Frauenarmut im Alter. Dimension, Ursachen, Handlungsmöglichkeiten zur Prävention


Hausarbeit, 2021

28 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Dimension von Frauenarmut im Alter

3 Ursachen von Frauenarmut im Alter
3.1 Ursachen auf der Mikroebene
3.1.1 Familiengründung & Erziehungszeiten
3.1.2 Familiäre Rollenverteilung
3.1.3 Scheidung und Trennung
3.1.4 Alleinerziehende
3.1.5 Pflegebedürftige Angehörige
3.2 Ursachen auf der Makroebene
3.2.1 Politisch geförderte Ursachen für Frauenarmut
3.2.2 Wirtschaftliche Faktoren
3.2.3 Corona-Krise

4 Handlungsmöglichkeiten zur Prävention
4.1 Prävention in der Politik
4.1.1 Abschaffung von Anreizen für tradierte Rollenaufteilungen und deren Ausgleich
4.1.2 Förderung von Gleichstellung durch familienpolitische Maßnahmen
4.1.3 Das bedingungslose Grundeinkommen
4.2 Prävention in der Wirtschaft
4.3 Kommunale Information und Förderung von Frauen
4.4 Prävention im privaten, familiären Bereich

5 Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Das Thema Altersarmut ist weiblich und befindet sich bereits jahrzehntelang im öffentlichen Diskurs, trotzdem ist es aktueller denn je. In der jetzigen Zeit steigt die Frauenarmut im Alter wieder an, zusätzlich verschärft die Corona-Krise Erwerbsunterbrechungen von vielen Frauen, welche u.a. durch die massive Übernahme von Care-Arbeit den Staat auffangen und die Krise tragen. “Hochrechnungen zeigen, dass bis zu 75 % der heute 35-50-jährigen Frauen eine gesetzliche Rente unter dem Hartz-IV-Niveau beziehen werden” (Knauthe & Deindl, S. 30). Obwohl Frauen eine höhere Lebenserwartung haben, werden sie politisch, wirtschaftlich und sozial benachteiligt. Medien berichten, dass der Frauenanteil in deutschen DAX-Vorständen und im Bundestag sogar sinkt (Vgl. Gontek 2020). Die Politik fördert nach wie vor tradierte Rollenmodelle, sodass noch lange zukünftige Generationen an Rentnerinnen betroffen sein werden. Kurzum bestraft unser Rentensystem ausgerechnet diejenigen, welche die späteren Rentenzahler*innen von morgen großziehen. Die Folgen für Gesundheit und Wohlbefinden sind gravierend. Frauen in Altersarmut leben 8,4 Jahre kürzer (Vgl. Vogel & Künemund 2019, S. 147). “Einsamkeit, Krankheit und mangelnde soziale Teilhabe [...] bringen jedoch soziale Kosten mit sich, die wiederum an anderer Stelle von der Gesellschaft getragen werden müssen” (Vogel & Künemund, 2019, S. 150).

Die vorliegende wissenschaftliche Arbeit soll sich mit der Frage befassen, welche Ursachen Frauenarmut im Alter hat und wie dem präventiv begegnet werden kann, sodass zukünftige Frauengenerationen nicht in die Armutsfalle laufen. Um diese Fragestellung zu beantworten, ist es vonnöten zu Beginn die Dimension des Phänomens herauszuarbeiten und die frauenspezifischen Ursachen auf der Makro-Ebene der Politik und Wirtschaft sowie auf der Mikroebene der privat-familiären Lebensentwürfe über das gesamte Erwerbsleben zu beleuchten. Aus diesen Betrachtungen können folglich die effektivsten Handlungsmöglichkeiten für die Prävention des Phänomens auf diesen Ebenen diskutiert werden. Eine Analyse und Betrachtung des Rentensystems zur generellen Bekämpfung von Altersarmut kann nicht vorgenommen werden. Stattdessen liegt der Fokus auf den frauenspezifischen Problemen und Präventionsmöglichkeiten während des Erwerbslebens. Für baldige Rentnerinnen könnte ihr Verlauf des Erwerbslebens nur durch Reformen des bestehen Rentensystems ausgeglichen werden, die in dieser Arbeit nur angeschnitten werden. Das diverse Geschlecht wird in dieser Arbeit nicht explizit berücksichtigt, da dessen Anteil in der Bevölkerung sehr gering ist.

2 Dimension von Frauenarmut im Alter

Um das Ausmaß der Altersarmut unter Frauen statistisch erfassen zu können, ist es notwendig, zunächst den Begriff Armut zu definieren. Die meisten Definitionen beziehen sich hierbei auf die relative Beschreibung des Phänomens in Bezug auf das Einkommen. Das in Europa am weitesten verbreitete Einkommensanteilsmodell beschreibt die Armutsrisikoschwelle als 60 % des Medians des durchschnittlichen Nettoäquivalenzeinkommens (Vgl. Goebel & Krause 2019, S. 60). Im Jahr 2019 lag der Median des Äquivalenzeinkommens für eine Einzelperson bei 23.515 € jährlich (Vgl. Statistisches Bundesamt 2021a), d.h. die monatliche Armutsrisikoschwelle (60 % vom Median) lag bei einem Nettoverdienst von 1175,75 €. Der Anteil armutsgefährdeter Frauen ab 65 Jahren lag 2019 bei 17,4 % und damit um 3,9 % höher als bei Männern (Vgl. Statistisches Bundesamt 2020a). Seit 2004 ist die Armutsgefährdungsquote von Frauen im Alter um 4,3 % und damit so stark wie in keiner anderen Altersgruppe gestiegen. In den neuen Bundesländern ist die Quote niedriger als im Westen, was auf die verschiedenen Erwerbsbiografien der Frauen zurückzuführen ist (Vgl. Statistisches Bundesamt 2020b). Viele kleine Renten von Frauen sind in den Statistiken nicht mit erfasst, weil das pro Kopf-Haushaltseinkommen als Maßstab dient und die Alterseinkommen, die dem Mann zufließen, den Großteil des Haushaltseinkommens darstellen (Vgl. Bäcker & Kistler 2020). Eine Aufschlüsselung in die Individualeinkommen von Frauen und Männern würde ein gravierenderes Bild zeigen. Nicht eigenständig für das Alter abgesicherte Frauen, die “nur einen Mann weit von der Armut entfernt” (Betzelt 2019, S. 168) sind, sind dementsprechend nicht in der Statistik vertreten.

Frauen erhalten in Deutschland im Durchschnitt 46 % weniger Rente als Männer, dieser hohe Gender Pension Gap bedeutet laut OECD-Studie im Vergleich der G20-Industrieländer den letzten Platz (Vgl. OECD 2019, S. 22).

Der politisch gesetzte administrative Standard, der für Mindestsicherungsleistungen aus SGB II, SGB XII und Asyl bLG ausschlaggebend ist, liegt in Deutschland unter der Armutsrisikoschwelle (Vgl. Goebel & Krause 2019, S. 61). Somit werden alle Bezieher*innen von Mindestsicherungsleistungen als arm eingestuft. Grundsicherungsleistungen im Alter können nach dem SGB XII beantragt werden, wobei eine Bedarfsprüfung zugrunde liegt. Bisher wurde die gesetzliche Rente komplett als Einkommen angerechnet, für die private Rente existiert seit 2018 ein Freibetrag von 100 €. Für die 2021 neue eingeführte Grundrente gibt es nun ebenfalls einen Freibetrag, der bei maximal 223 € liegt (Vgl. Schlicht 2021). Die Anzahl der Empfänger*innen von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung haben sich seit dem Jahr 2004 bis 2019 auf 1,1 Millionen Menschen in etwa verdoppelt, Tendenz steigend (Vgl. Statista 2021a). Mit dieser Definition wird Altersarmut vermeintlich sogar unterschätzt, weil viele Rentner*innen möglicherweise aus Scham, Unwissenheit oder Bescheidenheit ihren Anspruch nicht geltend machen (Vgl. Vogel & Künemund 2019, S. 147).

Wenn die Generation der Babyboomer in Rente geht, ist davon auszugehen, dass sich das Problem der Frauenarmut im Alter verschärfen wird. So zeigt eine Simulationsstudie, dass der Anteil der Frauen, die Grundsicherungsleistungen im Rentenalter empfangen, von 3,2 % im Jahr 2016 auf 5,2 % im Jahr 2030 ansteigen könnte (Vgl. Kaltenborn 2017, S. 52). Für die nachfolgenden Generationen der Jahrgänge 1970-1979 und 1980-1989 wurde bereits ein geringer Rückgang der Lücke des Lebenserwerbseinkommens, des sogenannten Gender Lifetime Earnings Gap, simuliert (Vgl. Boll et al. 2016, S. 75). Dieser wird allerdings nicht dafür ausreichen, dass Altersarmut kein spezifisch weibliches Thema mehr sein wird. Ebenfalls durch das Alterseinkünftegesetz, in dem die steigende Besteuerung der Rente bis zum Jahr 2040 geregelt ist, wird ein Anstieg der Frauenarmut erwartet, da Frauen durch die kleinen Renten besonders betroffen sind (Vgl. Haan et al. 2017, S. 66, S. 103).

Neben dem Einkommensanteilsmodell sind auch materielle Deprivation und subjektive Bewertungen Anzeichen für Armut. Wenn aus finanziellen Gründen mehrere Defizite im Lebensstandard herrschen, z.B. kein angemessenes Heizen in der Wohnung, kein Telefon oder mindestens jeden zweiten Tag keine warme Mahlzeit mit Fisch, Fleisch oder Gemüse gegessen werden könne, wird von materieller Deprivation gesprochen. Der Anteil der betroffenen Rentner*innen lag 2018 bei 2,7 %, allerdings ist diese Zahl nur mäßig aussagekräftig, da u.a. die ausgewählten Kategorien nicht mit den Lebensbereichen übereinstimmen könnten, die von den Rentner*innen als besonders defizitär wahrgenommen werden (Vgl. BMAS 2020). Die subjektive Bewertung der finanziellen Situation wird u.a. durch Befragungen im Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) aufgeschlüsselt, welche derzeit die größte und am längsten laufende Langzeitstudie in Deutschland ist (Vgl. Schupp 2012, S. 773).

Dem AROPE-Indikator zufolge liegt Armut oder soziale Ausgrenzung vor, wenn mindestens eines von drei Kriterien vorliegt: Armutsgefährdung, erhebliche materielle Entbehrung und/oder ein Haushalt mit sehr geringer Erwerbs­beteiligung. Der Anteil der Frauen ab 65 Jahren ist hierbei in den letzten Jahren auf 20,8 % gestiegen (Vgl. Statistisches Bundesamt 2020c).

3 Ursachen von Frauenarmut im Alter

Neben allgemeinen Risiken, die zu Altersarmut führen, wie unterbrochenen Erwerbsbiografien durch Krankheit oder körperlicher Beeinträchtigung, durch die zu spät oder gar keine Altersvorsorge aufgebaut werden kann, treten für Frauen weitere geschlechtsspezifische Gefährdungen auf. Dabei ist das Armutsrisiko häufig im Lebensverlauf vielen Schwankungen ausgesetzt und hängt stark von der individuellen Lebensführung ab. Im Folgenden werden die privat-familiären, die politisch begünstigten und wirtschaftlichen genderspezifischen Armutsfallen zusammengetragen.

3.1 Ursachen auf der Mikroebene

3.1.1 Familiengründung & Erziehungszeiten

Im privaten Bereich besteht für Frauen das größte Armutsrisiko darin, durch die Übernahme der vermeintlich typisch weiblichen Care- und Haushaltsarbeit zu wenig dem eigenen Berufsleben nachzugehen und keine ausreichende Altersvorsorge aufzubauen. Problematisch ist hierbei, dass alle Sozialversicherungsleistungen, außer die der Kranken- und Pflegekassen, an die Höhe des Einkommens gebunden sind, d.h. niedrige Löhne wirken sich immer leistungsmindernd auf die Arbeitslosen- und Rentenleistungen aus.

Ein hohes Armutsrisiko für Frauen entsteht durch die innerfamiliäre Arbeitsaufteilung nach der Familiengründung. Gerade dieses Ereignis erzeugt in vielen Fällen eine Retraditionalisierung der Geschlechterrollen (Vgl. BMFSFJ 2015, S. 32). Die Geburt eines Kindes erhöht v.a. für Personen mit geringem Bildungsniveau, sehr jungen Müttern oder Arbeitslosen die Armutsgefährdung (Vgl. Giesselmann & Vandecasteele 2019, S. 75). “Zwischen den Erwerbsverläufen von Müttern und anderen Frauen sind deutliche Unterschiede zu beobachten; die Erwerbsverläufe junger Mütter sind von konstant hohen Anteilen randständiger und prekärer Arbeit geprägt” (Vgl. BMFSFJ 2013, S. 121). Frauen, die keine unbefristete Anstellung haben, droht in der Elternzeit ein Verlust des Arbeitsplatzes. Die Gestaltung der Elternzeit sieht weiterhin so aus, dass Frauen den Großteil der Elternzeit nehmen, Männer aber weiterhin v.a. aus finanziellen Gründen ihrer Karriere nachgehen (Vgl. Brehm 2021 S. 199). Auffällig ist, dass der Gender-Care-Gap im Lebensalter von 34 Jahren mit 110,6% besonders hoch ist, d.h. gerade in der Rushhour des Lebens, in der sich wesentliche Lebensentscheidungen über Beruf, Partnerwahl und Kinder konzentrieren, existiert die größte geschlechtsspezifische Diskrepanz der Zeitaufwendung für Care-Arbeit zwischen Frauen und Männern (Vgl. Klünder 2017, S. 1f.). Durch familienbedingte Auszeiten erleiden Frauen bis 45 Jahre beträchtliche Einkommensverluste im Vergleich zu durchgängig vollzeitbeschäftigten Frauen derselben Bildung (Vgl. Boll 2016, S. 119). Dieser Lohnverlust über das gesamte Erwerbsleben liegt statistisch gesehen für Frauen mittleren Bildungsniveaus in Größenordnungen zwischen ca. 200.000 bis 300.000 Euro brutto, je nach Dauer der Erwerbsunterbrechung und der Teilzeitarbeit (Vgl. Boll et al. 2016, S. 107). Die möglicherweise größte Dimension der Folgekosten entsteht hierbei durch Einkommenseinbußen nach Rückkehr zur Vollzeitarbeit im Vergleich zur Referenzfrau ohne familiäre Erwerbsunterbrechung (Vgl. Boll 2010, S. 701). Vor allem für Frauen niedriger und mittlerer Bildung zeigt sich ein hoher Entwertungseffekt des Humankapitals. Für Akademikerinnen sorgen nicht getätigte Investitionen in ihr Humankapital (z.B. für Fortbildung) für massive Lohnverluste (ebd.) zwischen etwa 400.000 und 500.000 Euro brutto (Vgl. Boll et al. 2016, S. 107).

3.1.2 Familiäre Rollenverteilung

In vielen Familien herrscht über Generationen hinweg die konservative Rollenverteilung, in der die Frau für die Kindererziehung und die Haushaltsarbeit verantwortlich ist, während der Mann alleiniger Hauptverdiener und Ernährer der Familie ist. Im Zuverdienstmodell gehen Frauen zumindest einer Teilzeitbeschäftigung nach, wenn die Kinder in der Fremdbetreuung untergebracht sind, Zeit für Weiterbildung bleibt jedoch nicht. 2020 haben 66 % aller erwerbstätigen Mütter in Teilzeit gearbeitet (Vgl. Statistisches Bundesamt 2021c). Männer wiederum nehmen sich Zeit für ihre Karriere und investieren in ihr Humankapital, was folglich den Aufstieg in noch besser bezahlte Jobs ermöglicht. Nur die Zeitverwendung für den Beruf kann zu einem Zugewinn an Geld, Macht und gesellschaftlicher Teilhabe führen (Vgl. Brehm 2021, S. 197).

Diese Rollenverteilung in beiden Familienmodellen geht mit hohen Opportunitätskosten und der Folge einher, dass Frauen während der gesamten Erziehungszeit der Kinder nicht oder nur wenig in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen und vom Verdienst und der Altersvorsorge des Mannes abhängig sind. Problematisch ist hierbei, dass in den meisten Ehen nach wie vor die Einstellung vorhanden ist, dass derjenige, der das Geld verdient auch über die Einkommensverwendung entscheidet (Vgl. Betzelt 2019, S. 166). Ehepartner*innen haben keine rechtliche Verfügungsgewalt über den Verdienst des Partners. Eine eigene ausreichende Altersvorsorge durch zusätzliche private Vorsorge können sich Frauen wegen des geringen Lohns meistens nicht ansparen. Gleichzeitig haben Frauen im Zuverdienstmodell durch die doppelte Sozialisation und die damit verbundene “Zweigleisigkeit” das Gefühl, “Rabenmütter” und nur eine halbe Arbeitskraft zu sein und keiner der beiden Rollen in Familie und Beruf gerecht werden zu können (Vgl. Elis 2002, S. 116). Diese doppelte Orientierung kann mit Versagensgefühlen und einer psychischen Belastung einhergehen (Vgl. ebd.). Durch intergenerationale Tradierung werden diese Rollenbilder häufig an die nächste Generation weitergegeben.

Vor allem Frauen mit Migrationshintergrund haben ein besonders hohes Risiko von Altersarmut betroffen zu sein, da sie besonders oft ein traditionelles Familienmodell leben und zusätzlich weitere migrationsspezifische Armutsrisiken, teilweise durch Diskriminierung und Rassismus, hinzukommen.

Der Rückgang der Vollzeitarbeit von Frauen nach der Geburt und die damit verbundene Retraditionalisierung ist nach wie vor in Westdeutschland höher als in Ostdeutschland (Vgl. BMFSFJ 2015, S. 30). Auch in allen Familienphasen ist die Erwerbsquote von Frauen in Ostdeutschland höher als im Westen (Vgl. ebd., S. 42). Der stärkere Impuls zur ökonomischen Eigenständigkeit in Ostdeutschland könnte durch die Erwerbskultur des Doppelernährermodells in der DDR begünstigt sein (Vgl. ebd., S. 32). Im westeuropäischen Vergleich ist das Doppelernährermodell mit in Vollzeit arbeitenden Frauen nur in Skandinavien in der Breite der Bevölkerung vorhanden (Vgl. Schöneck 2013, S. 1022).

3.1.3 Scheidung und Trennung

Scheidung stellt trotz des Zugewinnausgleichs ein weiteres Armutsrisiko dar, da meist die Partnerin, die lange Zeit ihr Erwerbsleben für die Betreuung der Kinder ausgesetzt oder heruntergefahren hat, als Verliererin aus der Ehe geht, wenn nicht zusätzlich z.B. durch einen fairen Ehevertrag vorgesorgt wurde. Frauen bleiben nach der Scheidung meist langfristig auf schlecht bezahlten (Teilzeit-)Stellen und verdienen dadurch weniger Geld für ihren Lebensunterhalt. Sie haben während der Erziehungszeit oft weniger Berufserfahrung gesammelt und sich weniger fortgebildet als Männer, wodurch im Folgenden auch schlechtere Aufstiegschancen im Beruf resultieren. Durch die typischen Verbleibemuster von Kindern bei der Mutter, wird das Armutsrisiko durch die Beschränkung der Möglichkeiten zur ökonomischen Eigenständigkeit noch verschärft (Vgl. Giesselmann & Vandecasteele 2019, S. 74). Im Unterhaltsrecht wurde 2008 der lebenslange Ehegattenunterhalt stark eingeschränkt, d.h. Frauen, die sich während der Ehe auf Haushalts- und Care-Arbeit konzentriert haben, könnten nach der Scheidung auf finanzielle Unterstützungsleistungen angewiesen sein (Vgl. Schickling 2017, 34:30 min.).

3.1.4 Alleinerziehende

Am schlimmsten trifft es Alleinerziehende, von denen 84% Mütter sind (Vgl. Statista 2021b), die häufig völlig auf sich allein gestellt sind. Sie können aufgrund der Kindererziehung häufig nur wenig arbeiten und sind deshalb besonders armutsgefährdet. Ihre finanziellen Ressourcen reichen meist nicht dafür aus, Anteile der notwendigen Care-Arbeit in Dienstleistungen oder Verwandtschaftsnetzwerke zu externalisieren, sodass sich täglich eine sehr hohe Zeitverwendung für Care-Arbeit ergibt (Vgl. Klünder 2017, S. 2). Alleinerziehende Erwerbstätige sind besonders häufig von Armut bedroht. Im Jahr 2019 lag die Armutsgefährdungsquote bei 22,3 % (Vgl. Statistisches Bundesamt 2021b).

3.1.5 Pflegebedürftige Angehörige

Wenn Angehörige auf Pflege angewiesen sind, übernehmen auch hier zu knapp 70 % Frauen die unbezahlte Care-Arbeit (Vgl. Knauthe & Deindl 2020, S. 41). Da sich der Umfang der häuslichen Pflege auf rund 21 Stunden pro Woche und die insgesamte Dauer im Mittel auf vier Jahre beläuft, reduzieren die Angehörigen entweder ihre Arbeitszeit oder ziehen sich (phasenweise) komplett aus dem Erwerbsleben zurück (Vgl. ebd.; Betzelt 2019, S. 169). Ähnlich zum Unterbrechungseffekt in der Babypause schmälert eine sechsmonatige Auszeit das Gehalt dauerhaft bereits um 9 %, bei 12 Monaten sind es sogar 15 % (Vgl. Knauthe & Deindl 2020, S. 38). Gerade im fortgeschrittenen Erwerbsleben wirken sich Unterbrechungen der Erwerbsarbeit noch drastischer auf die Altersvorsorge aus, da in diesem Alter das vergleichsweise meiste Einkommen generiert wird und somit bei Unterbrechungen auch höhere Lohnausfälle zu verzeichnen sind (Vgl. ebd., S. 39).

3.2 Ursachen auf der Makroebene

3.2.1 Politisch geförderte Ursachen für Frauenarmut

Auf der Makroebene werden die schwerwiegenden systemischen Probleme gefördert, die in den letzten Abschnitten in der Betrachtung der Mikroebene deutlich geworden sind. Die konservative Rollenverteilung in Familien wird politisch durch das Ehegattensplitting attraktiv gemacht. Hierbei gilt, dass das zu versteuernde Einkommen nach §32a Abs. 5 EStG den Eheleuten je zur Hälfte zugerechnet wird. Der Steuerbetrag des halben Gesamteinkommens wird anschließend verdoppelt. Geht die Ehepartnerin keiner Erwerbsarbeit nach, ergibt sich in diesem Fall ein besonders hoher Steuervorteil im Ernährermodell. In der gesetzlichen Krankenversicherung kann sich die Ehegattin oder eingetragene Lebenspartnerin in der Familienversicherung beitragsfrei mitversichern lassen (Vgl. BMG 2020). Somit werden politisch gleich zwei Anreize geschaffen, dass Frauen keiner sozialversicherungspflichtigen Erwerbsarbeit nachgehen und dadurch das traditionelle Familienmodell gefördert.

Von den Minijobber*innen im Jahr 2019 waren 61 % Frauen, davon stellten Hausfrauen die größte Gruppe dar (Vgl. Hobler et al. 2020, S. 1). Aufgrund der verbreiteten tradierten Familienmodelle empfinden Frauen Minijobs als eine gute Wahl, um Familie und Beruf vereinen zu können und gleichzeitig die Vorteile des Ehegattensplittings und der beitragsfreien Familienversicherung zu nutzen. Problematisch ist hierbei, dass einerseits nicht in die Rentenversicherung eingezahlt werden muss (Vgl. Schickling 2017, 16:30 min.) und andererseits Minijobber*innen in erhöhtes Risiko tragen unter Mindestlohn bezahlt zu werden (ebd.). Für Frauen verschärft sich dementsprechend die Abhängigkeit von ihrem Partner, sodass sie im Fall einer Trennung bzw. Scheidung nicht ausreichend abgesichert sind. Der gesetzliche Sonderstatus von Minijobs ist somit gerade für Frauen ein institutionelles Hindernis, der die Gleichverteilung von Erwerbschancen zwischen den Geschlechtern blockiert (ebd.).

Die Betreuungspolitik hat ihren Fokus für eine lange Zeit auf rein familiärer Betreuung von Kindern gehabt. Ein weiterer Verdienstausfall kann für Frauen eintreten, wenn sie ihren (Teilzeit-) Job aufgrund von mangelnden Fremdbetreuungsangeboten nicht mehr ausüben können. In Deutschland sind bundesweit die Rechtsansprüche auf Kindertagesbetreuung für Kinder ab dem ersten vollendeten Lebensjahr bis zum dritten Lebensjahr seit 2013 und weitergehend bis zum Schuleintritt seit 1996 in § 24 Abs. 2, 3 SGB VIII geregelt. Trotz des geplanten Ausbaus und des Rechtsanspruches ist der Bedarf an KiTa-Plätzen weiterhin größer als das Angebot (Vgl. DStGB 2020). Scheinbar gibt es einen negativen Zusammenhang zwischen dem zeitlichen Umfang exter­ner Kinderbetreuung und dauerhaft prekärer Beschäftigung der Eltern in der Art, dass diese umso größer ist, je weniger die Kinder fremd betreut sind (Vgl. Stuth 2021, S. 187). Insbesondere in den alten Bundesländern ist die Ganztagsbetreuung von Kindern noch unzureichend ausgebaut (Vgl. ebd., S. 188).

[...]

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Frauenarmut im Alter. Dimension, Ursachen, Handlungsmöglichkeiten zur Prävention
Hochschule
Hochschule Darmstadt
Veranstaltung
Armutspolitik
Note
1,3
Autor
Jahr
2021
Seiten
28
Katalognummer
V1010259
ISBN (eBook)
9783346400437
ISBN (Buch)
9783346400444
Sprache
Deutsch
Schlagworte
frauenarmut, alter, dimension, ursachen, handlungsmöglichkeiten, prävention
Arbeit zitieren
Sabine Chromy (Autor:in), 2021, Frauenarmut im Alter. Dimension, Ursachen, Handlungsmöglichkeiten zur Prävention, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1010259

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