Der Höhlenlöwe


Fachbuch, 2010

144 Seiten


Leseprobe


VORWORT

Der „König der Tiere" im Eiszeitalter

Mit Schwanz bis zu 3,20 Meter lang, maximal 1,50 Meter hoch und schätzungsweise mehr als 300 Kilogramm schwer war der Europäische Höhlenlöwe (Panthera leo spelaea). Dank dieser beeindruckenden Maße kann man diese Raubkatze aus dem Eiszeitalter vor etwa 300.000 bis 10.000 Jahren zweifellos als „König der Tiere" bezeichnen.Der Europäische Höhlenlöwe gilt neben dem Mammut (Mammuthus primigenius) und dem Höhlenbär (Ursus spelaeus) als eines der bekanntesten Tiere des Eiszeitalters. Er steht im Mittelpunkt des 144-seitigen Taschenbuches „Der Höhlenlöwe" des Wiesbadener Wissenschaftsautors Ernst Probst. Dabei handelt es sich um einen Auszug aus dem 332 Seiten umfassenden Werk „Höhlenlöwen", in dem auch der Mosbacher Löwe (Panthera leo fossilis), aus dem der Europäische Höhlenlöwe hervorging, sowie der Amerikanische Höhlenlöwe (Panthera leo atrox) und der Ostsibirische Höhlenlöwe (Panthera leo vereshchagini) vorgestellt werden. Aus der Feder von Ernst Probst stammen unter anderem die Taschenbücher „Deutschland im Eiszeitalter", „Der Mosbacher Löwe. Die riesige Raubkatze aus Wiesbaden", „Der Höhlenbär", „Säbelzahnkatzen. Von Machairodus bis zu Smilodon" und „Säbelzahntiger am Ur-Rhein. Machairodus und Paramachairodus".

Der Arzt und Naturforscher Georg August Goldfuß (1782—1848) beschrieb 1810 den Höhlenlöwen (Panthera leo spelaea) anhand eines Schädelfundes aus der Zoolithenhöhle von Burg-gaillenreuth bei Muggendorf in der Fränkischen Schweiz.

Zeichnung des Originalfundes aus der Zoolithenhöhle von Burggaillenreuth bei Muggendorf in der Fränkischen Schweiz (Bayern), nach dem der Europäische Höhlenlöwe (Panthera leo spelaea) 1810 erstmals beschrieben worden ist. Dieser so genannte Holotyp wird im Museum für Naturkunde Berlin der Humboldt-Universität aufbewahrt.

Der Europäische Höhlenlöwe Panthera leo spelaea

Die Löwen aus dem Eiszeitalter vor etwa 300.000 Jahren bis zu dessen Ende vor etwa 10.700 Jahren werden in Europa als Höhlenlöwen (Panthera leo spelaea) bezeichnet. Sie sind aus den riesigen Mosbacher Löwen (Panthera leo fossilis) hervorgegangen,die nach etwa 600.000 Jahre alten Funden aus dem ehemaligen Dorf Mosbach bei Wiesbaden benannt sind. Diese Mosbacher Löwen gelten mit einer Gesamtlänge bis zu 3,60 Metern als die größten Löwen Europas.. Der Arzt und Naturforscher Georg August Goldfuß (1782-1848) hat 1810, als er noch in Erlangen arbeitete, den Höhlenlöwen anhand eines Schädelfundes aus der Zoolithenhöhle im Wiesenttal von Burggaillenreuth bei Muggendorf in der Fränkischen Schweiz erstmals wissenschaftlich beschrieben. Goldfuß war ein besonders tüchtiger Gelehrter: Ihm ist die Entdeckung von etwa 200 Fossilien aus verschiedenen Fundstellen und Zeitaltern geglückt, die er wissenschaftlich untersuchte und publizierte.

Noch heute ist der so genannte Holotyp, nach dem der Europäische Höhlenlöwe (Panthera leo spelaea) erstmals beschrieben worden ist, im Museum für Naturkunde Berlin der Humboldt-Universität vorhanden. Nach Erkenntnissen des Paläontologen Cajus G. Diedrich aus Halle/Westfalen handelt es sich dabei um den recht großen Schädel eines erwachsenen männlichen Höhlenlöwen. Der 40,2 Zentimeter lange Schädel stammt aus der Würm-Eiszeit (etwa 115.000 bis 11.700 Jahre). Der Holotyp des Höhlenlöwen aus der Zoolithenhöhle wurde aus Teilen von mindestens zwei Tieren zusammengesetzt, fand Diedrich heraus. So ist der linke Oberkieferast rund drei Zenti-

Erforscher von Höhlen in der Fränkischen Schweiz: Pfarrer Johann Friedrich Esper (1732—1781) aus Uttenreuth bei Erlangen (oben), Paläontologin Brigitte Hilpert vom Geozentrum Nordbayern, Fachgruppe PaläoUmwelt, in Erlangen (unten)

meter kürzer und auch, was seine Proportionen anbetrifft, merklich schlanker als der rechte. Offenbar stammt der rechte Oberkieferast mit einem großen Eckzahn von einem Männchen, der linke dagegen von einem Weibchen. Die Zoolithenhöhle wurde durch Unmengen fossiler Tierknochen berühmt. Dort fand man Reste von schätzungsweise etwa 800 Höhlenbären (Ursus spelaeus), aber auch zahlreichen Höhlenhyänen (Crocuta crocuta spelaea) und ungewöhnlich vielen Höhlenlöwen. Dieser Fundreichtum bewog den evangelischen Pfarrer Johann Friedrich Esper (1732-1781) aus Uttenreuth bei Erlangen, der 1771 seine erste Erkundungsreise in die geheimnisvolle Unterwelt unternommen hatte, die Höhle als „Kirchhof unter der Erde" zu bezeichnen. Zur Zeit von Pfarrer Esper wurden in der Zoolithenhöhle erstaunlich viele Reste von Höhlenlöwen geborgen. Nach Angaben der Paläontologin Brigitte Hilpert vom Geozentrum Nordbayern, Fachgruppe PaläoUmwelt, in Erlangen hat man dort Fossilien von rund 25 Höhlenlöwen gefunden. Bei Grabungen ab 1971 kamen noch einige Schädel-, Kiefer- und Skelettreste dazu. Nirgendwo in der Welt sind mehr Höhlenlöwen entdeckt worden als in der Zoolithenhöhle!

Während bei den Mosbacher Löwen nie bezweifelt wurde, dass es sich um Überreste von Löwen handelt, hielt man anfangs die Höhlenlöwen aus dem Oberpleistozän (etwa 127.000 bis 11.700 Jahre) oft für Tiger und nannte sie „Höhlentiger". Dies lag daran, dass die Höhlenlöwen in dem einen oder anderen Merkmal dem Erscheinungsbild von Tigern ähnelten. Noch immer befinden sich in vielen Museen der Welt fehlbestimmte fossile „Tiger". Inzwischen kennen aber erfahrene Zoologen am Schädelknochen unter anderem einige sogar mit den Fingern ertastbare Nervenlöcher und Muskelansätze, die optisch nicht so sehr ins Gewicht fallen, an denen sich aber Löwe und Tiger sicher unterscheiden lassen.

2004 gelang es einem deutschen Forscherteam um den Geoarchäologen Wilfried Rosendahl (Mannheim), den Biologen

Der Paläontologe Cajus G. Diedrich aus Halle/Westfalen hat in vielen deutschen Museen fossile Reste von Höhlenhyänen (Crocuta crocuta spelaea) und Höhlenlöwen (Panthera leo spelaea) aus dem Eiszeitalter wissenschaftlich untersucht und beschrieben. Weil die Höhlenlöwen nachweislich keine Höhlen als Lebens- oder Geburtsort nutzten, bezeichnet er sie als „eiszeitliche Löwen" oder „spätpleistozäne Steppenlöwen".

Joachim Burger (Mainz) und den Zoologen Helmut Hemmer (Mainz), durch einen DNA-Test den Höhlenlöwen eindeutig als Unterart der Art Panthera leo zu identifizieren. Damit wurde ein seit der Erstbeschreibung von 1810 durch Goldfuß bestehender Streit endgültig entschieden, ob es sich bei den Fossilien um Reste eines Löwen oder eines Tigers handelt. Für diese aufsehenerregende Erbgutanalyse (DNA-Test) hatte man Höhlenlöwenfossilien aus Siegsdorf in Bayern (etwa 47.000 Jahre alt) und aus der Tischoferhöhle bei Kufstein in Tirol (etwa 31.000 Jahre alt) verwendet. Die Analyse belegte auch, dass der Höhlenlöwe keinerlei Beziehungen zu Löwen aus der Gegenwart aufweist.

Heute geht man davon aus, dass die eiszeitlichen Löwen des Nordens einen eigenen Rassekreis bilden, dem die Löwen Afrikas und Südasiens gegenüberstehen. Zur so genannten spelaea-Gruppe gehören der Mosbacher Löwe (Panthera leo fossilis), der Europäische Höhlenlöwe (Panthera leo spelaea), der Beringia-Höhlenlöwe bzw. Ostsibirische Höhlenlöwe (Panthera leo vereshchagini) und der Amerikanische Höhlenlöwe bzw. Amerikanische Löwe (Panthera leo atrox). Diese beiden Rassekreise sollen sich vor etwa 600.000 Jahren auseinanderentwickelt haben. Der Amerikanische Höhlenlöwe wurde früher gelegentlich für eine eigenständige Art gehalten und teilweise als Riesenjaguar betrachtet. Nach neueren Erkenntnissen war er sicherlich keine eigene Art, sondern wie der Höhlenlöwe eine Unterart des heutigen Löwen (Panthera leo). Die Höhlenlöwen verdanken ihren falschen Namen dem Umstand, dass ihre Knochenreste häufig in Höhlen entdeckt wurden. In Wirklichkeit waren die Löwen aber Tiere der Steppe, der Busch- und Waldtundra und in Gebieten mit Höhlen genauso verbreitet wie in Landschaften ohne Höhlen. Weil die Höhlenlöwen nachweislich keine Höhlen als Lebens- oder Geburtsort nutzten, bezeichnet der deutsche Paläontologe Cajus G. Diedrich sie als „eiszeitliche Löwen" oder „spätpleistozäne Steppenlöwen".

Der Wiener Paläontologe Gernot Rabeder erklärt das Vorkommen von Höhlenbären und Höhlenlöwen in einer Höhe bis zu 2800 Metern damit, dass es in der Zeit zwischen etwa 55.000 und 40.000 Jahren wesentlich wärmer war als heute.

Anders als Höhlenbären und Höhlenhyänen haben Höhlenlöwen vermutlich nur selten Höhlen als Versteck aufgesucht. Wahrscheinlich kamen vor allem geschwächte, kranke oder alte Höhlenlöwen in solche natürlichen Unterschlüpfe und suchten dort Schutz oder einen ruhigen Platz zum Sterben. Womöglich dienten Höhlen auch als Unterschlupf für Löwinnen, die dort ihren Nachwuchs zur Welt brachten und in der ersten Zeit aufzoge]n.

Sogar in hoch gelegenen alpinen Höhlen von Italien, Österreich und der Schweiz hat man Reste von Höhlenlöwen entdeckt. An erster Stelle ist hier die in etwa 2800 Meter Höhe liegende Conturineshöhle in Südtirol (Italien) zu nennen. In rund 2000 Meter Höhe befinden sich die Eingänge zur Salzofenhöhle bei Grundlsee im österreichischen Bundesland Steiermark. Der Haupteingang zur Ramesch-Knochenhöhle in Oberösterreich beginnt in ungefähr 1960 Meter Höhe. Die Höhle Wildkirchli im Ebenalpstock des Säntisgebirges im schweizerischen Kanton Appenzell erstreckt sich in ca. 1500 Meter Höhe. In jeder dieser Höhlen ist der Höhlenlöwe eindeutig durch Funde belegt.

„Das Vorkommen von Höhlenbären und Höhlenlöwen in einer Höhe von 2800 Metern lässt sich nur so erklären, dass es in der Zeit zwischen etwa 55.000 und 40.000 Jahren wesentlich wärmer war als heute. Wir nennen diese Zeit Mittelwürm-Warmzeit oder Ramesch-Warmzeit, weil sie bei der Grabung in der Rameschhöhle zum ersten Mal erkannt worden ist", sagt der Wiener Paläontologe Gernot Rabeder. Seine Meinung über das „warme Mittelwürm" wird aber von manchen Quartärgeologen, besonders aus dem norddeutschen Raum, nicht geteilt. Denn die globale Eiskurve zeigt für diese Zeit mehr Eis an als für heute. Rabeder geht dieser Frage in einem bereits begonnenen Projekt nach. Höhlenbärenreste aus jetzt vegetationslosen Alpengebieten, wie beispielsweise am Dachstein (Schreiberwandhöhle), im Steinernen Meer und im Toten Gebirge stammen ebenfalls aus dieser Zeit. Hinweise für ein warmes Klima im Heutige Hyäne im Leipziger Zoo, fotografiert von Suzanne HeinHoffmann aus Frankfurt am Main. Zu den Beutetieren eiszeitlicher Hyänen gehörten auch Höhlenlöwen. Mittelwürm gibt es auch an Lössfundstellen im Flachland wie Willendorf in der Wachau.

Teilweise sind Höhlenlöwen wohl durch Höhlenhyänen, denen sie zum Opfer gefallen waren, in Höhlen verschleppt worden. Die bis zu etwa 1,50 Meter langen und rund 0,90 Meter hohen Höhlenhyänen ernährten sich nicht nur von Aas, sondern waren wegen ihrer Körpergröße und Kraft auch fähig, im Rudel zu jagen. Sie fraßen nicht alles vor Ort, sondern schleppten Fleisch- und Knochenteile zu einem geschützten Fressplatz, der auch in einer Höhle liegen konnte. Dort bissen sie in Ruhe die Knochen auf, um so an das begehrte energiereiche Knochenmark zu gelangen.

Besonders häufig entdeckte man Reste von Höhlenhyänen in so genannten Hyänenhorsten, die sich in Höhlen befanden. Dort brachten sie offenbar über Generationen hinweg ihren Nachwuchs zur Welt und schleppten ihre Beutetiere ein. Hyänenhorste kennt man aus England, Frankreich, Deutschland und der Schweiz.

Ein solcher Hyänenhorst war die Zoolithenhöhle in der Fränkischen Schweiz. Aus ihr stammt auch jener Schädel, anhand dessen 1823 Georg August Goldfuß erstmals die Höhlenhyäne beschrieb und jener Schädel, anhand dessen 1794 der Chirurg Johann Christian Rosenmüller (1771-1820) aus Erlangen erstmals den Höhlenbären beschrieb. Der Holotyp der Höhlenhyäne befindet sich noch heute im Goldfuß-Museum Bonn. Als Beutetiere der Höhlenlöwen gelten Wildpferde (Przewalski-Pferde), Steppenbisons, Saiga-Antilopen, Rot- und Riesenhirsche, Rentiere, Rehe und kleine Säugetiere. Auch Jungtiere von Mammuten und Fellnashörnern waren vor ihnen nicht sicher. Vermutlich mussten sogar menschliche Jäger und Sammler, die ihnen begegneten, trotz ihrer Waffen (Lanzen und Speere) auf der Hut sein. Pfeil und Bogen wurden wahrscheinlich erst vor mehr als 20.000 Jahren erfunden. Die eiszeitlichen Höhlenlöwen lebten sicherlich in Rudeln, zu denen vielleicht - ähnlich wie bei heutigen Löwen - ein bis

Unterkiefer eines Höhlenlöwen vom Grund der Nordsee (oben), die in der letzten Eiszeit teilweise Festland („Nordseeland") war. Original in der Sammlung Klaas Post, Urk. - Mammut-Experte Dick Mol (Mitte) aus Hoofdorp (Niederlande) mit Fossil aus der Nordsee (unten).

sechs Männchen und vier bis zwölf Weibchen gehörten. Wie in der Gegenwart dürften auch im Eiszeitalter nur die Löwinnen gemeinsam und überwiegend in der Nacht auf die Jagd gegangen sein und das Rudel mit Beute versorgt haben. Beim Fressen hatten die größeren Löwenmännchen Vorrang vor den kleineren Weibchen.

Höhlenlöwen fraßen nur das Fleisch von Beutetieren und nicht deren Knochen. Anders als Höhlenhyänen besaßen sie keine zur Verwertung von Knochen geeigneten Zähne. Aus diesem Grund blieb von ihrer Mahlzeit immer viel für Aasfresser übrig.

Dass die Höhlenlöwen nicht nur Jäger, sondern manchmal auch Gejagte waren, belegt vielleicht das Hinterhaupt einer solchen Raubkatze, das in Kiesablagerungen der Lippe bei Haltern in Nordrhein-Westfalen entdeckt wurde. Eine kleine Knochenwucherung im Bereich des Scheitelkammes dieses Höhlenlöwen könnte nämlich von einer teilverheilten Bissverletzung stammen.

Zum riesigen Verbreitungsgebiet der Europäischen Höhlenlöwen gehörten Europa und Nordasien. In Deutschland müssen sie vor allem im Oberpleistozän (vor etwa 127.000 bis 11.700 Jahren) sehr zahlreich gewesen sein. Darauf deuten viele Funde aus Norddeutschland, dem Ruhrgebiet, Westfalen, Rheinhessen, dem Taunus, der Fränkischen Schweiz, dem Harz, aus Thüringen und Sachsen hin. Sie belegen, dass diese Raubkatzen in ganz Deutschland weit verbreitet waren. Allerdings traten Höhlenlöwen nie in so großen Mengen auf wie Höhlenbären.

Auch in Frankreich, Italien, Belgien, den Niederlanden, England, der Schweiz, Österreich, Tschechien und Osteuropa stellten Höhlenlöwen keine Seltenheit dar. Sie waren von Spanien bis nach Russland (Ural) weit verbreitet. Früher hieß es in der Fachliteratur, in Skandinavien habe es keine Höhlenlöwen gegeben. Doch 1994 erwähnte der Weimarer Paläontologe RalfDietrich Kahlke einen Höhlenlöwenfund aus Südschweden.

Sogar auf dem Grund der Nordsee vor den Küsten der Niederlande und Englands hat man Fossilien von Höhlenlöwen entdeckt. Die Nordsee war in der letzten Eiszeit teilweise Festland („Nordseeland") gewesen. Etwa zehn Kilometer vor der Küste bei Den Haag (Niederlande) schaufeln Schwimmbagger, die in der seichten See eine Fahrrinne offen halten, Fossilien vom Mammut, Fellnashorn, Riesenhirsch, der Säbelzahnkatze und vom Höhlenlöwen frei. Oft holen niederländische Fischkutter mit ihren Netzen auch Zähne und Knochen eiszeitlicher Säugetiere vom Nordseegrund.

Die Größenangaben für Europäische Höhlenlöwen in der Literatur differieren stark. Für die Kopfrumpflänge reichen die Maße von etwa 1,45 bis 2,20 Meter, wozu noch der schätzungsweise etwa einen Meter lange Schwanz kommt, für die Schulterhöhe von 0,90 bis 1,50 Meter. Das Gewicht männlicher Höhlenlöwen wird auf mehr als 300 Kilogramm geschätzt. Heutige männliche Löwen bringen es auf bis zu etwa 1,90 Meter Kopfrumpflänge, wozu noch der bis zu 0,90 Meter lange Meter lange Schwanz kommt, und eine Schulterhöhe von etwa 1 Meter. Das Gewicht der Löwenmännchen beträgt bis zu rund 190 Kilogramm.

Bei diesen erheblichen Maßunterschieden zwischen Höhlenlöwen und heutigen Löwen muss man eines bedenken: Säugetiere der gleichen Art werden zu den Kältegebieten hin größer. Denn große Körper haben eine verhältnismäßig kleinere wärmeabstrahlende Oberfläche als kleine Körper. Nach Funden fossiler Skelettreste zu urteilen, dürften Höhlenlöwen mindestens etwa 5 bis 10 Prozent größer gewesen sein als heutige Löwen. Einige Autoren meinen, die Maße der Höhlenlöwen hätten sogar um ein Fünftel (Cajus G. Diedrich), Viertel (Helmut Hemmer), ein Drittel (Othenio Abel) oder die Hälfte (Internet) die von gegenwärtigen Löwen übertroffen. Der deutsche Paläontologe Cajus G. Diedrich vermutet, dass die größten Höhlenlöwen Deutschlands in der Saale-Eiszeit (etwa 300.000 bis 127.000 Jahre) lebten. Die in der Eem-Warmzeit (etwa 127.000 bis 115.000 Jahre) und in der Würm-Eiszeit bzw. Weichsel-Eiszeit (etwa 115.000 bis 11.700 Jahre) existierenden Höhlenlöwen hätten deren Größe nicht mehr erreicht. Aus einem klimatisch günstigen Abschnitt der norddeutschen Saale-Eiszeit stammen die Reste eines Höhlenlöwen-Skeletts aus dem Braunkohlen-Tagebau Neumark-Nord bei Frankleben im Geiseltal unweit von Merseburg in Sachsen-Anhalt. Das Skelett lag in der sandigen Uferzone eines Sees, wurde am 25. Juli 1996 von einem Bagger erfasst und von Peter Günther und einigen Arbeitern geborgen.

Nach Erkenntnissen des Berliner Paläontologen Karlheinz Fischer gehören die in Neumark-Nord verstreut vorgefundenen Knochen alle zu ein und demselben Skelett. Der Schädel des Höhlenlöwen war vom Bagger zertrümmert worden. Eine am rechten Oberkiefer sichtbare Knochenfraktur stammt aus jüngeren Jahren der Raubkatze und ist verheilt. Die geringe Größe der Kiefer könnte auf eine Höhlenlöwin hindeuten. Der Höhlenlöwe von Neumark-Nord besaß kurze Backenzahnreihen, aber kräftige Reisszähne, wie sie bei modernen Löwen ausgebildet sind, erkannte Fischer. Außer einigen Schädelknochen fehlen auch größere Partien der Wirbelsäule, das Becken sowie Lenden- und Schwanzwirbel.

Das Höhlenlöwen-Skelett lag inmitten von zusammenhängenden Skelettresten von Waldelefanten. Zwischen den Skelettresten des Löwen befanden sich Fossilien vom Damhirsch und ein Element des Zungenbeinapparates eines Raubtieres. In Neumark-Nord sind bereits vorher einzelne Reste von Höhlenlöwen entdeckt worden. Das Höhlenlöwen-Skelett aus Neumark-Nord ist im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle/Saale zu sehen.

In die Eem-Warmzeit werden bestimmte Höhlenlöwen-Reste aus Baden-Württemberg (Gutenberg-Höhle bei Lenningen im Kreis Esslingen, Travertin-Steinbruch in Stuttgart-Untertürkheim), Niedersachsen (Einhornhöhle von Herzberg-Scharzfeld im Kreis Osterode), Thüringen (Burgtonna im Kreis Gotha, Wei-

Rekonstruktion des 1975 bei Siegsdorf (Kreis Traunstein) in Oberbayern entdeckten Höhlenlöwen im Naturkunde- und Mammut-Museum Siegsdorf mar-Ehringsdorf, Weimar-Taubach) und Sachsen (WiedemarRabutz) datiert. Größere Teile von Höhlenlöwen-Skeletten aus der Eem-Warm-zeit kamen im Travertin-Steinbruch Biedermann in StuttgartUntertürkheim ans Tageslicht. Im „Baumstammschlot S1" im Unteren Travertin befanden sich Teile des Schädels, des Unterkiefers, Zähne und ein Schwanzwirbel eines jungen Höhlenlöwen. Im „Baumstammschlot S2" - ebenfalls im Unteren Travertin - lagen Teile des Beckens und ein Fersenbein von einem Höhlenlöwen. Der Untere Travertin von Stuttgart-Untertürkheim enthält Eichenmischwald-Fossilien und dokumentiert ein wärmeres Klima.

In der „Steppennagerschicht" des Steinbruchs Biedermann in Untertürkheim lagen große Teile des Skelettes eines Höhlenlöwen, aber nicht der Schädel. Die Steppennagerschicht mit Fossilien vom Pferdespringer (Allactaga jaculus) und Steppen-lemming (Lagurus lagurus) markiert ein kühleres Klima und entstand später als der Untere Travertin. Der Stuttgarter Paläontologe Fritz Berckhemer (1890-1954) vermutete, die im „Baumstammschlot S2" geborgenen Fersenbeine vom Höhlenlöwen, Riesenhirsch und Reh könnten von der „Fersenbein-Sammlung" eines Neandertalers stammen. Denn ein Fersenbein vom Riesenhirsch trug eine Reihe feiner Schnittspuren, wie sie entstehen, wenn man mit einem scharfen Gerät das Fleisch und die Sehnen von einem Knochen ablöst. Berckhemer hielt es für unwahrscheinlich, dass ein Tier die Fersenbeine in „Schlot 2" verschleppt haben könnte. In „Schlot 3" lagen eine Schneidespitze und ein Hohlkratzer sowie in „Schlot 4" ein Bohrgerät. Diese Geräte konnten nur vom Menschen hineingebracht worden sein, womit auch für die Knochen in „Schlot 2" keine andere Deutung möglich sei. Relativ viele Reste von Höhlenlöwen kennt man aus der süddeutschen Würm-Eiszeit und der norddeutschen Weichsel-Eiszeit. Es liegen Funde aus Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Thü-

Schädelfund eines Höhlenlöwen aus der Gentnerhöhle von Weidelwang bei Pegnitz in Oberfranken aus dem Jahre 1932. Länge: 33 Zentimeter. Original im Geozentrum Nordbayern, Fachgruppe PaläoUmwelt, Erlangen (früher Institut für Paläontologie der Universität Erlangen-Nürnberg) ringen, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Brandenburg und Hamburg vor.

Aus der Würm-Eiszeit stammt ein 1975 von dem Fossiliensammler Bernard Bredow bei Siegsdorf (Kreis Traunstein) südlich des Chiemsees in Bayern entdecktes Höhlenlöwenmännchen. Dieses verfügte über eine Schulterhöhe von etwa 1,20 Metern und eine Kopfrumpflänge von etwa 2,10 Metern. Der Schädel dieses Höhlenlöwen ist etwa 38 Zentimeter lang. Die Datierung des Siegsdorfer Höhlenlöwen-Skeletts mit der Radiocarbon-Methode ergab ein geologisches Alter von etwa 47.000 Jahren. Sie wurde von dem Mannheimer Geoarchäologen Wilfried Rosendahl (Reiss-Engelhorn-Museum) und Robert Darga, dem Leiter des Naturkunde- und Mammut-Museums Siegsdorf, veranlasst.

An einigen Knochen des Siegsdorfer Höhlenlöwen sind 1992 von Carin Gross deutliche Schnittspuren erkannt worden. Weitere Hinweise auf die Anwesenheit von Urmenschen - wie etwa Werkzeuge oder Waffen - fand man nicht. Nach Ansicht von Wilfried Rosendahl haben Neandertaler (Homo sapiens neanderthalensis) den Kadaver des Siegsdorfer Höhlenlöwen ausgeweidet. Darauf weisen Schnittspuren auf der Innenseite einiger Rippen und der Beckenknochen hin. Vermutlich hat man Fleischstücke aus dem Kadaver herausgeschnitten und verzehrt. Weil Schnittspuren fehlen, die eindeutig das Enthäuten belegen könnten - zum Beispiel an der Außenseite der Rippen oder an den Fingergliedern (Phalangen) -, ist fraglich, ob diesem Höhlenlöwen das Fell über die Ohren gezogen wurde. Auch typische Skelettelemente, die beim Enthäuten fehlen würden - wie etwa die Krallen -, sind noch vorhanden. Es gibt aber auch Paläontologen, die bezweifeln, dass der Siegsdorfer Höhlenlöwe geschlachtet wurde.

Die Todesursache des Siegsdorfer Höhlenlöwen ist unbekannt. Man weiß nicht, ob er auf natürliche Weise am Wasserloch verendet ist oder ob er durch Neandertaler getötet wurde. Dieser für die Wissenschaft so aufschlussreiche Höhlenlöwen-Fund

Abbildung des Skelettes eines Höhlenlöwen aus dem Mährischen Karst in Tschechien aus dem Jahre 1886. Früher hieß es irrtümlich, dieses Skelett stamme aus der Slouper-Höhle bei Brno (Brünn). ist eine der Attraktionen im 1995 eröffneten Naturkunde- und Mammut-Museum Siegsdorf.

Einer der prächtigsten Schädelfunde eines Höhlenlöwen kam 1932 beim Bau der neuen Straße von Pegnitz nach Weidelwang (Oberfranken) in einer zerstörten Höhle zum Vorschein. Damals wurde durch Felssprengungen eine kleine Höhle freigelegt, deren Ablagerungen etliche fossile Knochenreste enthielten. Der Höhleninhalt wurde nach Auskunft der Straßenbauarbeiter überwiegend als Füllmaterial beim Festwalzen der Schotterlage verwendet. Über die Knochenfunde wurde der Bürgermeister von Pegnitz, Hans Gentner (1877-1953), informiert. Einige Tage später erfuhr auch der damals in Gießen tätige Paläontologe Florian Heller (1905-1978) von diesen Funden. Er unternahm sofort mit Vermessungs-Obersekretär Spöcker aus Fischbach bei Nürnberg eine Ortsbesichtigung. Dabei wurde der Schädel des Höhlenlöwen gefunden, den Spaziergänger in der nahe der Straße vorbeifließenden Pegnitz gewaschen, fotografiert und in der prallen Sonne liegengelassen hatten. Die teilweise zerstörte Höhle war weitgehend ausgeräumt. Mit Bürgermeister Gentner (nach dem die Höhle benannt wurde) vereinbarte Heller, dass noch alle anfallenden Funde ihm zur Begutachtung und wissenschaftlichen Bearbeitung überlassen werden sollten. Tatsächlich erhielt er bald eine große Kiste mit zahlreichen Knochenresten, die er sofort konservierte und grob sichtete. Durch andere Aufgaben wurde Heller immer wieder von der Untersuchung der ihm übersandten Knochenreste abgehalten, so dass die Veröffentlichung hierüber erst 1953 erschien. Der Großteil der Knochenreste stammte von Höhlenbären. Daneben kamen aber auch zwei Unterkieferäste einer Großkatze und zwei weitere Skelettelemente zum Vorschein, die nach Hellers Ansicht ziemlich sicher demselben Höhlenlöwen angehören, von dem der Schädel herrührt. Nach dem Tode Hellers erhielt das Paläontologische Institut der Universität Erlangen-Nürnberg dessen Sammlung, zu der auch der Höhlenlöwe von Weidelwang gehört. Die Gentner-Höhle kann

In der Würm-Eiszeit vor ca. 42.000 bis 35.000 Jahren entstanden in Bottrop-Welheim die ältesten Löwenspuren Europas. Sie stammen von einem Höhlenlöwen (Panthera leo spelaea). heute nicht mehr besichtigt werden. Sie wurde nach Fertigstellung der Straßenbauarbeiten aus Sicherheitsgründen verschlossen.

Ungewöhnlich gut erhalten ist das Skelett eines Höhlenlöwen aus dem Mährischen Karst in Tschechien. Früher hieß es, dieses Skelett stamme aus der Slouper-Höhle bei Brno (Brünn), doch das gilt heute als falsch. Eine Abbildung von der Ausstellung dieses Fundes im Wiener Hofmuseum ist in dem Werk „Entwicklungsgeschichte der Natur" (Band 2, 1886) von Wilhelm Bölsche (1861-1939) zu sehen.

Einen Eintrag ins „Guiness-Buch der Rekorde" wert ist ein Höhlenlöwen-Skelett aus einer Höhle im Sauerland. Denn dieser von Cajus G. Diedrich untersuchte Fund stammt vom einzigen erst wenige Monate alten Jungtier eines Höhlenlöwen. Die Geschichte des kleinen Höhlenlöwen klingt fast unglaublich: Seine Reste wurden anfangs auf verschiedene Museen verstreut. Dann landete ein Teil im Müllcontainer, wo es durch einen aufmerksamen Paläontologen gerettet wurde. Außerdem fügte man drei Knochen von diesem Jungtier fälschlicherweise in das Skelett einer Höhlenhyäne, das Diedrich wieder demontieren ließ. Interessanterweise ist dies der einzige Löwenrest in einem sehr bedeutenden Hyänenhorst im Sauerland. In seinem Werk „Lebensbilder aus der Tierwelt der Vorzeit" (1921) erwähnte der österreichische Paläontologe Othenio Abel (1875-1946) ein in der Tischoferhöhle bei Kufstein in Tirol entdecktes Höhlenlöwen-Skelett. Diesen Fund deutete der Münchner Paläontologe Max Schlosser (1854-1933) als den Rest eines Eindringlings, der von den diese Höhle bewohnenden Höhlenbären überfallen und zerrissen worden sei. In seinem Buch „Die vorzeitlichen Säugetiere" (1914) zeigte Othenio Abel den prächtigen Schädel eines Höhlenlöwen aus der Höhle von Mars bei Vence (Meeralpen) in Frankreich. Der Pariser Paläontologe Marcellin Boule (1861-1942) beschrieb diesen Fund als Löwen, während Jules Rene Bourguignat (1829-1892) ihn als Tiger verkannte.

Unterkiefer eines Höhlenlöwen aus Südhessen aus dem Hessischen Landesmuseum Darmstadt Der Paläontologe Wighart von Koenigswald (links) während seiner Zeit am Hessischen Landesmuseum Darmstadt und Ernst Probst, der Verfasser dieses Taschenbuches (rechts), betrachten einen fossilen Nashornschädel Die ältesten Löwenspuren Europas wurden 1992 auf der Baustelle für ein Nachklärbecken der Emscher-Kläranlage BottropWelheim von dem Paläontologen Martin Walders entdeckt und ausgegraben. Die etwa zehn Meter lange Fährte stammt von einem Höhlenlöwen aus der Würm-Eiszeit und entstand vor schätzungsweise etwa 42.000 bis 35.000 Jahren. Sie wird aus 32 Pfotenabdrücken gebildet und von Wildpferd- und Wisentspuren gekreuzt. Aus der Schrittlänge der Fährte konnte die Laufgeschwindigkeit des Höhlenlöwen rekonstruiert werden. Demnach hat diese Raubkatze in ruhigem Lauf ihre Pfotenabdrücke hinterlassen. Es lag also keine unmittelbare Jagdsituation vor. Ein etwa 35 Quadratmeter großer Ausschnitt der Fährtenfläche ist im Museum für Ur- und Ortsgeschichte (Quadrat Bottrop) zu bewundern.

In Bottrop-Welheim sind auf einer Fläche von insgesamt ca. 150 Quadratmetern etwa 600 Trittsiegel von Tieren entdeckt worden. Etwa die Hälfte davon ließ sich zu rund 30 Fährten zusammenstellen. Davon stammen 16 Fährten vom Rentier, zwei von einem großen Rind, zehn von Huftieren (darunter zwei von Wildpferden), eine Fährte vom erwähnten Höhlenlöwen und eine vom Wolf. Auch ein Wasservogel hat Fußabdrücke erzeugt.

In oberpleistozänen Ablagerungen des Rheins von Hessenaue (Kreis Groß-Gerau) in Südhessen kam das Schienbein eines Höhlenlöwen zum Vorschein, an dem sich eine interessante Krankheitsgeschichte ablesen lässt. Trotz einer schweren Entzündung des Knochenmarks, die diese Raubkatze vorübergehend jagdunfähig machte, ist das Schienbein verheilt. Demnach muss dieser Höhlenlöwe noch längere Zeit mit dieser Behinderung überlebt haben. Er wurde von Artgenossen an der Beute geduldet oder mit Futter versorgt. Demnach könnte der Höhlenlöwe wie heutige Löwen ein Rudeltier gewesen sein. Über das aufschlussreiche Schienbein von Hessenaue berichteten 1987 der Bonner Paläontologe Wighart von Koenigswald und der Frankfurter Mediziner Erich Schmitt.

Höhlenlöwe auf einem Bild des Tiermalers Heinrich Harder Der Ostsibirische Höhlenlöwe oder Beringia-Höhlenlöwe (Panthera leo vereshchagini) ist nach dem verdienstvollen russischen Forscher Nikolai K. Vereshchagin aus St. Petersburg benannt Figuren von Höhlenlöwen, die aus Mammut-Elfenbein geschnitzt waren - wie die etwa 32.000 Jahre alten Funde aus der Vogelherdhöhle auf der Schwäbischen Alb - sowie Darstellungen von Löwen in französischen Höhlen können als Hinweis dafür betrachtet werden, dass die eiszeitlichen Jäger diese Raubkatzen sehr gut kannten. Einem Jäger hat womöglich ein Löwen-Eckzahn, der beim Zigeunerfels bei Sigmaringen (BadenWürttemberg) geborgen wurde, sogar als Amulett gedient. Eiszeitliche Darstellungen von Jägern und Sammlern präsentieren Höhlenlöwen immer ohne Mähne, was darauf hindeutet, dass männliche Tiere im Gegensatz zu ihren heutigen afrikanischen und indischen Verwandten mähnenlos waren. Vielleicht wurden auf den Höhlenbildern aber nur weibliche Tiere abgebildet. Das Fell scheint nach diesen Bildern einfarbig gewesen zu sein. Außerdem ist oft die für Löwen typische Schwanzquaste erkennbar.

Sogar während der Kaltzeiten des Eiszeitalters drangen die Höhlenlöwen weit nach Norden vor. Im Nordosten Asiens entstand als weitere Rasse der Ostsibirische Höhlenlöwe oder Beringia-Höhlenlöwe (Panthera leo vereshchagini), dessen Unterart nach dem verdienstvollen russischen Forscher Nikolai K. Vereshchagin aus St. Petersburg benannt ist. Als der Meeresspiegel während einer Kaltzeit wieder eimal sank, konnten Höhlenlöwen und andere Tiere aus Asien (Sibirien) über die Landbrücke Beringia und die trockengefallene BeringLandbrücke auch Nordamerika (Alaska) erreichen. Von dort aus wanderten sie vermutlich weiter nach Süden und entwickelten sich allmählich zu Amerikanischen Höhlenlöwen bzw. Amerikanischen Löwen (Panthera leo atrox). Nach gegenwärtigem Wissensstand verschwand der Ostsibirische Höhlenlöwe gegen Ende der letzten großen Vereisungsphase der süddeutschen Würm-Eiszeit bzw. der norddeutschen Weichsel-Eiszeit vor etwa 10.000 Jahren. Der Europäische Höhlenlöwe starb vermutlich etwa gleichzeitig aus. Löwen konnten sich aber möglicherweise auf der Balkanhalbinsel bis weit in die Nacheiszeit behaupten. Bei diesen Raubkatzen vom Balkan ist aber unklar, ob sie wirklich zur Unterart des Höhlenlöwen zählten.

Das Verschwinden der Löwen in Amerika, Asien und Europa wurde vermutlich dadurch bewirkt, dass ihre Beutetiere ausstarben. Zum Ende des Eiszeitalters wuchsen da, wo vorher Graslandschaft war, wieder die Wälder. Das Aussterben oder Abwandern der an Futternot leidenden Steppenhuftiere könnte den großen Raubkatzen die Nahrungsbasis entzogen haben. Es ist aber nicht völlig auszuschließen, dass die oberpleistozänen Höhlenlöwen in Deutschland die letzte Kaltphase in der WürmEiszeit nicht überlebten. Denn aus kühlen Abschnitten des Eiszeitalters kennt man nur wenig Löwenüberreste. Nach dem Ende des Eiszeitalters nahm der Löwenbestand rasch ab, nachdem sich diese Tiere zuvor geradezu explosionsartig ausgebreitet hatten.

Im Buch „Deutschland in der Urzeit" (1986) von Ernst Probst heißt es, als die Jäger in der Jungsteinzeit zu Ackerbau und Viehzucht übergegangen seien, wäre der Löwe zum Nahrungskonkurrenten des Menschen geworden. Die letzten europäischen Löwen hätten im antiken Griechenland gelebt. Davon zeugten nicht nur die Sage von der Tötung des Nemeischen Löwen durch den Halbgott Herkules, sondern auch Funde und Darstellungen von Löwen auf Kunstgegenständen und Waffen der Bronzezeit, der Zeit der homerischen Helden.

Lebensbild eines Höhlenlöwen aus dem Eiszeitalter aus der Hand des Künstlers Shuhei Tamura aus Kanagawa in Japan Höhlenlöwen in der Kunst der Eiszeit Höhlenlöwen spielten in der Gedankenwelt der eiszeitlichen Jäger und Sammler sicherlich eine große Rolle. Kein Wunder: Waren doch Begegnungen mit solchen Raubkatzen oft lebensgefährlich. Auf eiszeitlichen Kunstwerken aus Europa in Form von Höhlenmalereien, Gravierungen und Schnitzereien sind Höhlenlöwen eindrucksvoll dargestellt. Ihre Kraft, Wildheit und Gefährlichkeit übten wohl eine große mystische Anziehungskraft aus.

Besonders eindrucksvolle Löwendarstellungen befinden sich unter den Tierbildern aus der Chauvet-Höhle in Nähe der südfranzösischen Kleinstadt Vallon-Pont-d'Arc im Departement Ardeche. Diese im Dezember 1994 durch die französischen Speläologen Jean-Marie Chauvet, Eliette Brunel Deschamps und Christian Hillaire im Tal der Ardeche entdeckte Höhle enthält Bilder von Fellnashörnern, Wildpferden, Höhlenlöwen und anderen eiszeitlichen Tieren. Der schmale Einstieg in die Höhle hatte sich durch einen Luftzug verraten. Mit Hilfe der Radiocarbon-Methode (C14-Methode) konnten die mehr als 300 Wandbilder mit über 400 Tierdarstellungen in der Chauvet-Höhle auf ein Alter zwischen etwa 33.000 und 30.000 Jahren datiert werden. Sie gelten als die ältesten bekannten Höhlenmalereien und Höhlenzeichnungen. Wegen ihrer schier unglaublich hohen Qualität drängt sich zunächst der Eindruck einer Fälschung auf, doch eine solche ist -laut Online-Lexikon „Wikipedia" - allein schon auf Grund der Versinterung der Farbaufträge auszuschließen. Trotzdem gibt es von Seiten prominenter Chronologie-Kritiker nach wie vor Fälschungsvorwürfe, die von der Fachwelt aber allgemein als abwegig betrachtet werden.

Früher Jetztmensch (Homo sapiens sapiens) aus der Zeit des Aurignacien vor etwa 32.000 Jahren beim Schnitzen eines „Löwenmenschen" aus Mammutelfenbein, wie er in der Höhle Hohlenstein-Stadel bei Asselfingen (Alb-Donau-Kreis) in Baden-Württemberg gefunden wurde Unter den Tierbildern der Chauvet-Höhle befinden sich 71 Darstellungen von Höhlenlöwen mit unterschiedlicher Körperhaltung - von aufmerksamlauernd bis drohend-aggressiv. Weil die männlichen Höhlenlöwen im Gegensatz zu heutigen Löwen keine Mähne trugen, kann man sie nur wegen ihrer größeren Maße und teilweise wegen der Darstellung ihres Geschlechtsteils von den weiblichen unterscheiden. Bei einer Raubkatze mit geflecktem Fell aus der Chauvet-Höhle soll es sich um einen Leoparden handeln.

Die Tierbilder in der Chauvet-Höhle sind von Jägern und Sammlern aus der Kulturstufe des Aurignacien (vor etwa 35.000 bis 29.000 Jahren) geschaffen worden. Der Begriff Aurignacien wurde 1869 durch den französischen Prähistoriker Gabriel de Mortillet (1821-1898) eingeführt. Namengebender Fundort ist die Höhle von Aurignac im Departement Haute-Garonne. Außer in Frankreich war diese Kulturstufe auch in Italien, Österreich, Deutschland und Tschechien verbreitet. Im Nahen und Mittleren Osten trat das Aurignacien sogar schon vor etwa 40.000 Jahren auf.

Als geheimnisvollstes Kunstwerk aus dem Aurignacien in Deutschland gilt ein 29,6 Zentimeter hohes, aus Mammutelfenbein geschnitztes Mensch-Tier-Wesen aus der Höhle Hohlenstein-Stadel im Lonetal bei Asselfingen (Alb-DonauKreis) in Baden-Württemberg. Die vor etwa 32.000 Jahren geschaffene Figur steht aufrecht wie ein Mensch, trägt den Kopf einer Höhlenlöwin mit nach vorn gerichteten Ohren, sie blickt aufmerksam in die Ferne, hat einen ruhig herabhängenden linken Arm (der rechte fehlt), gespreizte Beine und Füße mit Hufen.

Auf dem linken Arm des „Löwenmenschen" wurden Einschnitte vorgenommen. Im Bereich des Bauches schließt eine scharf geschnittene Querrille fast in der Mitte zwischen Nabel und Schritt den Schamberg oben ab. Dessen Dreieck tritt durch die markant geschnittenen Leisten- und Schenkellinien deutlich hervor. Das Mensch-Tier-Wesen besitzt demnach weibliches Ge- Aus Mammutelfenbein geschnitzte Figur eines „Löwenmenschen" aus der Höhle Hohlenstein-Stadel bei Asselfingen (Alb-Donau-Kreis) in Baden-Württemberg. Höhe: 29,6 Zentimeter. Original im Ulmer Museum, Prähistorische Sammlung schlecht. Die schräg gestellten Fußsohlen eigneten sich nicht als Standflächen. Man weiß nicht, ob diese Figur einst gestützt, aufgehängt, gelegt oder getragen wurde. Die Entdeckungsgeschichte dieses „Löwenmenschen" ist ungewöhnlich. 1937 begann der Tübinger Prähistoriker Robert Wetzel (1898-1962) mit systematischen Grabungen im Hohlenstein-Stadel. Zwei Jahre später bewirkte der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges das abrupte Ende der Untersuchungen. Der Geologe Otto Völzing (1910-2001), der Grabungsleiter vor Ort, packte die Funde eilig zusammen und ließ sie abtransportieren. Zum Fundgut gehörten rund 200 Bruchstücke eines Mammutstoßzahns, der zwei Tage zuvor - am 25. August 1939 - etwa 27 Meter hinter dem Höhleneingang in etwa einem Meter Tiefe geborgen worden war. Die Funde kamen ins Ulmer Museum, dem Wetzel später seine Sammlung - darunter die Bruchstücke - vermachte.

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Ende der Leseprobe aus 144 Seiten

Details

Titel
Der Höhlenlöwe
Veranstaltung
-
Autor
Jahr
2010
Seiten
144
Katalognummer
V162416
ISBN (eBook)
9783640769759
ISBN (Buch)
9783640769988
Dateigröße
12141 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Höhlenlöwe
Arbeit zitieren
Ernst Probst (Autor:in), 2010, Der Höhlenlöwe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/162416

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