Menschenrechte der Globalisierung: Minderheitenrechte


Hausarbeit, 1999

8 Seiten


Leseprobe


Menschenrechte der Globalisierung: Minderheitenrechte

Verfolgt ein Ahnungsloser die bundesdeutsche Menschenrechtspublizistik, kann er leicht der Vermutung erliegen, daßdie Thematik Menschenrechte ein Unterkapitel der Ethnologie wäre. Der ethnisch-orientierte Ansatz, der von kritischen Zeitgenossen als die Biologisierung der Menschenrechte bezeichnet wird , prägt die Türkei bezogenen Themen in Deutschland, allen voran die sogenannte Kurdenfrage. Aufschlußreich in diesem Zusammenhang sind "Hausaufgaben", welche für eine Aussicht auf eine EU-Mitgliedschagt an Ankara adressiert werden. Neben der "Zypernfrage", den Streit mit Griechenland um Ägäis und der Wirtschaftslage des Landes wurde und wird die Türkei aufgefordert, zwei weitere "Hausaufgaben" zu machen: "Menschenrechte" und die "Kurdenfrage". Da jedoch unter "Kurdenfrage" ebenfalls "Menschenrechtsverletzungen" behandelt werden, sollte dessen seperate Erwähnung als Hinweis dafür gelten, daßdie "Menschenrechtsfrage" sich auf die vermeintlich "ethnischen" Türken bezieht, während man mit der "Kurdenfrage" offenkundig eine "Minderheitenfrage" meint, welche Ankara mit Gewährung von "Volksgruppenrechten" zu lösen habe. Im folgenden wollen wir diese ethnisch-orientierte Behandlung der "Menschen-" und "Minderheitenrechte" bezüglich der Türkei in der deutschen Publizistik umreißen. Wir wollen anhand der Presse-Zitate uns nicht nur mit den Argumenten der medialen Meinungsmacher befassen, sondern darüber hinaus "Lösungskonzepte" der Urheber streifen.

Die der Rhetorik nach universalistisch geführte westliche Menschenrechtspolitik gegenüber den Gegnern des Kalten Kriegs wurde ab Ende der achtziger Jahre ethnisiert. Der Trend im Zeitalter der "Globalisierung" ist "hin von allgemeinen menschenrechtlichen Fragen zur intensiveren Beschäftigung mit den Minderheitenrechten".

In ihrer Empfehlung 1201 definiert die parlamentarische Versammlung des Europarates ein Zusatzprotokoll, welches "die nationalen Minderheiten" definiert. Danach sei eine nationale Minderheit "eine Gruppe von Personen in einem Staat, die im Hoheitsgebiet dieses Staates ansässig und dessen Staatsbürger sind, die langjährige, feste und dauerhafte Verbindungen zu diesem Staat aufrecht erhalten, besondere, ethnische, kulturelle, religiöse oder sprachliche Merkmale aufweisen, ausreichend repräsentativ sind - obwohl ihre Zahl geringer ist als die der übrigen Bevölkerung dieses Staates oder einer Region dieses Staates - und die schließlich von dem Wunsch beseelt sind, die für ihre Identität charakteristischen Merkmale, insbesondere ihre Kultur, ihre Traditionen, ihre Religion oder ihre Sprache gemeinsam zu erhalten" .

Federführend für dieses Definition war die Flensburger Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen (FUEV), die beim Europarat mittlerweile einen Beraterstatus genießt. Der Definitionsvorschlag zeichnet sich durch zwei Merkmale aus. Erstens ist sie auf deutsche Begebenheiten zugeschnitten und demzufolge der "Gefahr" vorbeugt, auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland eine neue Minderheit entstehen zu lassen. Zweitens stellt er stillschweigend die Existenz des Nationalstaates in Frage. Dies war vermutlich der Grund, daßer auf dem Wiener Gipfeltreffen der Staat- und Regierungschefs der Mitgliedsländer des Europarates im Oktober 1993 aufgegeben wurde.

Der deutsche Standpunkt, der auf ethnisch-orientierte und völkerrechtlich verbindliche Minderheitenrechte setzt, weist auf mehrere "ethno-nationale und religiöse Minderheiten" in vielen Staaten Europas hin. Daher sei es für die künftige Sicherheit in Europa von großer Bedeutung, daßdie OSZE sich weiterhin um die Minderheitenrechte bemüht. Von der OZSE wird nicht nur erwartet, sich zu bemühen, "Staatsformen und -modelle aufzuzeigen, wie mehrere Ethnien in einem Staat oder gar Vielvölkerstaat zusammenleben können" - einschließlich der "Selbstbestimmungsrechte. Selbst für den Fall, daßein "Zusammenleben nicht möglich sein sollte", müßte die OSZE Wege anbieten können, wie verschiedene Ethnien gegebenenfalls den Weg zur Eigenstaatlichkeit gehen können... und "Wege gewaltfreier Sezession" zeigen.

Obwohl die Definitionsvorschläge neben dem "ethnischen" eine Reihe anderer Komponente wie "kulturelle", religiöse, sprachliche u.s.w., enthalten, liegt das Hauptgewicht auf dem "ethnische"n. Der ethnische Menschenrechtsansatz, der sich tribale Kollektifrechte zum Ziel gesetzt zu haben scheint, führt die Ursachen der Konflikte ausschließlich auf "ethno- kulturelle" fault lines und erhebt somit Anspruch auf "Liberalität", weil nach seinem Konzept heute kein Zusammenprall der Zivilisationen stattfinde, sondern "der Konflikt quer durch die Kontinente und vor allem auch durch die Entwicklungsländer" gehe. Die auf den "Dialog der Kulturen" setzende bundesdeutsche Menschenrechtstrategie will dadurch Samuel Huntington Lügen strafen , wobei sie sich, zur Untermauerung ihrer These von "Zusammenprall der Ethnien", nicht zuletzt auf den sogenannten Kurdenkonflikt in der Türkei beruft. Wie dies in der Praxis aussieht, soll im folgenden anhand der deutschen Beurteilung des "Kurdenproblems" gezeigt werden.

Die Begründung und die "moralische" Rechtfertigung der deutschen Kritik an der sogenannten "Minderheitenpolitik" der Türkei, was gleichzeitig formal juristische Grundlage für künftige Pläne liefern soll, betont zunächst die Andersartigkeit der kurdischstämmigen Bürger der Türkei, denn:. Ethnische Rechte einzuklagen, setzt Existenz einer ethnischen Minderheit voraus. Um den Minderheitenstatus der kurdischstämmigen Türken nachzuweisen, verweist man auf ihre "sprachlichen", "kulturellen" und "ethnischen" Besonderheiten, die sie von den "Türken" unterscheiden. Parallel dazu wird behauptet, daßdie kurdischstämmigen Türken eben aufgrund ihrer "ethnischen Andersartigkeit" keine gleichberechtigte Bürger der Türkischen Republik seien. Daßdie kurdischstämmigen Türken sowohl "ethnisch andersartig" seien und als auch aus diesem Grund verfolgt würden, ergibt einen "ethnischen Konflikt", der vom türkischen Staat auf einer Seite und den "verfolgten Kurden" auf der anderen Seite ausgetragen würde.

Um dieser These mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen, wird das Bürgerverständnis der Türkischen Republik als ein "türkisch-ethnisches" dargestellt, in dem es für "Kurden keinen Platz" gebe. Schuld daran sei nicht nur "rassistische Politik Ankaras". Solche "Minderheitensituationen wurden erst dann Problem mit dem Aufkommen der Idee des Nationalstaates, als der genauen Übereinstimmung von staatlichem Territorium mit dem Siedlungsgebiet eines Volkes, einer Nation". Die "Minderheitenprobleme" existieren nach dieser Theorie überall, wo die Staatsgrenzen mit den Siedlungsgebieten von "Ethnien" und "Nationen" nicht identisch seien. Einstimmig ist eine solche Erklärung nur im Rahmen eines völkischen Nationverständsisses, welches einem "ethnic myth" nachhängt: "based on a common language, reconstructed and purified by linguistic science, on a national history distilled out of European history, and on a construct of a common biological origin, which can be intensified to the point of racism". It is essential constantly to remember that ´nation` in thes usage is to be unterstood in the sense of an "ethnic collective" ; in other words, as "a political community related by language, customs, racial and political development".

In der Tat ist die deutsche Vorstellung von "ethnischer Volksgruppe", welche auf die Türkei übertragen wird, völkischer Natur. Einem der von der FUEV vertretenen Definition zufolge gibt es neben religiösen, sprachlichen und nationalen Minderheiten auch solche, die sich von der Mehrheitsbevölkerung durch "biologische Faktoren" unterscheiden. Unter "rassischer Minderheit" versteht die FUEV "Gruppen, die eine eigene Geschichte und Kultur, teilweise auch eine eigene Sprache haben, und deren Mitglieder sich von der Bevölkerung durch biologische Faktoren unterscheiden".

Interessant ist die Flexibilität, welche man in dieser Frage walten läßt. Denn: "die Frage, was in einem konkreten Fall eine ethnische, sprachliche, rassische, religiöse Minderheit oder Gruppe ist, mußvon Fall zu Fall beurteilt werden, wobei auch die konkreten Forderungen der Minderheiten in Betracht gezogen werden müssen".

Daßeine derart völkischfixierte Definition von Minderheiten jeden Nationalstaat mit republikanischem Bürgerverständnis sprengen würde, liegt auf der Hand und ist der Grund, weshalb die von der FUEV vorbereitete Minderheitenkonvention bei den Europäern auf taube Ohren stößt. Die Befürworter der völkischen Minderheitenkonvention", deren Minderheitverständnis mit einem völkischen Nationverständnis aufs engste zusammenhängt, werfen beispielsweise Frankreich "Konservatismus" vor, weil "es keine Minderheiten, sondern nur Staatsbürger" kenne und dies "sogar durch Entscheid des Verfassungsgerichtshofs verfestigt" habe. Eine deutsche Europa-Abgeordnete bemerkt dazu: "Einige EU-Mitglieder befürchten, daßeine solche Konvention auch Minderheiten im eigenen Land ermuntern könnte, ihre eigene Sprache und mehr kulturelle Rechte einzufordern".

Angesichts der Tatsache, daßDeutschland sich als "ethnisch" homogen betrachtet und über vollintegrierte Vorzeigeminderheiten von symbolischer Größe verfügt, nimmt es nicht Wunder, daßsich die deutschstämmige Minderheitenkonvention sowohl auf Nationalstaaten mit republikanischem Bürgerverständnis als auch auf ehemals sozialistische Länder Europas desintegrierend auswirken kann. Merkwürdig bleibt, dass dieses tribale Volksverständnis, das bereits 1943 das US-Außenministerium befremdet hatte , sich für modern und die Idee des Nationalstaates für veraltet hält. Die Nationalstaaten jedoch, deren Volksverständnis keine Rassevorstellung innewohnt, sind nach dieser Philosophie "Problemfälle". "Wenn die Völker Glück haben, trennen sie sich friedlich wie Tschechien und die Slowakai. Mit weniger Glück funktioniert es so wie in Kanada, mit der labilen Koexistenz zwischen Quebec und dem Rest. Aber die bestimmende Realität heißt Bosnien, Tschetschenien, Kascmir, Sri Lanka..."

Kommen wir nun auf die an der Türkei geübte "Menschenrechtskritik" bezüglich der sogenannten "Kurdenfrage" zurück, so ergibt sie folgendes Bild. Erstens: Die Türkei sei kein homogenes Land. Zweitens: es gebe in der Türkei, neben den "ethnischen Türken" eine Reihe "ethnischer" und "konfessioneller Minderheiten". Drittens: Diese Minderheiten seien aufgrund ihrer "ethnischer" oder "konfessioneller" Andersartigkeit nicht anerkannt und würden verfolgt. Viertens: die türkische Nationverständnis sei "ethnisch" und konfenssionell" orientiert, halte nur türkischstämmige Bürger sunnitischen Glaubens für das Staatsvolk, weswegen es nicht imstande sei, "ethnische" und "konfessionelle" Minderheiten zu integrieren.

Um die vermeintliche Problematik geschichtlich zu begründen, wird die sogenannte TürkischIslamische-Synthese auf den Kemalismus zurückgeführt, dessen Bestand dann zum wichtigsten Hindernis für die "Lösung der Krise" erklärt. Dadurch wird jedoch nicht nur das kemalistisch-republikanische Nationverständnis entstellt. Vielmehr wird ein tribalistisches Volkskonzept als Ersatz für den angeblichen "völkisch-religiöse"n Bürgerbegriff vorgeschlagen. Um dies zu verdeutlichen wollen wir einen Blick auf die "Lösungskonzepte" der Regierungsparteien in Deutschland werfen.

Das umfangreichste "Konzept zur Lösung der Kurdenfrage" stammt von Bündnis 90/ Grünen. Da diese Partei sowohl Koalitionspartner ist als auch den Außenminister der Bonner Regierung stellt, ist ihr Konzept von Bedeutung. Die Personen, denen die "wissenschaftliche Arbeitsgruppe" des Konzepts dankt und deren Rat und Unterstützung unterstreicht, sind ein buntes Gemisch. Die wichtigsten "Berater" des Konzepts sind Mitarbeiter von Deutschem Orient-Institut (Hamburg), der Gesellschaft für bedrohte Völker (Göttingen), amnesty international (Bonn) und medico international. Bedenkt man, daßdie Beratergruppe sowohl eine Mitarbeiterin der "Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD) als auch einen Mitarbeiter der Konrad- Adenauer-Stiftung" (CDU) umfasst, so stellt man fest, daßes über dessen Inhalt und Zielsetzungen ideologienübergreifenden, sehr breiten Konsens in Deutschland gibt.

Erwartungsgemäßwird schon eingangs konstatiert: "Die Türkei ist kein homogenes Land, sondern wird von unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen bewohnt. Das Konzept spricht von "ethnischen", "linguistischen" und "religiösen Minderheiten", deren "Unterschiede die Türkische Republik leugne, bestreite und unterdrücke. Im Bezug auf die "Kurdenfrage" spiele sich der Konflikt zwischen der Türkischen Republik und "den kurdischen Bewegungen" ab (S.10 f.). Im geschichtlichen Teil des Konzepts wird der Türkischen Republik vorgeworfen, "alle Nationen und ethnischen Gruppen auf dem Staatsterritorium als nicht existent betrachtet" und "als ´Türken` bezeichnet" zu haben. "Weite Teile der kurdischen Bevölkerung" hätten, "erneut den bewaffneten Widerstand als unausweichlich angesehen, da man ja ihre ethnische Identität verleugnen wollte" (S.21). Sogar der Laizismus und damit zusammenhängende Reformen werden als "Leugnung der kurdischen Identität" verurteilit (ibid.). Was die PKK anbelangt, so sei sie die Antwort der "kurdischen Bevölkerung" auf das Vorhaben der "staatstragenden kemalistischen Eliten..., die Kurdenfrage militärisch zu lösen" (S.24). Nach diesem Abrißzur Genesis des "Konflikt"s schildert das Konzept anhand verschiedener Kriterien die "demographische Situation der Kurden in der Türkei", wobei die Bevölkerungszahlen interessanterweise sehr präzisse sind. 22 Provinzen werden als "angestammte Siedlungsgebiete der Kurden" aufgelistet, in denen auch "Türken" lebten (S.26- 29). Was andere Gebiete betrifft, so ist "der Kurde" jemand, der entweder Kurdisch spricht, oder "kurdische Traditionen pflegt" oder "kurdische Lebensweise" führt, oder "sich seinem traditionellen Stamm zugehörig fühlt" (S.29 f.). So gibt das Konzept die Zahl der kurdischstämmigen Bürger der Türkischen Republik als 18 Mio. an (S.32). Dem Konzept zufolge stehen die "herrschenden Türken" den "unterdrückten Kurden" gegenüber, wobei beide "Seiten" auch "unterschiedliche Lager" hätten. Das Konzept bescheinigt der PKK, welche es implizit als den alleinigen Vertreter "der Kurden" betrachtet, "größere Flexibilität", die von "der starren Haltung der Generäle" nicht gewürdigt würde (S.39). Auf diese "einleitenden Kapitel" folgt ein vierstufiger "Lösungspaket": "Demokratisierung" (S.81-84), "Dezentralisierung" (S.85-87), "Die Sicherung der sprachlichen Identität" (S.88-90) und "Gesellschaftliche Versöhnung" (S.91-94).

"Demokratisierung": Das Konzept versteht unter "Demokratisierung" vorrangig die Abschaffung der Gesetzesartikel, die Errichtung von Parteien auf ethnischer und rassischer Grundlage verbieten (S.81). Weiter verlangt das Konzept, unter Berufung auf eine Studie von Bülent Tanör, die Abschaffung des Nationalen Sicherheitsrats" (MGK), Zulassung seperatistischer Propaganda, "Rück-Kurdisierung" von Ortsnamen u.a (S.82-83). Die "Demokratisierung" sei jedoch kein "hinreichender Baustein für die Lösung der ´kurdischen Frage`, weshalb das Konzept noch drei Forderungen stellt.

"Dezentralisierung": Die Forderung nach "Dezentralisierung" würde der Türkei helfen, "eine effektive Verwaltung in allen Teilen des Landes" zu gewährleisten (S.85) Das Konzept schlägt vor, "Entscheidungskompetenzen auf der niedrigst möglichen Ebene anzusiedeln" und dies solle "ausdrücklich für zentrale gesellschaftliche Bereiche wie Schule, Gesundheitsversorgung und Polizei gelten" (S.86). "Der Gouverneur sollte entweder durch eine gewählte Exekutive der Provinz ersetzt werden oder nur noch eine vermittelnde Funktion zwischen Ankara und der Provinz haben". Der "Dezentralisierung"svorschlag sieht denselben Plan für "andere Provinzen" der Türkei, die "von anderen ethnischen Gruppen bewohnt" seien. Die Türkei, so das Konzept, soll in ca. 25-30 Provinzen neu eingeteilt werden. "Kriterien für die Neuteilung sollen ethnische, religiöse, tribale und wirtschaftliche Bezüge sein" (S.86). "Sicherung der sprachlichen Identität": Das Konzept fordert nicht nur die "Aufhebung gesetzlicher Beschränkungen und Verbote gegenüber der kurdischen Sprache", sondern auch "die Einführung muttersprachlichen Unterrichts für alle, nicht nur kurdischen, Schülerinnen und Schüler in der Türkei". Gefordert wird muttersprachlicher Unterricht in Kurdisch, Arabisch und Aramäisch, wobei die türkische Sprache "mit den Methoden des fremdsprachlichen Unterrichts" erteilt werden müsse (S.88) .

"Gesellschaftliche Versöhnung" soll nach diesem Konzept die letzte Etappe der "Konfliktlösung" sein. Die Verfasser des Konzepts sprechen von "einem hohen Maßan Verbitterungen und Haß- nicht nur zwischen Kurden und Türken, sondern auch unter den Kurden" (S.92).

Obwohl die SPD bisher kein offizielles Konzept zur "Kurdenfrage" vorgelegt hat, kann das Arbeitspapier derselben, das uns von der Parteizentrale auf unsere Anfrage hin geschickt wurde, als inoffizielles SPD-Konzept betrachtet werden. Das achtseitige SPD-Papier trägt zwar keinen Verfassernamen, dem Inhalt nach könnte es jedoch von denselben "Türkei- Experten" stammen, die an der Gestaltung des Grüner "Konzepts zur Konfliktlösung" maßgeblich beteiligt sind.

Das SPD-Papier verweist zunächst auf die "iranische" Herkunft des Kurdischen und bedauert die "Uneinigkeit der Kurden im Nahen Osten, die für alle Versuche der Herausbildung eines eigenes Staates erschwerend" sei. Dem SPD-Papier zufolge seien "die Kurden im Vertrag von Laussanne...leer ausgegangen" und: "in der neu entstandenen Türkei, in der unter Atatürk der frühere osmanische Multikulturalismus einem strikten türkischen Nationalismus gewichen war, bekamen die Kurden nicht einmal einen Minderheitenstatus eingeräumt". Die kurdischstämmigen Bürger der Türkei seien zudem "vielfältigen Benachteiligungen, bis hin zu offener Unterdrückung" ausgesetzt (S.1). Das SPD-Papier sieht die PKK nur als einen Konfliktpartner an und spricht von "verhängnisvollen Zuständen für die Minderheiten der assyrischen Christen, der Jeziden und der Aleviten" (S.2). Zwar gibt das "Papier" zu, daßdie Mehrheit der kurdischstämmigen Bürger der Türkischen Republik vollintegriert ist und sich mit ihrem Staat identifiert, nennt es dies "Assimilation" mit "weitgehendem Verlust der kurdischen Identität". Gleichzeitig wird betont, daß"friedliche Kurden im Westen der Türkei nicht nur verunsichert, sondern bereits diskriminiert" würden (S.4). Die "plötzlich"e Aktualität der "Kurdenfrage" in der Bundesrepublik Deutschland wird dadurch erklärt, daß"die Kurden insgesamt zu den Ausländergruppen gerechnet werden können, die aufgrund weitgehender Anpassung lange Zeit nicht besondern aufgefallen" seien (S.5). Wie das gesamte Papier darf auch diese Feststellung vom Deutschen Orient-Institut stammen, dessen Direktor in einer öffentlichen Stellungnahme folgendes gesagt hatte: "die Kurden sind Indo- Eurpäer (Arier) und sie sind, was ihre Sprache und ihre Kultur betrifft, uns den Deutschen näher als den Türken". Zur Lösung der "Problematik" empfiehlt das SPD-Papier der Türkischen Republik, "den Kurden im Rahmen ihrer Selbstbestimmungsrechte lokale Selbstverwaltung und kulturelle Automie" zu gewähren und das "Automie-Modell im freien Teil Iraks zum Vorbild" zu nehmen (S.6 f.).

Fazit

Die "universalistisch" formulierte Menschenrechtspolitik des Kalten Kriegs wurde in der Bundesrepublik u.a. in Bezug auf die Türkei von einer "Minderheitenkritik" abgelöst. Der sprachlich modernisierte, jedoch dem Inhalt nach in guter deutscher Tradition stehende tribalistische Minderheitenbegriff wird in der Phase nach dem Kalten Krieg als "modernes" Mittel zur Lösung der Minderheitenkonflikte angeboten. Da die Nation in der Philosophie der Urheber dieses Minderheitenbegriff ein durch Blutsbanden zusammengehaltenes Kollektif ist, bedeutet dessen Übertragung auf Nationalstaaten mit republikanischem Bürgerverständnis nichts anderes als Selbstaufgabe der letzteren. Bewußt oder unbewußt wird jedoch eben dies gefordert, wenn in "Lösungskonzepten" der regierenden Parteien wie Bündnis 90/ Grünen eine "Neu-Einteilung der Türkei nach "ethnischen, religiösen und tribalen" Kriterien vorgeschlagen wird. Da einerseits die Türkische Republik keinen tribalistischen Bürgerbegriff kennt und ihre kurdischstämmigen Bürger anderseits mit ihrer überwiegenden Mehrheit sich in der türkischen Nation zuhause fühlen, kommen die sogenannten "Lösungskonzepte" deutscherseits an Ankara dem Vorschlag gleich, die vermeintlichen "ethnischen Konflikte" durch ein völkisches Nationmodell zu beseitigen, indem man der Sezession "ethnischer" und "konfessioneller Art" Tür und Tor öffnet. Merkwürdig bleibt: Diejenigen, die völkische Neu-Einteilung der Türkei vorschlagen, erklären das türkische Nationmodell zu einem "rassistischen", weil es seine Bürger nicht nach "ethnischen", religiösen" und "tribalen" Kriterien einteilt.

Ende der Leseprobe aus 8 Seiten

Details

Titel
Menschenrechte der Globalisierung: Minderheitenrechte
Veranstaltung
Politikseminar
Autor
Jahr
1999
Seiten
8
Katalognummer
V95193
ISBN (eBook)
9783638078726
Dateigröße
384 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Menschenrechte, Globalisierung, Minderheitenrechte, Politikseminar
Arbeit zitieren
Ahmet Salomon (Autor:in), 1999, Menschenrechte der Globalisierung: Minderheitenrechte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95193

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