Erziehungsberatung - Ein Einblick in die Thematik


Hausarbeit, 2007

25 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definitionen relevanter Begrifflichkeiten
2.1. Definition Erziehung
2.2. Definition Beratung
2.3. Definition Erziehungsberatung

3. Geschichte der Erziehungsberatung
3.1. Die Anfänge der Erziehungsberatung
3.2. Erziehungsberatung im Nationalsozialismus
3.3. Erziehungsberatung von der Nachkriegszeit bis in die 90er Jahre
3.4. Erziehungsberatung heute

4. Rechtliche Grundlagen und Rahmenbedingungen der Erziehungsberatung

5. Beratungsanlässe in einem groben Überblick

6. Grundprinzipien der Arbeit in Erziehungsberatungsstellen
6.1. Die Schweigepflicht
6.2. Kostenaufwand für den Ratsuchenden
6.3. Niederschwelligkeit
6.4. Freiwilligkeit
6.5. Multidisziplinarität

7. Ablauf einer Beratungssequenz
7.1. Eröffnungsphase
7.2. Problemanalyse
7.3. Diagnostische Urteilsbildung und Problemanalyse mit dem Kind
7.4. Gemeinsame Problemdefinition
7.5. Gemeinsame Zieldefinition
7.6. Gemeinsame Suche nach Änderungswegen
7.7. Therapeutische Zwischenphase
7.8. Erprobungs- und Rückkopplungsphase
7.9. Abschlussphase

8. Schlusswort

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Was ist, wenn die fünfjährige Tochter immer schreit, wenn sie etwas nicht bekommt oder darf oder der 16-jährige Sohn nächtelang nicht zu Hause ist, sich den Eltern verweigert und Drogen konsumiert; was, wenn die Eltern sich trennen und das Kind zwischen beiden hin und her gerissen ist oder wenn sich Geschwister augenscheinlich immer wieder wegen Nichtigkeiten streiten?

Hier bietet die Erziehungsberatung die Möglichkeit, Schwierigkeiten in der Erziehung zu verringern oder womöglich ganz zu beseitigen. Wissenschaftlich ausgebildete Fachkräfte versuchen objektiv die Situation einzuschätzen und mit den betroffenen Personen an unerwünschten Verhaltensweisen und Handlungseffekten, Krisen und Konflikten zu arbeiten. Ziel ist die seelische Gesundheit der gesamten Familie, „indem sie dazu beiträgt, daß sich junge Menschen ihren Fähigkeiten entsprechend entfalten und aktiv mit den Anforderungen der Umwelt auseinandersetzen können.“ (Abel 1998, S. 47)

Diese Hausarbeit soll einen Einblick in die Geschichte, die Bedingungen und Arbeitsweise der Erziehungsberatung und den Erziehungsberatungsstellen geben.

Dazu werde ich zunächst die Begriffe Erziehung und Beratung definieren, um daraus eine Begriffsbestimmung von Erziehungsberatung zu entwickeln. Danach gebe ich einen ausführlichen Überblick über die Geschichte der Erziehungsberatung von den Anfängen über den Zeitraum des Nationalsozialismus bis in die heutige Zeit. Es folgt eine Beschreibung der rechtlichen Grundlagen und Rahmenbedingungen von Erziehungsberatung, auf der diese heute basiert. Darauf fußt die gesamte Arbeit der Erziehungsberatung und soll daher nicht unerwähnt bleiben. Als nächstes widme ich mich den Beratungsanlässen, also den, wie oben beschriebenen Gründen, eine Beratungsstelle aufzusuchen. Diese seien hier jedoch nur stichpunktartig angeführt. Die nachfolgenden Grundprinzipien in einer Beratungsstelle sind wichtige Bestandteile der Erziehungsberatungsarbeit. Sie steigern die Qualität einer Erziehungsberatungsstelle und machen ein Arbeiten ohne Störungen wahrscheinlicher. Abschließend gibt eine ausführliche Beschreibung des Ablaufs eines Beratungsprozesses, um die praktische Seite der Erziehungsberatung darzustellen.

Weiterhin sei erwähnt, dass ich der Einfachheit halber in dieser Ausführung nur von Kindern und in der männlichen Form sprechen werde. Jugendliche sowie weibliche Personen sollen hierbei gedanklich mit eingefügt werden. Falls eine spezielle Altersgruppe oder eine geschlechtsspezifische Darstellung in der Ausarbeitung gemeint ist, werde ich dies ersichtlich machen.

2. Definitionen relevanter Begrifflichkeiten

Um Missverständnisse und Unklarheiten auszuschließen, werden im Folgenden einige Begriffe definiert und geklärt. Zunächst möchte ich die Bezeichnungen Erziehung und Beratung getrennt definieren, um diese dann in den Begriff der Erziehungsberatung münden zu lassen. Ich denke, dadurch wird der Blick auf die Begrifflichkeit „Erziehungsberatung“ geweitet.

2.1. Definition Erziehung

Erziehung ist ein sehr weit gefasster Ausdruck. Hier sollen nur die grundlegendsten Wesenszüge der Erziehung betrachtet werden.

Erziehung kann als ein Interaktionsprozess zwischen mindestens 2 Personen bezeichnet werden. Das bedeutet, dass der Erzieher das Ziel hat, durch bestimmte Erziehungsmittel wie Einüben, Vormachen, Belohnung oder Bestrafung „Kenntnisse und Fähigkeiten, Handlungswillen und Handlungsfähigkeit, also die individuelle Mündigkeit [(selbstverantwortliches Urteilen und Handeln)] der Kinder und Jugendlichen und ihre Kompetenz zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben möglichst dauerhaft zu verbessern.“ (Schaub, Zenke 2004, S. 189) Dies stellt somit eine zielgerichtete Handlung dar und wird als intentionale Erziehung bezeichnet. Funktionale Erziehung basiert auf Sozialisation, das heißt, dass Verhaltensänderungen aus alltäglichen Situationen in der Interaktion mit Menschen, Institutionen und anderen Instanzen hervorgehen. Mit diesen Merkmalen der Erziehung geht immer eine Entwicklung des zu Erziehenden einher.

2.2. Definition Beratung

Beratung ist im Allgemeinen ein (zumeist) persönliches Gespräch oder eine andere Form der Kommunikation mit dem Ziel, Aufgaben, Probleme und Krisen soweit wie möglich zu lösen. Hierbei sollen Informationen, klärende Gespräche, Ermutigungen, praktische Anleitungen und die Erarbeitung von Entscheidungshilfen den Ratsuchenden zu Selbsthilfe befähigen. Einfach ausgedrückt ist Beratung eine Hilfe zur Selbsthilfe. (vgl. Schaub, Zenke 2004, S. 76)

2.3. Definition Erziehungsberatung

Verbindet man nun die beiden Begriffe Erziehung und Beratung, könnte die Definition von Erziehungsberatung folgendermaßen lauten:

Erziehungsberatung ist das Eingreifen einer Fachperson (Pädagoge, Mediziner, Sozialarbeiter, Psychologe) in eine problematische Situation beim Erziehen eines Kindes. Das Erreichen von Erziehungszielen wie Mündigkeit, erfolgreich ausgeprägte Normen- und Wertevorstellung und Sozialisation ist vor der Inanspruchnahme der Beratung gefährdet. In der Erziehungsberatung sollen Wege und Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt werden, mit deren Hilfe die Erziehungsziele effektiv weiterverfolgt werden können. Außerdem versucht sie Hintergründe für Verhaltensaufälligkeiten, Delinquenz, Beziehungsproblemen innerhalb der Familie und andere aufzuklären und Hilfe bei schweren Lernproblemen zu schaffen. Dabei entwickelt der Erziehungsberater gemeinsam mit dem Klienten einen Lösungsansatz.

Im SGB VIII (2007) §28 wird Erziehungsberatung über die Aufgaben von Erziehungsberatungsstellen definiert. Diese lautet wie folgt:

„1. Erziehungsberatungsstellen und andere Beratungsdienste und –einrichtungen sollen Kinder, Jugendliche, Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Klärung und Bewältigung individueller und familienbezogener Probleme und der zugrunde liegenden Faktoren, bei der Lösung von Erziehungsfragen sowie bei der Trennung und Scheidung unterstützen. 2. Dabei sollen Fachkräfte verschiedener Fachrichtungen zusammenwirken, die mit unterschiedlichen methodischen Ansätzen vertraut sind.“ (SGB VIII 2007, S. 19)

Erziehungsberatung soll also bei der Erziehung helfen und die Betroffenen in ihrer Erziehungsverantwortung unterstützen, um eine dem Kindeswohl entsprechende Erziehung sicherzustellen. Sie hat emotionale, soziale und kognitive Schwierigkeiten und Auffälligkeiten von Kindern ebenso zum Gegenstand, wie auch emotionale Beeinträchtigungen einzelner Familienmitglieder und Konflikte sowie Spannungen zwischen Familienmitgliedern, soweit diese sich auf die Entwicklungsbedingungen von Kindern auswirken.

3. Geschichte der Erziehungsberatung

Dieser Teil der Hausarbeit wird in vier Abschnitte gegliedert sein. Der erste befasst sich mit den Anfängen der Erziehungsberatung um die Jahrhundertwende und ihren Entstehungshintergrund, der zweite Abschnitt widmet sich der Erziehungsberatung im Nationalsozialismus, der dritte Teil beschäftigt sich mit der Erziehungsberatung von der Nachkriegszeit (also nach 1945) bis zu den 90er Jahren und der letzte Teil umfasst die heutige Situation und dabei speziell das Jahr 2003. „Diese Art der Zerteilung der Geschichte orientiert sich nicht einfach nur an der Chronologie der Ereignisse, sondern auch an der gängigen Doktrin, die Zeit des Dritten Reiches als Bruch im Lauf der deutschen Geschichte wahrzunehmen, und nach 1945 einen Neubeginn, eine „Stunde-Null“, zu konstatieren.“ (Abel 1998, S. 19)[1]

Um den Bereich der Erziehungsberatung in seiner gesamten Komplexität zu begreifen, ist es wichtig, einen ausgedehnten Blick auf die Geschichte zu werfen.

3.1. Die Anfänge der Erziehungsberatung

Der Arbeitsbereich der Erziehungsberatung entwickelte sich in Folge der sozialen Veränderungen während der industriellen Revolution mit der einhergehenden Urbanisierung und Industrialisierung im 19. Jahrhundert. In dieser Zeit zerfiel die bis dahin funktionierende Sozialordnung; es entstand die lohnabhängige Arbeiterklasse, was bedeutete, dass Familien ohne geregeltes Einkommen ihr Überleben nicht sichern konnten, es herrschte Wohnungsnot und die Betreuung der Kinder konnte zumeist nicht mehr gewährleistet werden, da auch die Mütter arbeiten gehen mussten, damit ein Überleben möglich war. Besonders die Ärzte aus den psychiatrischen Kliniken wurden mit den Folgen der Missstände zu jener Zeit konfrontiert. Die Nachfrage nach wissenschaftlichem Rat in Fragen der Erziehung stieg und so gründeten sich die ersten Beratungsstellen für Erziehung meist in privater, freier Trägerschaft. Die Wurzeln der Erziehungsarbeit liegen hierbei in der Jugendfürsorge, Sonder- und Heilpädagogik, Entwicklungsmedizin, Kinder- und Jugendpsychologie und der Psychoanalyse von Freud.

Schon 1883 beriet Max Taube, der Leiter der Leipziger Ziehanstalt, Pflegemütter unehelicher Kinder in Fragen der Erziehung. 1896 wurde die erste Psychologische Klinik, die „Psychological Clinic Lightner Witmer“, an der Universität in Pennsylvania eröffnet und J. Sully, Professor für Psychologie an der Universität London, begann mit Untersuchungen von Problemkindern im psychologischen Labor.

Allerdings: „Als historisches Gründungsdatum der EB gilt die Einrichtung einer heilpädagogischen Beratungsstelle durch den Krimimalpsychiater W. Cimbal im Jahre 1903 oder die Eröffnung der ‚Medico-pädagogischen Poliklinik für Kinderforschung, Erziehungsberatung und ärztlich erziehliche Behandlung’ 1906 in Berlin unter der Leitung des Psychiaters Fürstenheim.“ (Abel 1998, S. 23) Von den heutigen Erziehungsberatungsstellen unterschieden diese Einrichtungen sich jedoch dadurch, dass eine stark medizinisch orientierte Konzeption verfolgt wurde und dort größtenteils neben- und ehrenamtlich gearbeitet wurde.

Das oberste Erziehungsziel der Pädagogen zu dieser Zeit war die Anpassung des Kindes an die gegebenen Ordnungen, was auch durch systematische und gewaltsame Strafen durchzusetzen versucht wurde. Die Eltern standen damals also noch nicht vor der Frage, welche Erziehung die richtige für ihr Kind ist, da sie häufig auf großfamiliär vermittelte, tradierte Erziehungsvorbilder und Verhaltensmuster zurückgreifen konnten und dies von der Gesellschaft unterstützt wurde, aber die Missstände zu der Zeit der Sozialen Frage waren für manche Kinder so groß, dass sie in die Delinquenz abrutschten oder verwahrlosten. Ziel der Beratungsstellen war hierbei das Kontrollieren und Selegieren von auffälligen Kindern.

1916 wurde die „Jugendsichtungsstelle in Frankfurt/ Main von Fürstenberg gegründet.

Hierbei wurden die Heranwachsenden mit Hilfe zahlreicher medizinischer, psychiatrischer und psychologischer Diagnostik „gesichtet“, um aufzuklären, ob ihren Störungen ein krankhafter Defekt oder Probleme im Elternhaus zugrunde lagen. Je nach Ergebnis wurden dann Maßnahmen ergriffen wie beispielsweise eine staatliche Fürsorgeerziehung oder die Kinder wurden in Sonderhorte und -kindergärten weitergeleitet. 1917 wurde diese Stelle vom Stadtjugendamt übernommen und 1922 dem Gesundheitsamt angegliedert. Außerdem wurde in diesem Jahr in der Ambulanz der Universitätsklinik Heidelberg die „Heilpädagogische Beratungsstelle“ durch Professor Homburger, Professor für Kinder- und Jugendpsychiatrie, errichtet. (vgl. Abel 1998, S. 19-24; Vossler 2005, S.3-4)

„Neben diesen Initiativen von engagierten Ärzten organisieren auch Verbände und Vereine der privaten Fürsorge (Fürsorgebewegung) die ersten Beratungsstellen für Erziehungsfragen[…wie der ‚Verein zur Fürsorge für jugendliche Psychopathen e.V.’ in Berlin 1919].“ (Abel 1998, S. 24) Auch hier war das Sichten, Diagnostizieren und Selegieren bei Kindern Hauptbestandteil der Arbeit.

1922 entstand zum einen ein „Psychoanalytisches Ambulatorium“ in Wien, aus dem später auch eine Erziehungsberatung wurde und zum anderen eröffnete in München die erste „öffentliche Erziehungsberatungsstelle“ durch Nervenarzt Seif.

„Zusammenfassend lassen sich also folgende historische Entwicklungslinien der frühen EB-Geschichte bestimmen:

[...]


[1] Einen sehr ausführlichen Überblick über die Geschichte der Erziehungsberatung bzw. der Erziehungsberatungsstellen gibt der Artikel von Andreas H. Abel „Geschichte der Erziehungsberatung: Bedingungen, Zwecke, Kontinuitäten. In Körner, Hörmann 1998: „Handbuch der Erziehungsberatung.“ Seite 19-51. Hierin führt er nicht nur eine chronologische Abfolge der Eckdaten von Ereignissen seit den Anfängen der Erziehungsberatung auf, sondern stellt die Kontinuitäten der Entwicklung in den Vordergrund, um die Abfolge der Ereignisse von 1983 bis heute nachvollziehbar zu machen.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Erziehungsberatung - Ein Einblick in die Thematik
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Veranstaltung
Beratung als pädagogische Form!? Annäherung an theoriegeschichtliche Grundlagen und Praxiskonzepte von Beratung
Autor
Jahr
2007
Seiten
25
Katalognummer
V91817
ISBN (eBook)
9783638057851
ISBN (Buch)
9783640543670
Dateigröße
462 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erziehungsberatung, Einblick, Thematik, Beratung, Form, Annäherung, Grundlagen, Praxiskonzepte, Beratung
Arbeit zitieren
Anja Neugebauer (Autor:in), 2007, Erziehungsberatung - Ein Einblick in die Thematik , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91817

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