Exegese zu Lukas 15,11-32. Das Gleichnis vom verlorenen Sohn


Hausarbeit, 2020

25 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Vorüberlegungen und Textsicherung
1.1 Persönlicher Zugang zum Text
1.2 Abgrenzung der Perikope

2 Sprachlich-sachliche Analyse
2.1 Sozialgeschichtliche und historische Fragen, Realien
2.2 T extlingui stik

3 Die Aussageabsicht des Autors
3.1 Formkritik
3.2 T extpragmatik
3.3 Ermittlung der Pointe

4 Kontextuelle Analyse / das innovative Potenzial
4.1 Traditionsgeschichte
4.2 Religionsgeschichtlicher Vergleich

5 Der Text als Teil eines theologischen Gesamtkonzepts
5.1 Kompositionskritik
5.2 Redaktionskritik

6 Fazit

Anhang

Literaturverzeichnis

1 Vorüberlegungen und Textsicherung

1.1 Persönlicher Zugang zum Text

In Lukas 15,11-32 fällt bereits bei erster Lektüre die Vielseitigkeit und der große Interpretationsrahmen in Bezug auf die drei Hauptpersonen auf. Bei erster Betrachtung des Gleichnisses kommt die Frage auf, aus welchem Grund nur männliche Figuren benannt werden. Eine Mutter wird an keiner Stelle benannt. Auch wenn in Vers 11 zunächst die Rede von einem Menschen ist, wird im Folgenden deutlich, dass es sich um einen Vater und dessen Söhne handelt, ohne Erwähnung der zugehörigen Mutter. Somit ergibt sich die Frage, ob die Erzählung mit mütterlichem Einfluss anders verlaufen wäre. Des Weiteren stößt in diesem Kontext auf, auf welcher Grundlage lediglich von Söhnen berichtet wird und nicht von einer Tochter die Rede ist. Bei weiterem Lesen der Perikope lässt sich hinterfragen, ob das Verhalten des Jüngeren als verwerflich angesehen werden kann. Wie ist die Forderung des Erbteiles und die Auswanderung zu bewerten bzw. welchen Motiven liegt sein Verhalten zugrunde? Dem gefolgt kann die Reaktion des Vaters bei der Rückkehr des jüngeren Sohnes als fraglich aufgegriffen werden. Auf welcher Grundlage verzeiht er seinem Jüngeren bedingungslos? Schlussendlich wirft die Reaktion des Älteren auf die Wiederaufnahme des Jüngeren Fragen auf. Kann er seinem jüngeren Bruder verzeihen oder leben sie fortan in Rivalität? Handelt das Gleichnis in Lukas 15,11-32 eventuell von zweiverlorenen Söhnen? Um den aufgeworfenen Fragestellungen nachzugehen, basiert die folgende Ausführung auf der Luther Übersetzung von 1984 (vgl. Anhang, 20).

1.2 Abgrenzung der Perikope

Gefolgt der Erzählung vom verlorenen Schaf ist das Gleichnis des verlorenen Groschens auffindbar. Diesen beiden Auslegungen folgt die Familienerzählung des verlorenen Sohnes. Alle drei Gleichnisse wollen Jesu Verhalten gegenüber den Zöllnern und Sündern rechtfertigen, können aber auch ohne Bezug auf die Rahmensituation als eigene Geschichten aus sich selbst heraus interpretiert werden (vgl. Köhnlein, 2009, 33). In der Gesamtsicht fällt auf, dass das Gleichnis vom verlorenen Sohn am ausführlichsten von den drei Gleichnissen ist. Dieses besteht aus insgesamt 22 Versen, wobei sich die anderen Gleichnisse aus fünf bzw. drei Versen zusammensetzen. Durch den direkten Einstieg: „Und er sprach:“ im 11. Vers wird der Beginn des Gleichnisses deutlich gesetzt. Es lässt sich jedoch inhaltlich infrage stellen, ob das Gleichnis ursprünglich eine Erzählung war, oder erst im Nachhinein zusammengefügt wurde. Denn die Rolle des älteren Sohnes ist erst ab Vers 25 teil des Gleichnisses. Jedoch ist durch den Einstieg: „Er sprach aber auch zu den Jüngern:“ in Lukas 16,1 eine klare Abgrenzung zum folgenden Gleichnis vom unehrlichen Verwalter gegeben.

2 Sprachlich-sachliche Analyse

2.1 Sozialgeschichtliche und historische Fragen, Realien

Im Folgenden geht die sozialgeschichtliche Analyse auf die Klärung von Details in der Erzählung ein. Im 12. Vers bittet der jüngere Sohn, welcher Jeremias zufolge 18 bis 20 Jahre alt sein muss (vgl. Jeremias, 1998, 129), zu Lebzeiten seines Vaters um den ihm zustehenden Vermögensanteil. An dieser Stelle ist es erwähnenswert, dass der jüngere Sohn ein geringeres Erbe zu erwarten hat als der Erstgeborene (vgl. Schottroff, 2010, 179). Da der Vater ihm die Bitte erfüllt, scheint diese auch in seinem Sinne sinnvoll zu sein. Somit lässt sich aus dem Text nicht schließen, dass die Bitte des Sohnes anstößig ist. Das im Gleichnis beschriebene Auszahlen des Erbanteils ähnelt im deutschen Recht dem Vorgang der Abschichtung. Man schichtet Kinder ab, wenn diese aus der Gemeinschaft des Besitzes bzw. der Erbgemeinschaft austreten und dabei einen Anteil davon für sich erhalten. Der abgefundene Sohn hat nun keine Ansprüche mehr auf das Erbe, die Geschwister erhalten den gesamten Rest. Dieser Rest steht allerdings bis zum Tod des Vaters unter dessen Vollmacht (vgl. Wolter, 2008, 531). Im ersten nachchristlichen Jahrhundert war es nach jüdischem Recht erlaubt, sein Vermögen zu Lebzeiten aufzuteilen. Auch hier nannte man diesen Vorgang Abschichtung. Gesetzesmäßig müsste der abgeschichtete Sohn sich allerdings um das Wohl seiner Eltern kümmern, was in diesem Gleichnis nicht geschieht. Der ältere Sohn sollte seinen Anteil erst nach dem Tod des Vaters erhalten, wenn er im Haus des Vaters blieb. Sein Anteil müsste jedoch gemäß dem Gesetz doppelt so groß sein wie der seines jüngeren Bruders (vgl. Bovon, 2001, 46). In Vers 31 wird aufgegriffen „alles, was mir gehört, gehört dir“. Juristisch bedeutet das, dass der Rest der väterlichen Güter dem älteren Bruder zusteht, da der jüngere seinen Anteil bereits erhalten hat. Da der Bruder mit auf dem Hof lebt, kann er die Güter gemeinsam mit seinem Vater verwalten (vgl. Bovon, 2001, 52). Im Verlauf der Erzählung wird jedoch deutlich, dass der ältere Sohn, im Gegensatz zum jüngeren Sohn, nicht über seinen Anteil verfügen kann. Der Vater ist weiterhin der Besitzer des Erbes. Somit kann der Vater den zurückkehrenden Sohn, ohne Zustimmung des älteren Sohnes beschenken (vgl. Schottroff, 2010, 179). Durch diese einseitige Handlung des Vaters, den jüngeren Sohn wieder am Verfügungsrecht teilhabenzulassen, kann dieser vermutlich auch ein zweites Mal mit einem Erbe rechnen. Der Text erzählt diese Details jedoch nicht, da er nicht an der vollständigen Klärung der rechtlichen Aspekte der Eigentumsverhältnisse interessiert ist (vgl. Schottroff, 2010, 185). An dieser Stelle gilt es noch zu erwähnen, dass Töchter in der damaligen Zeit nicht erbberechtigt waren, sie wurden um einen Brautpreis verheiratet (vgl. Köhnlein, 2009, 34). Somit handelt das Gleichnis von zwei Söhnen.

In den Versen 13 bis 16 wird der Abstieg des jüngeren Sohnes in die Armut detailreich beschrieben. Nachdem er seinen Vermögensanteil zu Geld gemacht hat, verlässt er das Land. Wird davon ausgegangen, dass die Erzählung den bäuerlichen Verhältnissen in Judäa oder Galiläa zugrunde liegt, könnte das ferne Land in der jüdischen Diaspora verortet werden (vgl. Schottroff, 2010, 180).

Der jüngere Sohn verlässt, auf der Suche nach einer neuen ökonomischen Existenz das Land. Eine derartige Existenz war in dem verarmenden jüdischen Mutterland schwierig aufzufinden. Der Vermögensanteil des Jüngeren wäre für eine eigene Landwirtschaft ausreichend gewesen, wenn sein Vater den Großgrundbesitzern im römischen Stil zugehörig gewesen wäre. Somit bleibt unter sozialgeschichtlichen Aspekten, die Auswanderung des Jüngeren im Rahmen der Erfahrungen der wenig Wohlhabenden. Im Römischen Reich gab es aus wirtschaftlichen Gründen zahlreiche Wanderbewegungen. Der jüngere Sohn lebt über seinen Verhältnissen und gibt seinen gesamten Erbteil aus. Die Bedeutung dessen wird in dem Gleichnistitel im englischen „The Prodigal Son“ (der verschwenderische Sohn) verdeutlicht (vgl. Schottroff, 2010, 180). Gefolgt davon gerät der Jüngere in eine regional im Römischen Reich typische Hungersnot.

Die Erzählung greift indirekt die Thematik der Rechtlosigkeit als Wirtschaftsflüchtling und Fremder im Land auf. Dies erschließt sich daraus, dass der Jüngere, um aus der Hungersnot zu gelangen, Klient eines wohlhabenden Bürgers wird. Dieser Bürger gibt ihm, eine zu dieser Zeit entehrend geltende Arbeit als Hirte. Dies stellt für einen Juden eine große Demütigung dar, da Schweine in ihren Augen unreine und unsaubere Tiere sind. Dass er als Schweinehirte kulturell betrachtet unrein ist, wird als weiterer Grund für seine Entehrung genannt. Er ist also ein Sünder und Heide (vgl. Schottroff, 2010, 181). Das Gleichnis vom verlorenen Sohn beschreibt also den Abstieg des Erben zum Schweinehirten und zeigt damit, „[...] dass Schweinehirten auf einer sehr niedrigen Stufe der sozialen Hierarchie standen. Noch weiter unten standen vermutlich nur die Aussätzigen, die ebenfalls als in oder bei einem Dorf lebend erwähnt werden [...].“ (Erlemann, 2005, 107).

Nach dem Verlust seiner religiösen Identität besinnt sich der jetzt reuige Sohn. Dies wird durch das jüdische Sprichwort „Wenn die Israeliten Johannisbrot nötig haben, dann kehren sie um“ (Köhnlein, 2009, 37) beschrieben. Am Tiefpunkt angekommen, vergleicht er außerdem seine Situation, mit der der Tagelöhner, die sein Vater beschäftigt hat. Diese verdienen durch ihre Arbeit einen mehr als ausreichenden Lebensunterhalt (vgl. V.17). Tagelöhner sind Landarbeiter, die ihren Lohn nach dem Arbeitstag ausgezahlt bekommen (vgl. Erlemann, 2005, 31 ff.). Nachdem der verlorene Sohn zu seinem Vater zurückgekehrt ist, sollen seine Knechte dem Sohn „einen Ring an seine Hand“ (V.22) gegeben haben. Der Ring ist sowohl ein Zeichen dafür, dass der Sohn seine Autorität wieder zurückerlangt als auch ein Zeichen des Wohlstandes. Auch Schuhe bekommt er an die Füße. Im Sprachgebrauch Israels bedeutet ein Gebiet mit Schuhen abzulaufen, es in Besitz zu nehmen. All dies zeigt, dass der Sohn wieder als solcher in der Familie aufgenommen wird. (vgl. Bovon, 2001, 49). Der Vater lässt zudem, zur Feier des Tages ein gemästetes Kalb schlachten (vgl. V.23). Auch dies ist ein Zeichen des Wohlstandes, da es nicht üblich war, jeden Tag Fleisch zu konsumieren und es nur für eine außergewöhnliche Gelegenheit vorgesehen war. Fleischgerichte wurden also vorwiegend zu besonderen Anlässen gereicht, demnach stelle ein geschlachtetes Kalb ein Festmahl dar (vgl. Erlemann, 2005, 31 ff.).

Aus historischer Perspektive lässt sich vermuten, dass das Gleichnis des verlorenen Sohnes in unterschiedlichen Phasen des frühen Christentums jeweils eine zugehörige Bedeutung gehabt hat und aufgrund dessen überliefert wurde (vgl. Berger, 2011, 266). Es kann angenommen werden, dass Jesus sich und sein Publikum mit den drei Gleichnissen in Lukas 15, gegenüber seinen pharisäischen Gegnern im Kontext seiner Selbstverkündigung verteidigt hat. Infolgedessen wäre das Gleichnis in die Begegnung mit der pharisäischen Bewegung einzuordnen. Nach den Osterereignissen könnte es dafür stehen, dass die Jünger, welche alles miterlebt hatten, auch die Gläubigen aufnehmen sollten, die nicht von Anfang an Teil dessen waren. In der frühen Heidenmission handelte es von der Notwenigkeit der Akzeptanz der Heidenchristen durch die Judenchristen. In späteren Zeiten beinhaltete es die Zuwendung des Christentums zu in der Kritik stehenden Gruppen. Konstant ging es also um die Zuwendung zu neuen Gruppen und den Zweifel, den die Pharisäer bzw. Alteingesessenen hatten (vgl. Berger, 2011, 266 f.).

2.2 Textlinguistik

Inhaltliche Gliederung:

Exposition: „Ein Mensch hatte zwei Söhne“ (V.11)

1. Teil: Vom jüngeren Sohn (V.12-24)
Szene 1: Vom Weggang bis zur Krise (V.12-16)
1.1 Verschwendungssucht (V.12-13)
1.2 Elend (V. 14-16)
Szene 2: Erkenntnis und Bekenntnis (V.17-20a)
Szene 3: Rückkehr, Aufnahme, Begründung der Freude (V.20b-24)
2. Teil: Vom älteren Sohn (V.25-32)
Szene 1: Gespräch zwischen älterem Sohn und Knecht (V.25-28a) Szene 2: Gespräch zwischen Vater und älterem Sohn
Wiederholung der Begründung der Freude (V.28b-32)

In dem Gleichnis lässt sich, so wie oben verdeutlicht, eine eindeutige inhaltliche Gliederung erkennen. In der zu Beginn stehenden Exposition, in Form eines Nominativanfangs (vgl. Jeremias, 1998, 99), sind zunächst die drei Hauptpersonen benannt. Im Zuge dessen wird auch der Aufbau der Erzählung angedeutet.

Im ersten Teil steht die Beziehung zwischen dem jüngeren Sohn und dem Vater im Zentrum. Die erste Szene stellt die Problemlage, die zu einer Trennung der Akteure führt, sowie den Fortgang des Problems (vgl. V.12-16) dar. Diese erste Szene kann Bovon zufolge noch einmal untergliedert werden. In die Verschwendungssucht des Sohnes (vgl. V.12-13) und das Elend desselben (vgl. V.14-16) (vgl. Bovon, 2001, 57). Es folgt als zweite Szene des ersten Teils die Lösung der Problemlage (vgl. V.17-20a). Als dritte Szene kann die Reaktion des Vaters auf das Wiedersehen der Akteure angesehen werden (vgl. V.20b-24b).

Bedingt durch den Parallelismus in Vers 24a „denn mein Sohn hier war tot“, „er war verloren“ jetzt ist er „lebendig“, er ist „gefunden“, kommt es zu einem Einschnitt der Erzählung. Es könnte angenommen werden, die Erzählung sei vorüber. Die Exposition, lässt allerdings die Frage aufkommen, was mit dem zweiten Sohn geschehen ist (vgl. Bovon, 2001, 43). Weiterhin spielt der Parallelismus auf die Bekehrungstheologie an. In dieser wird der Mensch vor der Bekehrung als tot angesehen, durch die Bekehrung erhält er neues Leben. Das Gleichnis wird mit dem zweiten Teil, dem Konflikt zwischen Vater und älterem Sohn (vgl. V.25-32), fortgesetzt (vgl. Wolter, 2008, 528 f.).

Landmesser nimmt an, dass der Vater dem Sohn bedingungslos vergibt, da er ihm entgegeneilt, bevor dieser sein Sündenbekenntnis gesprochen hat. Der Parallelismus in V. 24a verdeutlicht laut Landmesser folgendes: Das Leben des Sohnes in der Ferne wird mit Leben in Sünde und somit mit Tod assoziiert. Der Vater erreicht durch seine Vergebung aber eine Rückkehr seines Sohnes ins Leben und hat so die Funktion eines neu schaffenden Schöpfers. Hierdurch wird Gottes heilvolles Handeln als Neuschöpfung gesehen. Landmesser ergänzt, dass dies im Zusammenhang mit Tod und Auferstehung Jesu gesehen werden müsse, da Gott durch die Auferweckung und Erhöhung Jesu dem Volk Israel sowohl Buße ermögliche als auch die Sünden vergebe (vgl. Landmesser, 2002, 254 ff.).

Neben dem Verweis auf den Aufbau wird Sellin zufolge auch das Drei-PersonenSchema in der Exposition angedeutet, da mit der für das lukanische Sondergut typischen Wendung „irgendein Mensch“ (Sellin, 1974, 180 ff.) eingeleitet wird. Den beiden Söhnen wird hierbei der gleiche Status zuteil. Der Vater vertritt die dritte Person, welche den Söhnen gegenüber, eine Autorität darstellt. Innerhalb des Drei-Personen-Schemas, treten jedoch nur zwei Personen gleichzeitig auf. Auch das Selbstgespräch des jüngeren Sohnes stellt keine Ausnahme dar, da in diesem der Vater konkret angesprochen wird. Infolgedessen lässt sich bereits aus der Struktur schließen, dass die jeweilige Reaktion des Vaters, als Autoritätsperson den zentralen Bezugspunkt des Gleichnisses darstellt. Da die Akteure in einem hierarchischen Verhältnis zueinanderstehen, kann das Verhältnis zwischen dem Vater und seinen Söhnen auf ein Verhältnis zwischen Gott und Menschen hindeuten (vgl. Müller, 2002, 140). Die Wiederholung der Nennung Gottes in Vers 18 und 21: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir“ verdeutlicht, dass der Vater nicht Gott ist, sondern ein irdischer Vater. Dennoch wird durch die Wendung deutlich, dass er in seiner Liebe Abbild Gottes ist (vgl. Jeremias, 1998, 128).

Als Basisopposition wird die Spannung zwischen einem Zustand A, zu Beginn der Handlung und einem Zustand B, welcher am Ende der Handlung erreicht wird, beschrieben (vgl. Erlemann/Wagner, 2013, 44). In Bezug auf das Gleichnis des verlorenen Sohnes kann als Zustand A die Trennung des jüngeren Sohnes von seiner Familie verstanden werden. Zustand B könnte der Versuch der Zusammenführung bzw. die Wiedervereinigung der Familie darstellen. Zwischen Zustand A und Zustand B wird der Weg und das Versagen des jüngeren Sohnes beschrieben. Allerdings lässt sich in der Perikope nur von einem Versuch der Zusammenführung sprechen, da das Ende offen gestaltet ist. Somit ist ungewiss, ob der ältere Sohn seine Wut überwinden kann. In diesem Zusammenhang sind die Gegensatzpaare in Form von Verben, wie z.B. Erbe teilen-verprassen, tot-leben oder verloren-wiedergefunden, von großer Bedeutung. Durch das Gegensatzpaar verloren-gefunden wird unterandrem auch eine Beziehung zu den anderen beiden Gleichnissen in Lukas 15 hergestellt (vgl. Wolter, 2008, 537).

Die Adjektive tot und lebendig sind metaphorisch aufzugreifen da nicht vom richtigen Tod (vgl. V.24; V.32) die Rede ist. Es geht lediglich darum, dass der Sohn seine Familie verließ, um allein in ein fernes Land zu ziehen und sein Erbe auszugeben. „Lebendig“ (V.24; V.32) ist er erst nach seiner Rückkehr zu seiner Familie. Somit wären die Begrifflichkeiten „verlieren“ und „wiederfinden“ passender, um die Situation zu beschreiben. Darüber hinaus steht die am Anfang beschriebene Hungersnot und das große Fest für den verlorengegangenen Sohn am Ende der Perikope in einem starken Kontrast zueinander.

[...]

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Exegese zu Lukas 15,11-32. Das Gleichnis vom verlorenen Sohn
Hochschule
Universität Duisburg-Essen  (Institut für Evangelische Theologie)
Veranstaltung
Evangelien
Note
1,3
Autor
Jahr
2020
Seiten
25
Katalognummer
V1012197
ISBN (eBook)
9783346403643
ISBN (Buch)
9783346403650
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Das Gleichnis vom verlorenen Sohn, Exegese, Lukas, Evangelien, Biblische Theologie, Biblische Gleichnisse, 15
Arbeit zitieren
Ina-Sophie Albers (Autor:in), 2020, Exegese zu Lukas 15,11-32. Das Gleichnis vom verlorenen Sohn, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1012197

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