Sozialkapital in Corporate Venture Capital Netzwerken


Bachelorarbeit, 2021

56 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Hinführung zur Thematik

2. Theoretischer Bezugsrahmen: Die Sozialkapitaltheorie
2.1. Begriffsdefinition
2.2. Dimensionen des Sozialkapitals
2.2.1. Strukturelle Dimension
2.2.2. Relationale Dimension
2.2.3. Kognitive Dimension

3. Anwendung der Sozialkapitaltheorie auf das CVC-Netzwerk
3.1. Präinvestmentphase
3.1.1. Intraorganisationales Investor-Netzwerk
3.1.2. Unterstützung des Auswahlprozesses mit Hilfe des sozialkapitaltheoretischen Fits
3.1.2.1. Kognitiver Fit im engeren Sinne
3.1.2.2. Kognitiver Fit im weiteren Sinne
3.2. Postinvestmentphase
3.2.1. Eng gefasstes CVC-Netzwerk – BU-CVCU-PU-Triade
3.2.2. Weit gefasstes CVC-Netzwerk

4. Schlussbetrachtung

5. Bibliographie

Anhang

Abkürzungsverzeichnis

BU Business Unit

CVC Corporate Venture Capital(ist)

CVCU Corporate Venture Capital Unit

CV-Einheit Corporate Venturing Einheit

PU Portfoliounternehmen

SK Sozialkapital

SKT Sozialkapital Theorie

TM Top Management

VC Venture Capital(ist)

1. Hinführung zur Thematik

In Zeiten rasanter technischer Entwicklung in nahezu allen Branchen ist es für international agierende Unternehmen überlebenswichtig, mit revolutionären Ideen und innovativen Produkten neue Pfade als Vorreiter zu beschreiten, um im kompetitiven Buhlen um Nachfrage als Gewinner hervorzugehen, mit der schlussendlichen Konsequenz, den eigenen Unternehmenswert zu steigern. Um dieses Ziel erreichen zu können, ist es erforderlich, dass sich Konzerne nicht nur auf den Fortbestand ihres bisherigen Erfolges, ihre große Marktmacht und ihre ausgeprägte Resilienz verlassen. Sie sind viel eher dazu angehalten, die Märkte und die sich auf diesen entwickelnden, zukunftsweisenden Tendenzen aufmerksam im Blick zu behalten und diese Entwicklungen strategisch zu berücksichtigen. Dem unternehmerischen Innovationsmanagement eröffnet sich dabei neben unternehmensinterner Ideenförderung oder der interorganisationalen Verbindung zu anderen Großunternehmen die Möglichkeit, mit Corporate Venture Capital (CVC) in junge, wachstumsorientiere Start-Ups zu investieren, um von deren besonders innovativen und in der jeweiligen Branche noch vergleichsweise unbekanntem, teils auch unkonventionellem Ideenreichtum profitieren zu können (vgl. Weber 2007, S. 39f).

Die Investition in und die Zusammenarbeit mit Jungunternehmen kann für den Geldgeber eine wahre strategische Chance bedeuten: Sie leistet einen maßgeblichen Beitrag zur Erhöhung der eigenen Resilienz durch eine mit Hilfe des Start-Ups erreichte, erhöhte Sensibilität gegenüber den Markt verändernden Tendenzen. Der Konzern verschafft sich über diese Investition ein sog. „Window on Technology“ (Freese 2006, S. 24; Weber 2007, S. 170; Knyphausen-Aufseß et al., S. 115). Die gesteigerte Sensibilität paart sich durch die Wissensdiffusion zwischen Jungunternehmen und Investor mit einer erhöhten Innovationskraft, die die Reaktionsfähigkeit auf besagte Trends ausbaut. Die erhöhte Innovationskraft durch CVC-Investments lässt sich für den deutschen Markt auch eindrucksvoll quantifizieren: „Im Durchschnitt werden 3-4 Mal mehr Patente angemeldet, als in traditionellen F&E-Abteilungen“ (Klamar/Prawetz 2018, S. 7). Doch es sind nicht nur die Investoren, die von einer etwaigen Zusammenarbeit durch ein Mehr an Innovationen profitieren: Auch die bisher noch vergleichsweise unerfahrenen Start-Ups nutznießen über ihre Geldgeber neben finanziellen Vorteilen von „funktionsfähigen Strukturen und Prozessen sowie ausreichend materiellen wie auch immateriellen Ressourcen“ (Mes 2011, S. 121), was sich insbesondere in der Anfangsphase der Unternehmensgeschichte als kostbarer Vorteil erweisen kann.

(Das Folgende nach Eckblad et al. 2019, S. 23) Die Zahlen belegen, dass CVC-Investitionen in der jüngsten Vergangenheit deutlich an Bedeutung gewonnen haben: Zwischen 2013 und 2018 stieg die Zahl der globalen CVC-Deals um 166 %, das Investitionsvolumen über all diese Projekte verfünffachte sich von $10,6 Mrd. (2013) auf eindrucksvolle $53 Mrd. (2018).

Bedeutung und Aktualität von CVC-Vorhaben begründen die Notwendigkeit, sich mit den Rahmenbedingungen und Faktoren auseinanderzusetzen, die den Erfolg oder Misserfolg der Zusammenarbeit von Investor und Investitionsobjekt determinieren. Es scheint offensichtlich, dass die Intensität des Ressourcen- und Wissensflusses den Nutzen des CVC-Deals für die beteiligten Akteure bestimmt. Doch was steuert den besagten Fluss? Was sorgt dafür, dass allen Beteiligten aus einem derartigen Vorhaben ein größtmöglicher Wert erwächst? Im Rahmen dieser Arbeit wird der Versuch unternommen, diese Fragen mithilfe spezifischer Ausformungen von sozialen Netzwerken und der in ihnen liegenden Beziehungen zu beantworten. Diese Ausformungen können unter dem komplexen Begriff des Sozialkapitals 1 (SK) zusammengefasst werden, der wiederum Untersuchungsgegenstand der Sozialkapitaltheorie (SKT) ist. Es wird daher die Behauptung aufgestellt, dass die Ausstattung von CVC-Akteuren und -Netzwerken mit SK mit dem Wert korreliert, der ihnen aus einem CVC-Vorhaben erwächst. Auf Grundlage dieser Behauptung lässt sich folgende Forschungsfrage konzipieren:

Inwiefern determiniert Sozialkapital ein erfolgreiches Corporate Venture Capital Investment im Sinne einer mehrseitigen Nutzensteigerung für alle unmittelbar beteiligten Akteure?

Im Zuge der Beantwortung der Forschungsfrage werden einige Teilfrage aufgeworfen, die im Rahmen der nachfolgenden Ausführungen ebenfalls zu untersuchen sind. So gilt es beispielsweise zu ergründen, welche praktischen Gegebenheiten, beginnend bei den intraorganisationalen Vorbereitungen des Investors auf das Investitionsvorhaben, über das Finden eines passenden Investitionspartners, bis hin zur Zusammenarbeit im CVC-Netzwerk, die Entstehung von SK fördern und welche sie behindern. Daraus ergibt sich die folgende Teilfrage:

Welche Voraussetzungen sorgen in der CVC-Praxis für die Entstehung von sozialem Kapital in Abhängigkeit von der betrachteten Phase und den beteiligten Akteuren?

Um der komplexen und dynamischen Gestalt der Variablen "Sozialkapital" gerecht zu werden, müssen darüber hinaus auch die nachstehenden Fragen beantwortet werden:

Welche Ausprägungen kann SK annehmen und welche spezifische Ausstattung mit SK können die Akteure vorweisen? Was sind Vor- und Nachteile verschiedener SK-Ausprägungen? Bedarf es einer Veränderung von SK über die Zeit, um Vorteile aufrechtzuerhalten und eventuelle negative Konsequenzen zu vermeiden?

Da die aus der Theorie abgeleiteten Untersuchungsergebnisse nicht nur dem Selbstzweck dienen sollen, müssen aus den gewonnenen Erkenntnissen weiterhin Implikationen für die Praxis abgeleitet. Daher gilt es die folgende Teilfrage zu beantworten:

Welche Handlungsempfehlungen können auf Grundlage der angeführten Untersuchungen und ihrer Ergebnisse für die Praxis ausgesprochen werden, um optimales SK zu kreieren?

Die Beantwortung der vorangegangenen Forschungsfragen soll literaturbasiert und theoriegestützt erfolgen, sodass in der Konsequenz keine empirischen Untersuchungen durchgeführt werden. Hierzu wird zu Beginn der Arbeit das theoretische Konstrukt des SKs zusammen mit seinen unterschiedlichen Ausprägungen ausführlich vorgestellt. So wird ein Untersuchungswerkzeug geschaffen, mit dessen Hilfe im daran anknüpfenden Abschnitt das CVC-Netzwerk mit seinen Akteuren detailliert analysiert werden kann. Eine genaue Definition der Untersuchungsobjekte erfolgt zu Beginn von Kapitel 3.

2. Theoretischer Bezugsrahmen: Die Sozialkapitaltheorie

Das folgende Kapitel zielt auf die Schaffung einer theoretischen Grundlage ab, die die konzeptionelle Untersuchung des CVC-Netzwerks und der in ihm liegenden Beziehungen ermöglicht. Hierzu wird eine ausführliche Begriffsdefinition angeführt, an die sich Funktionen und Dysfunktionen des SKs anschließen. Daraufhin folgt eine multidimensionale Konzeptualisierung des Untersuchungswerkzeugs.

Bevor eine Begriffsdefinition erarbeitet wird, soll angemerkt werden, dass die SKT sowohl auf vielerlei Akteure, vom Individuum und Kleingruppen, über Abteilungen und Organisationen, bis hin zu Parteien und ganzen Volkswirtschaften als auch in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen Anwendung findet (vgl. Weber 2007, S. 24, S. 156; Pechlaner et al. 2015, S. 412; Gabbay/Leenders 2001, S. 3). In Abhängigkeit von den angeführten Untersuchungsgegenständen wird SK heterogen konzeptualisiert. Für den weiteren Verlauf dieser Arbeit soll daher festgehalten werden, dass der Begriff SK synonym für intra- und interorganisationales corporate social Capital verwendet wird und der Begriff Akteure für „corporate actors“ (Coleman 1988, S. 98) steht. Darunter sind sowohl Einheiten einer Organisation als auch ganze Unternehmen zu verstehen.

2.1. Begriffsdefinition

Unter dem Begriff des Sozialkapitals wird der den Organisationen, ihren Abteilungen und Mitgliedern (potenziell) zur Verfügung gestellte, (kosten)effiziente und tiefgehende Zugang zu und Austausch von unterschiedlichsten Ressourcen, Informationen und Wissen verstanden, welche sich aus sozialen Beziehungen und übergeordneten Strukturen ergeben (vgl. Nahapiet/Ghoshal, S. 243; Weber 2009, S. 197; B. Weber/C. Weber 2010, S. 24; Guggemoos 2012, S. 157; Knyphausen-Aufseß et al. 2010, S. 117). (Das Folgende nach Coleman 1990, S. 169-171) Somit kann SK über seine Funktion definiert werden, seinen Besitzern den Zugang zu Ressourcen anderer zu gewähren, um die Erfüllung eigener, sonst unerreichbarer Ziele zu ermöglichen (vgl. Weber 2007, S. 25; Pechlaner et al. 2015, S. 412; Lee 2017, S. 26). Vor allem ist unter SK aber die vorteilhafte Ausgestaltung von netzwerkbegründenden Beziehungen, sozialen Interaktionen sowie Normen, Werten und Vertrauen zu verstehen, die die Grundlage für den Ressourcenzugang und -austausch schaffen. (Das Folgende nach Adler/Kwon 2002, S. 21) Die Verwendung des ökonomisch geprägten Begriffs des "Kapitals" rechtfertigt sich durch eine weitere Eigenschaft des theoretischen Konstrukts: Analog zu Sachkapital können unter Erwartung eines späteren Gewinns (bspw. Zugang zu innovativen Ideen) eigene Ressourcen (bspw. Zeit) in SK investiert werden (vgl. Anderson/Jack 2002, S. 196). Dabei sei jedoch anzumerken, dass die Möglichkeit der Investition und die Erwartung eines Gewinns nicht zwingend exklusive Nutzungsrechte für den Einzelnen mit sich bringen (vgl. Burt 1992, S. 9). Viel eher kommen einige Formen von SK öffentlichen Gütern gleich, was die Exklusion dritter Nutznießer erschwert und Trittbrettfahrerprobleme fördern kann (vgl. Coleman 1990, S. 176f). Möchte man weitere Gemeinsamkeiten mit privaten, ökonomischen Gütern anführen, so lässt sich SK sowohl durch die Eigenschaften der Transformierbarkeit, also die Möglichkeit der Konvertierung in andere Kapitalformen als auch die der Substituierbarkeit, gemeint ist der Ersatz von fehlenden Ressourcen, beschreiben (vgl. Adler/Kwon 2002, S. 21). Der von Adler und Kwon (2012) im Zusammenhang mit SK verwendete Begriff des „goodwill“ (ebd., S. 412) scheint insbesondere im organisationalen Kontext passend, da SK, wenn auch schwer greifbar, maßgeblich zur Steigerung des buchhalterisch geprägten Firmenwerts einer Unternehmung beiträgt. Bei aller Gleichheit zu anderen Kapitalarten soll die Heterogenität und Einzigartigkeit jedoch nicht unerwähnt bleiben: SK haftet nicht, anders als bspw. Humankapital, an seinem Besitzer. Es ist vielmehr ein, im Gegensatz zu Sachkapital, physisch nicht greifbares Gut, ein Vorteil sozusagen, welcher in sozialen Strukturen vorliegt, ohne dass ein Akteur einen fortwährenden Besitzanspruch daran geltend machen oder seinen Verlust einklagen kann (vgl. Coleman 1988, S. 98). Durch seinen daraus resultierenden, flüchtigen Charakter ist es notwendig, dass die Akteure beständig an seinem Erhalt durch ressourcenintensive Investitionen arbeiten, um fortwährend von den Vorteilen profitieren zu können (vgl. Adler/Kwon 2002, S. 22, 30). Ein gezielter Erhalt wird durch weitere Eigenschaften wie die komplexe Lokalisierung, Abgrenzung und Messbarkeit zusätzlich erschwert (vgl. Maurer 2003, S. 31f; Weber 2007, S. 156; Adler/Kwon 2002, S. 22). Wird SK trotz der angesprochenen Widrigkeiten gefördert, müssen die daraus entstehenden Vorteile stets in ihrem Kontext eingebettet betrachtet werden, da „A given form of social capital that is valuable in facilitating certain actions may be useless or even harmful for others.“ (Coleman 1988, S. 98). Wird die „Kontextspezifität“ (Maurer 2003, S. 26), ebenso wie die dynamische Fortentwicklungsbedürftigkeit oder die Interdependenz verschiedener Dimensionen des SKs missachtet, verblühen die einstigen Vorteile und seinen Besitzern oder über Externalisierung auch Dritten erwachsen negative Konsequenzen – sog. social Liabilities. Um späteren Ausführungen nicht vorwegzugreifen, soll social Liability nur flüchtig charakterisiert werden: Es können unangenehme Verpflichtungen und Abhängigkeiten, Machtabfluss, ein zäher Ressourcen- und Wissensfluss sowie die Beschränkungen der eigenen Entwicklung drohen, welche die Investition in SK rückblickend unattraktiv erscheinen lassen (vgl. Adler/Kwon 2002, S. 30f; Maurer 2003, S. 26ff; Weber 2009, S. 197f).

2.2. Dimensionen des Sozialkapitals

Um dem Facettenreichtum des sozialen Kapitals gerecht zu werden, entwickelten Nahapiet und Ghoshal (1998) ein mehrdimensionales Konzept, welches die Unterteilung in eine strukturelle, relationale und kognitive Dimension vorsieht. Diese Untergliederung ermöglicht die handhabbare Anwendung der SKT auf praktische Gegebenheiten und kommt dem hiesigen Verständnis von sozialem Kapital sehr nahe, wodurch sich eine detaillierte Betrachtung des Konzepts rechtfertigt. Zuvor soll aber angemerkt werden, dass die Dimensionen, wenngleich sie im Folgenden separat angeführt werden, in der praktischen Anwendung nicht unabhängig voneinander betrachtet werden können, da sie sich wechselseitig bedingen (vgl. Ghoshal/Nahapiet 1998, S. 261).

2.2.1. Strukturelle Dimension

Zunächst soll sich der umfangreichsten der drei Dimensionen – der Strukturellen – zugewandt werden, welche weitere Aspekte und ganze Unterkonzepte enthält. Die strukturelle Dimension befasst sich mit der optimalen Architektur von sozialen Netzwerken, die sich aus der Summe von Beziehungen, die Akteure unterhalten, ergeben und die selbst wiederum über soziale Interaktion zwischen diesen definiert werden (vgl. Knyphausen-Aufseß et al. 2010, S. 117). Die Ausgestaltung des sozialen Konstrukts variiert dabei in Abhängigkeit von Variablen wie der Netzwerkgröße, der Intensität der vorliegenden Beziehungen, den quantitativen und qualitativen Ausformungen sozialer Interaktion oder der Positionierung verschiedener Netzwerkmitglieder zueinander (vgl. Ghoshal/Nahapiet 1998, S. 244; Rauser 2003, S. 267). All diese und weitere Ausformungen strukturellen SKs sollen im Folgenden erläutert werden.

(Das Folgende nach Gabbay/Leenders 2001, S. 5f, S. 27: Figure 2; Weber 2007, S. 25; Burt 1992, S. 12) Die strukturelle Dimension des SKs gibt Anlass, das potenzielle Spannungsverhältnis zwischen SK und sozialen Netzwerken zu erörtern. Gabbay und Leenders (2001) führen hierzu einen aufschlussreichen Erklärungsansatz an, der die Betrachtung von sozialen Netzwerken in „structure as a cause“ (Gabbay/Leenders 2001, S. 6) auf der einen und „structure as an outcome“ (ebd.) auf der anderen Seite untergliedert. Im Fall von Erstgenanntem werden soziale Netzwerke als gegebene statische Konstrukte angesehen, in die Akteure eingebettet sind. Diese Einbettung kann sowohl Vorteile (social Capital) als auch Nachteile (social Liability) mit sich bringen oder neutrale Auswirkungen haben (vgl. Weber 2009, S. 197f). In jedem Fall wirken die Netzwerkeffekte ungefiltert auf die Akteure ein und bestimmen ihr Verhalten, ohne dass sie sich vor diesen schützen können. Im Fall von „structure as an outcome“ (Gabbay/Leenders 2001, S. 6) nutzen Mitglieder die ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen bewusst, um das zugrunde liegende Netzwerk dynamisch anzupassen, um es sich dienlich zu machen. Das modifizierte soziale Netzwerk selbst ist daher als eine Ausformung sozialen Kapitals (strukturelles SK) zu verstehen, dass wiederum die Entstehung von SK entlang der anderen Dimensionen begünstigt. In dieser Arbeit wird vorrangig die „structure as an outcome“ Betrachtungsweise herangezogen, um die Auswirkungen von Bestrebungen einzelner Akteure, die Architektur des eigenen sozialen Netzwerks zu beeinflussen, verdeutlichen zu können.

Die Kernaspekte der strukturellen Dimension untergliedern sich in einen gegenüber den Netzwerkmitgliedern perspektivisch distanzierteren „‘structural form’ approach“ (Gabbay/Leenders 2001, S. 4) und einem detaillierteren, die Beziehungen zweier Netzwerkmitglieder untersuchenden „tie approach“ (ebd.) (vgl. ebd., S. 4, S. 26: Figure 1). Die von Granovetter (1973) konzeptualisierten Ties beschreiben die spezifische Beziehung, die zwei Akteure miteinander verbindet (vgl. Inkpen/Tsang 2005, S. 152), die auf der einen Seite elementare Grundlage für den Austausch von Ressourcen und Wissen darstellen (vgl. Ghoshal/Nahapiet 1998, S. 252) und auf der anderen Seite erheblichen Einfluss auf die Ausformungen der anderen Dimensionen (bspw. Trust, Commitment oder Normen) haben und auch selbst durch diese beeinflusst werden (vgl. Gabbay/Leenders 2001, S. 4; Maurer 2003, S. 36). Dabei lässt sich zwischen den sog. strong bzw. direct Ties und den weak bzw. indirect Ties unterscheiden (vgl. Rauser 2003, S. 269). Erstere charakterisieren sich insbesondere im organisationalen Kontext durch hochfrequente soziale Interaktion (vgl. Granovetter 1973, S. 1361), aus denen Vertrauen als Teil der relationalen Dimension, begünstigt erwachsen kann (vgl. Maurer 2003, S. 33). Die ressourcenorientierte Betrachtung solcher Bindungen offenbart, dass sie zum kosteneffektiven Transfer von Ressourcen und komplexen Wissens beitragen können (vgl. Rauser 2003, S. 271; Freese 2006, S. 52). Weak Ties sind der Gegenpol der zuvor beschriebenen strong Ties: Der Kontakt zwischen den Handelnden ist von geringer Intensität sporadischer Art und kennzeichnet sich weiterhin durch wenig Intimität, dafür aber umso mehr durch Oberflächlichkeiten (vgl. Maurer 2003, S. 33). Wenngleich diese Art von Bindungen den freiwilligen, vertrauensvollen und konstanten Ressourcen- und Wissensaustausch erschweren kann (vgl. Inkpen/Tsang 2005, S. 156), erleichtert es den Beteiligten, das kostengünstige und schnelle Finden und Aneignen von weniger komplexen Informationen (vgl. Adler/Kwon 2002, S. 29f; Rauser 2003, S. 272, Ghoshal/Nahapiet 1998, S. 253).

Bezüglich des Ansatzes, der die strukturelle Form sozialer Netzwerke, also die übergeordnete Anordnung der Ties, untersucht, werden in der Literatur zwei wesentliche Ausprägungen unterschieden: Auf der einen Seite existiert die von Coleman (1988, 1990) geprägte Struktur der Closure und auf der anderen Seite die von Burt (1992) angeführte Struktur, die sich durch (structural) Holes kennzeichnet. In der closure-optimalsten Ausprägung sind alle zumeist homogenen Netzwerkmitglieder untereinander verbunden, sodass kein Akteur benötigt wird, der eine Verbindung zu sonst unverbundenen Teilen herstellt. Vertreter dieses Ansatzes argumentieren, dass Vorteile, die aus der engen Verbindung der Mitglieder untereinander erwachsen, die Stimulierung anderer Dimensionen des SK vorantreiben. Bspw. werden so einheitliche Interpretationsmuster (kognitive Dimension) sowie wechselseitiges Vertrauen und effektive Normen (relationale Dimension) vereinfacht implementiert. Aufgrund der vorherrschenden Verbindungen und der stetig wechselseitigen, sozialen Interaktion, weiß man innerhalb des sozialen Konstrukts um Akteure, die mit ihrem Verhalten negative Externalitäten für andere Netzwerkmitglieder erzeugen und schließt diese konsequent aus. So tritt in solch geschlossenen, eingeschworenen Strukturen der Egoismus des Einzelnen zurück und Kooperationen werden durch die erleichterte Prognostizierbarkeit und Sanktionierung des Fehlverhaltens der anderen zu einem beliebten Werkzeug, um Probleme zu bewältigen (vgl. Coleman 1988, S. 105-108; Rauser 2003, S. 270; Freese 2006, S. 52; Gabbay/Leenders 2001, S. 4). Die aus Closure erwachsenden Nachteile, Kontakte nicht oder nur schwer außerhalb des eigenen, engsten Netzwerks aufbauen zu können (vgl. Weber 2009, S. 198; Lee 2017, S. 28, 34), gelten für structural Holes nicht. (Das Folgende nach Burt 1992, S. 18ff; Weber 2007, S. 54ff; Alexy et al. 2016, S. 397) Die architektonische Betrachtung der von Burt (1992) konzeptualisierten structural Holes stellt sich wie folgt dar: Im Ausgangszustand existieren zwei „nonredundant“ (Burt 1992, S. 18) Einheiten. Diese Einheiten können sowohl einzelne Personen als auch ganze Organisationen oder Netzwerke sein. Die Nicht-Redundanz der beiden Einheiten im Ausgangszustand kann durch ausbleibende „cohesion“ (ebd.) erklärt werden, wonach zwischen ihnen keine direkte Verbindung vorliegt. Darüber hinaus kann sich Nicht-Redundanz durch die fehlende „structural equivalence“ (ebd.) der Einheiten begründen, worunter die nichtexistente Schnittmenge gleicher Kontakte zu verstehen ist. Solche Akteure, zwischen denen im Ausgangszustand weder eine direkte, noch indirekte Verbindung besteht, werden durch eine weitere Einheit, den sog. Broker, miteinander verbunden. Dieser bricht die bestehende Unverbundenheit der Einheiten auf und sorgt so für die Verknüpfung von sonst getrennten Akteuren inklusive ihrer zugehörigen Ressourcen- und Wissensbestände. Dadurch wird ein Fluss nichtredundanter Güter zwischen allen Beteiligten stimuliert, der die frühzeitige Aneignung von breit gefächertem Wissen sowie den Zugang zu neuen Ressourcen und innovativen Möglichkeiten, insbesondere, aber nicht nur beim Broker, in Gang setzt (vgl. Burt 2004, S. 354, 357; Pechlaner et al. 2015, S. 413; Lee 2017, S. 28f). Wenngleich die Vorteile von structural Holes einige der durch Closure verursachten Nachteile aufwiegen, können Holes selbst auch negative Konsequenzen für die in ihnen eingebetteten Akteure haben. Die so entstehende social Liability rührt aus der fehlenden Nähe der Elemente zueinander und äußert sich bspw. in der mangelnden Etablierung homogener Normen, was opportunistische Verhaltensweisen befeuern kann (vgl. Coleman 1988, S. 105). Einen Zusammenhang zwischen weak Ties und structural Holes bzw. strong Ties und Closure herzustellen, scheint nach den vorangegangenen Aussagen schlüssig. Streitbar ist, ob die strukturelle Form die Stärke der Ties bestimmt oder ob die entgegengesetzte Kausalität gilt.2

Neben den zuvor angeführten Aspekten gibt es weitere Merkmale, mit denen die strukturelle Dimension des Sozialkapitals weniger komplex charakterisiert werden kann. Diese Aspekte befinden sich mit den zuvor angeführten Konzepten in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis. In der Literatur werden weitere Eigenschaften der Netzwerkstruktur angeführt, die sich mit den vorliegenden hierarchischen Verhältnissen („hierarchy“ (Ghoshal/Nahapiet 1998, S. 252)), der Art der Verbundenheit der einzelnen Elemente („connectivity“ (ebd.)), dem Verhältnis der Vorhandenen zu allen möglichen Beziehungen („density“ (ebd.)) sowie der Häufigkeit des Wechsels von Mitgliedern („stability“ (Inkpen/Tsang 2005, S. 153)) beschäftigen (vgl. Ghoshal/Nahapiet 1998, S. 252; Inkpen/Tsang 2005, S. 152f). Weiterhin unterteilt sich die relative Netzwerkgröße in kleine Netzwerke mit wenigen Mitgliedern, die bspw. den für Kommunikation benötigten Zeitaufwand minimieren und große Netzwerke, die reichhaltige Ressourcen für alle Beteiligten bereitstellen (vgl. Adler/Kwon 2002, S. 30). Schlussendlich stellt die Art der sozialen Interaktion eine weitere Ausprägung der strukturellen Dimension dar. Sie hat, ebenso wie andere strukturelle Ausprägungen, maßgeblichen Einfluss auf die relationale und kognitive Dimension und wirkt sich auf den Ressourcenfluss zwischen Akteuren aus (vgl. Ghoshal/Tsai 1998, S. 465f; Ebers/Maurer 2006, S. 276: Figure 1). Soziale Interaktion lässt sich zum einen über die quantitative Häufigkeit und zum anderen über die qualitative Intensität des Kontaktes zwischen Akteuren charakterisieren (vgl. Weber 2007, S. 129).

2.2.2. Relationale Dimension

Während die vorangegangene strukturelle Dimension im Kern das Gesamtkonstrukt der Beziehungen untersucht und teilweise einzelne Ties charakterisiert, konzentriert sich die relationale Dimension mikroperspektivisch und äußerst detailliert auf den qualitativen Inhalt der direkten Verknüpfungen und daraus resultierende Ergebnisse. Der Inhalt kann durch verschiedene Aspekte wie Trust und Trustworthiness, Commitment sowie anzutreffende Normen beschrieben werden. Diese bedingen einander teilweise, werden aber auch über ihre eigene Dimension hinaus von anderen Dimensionen beeinflusst bzw. beeinflussen selbst andere. Im Idealfall sorgen positive Ausformungen dieser Aspekte dafür, dass Akteure “follow agreed upon rules, cooperate, and act in the common interest” (B. Weber/C. Weber 2010, S. 25) (vgl. Inkpen/Tsang 2005, S. 153f). Diese positiven Ausformungen erwachsen zumeist aus einer Historie sozialer Interaktionen (vgl. Knyphausen-Aufseß et al. 2010, S. 117), weshalb eine Beobachtung bzgl. ihrer Entwicklung über die Zeit sinnvoll sein kann.

(Das Folgende nach Ghoshal/Tsai 1998, S. 465, S. 467, S. 472; Inkpen/Tsang 2005, S. 153f; Coleman 1990, S. 55; Weber 2007, S. 133f) Trust (Vertrauen) ist ein komplexes Konstrukt, dass vereinfachend als „willingness to be vulnerable“ (Anderson/Jack 2002, S. 198) beschrieben werden kann. Die beschriebene Verwundbarkeit ist die Folge eines Verzichts auf Beeinflussung der eigenen Zukunft, indem diese bereitwillig von den Entscheidungen eines Dritten abhängig gemacht wird. Vertrauen entsteht durch wiederkehrende soziale Interaktionen (vgl. Ghoshal/Nahapiet 1998, S. 244) mit vertrauenswürdigen (trustworthy3 ), offenen und kompetenten Austauschpartnern (vgl. Maurer 2003, S. 34), zwischen denen Konsens über gewisse Normen und Verhaltensweisen, wie Fairness, herrscht. Bilaterales Vertrauen in Beziehungen reduziert egozentriertes, opportunistisches Verhalten und vereinfacht die Konfliktbewältigung. Dies hat direkte Auswirkungen auf Intensität, Effizienz und Dauer von Ressourcen- und Wissensaustauschbeziehungen und führt zur Transaktionskostensenkung durch einen geringeren Bedarf an Kontrollen.

Ähnlich wie Vertrauen resultieren auch Normen aus sozialer Interaktion und etablieren sich besonders effektiv in Netzwerken, die sich durch Closure charakterisieren (vgl. Coleman 1988, S. 105). Sie sind der Maßstab, mit dem Handlungen beurteilt und in letzter Konsequenz auch sanktioniert werden können (vgl. Coleman 1988, S. 104f; Ghoshal/Nahapiet 1998, S. 255). Aus der Intention heraus diesen Sanktionen zu entgehen, werden opportunistische, normenbrechende Handlungen und Einstellungen weitestgehend vermieden. Die fördert kooperative Bestrebungen und damit auch die Bildung von Trust (vgl. Amara et al. 2002, S. 687). Normen, welche die Handlungen maßgeblich beeinflussen, lösen formale Regelungen und die sich auf diesen stützenden Kontrollmechanismen nach und nach ab (vgl. Weber 2007, S. 132). Weiterhin sei anzumerken, dass insbesondere geteilte Normen wie Offenheit, Loyalität sowie Kooperations- und Einsatzbereitschaft von wesentlicher Bedeutung für einen interaktiven und bereitwilligen Ressourcenaustausch sind (vgl. Ghoshal/Nahapiet 1998, S. 255). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Normen im Zusammenspiel mit Vertrauen die Notwendigkeit von formaler Kontrolle reduzieren. Gleichzeitig sorgen sie aber auch für die Entstehung von Verpflichtungen, die aus den Erwartungen Dritter an den Akteur resultieren, was Zeit und Ressourcen kostet (vgl. Coleman 1990, S. 134-136; Maurer 2003, S. 35). Normen, Werte und Einstellungen innerhalb einer Organisation können auch als Unternehmenskultur klassifiziert werden (vgl. B. Weber/C. Weber 2010, S. 32), die „sich über Themen wie gegenseitige Unterstützung, Offenheit, Fairness, Autonomie, Fehlertoleranz, Ausmaß der Bürokratie, Regulationsdichte etc.“ (Weber 2007, S. 133) erstreckt. Eine Untersuchung der Unternehmenskultur sowie der Vergleich verschiedener Organisationskulturen miteinander können daher nützliche Erkenntnisse über relationales4 Sozialkapital generieren.

(Das Folgende nach Freese 2006, S. 53; Ghoshal/Nahapiet 1998, S. 244; Pechlaner et al. 2015, S. 423) Die qualitative Beschreibung von Beziehungen mit Hilfe von Trust, Normen und daraus resultierenden Sanktionen, Erwartungen und Verpflichtungen ist nicht abschließend und wird in der Literatur durch weitere Aspekte wie dem Zusammengehörigkeitsgefühl oder Commitment ergänzt. Unter Commitment ist motiviertes, pflichtbewusstes Verhalten zu verstehen, wodurch gemeinsame Projekte eher zum Erfolg geführt werden (vgl. Gemünden et al. 1999, S. 264).

2.2.3. Kognitive Dimension

(Das Folgende nach Maurer 2003, S. 37 – 39) Die kognitive Dimension beschäftigt sich weniger mit dem Inhalt von Beziehungen als viel eher mit der Wahrnehmung, dem Denken und den daraus gewonnenen Erkenntnissen der einzelnen Akteure im Verhältnis zu ihren Netzwerkpartnern. Konkret wird untersucht, mit welchen homo- oder heterogenen Interpretationsmustern und Bewertungskriterien Umweltzustände in einem Netzwerk wahrgenommen werden, wie diese Wahrnehmung von einem Akteur codiert wird und wie sich die daran anknüpfende Kommunikation mit anderen Netzwerkmitgliedern gestaltet (vgl. Lee 2017, S. 47). Doch nicht nur die netzwerk- und akteursspezifische Analyse eines Umweltzustandes ist Untersuchungsgegenstand der kognitiven Dimension, sondern auch die Ziele und Visionen, die von einer Einheit oder einem ganzen Netzwerk verfolgt werden (vgl. Ghoshal/Nahapiet 1998, S. 244). Werden die benannten kognitiven Aspekte netzwerkintern aufeinander abgestimmt, bietet dies den Netzwerkmitgliedern die Möglichkeit, Umweltzustände und aus diesen resultierenden Chancen und Risiken gleichsam wahrzunehmen, zu interpretieren, sich über diese kommunikativ auszutauschen und auf sie gemeinschaftlich zu reagieren (vgl. Ghoshal/Tsai 1998, S. 465). Dazu zählt bspw. auch, dass Handlungen und Absichten eines Netzwerkmitglieds nach einem vorgegebenem Interpretationsschemata eindeutig bewertet werden können, womit eine gewisse Parallelität zu den Funktionen der unter der relationalen Dimension angeführten Normen nicht von der Hand zu weisen ist. Fällt die Wahrnehmung von und die Reaktion auf Umweltzustände unter Verfolgung von zuvor festgelegten, den Netzwerkoutput steigernden Zielen homogen aus, so kann dies auch positive Auswirkungen auf die Motivation und den Ressourcenaustausch in eben jenen Strukturen haben.

3. Anwendung der Sozialkapitaltheorie auf das CVC-Netzwerk

Die nun folgenden Untersuchungen des Kapitels 3 stellen den Hauptteil dieser Arbeit dar. In diesem wird mittels der zuvor angeführten SKT das CVC-Netzwerk untersucht. Ziel soll es sein, die in der Einleitung aufgestellte Forschungsfrage und die aus der Forschungsfrage abgeleiteten Teilfragen zu beantworten.

Zuvor gilt es jedoch sowohl die Systematik als auch das Untersuchungsobjekt zu definieren. Das Untersuchungsobjekt stellt das CVC-Netzwerk dar. Nach dem hiesigen Verständnis setzt sich das CVC-Netzwerk grundlegend aus zwei organisationalen Akteuren und deren Beziehung zueinander zusammen: Einer dieser Akteure lässt sich als Investor charakterisieren, der in ein Investitionsobjekt, dem sog. Portfoliounternehmen (PU), mittels Risikokapitals investiert. Der Investor wird in den nachfolgenden Untersuchungen durch einen Konzern (Corporate Venture Capitalist, CVC) abgebildet, der das Investment vorrangig zur Deckung seines strategischen Innovationsbedarfs anstrebt. Durch die Konzernstruktur ergibt sich weiterhin ein intraorganisationales Investor-Netzwerk, dass sich grob in mehrere Business Units (BU) und eine Corporate Venture Capital Unit (CVCU) aufgliedert, die durch das Top Management (TM) geführt werden. Die CVCU trägt dabei die Verantwortung für die Investition in ein oder mehrere PUs und sorgt für die Verknüpfung von BU und PU zur Stimulierung interorganisationaler Ressourcen- und Wissensströme. Um das Untersuchungsobjekt weiter einzugrenzen, wird die Annahme getroffen, dass die CVCU als Soloinvestor direkt in das Start-Up investiert. Kooperationen mit anderen Venture Capitalists (VC) oder die indirekte Investition in einen VC-Fonds bleiben daher außen vor (vgl. Poser 2003, S. 116, Table 2-17). Die Ausführungen zeigen, dass das Untersuchungsobjekt "CVC-Netzwerk" flexibel betrachtet werden muss. Unter dem CVC-Netzwerk sind daher sowohl Teil-Netzwerke wie das Investor-Netzwerk als auch das komplettierte Netzwerk, bestehend aus Investor und Investitionsobjekt, zu verstehen. Alle CVC-Netzwerke können bei Bedarf um externe Akteure weitert werden.

Um ein systematisches Vorgehen zu gewährleisten, erfolgt die Untersuchung analog zu den chronologischen Abläufen der CVC-Netzwerkbildung in der Realität. Daher findet eine Unterteilung in eine Pre- und eine Postinvestmentphase statt. Die Preinvestmentphase (Kapitel 3.1) betrachtet alle Gegebenheiten und Ereignisse, die zeitlich vor der Vertragsunterzeichnung zwischen Investor und PU liegen. In Anlehnung an Weber (2007 und 2009) wird in dieser Phase zu Beginn (Kapitel 3.1.1) das intraorganisationale Netzwerk des Investors untersucht. Daran anknüpfend (Kapitel 3.1.2) wird im Rahmen des Auswahlprozesses die Dyade, bestehend aus Investor und einem hinzugenommenen Investitionsobjekt, genauer betrachtet. Die an die Preinvestmentphase anknüpfende Postinvestmentphase (Kapitel 3.2) beinhaltet alle Ereignisse, die nach der Vertragsunterzeichnung zu datieren sind. Während dieser Phase wird das intraorganisationale Investor-Netzwerk mit der CVC-PU-Dyade kombiniert, um ein komplettiertes CVC-Netzwerk zu schaffen, dass sich durch die BU-CVCU-PU-Triade charakterisiert. Partiell wird sowohl das Investor-Netzwerk als auch das komplettierte CVC-Netzwerk um externe Stakeholder erweitert. Diese strukturelle Erweiterung soll jedoch nur an wenigen ausgewählten Stellen erfolgen, um „das zu untersuchende [CVC-]Netzwerk handhabbar zu gestalten und die Population sinnvoll zu begrenzen“ (Maurer 2003, S. 30). Schlussendlich bleibt festzuhalten, dass nicht alle Aspekte des SKs im gleichen Umfang untersucht werden können. Viel eher gilt es diejenigen sozialkapitaltheoretischen Werkzeuge zu verwenden, die in Abhängigkeit von der betrachteten Phase und den jeweils handelnden Akteuren, den größtmöglichen Beitrag zur Beantwortung der Forschungsfrage(n) leisten.

3.1. Präinvestmentphase

Die Präinvestmentphase konzentriert sich auf alle Zustände und Abläufe, die bis zum Vertragsabschluss zwischen corporate Investor und Start-Up auftreten. An sie knüpft die Postinvestmentphase im Kapitel 3.2 an. Die chronologische Betrachtung setzt sich auch innerhalb der Präinvestmentphase fort. Im Urzustand des CVC-Netzwerks existiert nur das soziale Netzwerk des Investors. In seiner Mitte befindet sich die CVCU. Nach Festlegung optimaler sozialkapitaltheoretischer Konfigurationen im intraorganisationalen Investoren-Netzwerk des Investors, begibt sich dieser, vertreten durch die CVCU, auf die Suche nach einem passenden PU. Die endgültige Auswahl eines Netzwerkpartners wird daraufhin mittels Vertragsunterzeichnung festgehalten.

3.1.1. Intraorganisationales Investor-Netzwerk

Im Fokus der nachfolgenden intraorganisationalen Untersuchung soll die CVCU stehen. Sie ist einer der bedeutendsten Akteure im CVC-Netzwerk, da sie mit zahlreichen Aufgaben, wie dem Auffinden eines Investitionsobjekts oder der Koordination der Zusammenarbeit zwischen Investor und Investitionsobjekt betraut ist. Sie ist damit Hauptverantwortliche für die Durchführung und den Erfolg des Vorhabens aufseiten des Investors.

Darlegung der Problemstellung

(Das Folgende nach Knyphausen-Aufseß et al. 2010, S. 115f, S. 128; vgl. Weber 2007, S. 172; Weber 2009, S. 206) Über die Konfiguration des Investor-Netzwerkes zu sprechen ergibt sich insbesondere aus möglichen Problemstellungen und Widrigkeiten, denen sich die CVCU in ihrer Ist-Situation ausgesetzt sieht. Sie muss potenzielle PUs ausfindig machen, sich an diesen unter Rückgriff auf finanzielle Mittel und spezifischem Know-how beteiligen und etwaige PUs von einer Beteiligung mit Hilfe attraktiver und passender Ressourcen sowie Wissen überzeugen können. Dies wiederum setzt die Motivation der anderen Akteure im intraorganisationalen Investor-Netzwerk voraus, diese Mittel auch bereitstellen zu wollen. Die nachfolgenden Untersuchungen sollen aufzeigen, inwiefern die Ausstattung des intraorganisationalen Netzwerks, insbesondere aber der CVCU, mit SK eine Hilfestellung bei der Lösung der aufgezeigten Probleme geben kann. Dazu wird die zu überprüfende Behauptung aufgestellt, SK besäße die Fähigkeit, eine CVCU-Transformation einzuleiten, die die Voraussetzungen für die PU-Akquise und eine erfolgreiche Postinvestmentphase schaffen.

[...]


1 Für eine umfassende Begriffsdefinition sozialen Kapitals siehe Kapitel 2.1.

2 Granovetter (1973) argumentiert, dass umso stärker die Verbindung zwischen zwei Akteuren ist (strong Tie), desto wahrscheinlicher ist es, dass Verbindungen zu gleichen Netzwerkpartnern unterhalten werden (Closure). Weak Ties sind daher ein Garant, dass die Anzahl überlappender Akteure geringgehalten wird. Ties beeinflussen demnach die strukturelle Form. Burt (1992) argumentiert dahingegen, dass im Ausgangszustand structural Holes vorliegen können, die zumeist, aber nicht zwingend, durch weak Ties überbrückt werden.

3 Während ‚Trust‘ Charakteristikum einer Beziehung sein kann, so beschreibt ‚Trustworthiness‘ die Eigenschaft eines einzelnen Akteurs, unter der zu verstehen ist, dass Dritte diesem Akteur mit hoher Wahrscheinlichkeit vertrauen werden. Dies führt wiederum zur Entstehung von Trust innerhalb einer Beziehung. (vgl. Ghoshal/Tsai 1998, S. 465)

4 Inkpen und Tsang (2005, S. 153) ordnen die Unternehmenskultur, im Gegensatz zur hiesigen Unterteilung, der kognitiven Dimension zu.

Ende der Leseprobe aus 56 Seiten

Details

Titel
Sozialkapital in Corporate Venture Capital Netzwerken
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg  (Fakultät für Wirtschaft- und Sozialwissenschaften)
Veranstaltung
Bachelorarbeit am Lehrstuhl für Organisationstheorie
Note
1,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
56
Katalognummer
V1009921
ISBN (eBook)
9783346398956
ISBN (Buch)
9783346398963
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sozialkapital, Sozialkapitaltheorie, Corporate Venture Capital, Wagniskapital, Netzwerk, Start Up, Jungunternehmen, Social Capital, closure, tie, Coleman, Burt, kognitive Dimension, relationale Dimension, CVC
Arbeit zitieren
Sebastian Hellwig (Autor:in), 2021, Sozialkapital in Corporate Venture Capital Netzwerken, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1009921

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