffen.

Eingangs werden verschiedene Bedeutungen des Wortes Luder gegeben, die teilweise schon Assoziationen mit den zu untersuchenden Wortformen zulassen. Daraufhin folgt im Hinblick auf vermutete Untersuchungsergebnisse eine Sammlung von Attributen und Klischees, die einem Luder heute gemeinhin zugesprochen werden.

Ausgehend von jenen werden signifikant überwiegend negative Konnotationen der Wortformen erwartet.

2. Begriffsbestimmung Luder

Der Vergleich verschiedener Einträge zum Substantiv Luder in etymologischen Wörterbüchern, dem Deutschen Wörterbuch der Gebrüder Grimm sowie dem aktuellen Duden zeigt, dass der Begriff etymologisch betrachtet einen größeren Bedeutungsreichtum aufweist, als dies gegenwartssprachlich der Fall ist. Es hat im Laufe der sprachgeschichtlichen Entwicklung eine Bedeutungsverengung stattgefunden.

2.1 Definitionen aus ausgewählten Wörterbüchern

Belege des Althochdeutschen weisen eine frühe Form des Begriffes Luder auf (* hluodar), die in der Bedeutung ,Beute, im Sinne von Schiffsladung´ zu verstehen ist. Im Mittelhochdeutschen wurde diese Bedeutung im Sinne von ,Beutezug, Raub´ pejorativ belegt. Die Bedeutung des mittelhochdeutschen Wortes luoder entstammt der Falknersprache: „was sie dem falken als raub oder beute hinhielten, eine in gestalt eines vogels geformte lockspeise“ (Grimm 1885, S. 77).

Der Wortsinn ,Köder, zur Jagd von Raubtieren’ wird im Neuhochdeutschen (Luder) beibehalten und erfährt durch die Bedeutungen ,Aas; der Körper gefallener Tiere’ sowie auch ,menschlicher Kadaver’ zudem eine semantische Erweiterung. Anlehnend an bereits genannte geben Grimm/Grimm weitere Bedeutungen an: „lockung, anreizung, lockmittel überhaupt […] namentlich auch lockmittel für menschen“(Grimm 1885, S. 77). Weiterhin bezeichnet der Ausdruck Luder „sündliches wolleben, schlemmerei (als das, was in die hölle lockt[…])“ sowie ausgehend von der Bedeutung ,Aas’ ein „äuzerst kräftiges schimpfwort“, welches auch „von weibern, mit hinblick auf geschlechtliche verführung“ (Grimm 1885, S. 77), Verwendung findet. Gebrauch findet der Begriff Luder auch in Bezug auf Gebrauchsgegenstände, die nicht funktionieren, wie sie sollten.[5] Als eine letzte Bedeutung nennen Grimm/Grimm ,Spott, Hohn’.

Die Entwicklung des Wortes Luder, vom ,Köder’ hin zum Schimpfwort, findet in Verbindung mit der Bedeutung ,Aas’ statt.

„Wie Aas ist Luder zu einem allgemeinen Schimpfwort geworden: du dummes Luder; weibliche Person, die Männer einfängt; bisweilen abgeschwächt: das arme Luder; als Kosewort gedacht: ein süßes Luder >ein reizendes Mädchen<; ugs. auch für einen durchtriebenen Menschen: sie ist ein kleines Luder >eine gewitzte kokette Person<“ (Paul 2002, S.625)

Paul statuiert den Begriff Luder ausgehend von der eigentlichen Bedeutung auch im Mittelhochdeutschen schon als Synonym für ,Schlemmerei; leichtfertiges, unsittliches Leben’, daher rührt auch der Ausdruck Luderleben. Für das Verb ludern gibt Paul die Bedeutungen ,Aas fressen´ sowie ,ein Luderleben führen’ an.

Im Bedeutungswörterbuch des Dudenbandes findet sich folgende Bedeutung:

„Person (in Bezug auf eine ganz bestimmte, meist negative Eigenschaft): sie ist ein durchtriebenes Luder; sie ist ein kleines Luder (ein raffiniertes Mädchen); ein dummes Luder; ein armes Luder; sinnv.: Bursche, Kerl, das Mensch, Miststück, Weibsbild, -stück, Zicke, Ziege „ (Duden 1985)

Ich vermute, dass dem durchschnittlichen deutschen Sprachbenutzer die ursprüngliche jägersprachliche Bedeutung, die zwar auch aktuell noch im Duden steht, im seltensten Fall geläufig ist. Meines Erachtens fokussiert sich, bedingt durch eben jene in der Arbeit zu untersuchenden Wortbildungen, der Gebrauch des Wortes Luder sowie das Wissen um die ursprünglich verschiedenen Wortbedeutungen auf die Schimpfwortkomponente beziehungsweise auf ein Einordnungsmuster für einen Typus Frau.

2.2 Klischeeformulierungen

Inwiefern der Begriff Luder hin zum Gegenwartsdeutschen neben einer Bedeutungsverengung auch eine Bedeutungsverschlechterung erfahren hat, zeigt der Versuch Attribute als Klischees zu formulieren, die einem Luder, als Typ von Frau, heute gemeinhin zugesprochen werden. Grundlage hierfür bietet ein sogenannter Psychotest[6] aus der Frauenzeitschrift Jolie, der testen soll, ob „frau“ zur Luder-Liga gehört. Der Multiple-Choice-Test stellt acht Fragen zur Beantwortung, wobei immer eine aus drei möglichen Antwortalternativen gewählt werden kann. Aufgrund der Durchschaubarkeit derartiger Psychoanalyse-Tests war es möglich die Antworten, die im Ergebnis „Superluder“ resultieren, herauszufinden. Diese „richtigen“ Antworten enthalten jeweils ein Klischee[7] als These über den Charakter einer Frau, die zur Luder-Liga zu zählen ist:

(1) Luder nehmen unmoralische Angebote zu Gunsten der Karriere bereitwillig an.
(2) Reichtum und Prominenz sind die erstrebenswertesten Ziele eines Luders.
(3) Luder messen sich an prominenten Ludern und nehmen diese als Vorbild. (z.B. Paris Hilton)
(4) Nach dem Motto „Der Zweck heiligt die Mittel“ stellen Luder für Geld ihren Körper in der Öffentlichkeit zur Schau.
(5) Freie Zeit verbringen Luder damit, sich ausgiebig um ihr Äußeres zu kümmern, um anschließend in Prominenten-Diskos in den VIP-Bereich gelassen zu werden. Dort lassen sie sich von spendierfreudigen Gastgebern aushalten.
(6) Luder schrecken vor Schönheitsoperationen nicht zurück.
(7) Extrovertiert, selbstbewusst und zickig sind Eigenschaften, die auf ein Luder zutreffen.
(8) Luder haben den festen Vorsatz zu bekommen, was sie wollen, egal was sie dafür machen müssen.

Trifft ein Großteil dieser Eigenschaften zu, so lautet das Ergebnis des Tests: Sie sind ein Profi-Luder. Die Auswertung fasst zusammen, was ein professionelles Luder auszeichnet:

„Sie lieben es, wenn die Gerüchteküche brodelt, Ihnen Aufmerksamkeit geschenkt wird und Sie sich an der Seite der Reichen, Schönen und Berühmten zeigen können. Dafür geben Sie alles, nach dem Motto „Der Zweck heiligt die Mittel“. Sie geizen nicht mit Ihren Reizen und lassen Ihre Fan-Kurven auch schon mal in aller Öffentlichkeit bewundern. Am liebsten gehen Sie feiern und genießen es, sich vor diversen Angeboten nicht mehr retten zu können. Ein echtes Profi-Luder wählt sorgfältig aus – schließlich ist das kein Spaß, sondern eine Lebens-Strategie!“[8]

Die Eingangs formulierten, eigentlich negativen klischeehaften Eigenschaften werden hier in positiver Art und Weise zu einer Beschreibung kombiniert, die eine erstrebenswerte „Lebens-Strategie“ suggeriert.

Im Analyseteil der Arbeit wird eruiert, inwiefern die verschiedenen Wortbildungen des Materialkorpus durch diese Klischees motiviert sind. Die semantische Analyse der Wortbildungen in ihrem Kontext soll zeigen, ob sich die oben aufgestellten Attribute dort wiederfinden, oder ob die Bildung anderweitig motiviert ist. Zudem soll erarbeitet werden, ob die Textbeispiele eine negative Bewertung der „Ludereigenschaften“ suggerieren oder ob, wie in der Testauswertung, zwar die Klischees bestätigt, jedoch positiv bewertet werden.

[...]


[1] http://www.gfds.de/index.php?id=11.

[2] https://cosmas2.ids-mannheim.de/cosmas2-web/menu.home.do.

[3] Treffer als Bestandteil von Familiennamen, der Ausdruck Schindluder sowie der Wortbestandteil *-Lüder / *lüder wurden hierbei nicht mitgezählt.

[4] Wortbildung wird im Folgendem als WB abgekürzt.

[5] „mit dem luder von einer feder kann man nicht schreiben, das luder von tisch wackelt“(Grimm 1885, S.78). Interessant ist, dass mir diese Bedeutung aus dem allgäuer Dialekt meiner Großmutter noch geläufig ist.

[6] Im Anhang beigefügt. „Richtige“ Antworten sind unterstrichen dargestellt.

[7] Als objektive Auswertung der Tests. Meinung der Autorin irrelevant.

[8] http://www.jolie.de/psychotests/psychotest_14066.html

Ende der Leseprobe aus 42 Seiten

Details

Titel
Das Phänomen "Luderliga" - Semantische Analyse von Wortbildungen des Typs *luder/*-Luder
Hochschule
Universität Regensburg  (Institut für Germanistik)
Veranstaltung
Wortbildung
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
42
Katalognummer
V86434
ISBN (eBook)
9783638011778
ISBN (Buch)
9783638916097
Dateigröße
552 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Eine sorgfältige, gut aufgebaute und umsichtig beschreibende Untersuchung mit sehr interessantem Material, das sich durchaus auch hinsichtlich bestimmter gesellschaftlicher Entwicklungen deuten ließe. Sprachlich ist die Arbeit ebenfalls auf hohem Niveau. [Kommentar der Dozentin]
Schlagworte
Phänomen, Luderliga, Semantische, Analyse, Wortbildungen, Typs, Semantik, Wortbildung
Arbeit zitieren
Gloria Körner (Autor:in), 2007, Das Phänomen "Luderliga" - Semantische Analyse von Wortbildungen des Typs *luder/*-Luder, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86434

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