Kinder verdienen keine Sozialhilfe. Ein Essay zur Delegitimierung der Sozialstaatspraxis in der BRD


Hausarbeit (Hauptseminar), 2000

23 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Kinder- und Jugendarmut in Deutschland
A. Armutsdefinitionen
B. Ausmaß der Kinderarmut in Deutschland und ihre Ursachen
1. Einkommensarmut
2. Faktoren für den Anstieg der Kinderarmut in Deutschland
C. Konsequenzen der Einkommensarmut für Kinder
1. Wohnung
2. Gesundheit
3. Bildung
4. Psychosoziale Situation

III. Kritik der Sozialstaatspraxis
A. Chancengleichheit
B. Leistungsgerechtigkeit
C. Sozialstaat auf dem Weg zur Gleichmacherei?

IV. Offene Fragen

V. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

„‘Hör mich an: Ich nahm meine Beispiele aus der Kinderwelt, damit der Zusammenhang klarer zutage trete.“1 So wie Iwan Karamasov anhand des Leidens der Kinder in dieser Welt jeglichen Versuch einer Theodizee ablehnt, so stellt auch heute Armut von Kindern in Deutschland2 die vorherrschenden Legitimationschemata der hiesigen Gesellschaftsordnung in Frage.

Im folgenden soll anhand des Problemkomplexes Kinderarmut3 gezeigt werden, daß die sozialstaatliche Praxis in Deutschland, insbesondere in Form der Sozialhilfe, zentralen liberalen gesellschaftstheoretischen Prinzipien nicht gerecht wird, welche die bundesrepublikanische Gesellschaftsordnung strukturieren und legitimieren sollen. Gemeint sind hier damit das Leistungsprinzip und die Chancengleichheit.4 Denn Kinderarmut, die kein marginales Phänomen mehr ist, signalisiert statt dessen das Versagen dieser Ordnung in diesen beiden Dimensionen der tragenden Legitimation und Selbstthematisierung liberal-kapitalistischer Demokratien.5

Somit erscheint die Beschäftigung mit Alternativen zur bisherigen Sozialstaatspraxis nicht nur gerechtfertigt, sondern angesichts der Schicksale der hiervon betroffenen Menschen geboten. Dies gilt um so mehr, als daß in der derzeitigen öffentlichen Diskussion Schlagwörter wie Reform des Sozialstaates mit Mittelkürzungen und Leistungseinschränkung übersetzt werden müssen und es über grundsätzliche Alternativen keine breite gesellschaftliche Debatte gibt. Hierzu will diese Arbeit anregen, indem die Differenz zwischen Verfassungsrealität und dem in Artikel 20 Grundgesetz genannten Sozialstaatsprinzip aufgehoben wird durch die Kritik des Sozialstaates selber. An dieser Stelle können und sollen deshalb auch keine fertigen Entwürfe für Alternativen zur gegenwärtigen Sozialstaatspraxis präsentiert oder diskutiert werden.6 Dies kann sinnvoll auch nur mit den betroffenen Gruppen geschehen. Die Arbeit als Aufforderung zu verstehen, sich nicht allein an der möglichst effizienten Exekution von angeblichen und realen Sachzwängen zu beteiligen, sondern durch eine kinderzentrierte Perspektive diese selbst in Frage zu stellen.

Hierzu wird im ersten Teil der Arbeit der Begriff der Armut definiert, um in Anschluß daran die starke bzw. wachsende Betroffenheit von Kindern zu illustrieren. Zum Abschluß wird anhand zweier prototypischer Kommentare zur Sozialgesetzgebung umrissen, welche Legitimationsprobleme die Infantilisierung der Armut 7 für die derzeitige Gesellschaftsordnung und die gesellschaftspolitischen Akteure aufwirft.

II. Kinder- und Jugendarmut in Deutschland

A. Armutsdefinitionen

Will man sich dem Thema Kinderarmut nähern, so ist zunächst zu klären, was genau unter Armut zu verstehen ist. Armut fängt nicht erst da an, wenn Kinder mit Hungerbäuchen in den Fußgängerzonen betteln. Armut ist vielmehr grundsätzlich ein relationaler und mehrdimensionaler Begriff, der bestimmt ist durch die natürlichen, kulturellen und ökonomischen Bedingungen und Möglichkeiten in einer Gesellschaft.8 Dadurch ist eine konkrete Definition immer beeinflußt von normativen Setzungen und somit politisch umkämpft.

,,Armut ist [...] relativ im Verhältnis von arm und reich bestimmt und unterliegt einer sozialen und politischen Festlegung".9

Einkommensarmut ist dabei ein wichtiges Kriterium. Unter einkommensarm werden zum einen SozialhilfeempfängerInnen gefaßt. Der Caritas-Armutsbericht geht allerdings davon aus, daß 30 -50% der Sozialhilfeberechtigten ihren Anspruch nicht wahrnehmen und es so eine hohe Dunkelziffer verdeckter Armut gibt.10

,,Der vielzitierte Sozialhilfebezug ist nicht unbedingt ein guter Indikator für die Zahl armer Kinder in der Bundesrepublik, denn er erfasst nur diejenigen (Haushalte), die ihre Ansprüche angemeldet haben".11

Deshalb werden zur Erfassung von Armut im Falle von Familien Haushalte mit einem monatlichen Einkommen gezählt, das 50 Prozent unter dem durchschnittlichen, gewichteten Nettohaushaltseinkommen in der Bundesrepublik liegt.12 Letztere Armutsdimension liefert vor allem ein Maß für die relative Ungleichheit in einer Gesellschaft, bei dem davon ausgegangen werden kann, daß unterhalb dieser Einkommensgrenze nur noch eine periphere Teilnahme am gesellschaftlichen Leben möglich ist.

Wird Armut als Benachteiligung bzw. als Unterversorgung in zentralen Lebensbereichen begriffen, dann kommen weitere Armutsdimensionen in den Blick. Hierzu zählen die Lebensbereiche Arbeit, Wohnen, Ausbildung, Ernährung, Gesundheit, Umweltsituation und weitere für Kinderarmut spezifische, nicht monetäre Ressourcen wie die Bereitstellung, Ausstattung und der Personalschlüssel der Betreuungseinrichtungen, Zeit der Eltern für ihre Kinder, Spielplatzangebote etc.

Für die weitere Darstellung des Ausmaßes von Kinderarmut wird es nicht als notwendig und sinnvoll erachtet, strikt an einer Armutsdefinition festzuhalten, da alle Armutsformen psychische wie physische Konsequenzen für die betroffenen Kinder nach sich ziehen. Darüber hinaus erbrachten akademische Debatten beispielsweise zwischen statischer versus dynamischer Armutsforschung oder zur Trennung von absoluter und nur relativer Armut keine eindeutigen Ergebnisse.13 Vielmehr wird versucht, ein Gesamtbild des Problemkomplexes Kindheit und Armut in der BRD zu skizzieren.

B. Ausmaßder Kinderarmut in Deutschland und ihre Ursachen

1. Einkommensarmut

Die Höhe des Geldeinkommens14 stellt in entwickelten Marktgesellschaften den zentralen Armutsindikator dar. Kinder stellen mittlerweile die Altersgruppe dar, die am häufigsten von Einkommensarmut bedroht ist.15 Dies zeigt ein Blick auf die Struktur der momentan 2,9 Millionen EmpfängerInnen von Hilfe zum

Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG): 37,2 % derjenigen, die Sozialhilfe bezogen, waren Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.

„Die vergleichsweise hohe Inanspruchnahme der Sozialhilfe durch junge Menschen wird auch anhand der Sozialhilfequote (Zahl der Hilfebezieher je 1000 Einwohner) deutlich. Während Ende 1997 von 1000 Einwohnern 35 Personen Sozialhilfe bekamen, waren es bei den unter 18-jährigen mit 68 je 1000 Einwohner fast doppelt so viel.“16

Angesichts der Kürzungen bei der Sozialhilfe und ihrer nicht bedürfnisgerechten Festsetzung17 hat sich die Situation für die sozialhilfebeziehenden Kinder in den letzten Jahren verschlechtert. So bewegen sich die Lebenshaltungskosten pro Kind im Monat nach der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes 1988 im früheren Bundesgebiet zwischen 640 DM für Kinder unter 6 Jahren bis 764 DM für 12- bis 18-jährige Jugendliche, so daß heute von einem Durchschnittsbetrag von mindestens 700-900 DM ausgegangen werden kann.18 1997 wurde in der Sozialhilfeberechnung einem Ehepaar pro Kind nur ein um 500 DM erhöhter Bruttobetrag zuerkannt.

Aus dem Sozialhilfebezug sind 1994 mit dem Asylbewerberleistungsgesetz rund 450000 Personen herausgefallen. Die hiervon betroffenen Kinder sind in Deutschland noch einmal im Vergleich zum Sozialhilfebezug verschärften materiellen Bedingungen ausgesetzt.19

Gemessen am jährlichen gesamtdeutschen Durchschnittseinkommen (nominal) 1997 lagen 7,9 % der Bevölkerung unter der 40 % Schwelle („Strenge Armut“), 13,6 % unter der 50 % Schwelle („Armut“) und 36,4 % unter der 75 % Schwelle („prekärer Wohlstand“).20 Sind diese Zahlen in den letzen Jahren vergleichsweise stabil geblieben, so hat sich die Betroffenheit von Einkommensarmut insgesamt zuungunsten von Kindern verändert.

„War zu Beginn der siebziger Jahre das Risiko, in Armut leben zu müssen, für Kinder unter sieben Jahren nur halb so groß wie für die über 65jährigen, so übertrifft inzwischen der Anteil der Sozialhilfeempfänger bei Kindern unter sieben den der Senioren um ein Dreifaches.“21

Bezüglich der Ungleichheit der Vermögensverteilung können keine genauen Angaben zur spezifischen Betroffenheit von Kindern gemacht werden. Jedoch dürfte einsichtig sein, daß angesichts einer Konzentration der Produktivvermögen auf nur 6% der Haushalte, bzw. von der Hälfte der Geldund Grundvermögen auf nur jeweils 10% der Haushalte für die übrigen Haushalte entsprechend wenige Ressourcen verbleiben.22

2. Faktoren für den Anstieg der Kinderarmut in Deutschland

Vor allem drei Gründe lassen sich für den steigenden Anteil von Minderjährigen an der Armutsbevölkerung angeben: Arbeitslosigkeit der Eltern, Wandel in der Familienstruktur und ein unzureichender Familienlastenausgleich.

Lebten bis etwa Mitte der 1980er Jahre überwiegend ältere Menschen und insbesondere Frauen mit unzureichender Rente in Armut, so ist heute ist die Hauptursache für die Betroffenheit von Armut die Arbeitslosigkeit. Arbeitslosigkeit bezieht sich auf Personen im erwerbsfähigen Alter von 20 bis 55 Jahren, die in der überwiegenden Zahl in Familien leben. Dies ist der Grund, warum immer mehr Kinder über eine kürzere oder längere Zeit in Armut aufwachsen.23

Die Zunahme alleinerziehender Frauen führte ebenfalls zu einem Anstieg der Kinderarmut in Deutschland. Mittlerweile sind Alleinerziehende, von denen ein Drittel an der Armutsgrenze lebt.24 Aufgrund der Arbeitsmarktlage und der Belastung durch Kinderbetreuung haben diese mit 325.000 Sozialhilfeempfängerinnen25 besonders häufig nicht die Möglichkeit, das Familieneinkommen mit Erwerbsarbeit sicherzustellen.26 Alleinerziehende weisen mit 84 % die relativ schlechteste Einkommensposition im Gegensatz zu Ehepaaren ohne Kinder mit 120 % auf.27

Ebenso werden durch die hohen Lebenshaltungskosten

NormalverdienerInnenfamilien mit drei und mehr Kindern in den Bereich der Einkommensarmut gedrängt. Zu den Lebenshaltungskosten müssen ebenfalls noch die nur schwer quantifizierbaren Opportunitätskosten der Kinderbetreuung gerechnet werden, zu denen entgangenes Erwerbseinkommen bei Aufgabe oder Unterbrechung der Erwerbstätigkeit, verlorene Karrierechancen oder der Verlust von Sozialleistungsansprüchen zählen. Haushalte mit Kindern stehen dadurch vor dem doppelten Problem, den zusätzlichen Einkommensbedarf für Kinder und Jugendliche bei gleichzeitig eingeschränkten Erwerbsmöglichkeiten abzudecken.28 Diese Problemlage ist eingebettet in eine Situation verschärfter Umverteilung von den unteren und mittleren Einkommensgruppen hin zu Unternehmen und Besserverdienenden29 bei einem gleichzeitig mangelhaften Familienlastenausgleich. So sind nur etwa 25 % des Aufwandes für Kinder durch sozialstaatliche Transfers gesichert.30 Im Vergleich dazu wird z.B. die Rente der älteren Generation zu 100 % gedeckt. Dabei sind alle Sozialsysteme - Renten,- Kranken-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung - darauf angewiesen, daß Kinder in einer Gesellschaft heranwachsen. Friedrich List hat schon 1841 auf die Nichtbeachtung der Erziehungsleistungen in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung hingewiesen sowie die Logik unserer Wirtschaftsordnung und Sozialgesetzgebung auf den Punkt gebracht:

„Wer Schweine erzieht, ist ein produktives, wer Menschen erzieht, ein unproduktives Mitglied der Gesellschaft“.31

C. Konsequenzen der Einkommensarmut für Kinder

Im folgenden werden Armutslagen von Kindern beschrieben, die - wenn auch nicht immer ausschließlich- auf Einkommensarmut zurückgeführt werden können.

1. Wohnung

Die Zahl der Straßenkinder in Deutschlands Großstädten wird auf circa 50000 geschätzt,32 ungefähr 500.000 Kinder wachsen in Obdachlosenunterkünften oder in sogenannten Schlichtwohnungen auf.33 Aufgrund mangelnder finanzieller Ressourcen sind Familien oft gezwungen, in Wohnungen zu ziehen, die zu klein sind. So sind 25 % aller Familien mit Kindern von einer Wohnraumunterversorgung betroffen.34 Die Kinder haben so keinen Raum zur Entfaltung oder ungestörten Erledigung der Hausaufgaben. Vor allem einkommensschwache Familien wohnen in den Lärm-Slums entlang der Hauptverkehrsstraßen bundesdeutscher Großstädte oder in der Nähe von Industrieanlagen, wodurch sich zusätzliche gesundheitliche Gefährdungen ergeben.

Zur Kumulation sozialer Probleme kommt es, wenn Familien aufgrund günstiger Mieten in soziale Brennpunkte oder wirtschaftlich und infrastrukturell schwache Stadtteile umziehen. Gerade den betroffenen Kommunen und Bezirken fehlt es aufgrund von verringerten Steuereinnahmen und erhöhten Ausgaben für die Sozialhilfe am finanziellen Spielraum, um Zukunftsinvestitionen gegen die Verarmung und deren Folgen zu tätigen.35

2. Gesundheit

Armut macht krank. Was im globalen Maßstab seine elende Gültigkeit hat,36 läßt sich auch in Deutschland empirisch bestätigen.37 Arme Kinder sind öfter krank, nässen länger ein, leiden häufiger unter psychosomatischen Erscheinungen wie Ekzemen oder Magen-Darm-Problemen.38 Sozial- Epidemiologie ist jedoch in Deutschland ein vernachlässigtes Forschungsfeld, so daß zur Beleuchtung von Zusammenhängen von Armut und Gesundheit zum Teil auf über 35 Jahre alte Erhebungen zurückgegriffen werden muß:39 Alle Untersuchungen belegen jedoch einen deutlichen Zusammenhang zwischen Unterversorgungslagen bei der Bildung der Eltern40 und der Gesundheit der Kinder.

„Die Häufigkeit von Totgeburten und die perinatale Mortalität [Totgeborene in den ersten sieben Lebenstagen] nehmen mit zunehmender Schulbildung der Mutter kontinuierlich ab, dieser ‚Trend‘ ist eine zusätzliche Bestätigung dafür, daß die Sterblichkeit von ungeborenen oder neugeborenen Kindern von der Schulbildung der Mutter beeinflußt wird.“41

Beträgt z.B. (1979) die Rate der Totgeburten bei Hauptschulabsolventinnen 6 Promille, so liegt diese bei Abiturientinnen bei 3 Promille. Eine ebenso deutlich Korrelation ergibt sich bei der Betrachtung des Berufsstatus‘ und der Säuglingssterblichkeit, also den Gestorbenen im ersten Lebensjahr. Diese liegt (1960) mit 41,1 Promille in einer Familie, in welcher der Vater in der Land- und Forstwirtschaft arbeitet, signifikant höher als in Familien, in denen der Vater Angestellter ist. Hier beträgt die Säuglingssterblichkeit 24,1 Promille.42 Den Zusammenhang von sozialer Schicht und Gesundheit bei Schulkindern zeigt die folgende Tabelle:43

Darüber hinaus ist die Zahngesundheit von Unterschichtkindern erheblich schlechter als von Oberschichtkindern.44 Ebenso sind Kinder aus einkommensarmen Schichten von schweren Asthmaanfällen stärker betroffen.45 Der Gesundheitszustand von Haupt- und RealschülerInnen ist erheblich schlechter als der von GymnasiastInnen, gemessen an Krankenhausaufenthalten, Unfällen und der Zahl notwendiger ärztlicher Behandlungen.46 Als Erklärungen für diesen Zusammenhang von Armut und der erhöhten gesundheitlichen Beeinträchtigung von Kindern wird zum einen das Gesundheitsverhalten der Eltern und Kinder sowie die mangelnde Wahrnehmung von Früherkennungsuntersuchungen angeführt, zum anderen wird auf die höheren Kosten einer gesunden Lebensweise verwiesen, wie sie beispielsweise durch eine gesunde und ausgewogene Ernährungsweise, eine unbelastete Wohngegend und regelmäßige Urlaube entstehen.47

3. Bildung

Besonders relevant sind für die langfristigen Lebensoptionen die Entscheidungen über die Bildungslaufbahn der Kinder. Vor allem Eltern der niedrigen Bildungsschicht reagieren entsprechend auf finanzielle Verknappung: Sie fordern dann einen raschen Erwerbseintritt der Kinder und verzichten auf längere Ausbildungswege.

„Damit steigt jedoch auch die Gefahr einer Verfestigung von ökonomischen Problemlagen über die Generationen hinweg.“48

Hinzu kommt, daß Armut schon in der Grundschulzeit die Lernerfolge von Kindern behindert bzw. diese im Vergleich zu Kindern zurückbleiben, deren Eltern die Ressourcen für eine effektive Nachhilfe besitzen.49 Diese Selektionsprozesse lassen sich im Bildungssystem empirisch nachvollziehen: Fast die Hälfte der 17- bis 18jährigen (45%) haben Väter mit Hauptschulabschluß; von 100 Kindern dieser bildungsfernen Familien gelangen 33 in die gymnasiale Oberstufe und nur 18 beginnen ein Studium. Nur etwa ein Fünftel (16%) der Eltern der 17- bis 18jährigen verfügen über eine Hochschulreife: Von dieser relativ kleinen Gruppe überspringen hingegen 84% der Kinder die Schwelle in die gymnasiale Oberstufe und 70% gelangen an eine Hochschule.

Darüber hinaus weisen die Bildungsbeteiligungsquoten nach beruflicher Stellung für den Hochschulbereich seit 1991 wieder eine fallende Tendenz für ArbeiterInnenkinder auf. Bei der Betrachtung der Schichtzugehörigkeit sind die Unterschiede in den Bildungsbeteiligungsquoten beim Übergang in die gymnasiale Oberstufe beträchtlich. Die Mehrheit der 17- bis 18jährigen stammt aus der niedrigen sozialen Herkunftsgruppe (52%). Von 100 Schülern dieser Gruppe gelingt 33 der Übergang in die gymnasiale Oberstufe. Bei der schon deutlich kleineren mittleren sozialen Herkunftsgruppe liegt die Quote bei 48%, in der gehobenen Herkunftsgruppe bei 75%, in der hohen bei 84%.

Von 100 Kindern der unteren sozialen Herkunftsgruppe überwinden somit nur

8 die Schwelle zur Hochschulausbildung. In der hohen sozialen Herkunftsgruppe ist die Wahrscheinlichkeit für den Übergang um ein Vielfaches höher (von 100 Kindern gelingt 72 die Aufnahme eines Studiums).50 Dies wird wesentlich auch durch die Möglichkeiten der Studienfinanzierung mit bedingt: Während BAföG-EmpfängerInnen die erhaltenen Gelder zum Teil zurückerstatten müssen, können einkommensstarke Familien die Aufwendungen für das Studium ihrer Kinder ohne Rückzahlungsverpflichtungen steuerlich absetzen.

4. Psychosoziale Situation

Mit Blick auf die psychossoziale Situation von Kinder und Jugendlichen in Armut sind zwei Aspekte hervorzuheben: Erstens können bereits kurzfristige Phasen von Arbeitslosigkeit bei ihnen gravierende Folgeschäden hervorrufen. Denn Arbeitslosigkeit und damit einhergehende Verarmungsprozesse und familiäre Konflikte treffen sie in einer sensiblen Entwicklungsphase der Identitätsbildung und Lebensorientierung. Kinder und Jugendliche stellen insofern eine besonders verletzbare Gruppe dar.51 So kommen Vernachlässigungsfälle als besondere Form der Gewalt gegen Kinder zu 90% in armen, von Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot betroffenen Familien vor.52 Angesichts der beobachtbaren Scherenentwicklung des gesellschaftlichen Wohlstandes können immer mehr Kinder nicht bei als normal angesehenen Standards mithalten,53 woraus Ausgrenzungsprozesse in den verschiedensten Lebensbereichen folgen.54 Die Folgen für die Kinder sind z.B. Nachteile beim Erwerb kognitiver Kompetenzen wie der Sprach- und Intelligenzentwicklung und der schulischen Leistungsfähigkeit. Die emotionalen Beeinträchtigungen durch Verarmungsprozesse äußern sich in „Minderwertigkeitsgefühlen, Ängstlichkeit, Depressivität, aber auch Ärgerreaktionen, Feindseeligkeit, Aggressivität und erhöhter Bereitschaft zu Normverstössen“.55

Zweitens kann Leben in Armut für Kinder eine stark sozialisierende Wirkung entfalten. Das bedeutet, sie bilden Gewohnheiten und Einstellungen aus, die sie auch als spätere Erwachsene beibehalten. Dazu zählen z.B. der Umgang mit Geld, politisches Desinteresse, Mißtrauen in die Gesellschaft und das Gefühl, Opfer einer Situation zu sein.56 Ein Beispiel für mögliche Folgen von Verarmung scheint die starke rechtsextremistische Orientierung ostdeutscher Jugendlicher. Für diese Jugendliche ergibt sich bezüglich des Einflusses von Armutslagen auf Ausländerfeindlichkeit „ein signifikant direkter Zusammenhang“, wie Hefler in einer vergleichenden Studie über west- und ostdeutsche SchülerInnen analysiert.57

Ob und inwieweit es zu den hier beschriebenen Folgen von Armut und Arbeitslosigkeit der Eltern für die Kinder kommt, hängt jedoch auch von den individuellen, familiären und gesellschaftlichen Randbedingungen ab, denn sie beeinflussen die Reaktionen der Betroffenen. Inwieweit allein sozialstaatliche Betreuungseinrichtungen angesichts von Kürzungen in den Sozialetats die komplexen Problemlagen armer Kinder adäquat auffangen können, muß zunehmend bezweifelt werden.58

III. Kritik der Sozialstaatspraxis

Jenseits detaillierter Diskussionen um Definition und Operationalisierung von Kinderarmut läßt sich angesichts des hier präsentierten Zahlenmaterials feststellen, daß Kinder bzw. deren Familien strukturell benachteiligt werden, indem sie in den unterschiedlichsten Feldern in periphere Lebenslagen gedrängt werden, die zumindest unter dem Begriff der relativen Armut subsumiert werden können.59 Wie lassen sich diese Benachteiligungen und Schädigungen von Kinder aus armen Familien mit den vielfältig normierten Rechten 60 von Kinder vereinbaren?

Das gängige juristische Argumentationsschema lautet, daß es ein „Spannungsverhältnis zwischen liberalen Freiheitsrechten und dem Sozialstaatsprinzip“ gibt. Die Sozialausgaben für die einen erforderten Eingriffe in die Freiheitsrechte der anderen Gesellschaftsmitglieder durch eine „zwangsbewehrte Eingriffsverwaltung“, d. h. durch Steuern.61 Ansprüche an Sozialhilfe werden damit abgewehrt, daß es „nicht Aufgabe der Sozialhilfe sein [kann], jedem einzelnen absolut gleiche Startbedingungen zu gewährleisten, und erst recht nicht, ihm jedes persönliche Lebensrisiko zu nehmen. Eine solche Gleichschaltung würde den einzelnen letztlich zum Objekt eines staatlichen Verfahrens machen und damit schon gegen den in Art. 1 GG niedergelegten Satz von der Menschenwürde jedes einzelnen verstoßen (BVerwG 37)“62

Diese Statements, welche die Differenz zwischen Verfassungsnorm und - wirklichkeit in den einschlägigen juristischen Kommentaren zu legitimieren versuchen, erweisen sich insbesondere jedoch in bezug auf Kinder bei genauerer Betrachtung als inkonsistent: Es wird insinuiert, daß erstens die Hilfebedürftigkeit selbst verursacht ist und es somit zweitens keine wesentlichen strukturellen, außerhalb der Beeinflußbarkeit des/der einzelnen existierende Gründe für Armutslagen gibt und drittens Sozialleistungen bereits die Tendenz zu einer „Gleichschaltung“ enthalten.

A. Chancengleichheit

Es kann allerdings nur als zynisch angesehen werden, die Geburt eines Kindes in eine einkommensschwache Familie als selbst zu verantwortendes persönliches

Lebensrisiko zu titulieren. Es werden Kinder mit einem Sozialhilfesatz versorgt, der über das Lohnabstandsgebot63 nicht an dem realen Bedarf, sondern letztlich an die Durchsetzungsfähigkeit der Gewerkschaften in den Tarifverhandlungen gekoppelt ist und der noch unterhalb der bereits prekären Einkommensverhältnisse der working poor liegt.

Die Armenhilfe, und heute die Sozialhilfe, hat eine solche Technik Jahrhunderte hindurch stets mit der Begründung zu rechtfertigen versucht, die Bedürftigen könnten nur auf diese Weise zur Arbeit bewegt werden. Doch ist diese Argumentation auch schon von jeher widersinnig, wenn man zur Kenntnis nimmt, daß in der Realität der Großteil der UnterstützungsempfängerInnen immer Arbeitsunfähige und alleinerziehende Mütter und deren Kinder gewesen sind - Personengruppen also, für die Arbeit gar nicht in Betracht kommt.64 Hieraus ergibt sich ein direkter Widerspruch in der herrschenden liberalen Apologetik der Sozialhilfepraxis: Es wird von dieser gerade betont, daß der allgemeine Gleichheitssatz in Artikel 3 Grundgesetz nicht in Hinblick auf ein gleiches Verteilungs ergebnis der materiellen Ressourcen interpretiert werden darf, sondern daß Artikel 3 auf gleiche Startbedingungen, sprich Chancengleichheit in der Konkurrenz, zielt. Die Chancengleichheit wird umgekehrt gerade für Kinder durch die restriktive Ausgestaltung und Interpretation des Sozialrechtes systematisch unterlaufen, wie oben empirisch gezeigt wurde. Dies läuft auf die theoretische Aporie des Liberalismus hinaus, daß gerade die liberalen Freiheitsrechte wie z.B. das Eigentumsrecht, wollen sie universelle Gültigkeit beanspruchen, eines sozialen Korrekturmechanismus‘ bedürfen, um die postulierte Chancengleichheit zu gewährleisten. Jeglicher wirksamer Korrekturmechanismus hebt jedoch gerade diese Freiheitsrechte, wie z. B. das Eigentumsrecht, wiederum auf.65 In der Praxis des bundesrepublikanischen Sozialstaates wird die Aporie zugunsten der tatsächlichen Freiheitsrechte für Wenige und zu Ungunsten der Chancengleichheit sozial Benachteiligter wie den Kindern aufgelöst. Dies zeigt sich symptomatisch an in den praktisch eingeschränkten demokratischen Teilhaberechten marginalisierter Gruppen.66

B. Leistungsgerechtigkeit

Die Chancen von Jugendlichen oder deren Eltern, den eigenen Lebensunterhalt durch einen Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatz selber zu verdienen, liegen nicht vorrangig in deren persönlicher Eignung. Ob dies gelingt, ist vielmehr abhängig von der Anerkennung reproduktiver Tätigkeiten,67 den gegenwärtigen Arbeitsmarktbedingungen und den Verwertungsinteressen der Wirtschaft, wie die Zahl von 318.700 offenen Stellen zu 3.780.700 Arbeitslosen zeigt.68 In der Sozialgesetzgebung wird ausgeblendet, daß es in einem Gesellschaftssystem universalisierter Konkurrenz zwangsläufig Menschen den Vergleich mit anderen am Markt verlieren.

„De facto ist [...] das Scheitern einer zunehmenden Anzahl gerade junger Menschen vorprogrammiert: Trotz normenkonformen Verhaltens bzw. trotz des Versuchs, sich normenkonform zu verhalten, kommt es immer wieder zu negativen Sanktionen, zumindest aber zur Verweigerung positiver Gratifikationen.“69

Somit dient die Individualisierung der Sozialhilfe70 oder anderer Sozialleistungen nicht dazu, die einzelnen Kinder und Jugendlichen ihrer Besonderheit gemäß möglichst angemessen zu unterstützen, was angesichts der Arbeitssituation der SachbearbeiterInnen auf den Sozialämtern auch gar nicht möglich ist. Vielmehr zielt der Individualisierungsgrundsatz darauf ab, die HilfeempfängerInnen zu kontrollieren71 und die Bedürftigkeit des einzelnen Kindes zu individualisieren, bedroht, also besonders nachdrücklich zu verteidigen, welcher jeweils in erster Linie anzustreben ist, ist Resultat einer je gegebenen historischen Situation.“

um damit die gesellschaftspolitischen Bedingungsfaktoren für die Verarmung so weit wie nur irgend möglich unterbelichtet zu lassen.72

C. Sozialstaat auf dem Weg zur Gleichmacherei?

Die Tendenz einer Gleichmacherei kann dem bundesrepublikanischen Sozialstaat somit keinesfalls vorgeworfen werden, kehren sich doch die hehren Ansprüche der Sozialgesetzgebung zunehmend in ihr Gegenteil um, je stärker sie in gesetzliche Normen oder Verwaltungsvorschriften gegossen und konkretisiert werden.

Für die sozialstaatliche Praxis ist folglich die Schizophrenie einer Sozialamtsleiterin symptomatisch: Sie beklagt im Gespräch einerseits mitleidsvoll die Situation von Familien mit Kindern, die von der Sozialhilfe leben müssen („ich weiß nicht, wie die das machen“), und kann verstehen, wenn mal nicht alle Einkünfte angegeben werden. Im Nachsatz wird andererseits bekräftigt, daß bei jeglichen Sozialhilfebetrügereien durchgegriffen wird.73

Wenn nun einerseits ein Widerspruch zwischen Verfassungswirklichkeit und - norm konstatiert werden muß,74 der durch Gesetzgebung und Verwaltungshandeln beständig reproduziert wird, verweist dies auf den außerhalb der Hilfestellungen liegenden Zweck, der durch den Sozialstaat erfüllt wird. Diese konstatierten Widersprüche werden erst wirklich verständlich, wenn sie als Maßnahmen begriffen werden, die in erster Linie die politische Sicherung der bestehenden Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse bezwecken. Das Ziel des Sozialhilfesystems besteht darin, „einer Erhöhung der Arbeitsleistung und der Durchsetzung eines niedrigen Lohnniveaus Vorschub zu leisten und so im Interesse der Kapitalakkumulation zur profitablen Steigerung der Produktivkraft der gesellschaftlichen Arbeit beizutragen.“75

Kinderarmut ist also kein Unfall oder Mißgeschick, sondern Folge und Voraussetzung einer kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Dabei sind die Hilfebedürftigen wider Kants humanistischem Credo76 allein Mittel zur Realisierung dieses Zwecks.

IV. Offene Fragen

Somit stellt sich für diejenigen, die an der Leitung und Organisation des Sozialsystems in Deutschland beteiligt sind, die Frage, warum sie eine Praxis mitverantworten, die sich aus der Perspektive der betroffenen Kinder nicht legitimieren läßt und deren Bedürfnissen konträr entgegensteht. Die Gutwilligen werden antworten, nur durch die aktive Mitgestaltung lasse sich Schlimmeres verhindern und das Beste für die Kinder erreichen. Mit Iwan Karamasov kann ihnen erwidert werden:

Angenommen, die unbedingte und unausweichliche Vorbedingung zur Erreichung des Ziels eines konkurrenzfähigen Standortes Deutschland wäre, „[...] - so stelle dir einmal vor -, daß du wenn auch nur ein einziges, winziges Geschöpfchen quälen müßtest, nehmen wir an, gerade dieses selbe kleine Kindchen, das sich mit seiner kleinen Faust an die Brust schlug, um auf seinen ungesühnten Tränen diesen Bau aufzurichten, würdest du unter diesen Bedingungen einverstanden sein, der Bauherr dieses Baues zu sein? Sprich und sage die Wahrheit!“77

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[...]


1 Dostojewski (1991 [1879-1880]), S. 418.

2 Von der Situation der Kinder in der Welt ganz zu schweigen: vgl. United Nations Development Programme (1998), S. 51.

3 Im Folgendem werden unter Kindern alle Minderjährigen verstanden, sofern nicht ausdrücklich zwischen Kindern und Jugendlichen unterschieden wird.

4 Vgl. Böhret/Jann/Kronenwett (1988), S. 36 ff.

5 Vgl. Beisenherz (2000), S. 87.

6 Wie z.B. die Diskussionen um eine soziale Grundsicherung und eine andere Verteilung der Arbeit; vgl. Gorz, (2000).

7 Vgl. Walper (1997), S. 7.

8 Vgl. Brinkmann (1994), S. 21 und ebenso hierzu die Ergebnisse der Wirtschaftsethnologie wie z.B. Rössler (1999), S. 99: „Armut bedeutet folglich nicht eine geringe Menge von Gütern, sondern sie bezieht sich auf eine Beziehung ZWISCHEN MENSCHEN.“

9 Vgl. Huster (1996), S. 21 ff.

10 Hauser/ Hübinger (1993), S. 53 f.

11 Honig/Ostner (1998), S. 252.

12 Vgl. Hanesch (1994), S. 129 ff. Bei der Aufteilung des Einkommens auf die Familienmitglieder wird ein Schlüssel angewandt. Kindern wird hierbei ein geringerer Anteil (0,5-0,9) als dem Haushaltsvorstand zugerechnet, da Kindern ein geringerer Konsumbedarf unterstellt wird.

13 Vgl. Butterwege (2000), S. 22 ff.

14 Geld einkommen stellt in diesem Zusammenhang keinen Pleonasmus dar, angesichts von Autoren wie Krämer (2000), S. 72 f: Verärgert äußert sich Krämer bezüglich der Einkommensberechnung in den Armutsstatistiken: Sämtliche durch Eigenleistung wie Hausarbeit erwirtschafteten Güter und Dienstleistungen gehen nicht in die Einkommensstatistik ein, obwohl diese doch theoretisch in Geld bewertet werden könnten. Abgesehen von versicherungspflichtig angestellter Haushaltshilfe fließt der Rest dieser mit über einer Billion Mark bewerteter Tätigkeiten “an der Statistik vorbei und dabei auch den Menschen am unteren Ende der Einkommensverteilung zu, und zwar an ihrem ‚offiziellen‘ Einkommen gemessen überproportional. Nach Schmäh und Prinz (1988) z. B. entlasten unentgeltliche häusliche Dienste wie Altenpflege oder Kinderbetreuung sowohl das soziale Sicherungssystem als ganzes als insbesondere auch die Individualbudgets von Haushalten an oder unterhalb der Armutsgrenze; große Teile der Haushaltsproduktion wie Kochen, Waschen, Bügeln, Gartenarbeit, Autoreparieren usw. finden schwerpunktmäßig in Haushalten am unteren Ende der Einkommensverteilung statt, müssen also mit ihrem Geldwert auch schwerpunktmäßig diesen unteren Einkommensklassen zugerechnet werden, und auch die soziale Vernetzung mit gegenseitiger Nachbarschaftshilfe ist gerade unter einkommensschwachen Haushalten besonders intensiv verbreitet [...].“ Damit kann sich zumindest theoretisch die Hausfrau, die Kinder großzieht, den Haushalt besorgt und die Schwiegereltern pflegt, zu den Besserverdienenden zählen und sich gar als Unternehmerin fühlen. Da läßt es sich leicht über die kleinen Unterschiede zu den real Besserverdienenden hinwegsehen, die eine geregelte Altersversorgung haben und für ihre Freizeitbetätigungen auch das nötige Kleingeld in der Tasche haben.

15 Klocke/Hurrelmann (1998), S. 7.

16 Statistisches Bundesamt (2000), S. 214. (Die Zahlen beziehen sich auf EmpfängerInnen außerhalb von Einrichtungen).

17 Vgl. Stumpfögger (1989), S. 69 f.

18 Andreß/Lipsmeier (1998), S. 33; Hunfeld, (1998), S. 89.

19 Vgl. Statistisches Bundesamt (2000), S. 212. Von den weiteren Schwierigkeiten von Flüchtlings- und Zuwandererfamilien ganz zu schweigen; vgl. Boos-Nünning (2000). Die besondere Betroffenheit von Flüchtlingsfamilien macht Brinkmann (1994), S. 25 f an folgenden Punkten fest: Unsicherer Aufenthaltsstatus; keine Möglichkeit der Erwerbsarbeit; in Sammellagern fehlt Intimität und Privatheit; Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz werden meist in Form von Sachleistungen ausgegeben, was sich vor allem bei der Ernährung negativ auswirkt; keine Freizügigkeit; keine psychosoziale Betreuung; beschränkter Zugang zum Bildungssystem; medizinische Unterversorgung; Rassismus.

20 Statistisches Bundesamt (2000), S. 591.

21 Hunfeld, (1998), S. 90.

22 Vgl. Schäfer (1999), S. 747; Huster (1997b).

23 Vgl. Klocke/Hurrelmann (1998), S. 12. 15 % aller Familien

24 Vgl. Klocke/Hurrelmann (1998), S. 12.

25 Verhältnis des Gruppendurchschnitts zum Gesamtdurchschnitt mal 100. Vgl. Statistisches Bundesamt (2000), S. S. 215.

26 Vgl. Fischer (2000), S. 14.

27 Vgl. Statistisches Bundesamt (2000), S. 514.

28 Vgl. Andreß/Lipsmeier (1998), S. 26.

29 Vgl. zu diesem in vielen westlichen Industriestaaten beobachtbaren Phänomen z.B. Pelton (1989), für Deutschland Schäfer (1999).

30 Vgl. Kaufmann (1995).

31 Zitiert nach Klocke/Hurrelmann (1998), S. 18.

32 Klocke/Hurrelmann (1998), S. 10. Genaue Zahlen liegen hierzu nicht vor, vgl. die eher qualitativen Studien von Degen, (1995); Romahn, Angela (2000); Seidel Straßenkinderforschung von Lutz, Ronald (2000).

33 Bechthold (1996), S. 11.

34 Vgl. Zimmermann (1998), S. 68.

35 Vgl. Stumpfögger (1989), S. 17. (1994) und die kritischen Differenzierungen zur

36 Vgl. United Nations Development Programme (1998).

37 Vgl. TAZ vom 14.06.1997, S. 27: Schneller sterben im SO 36. Im ärmsten Bezirk der Stadt leben die Menschen durchschnittlich 6 Jahre kürzer als im reichen Zehlendorf.

38 Vgl. Hunfeld, (1998), S. 91.

39 Vgl. Mielck (1998).

40 Wie unter dem Punkt Bildung noch näher ausgeführt wird, wird der erreichte Bildungsgrad zunehmend weniger als Ergebnis der Befähigung, denn als Ergebnis der finanziellen Ressourcen der Eltern aufgefaßt.

41 Mielck (1998), S. 227.

42 Mielck (1998), S. 228. Erstellt von Klocke, Andreas/Hurrelmann, Klaus (1995): Armut und Gesundheit. Inwieweit sind Kinder und Jugendliche Betroffen? In: Zeitschrift für Gesundheitswissenschaften, 2. Beiheft. Bestätigt werden diese Befunde zum Zusammenhang von Armut und Säuglingssterblichkeit durch Untersuchungen zum Zusammenhang der Säuglingssterblichkeit und der sozialen Schichtzugehörigkeit der Eltern bzw. des Wohnbezirks in Bremen und Berlin. Mielck (1998), S. 229 ff.

43 Aus : Mielck (1998), S. 233.

44 Vgl. Mielck (1998), S. 233 f.

45 Vgl. Mielck (1998), S. 236.

46 Vgl. Mielck (1998), S. 237 f.

47 Vgl. Mielck (1998), S. 238 ff..

48 Walper (1997), S. 8 f.

49 Vgl. Beisenherz (2000), S. 90 f, dazu beispielhaft das Urteil des VG Münster - 5 K 1134/94 - Behandlung einer Legasthenie/Leseschwäche - Sozialämter brauchen die Behandlung einer Legasthenie von Kindern nicht zu finanzieren, wenn der von den Schulen angebotene Förderunterricht eine "ausreichende Alternative" bietet. Urteil des BVerwG vom 28.03.1996 - 5 C 32/95 - Der zusätzliche Materialbedarf eines Schülers, der aus seiner Teilnahme an einer freiwilligen Schul-AG resultiert, muß aus dem Regelsatz gedeckt werden.

50 Vgl. Deutsches Studentenwerk (1998).

51 Vgl. Klink (1997), S. 12.

52 Vgl. . Brinkmann (1994), S. 24; Wolff (1994), S. 89 f.

53 Vgl. Klocke (1998), S. 7. Dies illustriert eindrücklich die herrschende Rechtsprechung in bezug auf die Auslegung des BSHG: Urteil des OVG NW vom 06.12.1988 -8 A 1201/87 - Kein Anspruch auf Fußballschuhe; Fußballschuhe sind kein Bestandteil des notwendigen Lebensunterhaltes. Beschluß des OVG NW vom 13.01.1989 -8 B 2539/88 - Keine Beihilfe für Geburtstagsfeier, da nicht unabdingbar zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Lebens. Urteil des OVG Hamburg vom 02.03.1990 - Bf IV 43/89 - Kein Anspruch auf Übernahme von Beiträgen für Sportvereine. Urteil des BVerwG vom 13.12.1990 - 5 C 66.86 - Kein Anspruch auf Spielzeug und Dreirad .

54 Sozialwissenschaftlich verklausuliert kann das auch so formuliert werden: .: „So gesehen, ist ein regressiver Prozeß der sozialen Randstellung und der negativen Attributation und Erwartungshaltung erwartbar“. Klocke/Hurrelmann (1998), S. 8.

55 Walper (1997), S. 8.

56 Vgl. Klink (1997), S. 12.

57 Im Westen ist die Art und Weise der familiären Interaktion relevant für ausländerfeindliche Einstellungen. Hefler (1998), S. 199. Über die Mechanismen des Zusammenhangs von Armut und Ausländerfeindlichkeit ist allerdings bisher wenig bekannt: Auch darf mit dem Ergebnis keinesfalls der Rechtsextremismus in den Mittel- und Oberschichten unbeachtet bleiben. Wenn nun „bis zu einem Gewissen Grad [...] für ostdeutsche Jugendliche allgemein ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Deprivation und Ausländerfeindlichkeit besteht und das ‚Warum‘ dieses Zusammenhangs weiterhin im Dunkeln bleibt, so wird deutlich, daß ein Erkenntnisdefizit besteht, das dringlich der weiteren Zuwendung bedarf.“ Hefler (1998), S. 200.

58 Vgl. Walper (1997), S. 8.

59 Einem Kind nützt der wohlmeinende Hinweis wenig, es lebe ja nicht in absoluter Armut, sondern in relativer und es müsse nicht hungern wie die Kinder in Afrika. Wenn es nicht an einer Klassenfahrt teilnehmen kann, im Sommer kein Geld für ein Eis übrig ist oder das Kind aufgrund seiner Kleidung gehänselt wird ist es ausgegrenzt. Vgl. z. B. Hunfeld 1998, S. 24 ff.

60 § 1 SGB I: „Das Recht des Sozialgesetzbuchs soll zur Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit Sozialleistungen einschließlich sozialer und erzieherischer Hilfen gestalten. Es soll dazu beitragen, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, gleiche Voraussetzungen für die freie Entfaltung der Persönlichkeit, insbesondere auch für junge Menschen schaffen, die Familie schützen und fördern [...]“; § 1 Abs. 2 BSHG: „Aufgabe der Sozialhilfe ist es, dem Empfänger der Hilfe eine Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht; § 12 Abs. 2 BSHG: „Bei Kindern und Jugendlichen umfaßt der notwendige Lebensunterhalt auch den besonderen, vor allem durch ihre Entwicklung und ihr Heranwachsen bedingten Bedarf“,

61 Hauck/Haines (2000), S. 20. Auf die in § 1 ausdrücklich erwähnten Jugendlichen wird in dem Kommentar nicht eingegangen.

62 Schellhorn (1997), S. 40.

63 Vgl. § 22 Abs. 4 BSHG.

64 Tjaden-Steinhauer (1985), S. 149.

65 Somit sind die Ausführungen Fülberths (1999, S. 204 f) folgerichtig, Marx‘ Fortschrittsziel im Manifest der Kommunistischen Partei, daß »die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist« (MEW 4, 482), sei genuin „Eigentum des Liberalismus“. „In dieses Dokument geriet sie nämlich nur in Verbindung mit einer zusätzlichen, dem Liberalismus entgegengesetzten Voraussetzung: dem Postulat einer Aufhebung des Privateigentums. Das Ziel hatte man mit dem Liberalismus gemeinsam, doch erreichbar schien es nur durch die Erfüllung dieser notwendigen, wenngleich nicht hinreichenden Bedingung. [...] In einer berühmt gewordenen Intervention von Stephan Hermlin wurde eine Priorität festgestellt: die freie Entwicklung eines jeden einzelnen als die Bedingung für die 'freie Entwicklung aller‘ - nicht umgekehrt. Eine Voraussetzung kann aber niemals das Ziel sein. Priorität bedeutet in diesem Fall nicht Superiorität. Die freie Entwicklung aller und nicht die des - und sei es ‚ eines jeden‘ - einzelnen wird also ab Zweck des Fortschritts gedacht. In beiden Fällen ist der Anspruch universell, so dass über Ausschließungen - etwa aus Gründen der Nationalität, der Rasse oder des Geschlechts - dem Grundsatz nach nicht erst geredet werden muss. Welcher jeweils am stärksten

66 Kindern werden diese Rechte von vornherein abgesprochen; bei Frauen oder Einkommensschwachen wirken die Exklusionsmechanismen diffiziler, vgl. Bechthold, (1996); Lang (1994).

67 Zum Problemfeld der Frauenarmut vgl. Schwarzer, (1993); Stiegler, Barbara (1998).

68 Vgl. Bundesanstalt für Arbeit (2000).

69 Huster (1997), S. 10.

70 Vgl. § 3 BSHG.

71 Daß die HilfeempfängerInnen der Willkür und Kontrolle der SachberarbeiterInnen ausgeliefert sind, wird nicht als menschenunwürdig von Schellhorn thematisiert. Der private Unternehmer bezieht in der Regel Subventionen ohne eine vergleichbar genaue Prüfung der Unternehmensbilanzen.

72 Vgl. Tjaden-Steinhauer (1985), S. 151. Gleiches gilt für den sozialwissenschaftlichen Terminus der „Armutskarriere“ in der dynamischen Armutsforschung, bei dem sich Armut als soziales Problem, „das gesellschaftlich bedingt und nur politisch zu bekämpfen ist, in persönliche Entscheidungsmuster und biographische Episoden“ auflöst; Butterwegge (2000), S. 28.

73 Zur Notwendigkeit von „Sozialhilfebetrug“ im Sinne von Not wenden vgl. z.B. Hunfeld, (1998), S. 106 f.

74 Vgl. Fischer (2000), S. 17.

75 Vgl. Tjaden-Steinhauer (1985), S. 158. Mikroökonomisch nachgewiesen haben dies Fehr-Duda/Fehr (1988).

76 Vgl. Kant (1998 1785 ), S. 600: „[...] denn der Mensch kann von keinem Menschen [...] bloß als Mittel, sondern muß jederzeit zugleich als Zweck gebraucht werden und darin besteht seine Würde [...].“

77 Dostojewski (1991 [1879-1880]), S. 422.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Kinder verdienen keine Sozialhilfe. Ein Essay zur Delegitimierung der Sozialstaatspraxis in der BRD
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften)
Veranstaltung
HS Institutionelle Sozialpolitik und Sozialstaatsreform
Note
1,0
Autor
Jahr
2000
Seiten
23
Katalognummer
V100896
ISBN (eBook)
9783638993180
Dateigröße
508 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kinder, Sozialhilfe, Essay, Delegitimierung, Sozialstaatspraxis, Institutionelle, Sozialpolitik, Sozialstaatsreform
Arbeit zitieren
Marcus Bröskamp (Autor:in), 2000, Kinder verdienen keine Sozialhilfe. Ein Essay zur Delegitimierung der Sozialstaatspraxis in der BRD, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100896

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