Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit
2. Homo oeconomicus
2.1 Definition Homo oeconomicus
2.2 Das klassische Modell des Homo oeconomicus
2.3 Beziehung zum Konzept der vollständigen Rationalität
2.4 Kritik am Homo oeconomicus
3. Homo oeconomicus in der realen Welt
3.1 Ultimatumspiel
3.2 Zeitinkonsistenz
3.3 Vorgabewert (default effect)
4. Alternativen zum Homo oeconomicus
4.1 REMM
4.2 RREEMM
4.3 Eingeschränkte Rationalität
5. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
Mit Beginn der modernen Industriegesellschaft veränderte sich die Mentalität der Menschen. Eigennutzen und Eigeninteresse stiegen innerhalb der Wirtschaft zu wichtigen Handlungsmotiven hervor. Es stand nicht mehr die rein häusliche Bedarfswirtschaft im Vordergrund, welche nur die lebensnotwendigen Bedürfnisse befriedigen sollte. Die über die gesamte Welt erstreckende Marktwirtschaft, mit dem einhergehenden Ziel der Profitmaximierung, stand nun im Vordergrund.
Um die komplexen Handlungsvorgänge des menschlichen Verhaltens im Bezug auf die marktwirtschaftlichen Tätigkeiten zu analysieren und zu verstehen bedurfte es einer Modellierung der zentralen Verhaltensannahmen. Mit dem Modell des Homo oeconomi- cus, dem Nutzenmaximierer, der rational im Bezug auf seine eigne Zielfunktion handelt, entstand ein Instrument zum Betrachten und Analysieren des menschlichen Verhaltens. Damit kann sowohl das beobachtete Verhalten beschrieben werden, als auch das Zukünftige prognostiziert.
Allerdings ist das Modell des Homo oeconomicus auch umstritten. Dem Modell wird unterstellt, dass es nicht genug Realitätsnähe besitzt und für die Verwendung im Rahmen einer empirischen Wissenschaft nicht geeignet ist und sogar die Nachhaltigkeit gefährdet.1
Die Anwendung sowie der Nutzen dieses Modells werden sogar außerhalb der Mikro- und Makroökonomie wie z.B. in der Betriebswirtschaftslehre, der Politik, der Entscheidungstheorie oder der Soziologie verwendet und ausführlich diskutiert.
1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit
Ziel dieser Arbeit ist es, das Modell des Homo oeconomicus zu erläutern und auf die Kritik dieses Modells einzugehen.
Dabei wird zunächst das Modell des Homo oeconomicus erläutert und der Bezug zum Konzept der vollständige Rationalität hergestellt. Im Anschluss wird das reale Verhalten von Menschen im Hinblick auf den Homo oeconomicus untersucht. Dazu werden Experimente herangezogen um zu analysieren, ob sich die Menschen tatsächlich nach die- sem Muster verhalten. Zum Schluss werden noch mögliche alternative Konzepte kurz erläutert.
2. Homo oeconomicus
2.1 Definition Homo oeconomicus
Um das eigentliche Modell des Homo oeconomicus beschreiben zu können, soll zunächst dessen Definition erläutert werden. Was ist mit diesem Ausdruck überhaupt gemeint?
Je nachdem in welcher wissenschaftlichen Disziplin man nach einer Definition sucht, fällt die Definition des Homo oeconomicus unterschiedlich aus. So ist der Begriff nach Gablers Wirtschaftslexikon aus der Sicht der Wissenschaftstheorie und der Entscheidungstheorie wie folgt definiert.
Wissenschaftstheorie: „Modell eines ausschließlich wirtschaftlich denkenden Menschen, das den Analysen der klassischen und neoklassischen Wirtschaftstheorie zugrunde liegt."2 3
Entscheidungstheorie: „Idealtyp eines Entscheidungsträgers, der zu uneingeschränkt rationalem Verhalten [...] fähig ist. Hierzu zählt zum einen die konsequente Verfolgung der eigenen Ziele [...] und zum anderen die unmittelbare und fehlerfreie Informations- verarbeitung.
Der Duden Wirtschaft von A bis Z definiert den Begriff aus der Sicht der Wirtschaftstheorie folgendermaßen: „Modellvorstellung [...] eines idealen, ausschließlich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten denkenden und handelnden Menschen. Der Homo oeconomicus [...] ist besonders durch Eigenschaften wie rationales Verhalten, das Streben nach größtmöglichem Nutzen [...], die vollständige Kenntnis seiner wirtschaftlichen Entscheidungsmöglichkeiten und deren Folgen [...] charakterisiert."4 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Homo oeconomicus ein wirtschaftender Mensch ist, dessen Handlungen zweckmäßig auf die Nutzenmaximierung ausgerichtet sind und dem Rationalitätsprinzip folgen.
2.2 Das klassische Modell des Homo oeconomicus
Der Ursprung dieses Modells ist in einem Szenario verankert, bei dem sich der Homo oeconomicus als ein Individuum, auch häufig als fiktiver Akteur bezeichnet, einer Situation der Knappheit ausgesetzt ist. Als direkte Folge können nicht alle seine Bedürfnisse gleichzeitig befriedigen werden. Somit muss er sich zwischen mehreren möglichen Alternativen entscheiden um durch Eigeninteresse (A1) seinen eigenen Nutzen zu maximieren (A2). Dabei geht er besonders rational (A3) vor. Innerhalb dieser Entscheidungssituation sind dabei zwei Elemente besonders ausschlaggebend für seine Wahl. Zum einen sind das seine Präferenzen (A4) und zum anderen die Restriktionen (A5) denen er unterliegt. Außerdem wird angenommen, dass dem Akteur vollkommene Informationen (A6) über die Bedingungen, Möglichkeiten und Folgen seines Handelns zu Grunde liegen und er in der Lage ist diese auch zu verarbeiten. Diese sechs Axiome (A1-A6) des Verhaltensmodells beschreiben die Haupteigenschaften des Homo oeco- nomicus.5
A1: Sein Wohlbefinden wird nicht von dem Wohlbefinden anderer Individuen beeinflusst. Die treibende Kraft des Homo oeconomicus innerhalb einer Entscheidungssituation besteht lediglich in seinem Eigeninteresse. Der Akteur handelt Eigenständig nach seinen eigenen Präferenzen und Interessen. Kirchgässner nennt dies das Eigennutzaxiom des ökonomischen Verhaltensmodells. Damit sind Neid, Missgunst und Altruis- mus6 ausgeschlossen.7
A2: Unter Nutzenmaximierung versteht man das Streben nach dem größtmöglichen Nutzen bei einem möglichst geringen Aufwand. Dabei steht die Nutzenoptimierung für das oberste Ziel. In der Wirtschaftstheorie ist das in der Regel die Gewinnmaxim ie- rung.8
A3: Der Homo oeconomicus handelt stets nach dem Rationalitätsprinzip. „Das Rationalprinzip [...] stellt eine formale Beziehung zwischen den Zielen menschlichen Handelns und den zur Erreichung der Ziele notwendigen Mitteln dar, wonach entweder größtmögliche Zielerreichung bei gegebenem Einsatz von Mitteln oder ein gegebenes Ziel bei geringstmöglichem Einsatz von Mitteln angestrebt wird."9
A4: Die Bevorzugung einer Alternative die ein Individuum für etwas hat, bezeichnet man als Präferenz.10 Die Präferenzen des Homo oeconomicus und somit auch die Nutzenfunktion werden i.d.R. als stabil angenommen. Das Individuum hat eine klare Präferenzenordnung und kann sich für die, nach seinen Präferenzen, beste Alternative entscheiden.11
A5: Die Umwelt ermöglicht einerseits erst den Handlungsspielraum des Akteurs, andererseits begrenzt sie diesen aber auch. Zu den Umwelteinflüssen bzw. Restriktionen zählen bspw. die geltenden Marktpreise, das Einkommen des Akteurs, rechtliche Rahmenbedingungen, aber auch die zu erwartenden Reaktionen anderer Menschen. Innerhalb des Handlungsraumes liegen die einzelnen Handlungsmöglichkeiten die dem Akteur zur Verfügung stehen und zwischen denen er auswählen muss bzw. kann. Dieser Fokus auf die Restriktionen verhindert das jede beliebige Verhaltensänderung der Akteure auf Veränderungen der Präferenzen zurückgeführt wird, was eine weitere theoretische Beliebigkeit erzeugen würde.12
A6: Wenn der Akteur mit seinem Verhalten auf die Restriktionen reagiert, dann ist er vollständig über seine Handlungsalternativen informiert und kann die Auswirkungen und Folgen der einzelnen Handlungsalternativen präzise abschätzen. Er verfügt über die Über- und Voraussicht über alle vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Tatbestände und Ereignisse.13
Aufgrund dieser Haupteigenschaften ist der Homo Oeconomicus imstande unter den Handlungsalternativen die ihm gegeben sind, diejenige zu wählen welche das Ziel der Nutzenmaximierung herbeiführt. Dabei ist er in der Lage seine Zielvorstellungen systematisch anzupassen, sobald sich Änderungen der Umwelt ergeben. Diese können z.B. aus Handlungen anderer Individuen, Veränderungen der natürlichen Bedingungen oder politischen Maßnahmen entstehen. Durch seine systematische Anpassung der Zielvorstellungen wird der Homo oeconomicus somit vorhersehbar. Dadurch ist es möglich Prognosen darüber aufzustellen, wie sich der Akteur auf gewisse Veränderungen einstellen wird. Dieses Prinzip lässt sich ebenso umkehren. Durch Platzierung gewisser Anreize, bzw. Veränderung seines Handlungsspielraumes, wie z.B. Erhöhung oder Kürzung seines Einkommens, kann das Verhalten des Akteurs systematisch gesteuert werden.
Obwohl der Homo oeconomicus als ein Egoist konstruiert wurde, kann durch das eigeninteressierte Handeln der einzelnen Akteure auch das Wohl der Gesellschaft nachhaltig beeinflusst werden. Da die eigene Nutzenmaximierung nur durch etwas Nützliches (Dienstleistung oder Konsumgut) für dritte möglich ist, entsteht ein Wohlfahrtsprinzip. Durch den regen Wettbewerb ist es ebenfalls möglich das angebotene Gut bei der Konkurrenz zu erwerben. Was wiederum zu dem Anreiz führt besser zu sein als die Konkurrenz, z.B. durch niedrigere Preise oder bessere Qualität. Dadurch wird sowohl ein technischer Fortschritt als auch ein Wirtschaftswachstum erzielt, was sich wiederum positiv auf das Volkseinkommen auswirkt. Somit wirkt sich das eigeninteressierte Handeln der Akteure positiv auf das Gemeinwohl aller aus.
2.3 Beziehung zum Konzept der vollständigen Rationalität
Das Konzept der vollständigen (oder auch globalen) Rationalität basiert ebenfalls darauf, dass der vollständig rationale Akteur unbeschränkten Zugang zu Informationen, unbeschränkte Kapazitäten der Informationsverarbeitung, sowie ein unbeschränktes Erinnerungsvermögen hat. Ziel seiner Handlungen ist gleichermaßen die Maximierung seines Nutzens, bzw. eine Optimierung.14
Das Konzept besagt, dass Menschen vollständig rational handeln, „[...] indem sie die durch objektiv bestehende Restriktionen vorgegebenen Handlungsmöglichkeiten unter Bezug auf ihre subjektive gegebenen Präferenzen in eine Rangfolge bringen und anschließend die Handlungsmöglichkeiten wählen, die in der Rangfolge an erster Stelle stehen."15 Dazu werden die Vor- und Nachteile gegeneinander abgewägt und die Handlungsalternative mit dem größten Nutzen ausgewählt.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass das Konzept der vollständigen Rationalität Annahmen darüber trifft, wie sich Menschen unter Berücksichtigung aller Eventualitäten die Handlungsmöglichkeit auswählen, die ihren wohldefinierten Präferenzen wieder- spiegeln.16 Damit entspricht das Konzept der vollständigen Rationalität zum Teil dem klassischen Modell des homo oeconomicus.
2.4 Kritik am Homo oeconomicus
Das Modell des Homo oeconomicus steht seit mehreren Jahrzehnten unter massivem Druck seiner Kritiker, die das Modell nicht zuletzt aus der experimentellen Ökonomie sowie der Neuroökonomik heraus hinterfragen. Sie zeigen auf, dass in bestimmten Situationen die Akteure denn Prognosen wiedersprechen. Dabei werden vor allem die vollständige Rationalität und das Eigeninteresse in Zweifel gezogen.17 Anhand der Haupteigenschaften des Homo oeconomicus (Kap. 2.2, A1-A6) sollen auch die gängigsten Kritikpunkte des Modells dargelegt werden.
A1: Der Homo oeconomicus ist auf sein Eigeninteresse fixiert und stellt daher ein egoistisches Menschenbild dar, welches häufig kritisiert wird. In der Bildung eingesetzt kann dieses Modell z.B. die Schülerinnen und Schüler dahingehend beeinflussen, dieses Verhalten zu resignieren, bzw. das eigene egoistische Verhalten so zu legitimieren.18 Außerdem zeigt sich häufig, dass das reine Eigennutzdenken durchaus zu nicht optimalen Ergebnissen führt.19
[...]
1 Vgl. Tietzel (1981), S. 117.
2 Thommen (o.J.).
3 Thommen (o.J.).
4 Bauer (2013), S. 23.
5 Vgl. Kirchgässner (1991), S. 26ff.
6 Ist die Einstellung, dass man die Belange und das Wohlergehen anderer Menschen für wichtig erachtet.
7 Vgl. Kirchgässner (1991), S. 16.
8 Vgl. Manstetten (2002), S. 62ff.
9 Bauer (2013), S. 38.
10 Vgl. Bauer (2013), S. 84.
11 Vgl. Suchanek (1994), S. 93.
12 Vgl. Kirchgässner (1991), S. 36f.
13 Vgl. Gillenkirch (o.J.).
14 Vgl. Kirchgässner (1991), S. 58ff.
15 Rühl (2011), S. 96f.
16 Vgl. Rühl (2011), S. 95f.
17 Vgl. Thaler (1988), S. 195ff.
18 Vgl. Loerwald / Zoerner (2007), S. 3.
19 Vgl. Rost (2008), S. 50ff.