Was macht eine Autobiographie wirklich lesenswert? Tauchen Sie ein in eine fesselnde Gegenüberstellung zweier literarischer Schwergewichte des 18. Jahrhunderts: Johann Wolfgang von Goethe und Johann Heinrich Jung-Stilling. Diese vergleichende Analyse seziert Auszüge aus Goethes "Dichtung und Wahrheit" und Stillings "Heinrich Stillings Jugend", um die fundamental unterschiedlichen Ansätze zur Selbstinszenierung und Lebensdeutung aufzudecken. Während Goethe mit distanzierter Objektivität und tiefschürfenden Reflexionen ein lebendiges Bild seiner Zeit und seiner Beziehungen, insbesondere zu Stilling, entwirft, bleibt Stilling in einer nüchternen, wenig wertenden Schilderung seines Lebens verhaftet. Entdecken Sie, wie Goethe durch den Einsatz des erzählenden Ichs, rhetorische Mittel und philosophische Betrachtungen eine intensive Verbindung zum Leser aufbaut und ein Geschichtsbild von universeller Gültigkeit schafft. Ergründen Sie, warum Stillings Autobiographie trotz gleicher Themen und Erfahrungen hinter Goethes Werk zurückbleibt. Diese Gegenüberstellung ist nicht nur eine literarische Analyse, sondern auch eine tiefgreifende Untersuchung der menschlichen Natur, der Freundschaft und der Art und Weise, wie wir unsere eigene Geschichte konstruieren. Lassen Sie sich von Goethes Fähigkeit, Wahrheit und Dichtung zu vereinen, verzaubern und erkennen Sie, wie er Stilling als Mensch und Persönlichkeit erfasst, während Stilling Goethe kaum erfasst. Erfahren Sie, wie Goethes Werk den Leser zum Nachdenken anregt und Einblicke in die komplexen Beziehungen zwischen Individuum und Gesellschaft, Glaube und Zweifel sowie Naivität und Weltklugheit bietet. Eine faszinierende Lektüre für alle, die sich für deutsche Literatur, Autobiographien und die Kunst der Charakterisierung interessieren. Eine Reise in die Gedankenwelt zweier außergewöhnlicher Männer und eine Reflexion über die Bedeutung von Interpretation und Perspektive in der Darstellung der eigenen Lebensgeschichte. Finden Sie heraus, warum Goethes Autobiographie auch heute noch relevant ist und wie sie sich von Stillings Werk abhebt. Die Analyse bietet neue Perspektiven auf die Werke und die Autoren selbst und beleuchtet die subtilen Unterschiede, die den Unterschied zwischen einer bloßen Lebensbeschreibung und einem literarischen Meisterwerk ausmachen.
Vergleich zwischen Goethe und Stilling (Autobiographien)
Die zur Analyse vorliegende Textpassage ist ein Ausschnitt aus dem 9. Buch des zweiten teils der Autobiographie ,,Dichtung und Wahrheit" von Johann Wolfgang von Goethe. Die dazu im Vergleich vorliegenden Textstellen sind der Autobiographie ,,Heinrich Stillings Jugend, Jünglingsjahre, Wanderschaft und häusliches Leben" von J. H. Jung-Stilling entnommen. Die Passagen beschäftigen sich inhaltlich mit dem gegenseitigen Kennenlernen, der Freundschaft untereinander und verschiedenen Situationen, die sie zusammen erlebt haben. Der Autobiograph J. W. v. Goethe beschreibt Stilling eingehend und charakterisiert ihn. Da er objektiv und mit großer Distanz auf sein Leben blickt und somit seine Wertungen, Beurteilungen und Reflexionen in den Text einfließen lässt, kann sich der Rezipient ein genaues Bild von Stilling und den damit verbundenen Begebenheiten machen (S. 370 Z.14: ,,Seine Stimme war sanft, ohne weich und schwach zu sein, ja sie wurde wohltönend und stark, sobald er in Eifer geriet, welches sehr leicht geschah."). Obwohl er über Stilling in diesen Anfängen ihrer Freundschaft üblicherweise noch nicht in dieser Weise hätte urteilen können, bewirkt Goethe, durch seine Reflexionen und Wertungen, dass der Rezipient den Bezug zum Text findet. Stilling hingegen hat einerseits durch die Verwendung des erlebenden Ichs und durch seinen wenig wertenden Schreibstil kaum Bezug zum Leser und verhindert somit die Identifikation mit den im Text dargestellten Persönlichkeiten. Goethe beweist durch seine Vergleiche (S. 371 Z. 31/32: ,,Weil er aber in seiner Art sich zu äußern einem Nachtwandler glich [...]"), dass er sich eingehend mit Stilling als Person beschäftigt hat. Dass er sich auch mit dem Charakter und den Einstellungen Stillings auseinandergesetzt hat, wird durch die Wiedergabe desselben deutlich (S. 370 Z. 24 bis 35: ,,Das Element seiner Energie [...] von einem Vierteljahre zum anderen rechnen konnte.", S. 371 Z. 36/37: ,,Sein Glaube duldete keinen Zweifel und seine Überzeugung keinen Spott."). Diese Elemente der Charakterisierung fehlen in der Autobiographie Stillings in Bezug auf Goethe ganz. Er deutet kurz seine Assoziazionen, die das Aussehen Goethes bei ihm auslösen, an (S. 274: ,, ...doch glaubte er, dass beide viel Verdruß von ihm haben würden, weil er ihn für einen wilden Kameraden ansah.") und versichert dem Rezipienten, wie groß ihre Freundschaft sei und wie sehr er ihn schätze (S. 277: ,,Schade. Dass so wenige diesen vortrefflichen Mann seinem Herzen nach kennen!").
Goethes Intention ist es, den Bezug zu seinen Rezipienten zu finden und der Nachwelt eine deutliche Anschauung der Personen, Situationen und Gegebenheiten aus seinem Leben zu bieten. Er macht sich Gedanken über Thematik und Motivik und setzt diese mit Hilfe des erzählenden Ichs so um, dass ihm dieses auch gelingt.
Wenn man die Überschriften der beiden Autobiographien miteinander vergleicht, werden schon von vornherein die o.g. Aspekte verdeutlicht und auf einen Punkt gebracht. Stillings Überschrift ,,Heinrich Stillings Jugend, Jünglingsjahre, Wanderschaft und häusliches Leben" spiegelt direkt den Inhalt der Autobiographie wieder: ein ,,nüchterner Text ohne Wertungen, Beurteilungen, Distanzierungen und Reflexionen. Goethes Überschrift hingegen - ,,Dichtung und Wahrheit" - regt den Rezipienten einerseits zum nachdenken an, zeigt aber andererseits auch schon den Stil des Autors. Wahrheit - weil Goethe hier mit umfassenden Blick ein Geschichtsbild seiner Zeit liefert, Dichtung - weil er nicht einfach berichtet, sondern die Ereignisse und Erlebnisse gestaltet und ausdeutet. Goethe sieht nicht nur allein die Momente, die er mit seinem Freund Stilling verbringt (siehe Stilling im Bezug auf Goethe), sondern er deutet sein leben aus. Beispielsweise beschäftigt er sich eingehend mit dessen Naivität und dessen Einstellung zu Gott. Er denkt über diese ,,Art des Lebens" nach, zieht seine Schlüsse, stellt Vergleiche an und philosophiert darüber (S. 370 Z. 24 bis S. 371 Z. 30). Auch diese Gedanken versucht er dem Rezipienten zu vermitteln, z.B. mit Hilfe einer Klimax (S. 372 Z. 15 bis 17: ,, ...die sich darüber nicht gern mit Empfindungen, die sich leicht ins Trübe, und Schwärmerei, die sich bald ins Dunkle hätten führen können..."), eines Vergleiches (S. 371 Z. 31/32: ,,Weil er aber in seiner Art sich zu äußern einem Nachtwandler gleicht") und verschiedenen Ausdrücken wie ,,Natürlichkeit und Naivität". Die differierenden Intentionen und Wirkungen werden gerade in diesen Textpassagen sehr deutlich. Der bei Goethe eindeutig vorhandene und bei Stilling meist fehlende Bezug wird deutlich, besonders durch das Einsetzen verschiedener sprachlicher Mittel, wie z.B. dem erzählenden und erlebenden Ich, den rhetorischen Mitteln und den allgemeinen Ausführungen.
Häufig gestellte Fragen
Worum geht es in dem Vergleich zwischen Goethe und Stilling (Autobiographien)?
Die Analyse vergleicht Textstellen aus Johann Wolfgang von Goethes Autobiographie ,,Dichtung und Wahrheit" und J. H. Jung-Stillings Autobiographie ,,Heinrich Stillings Jugend, Jünglingsjahre, Wanderschaft und häusliches Leben". Im Fokus steht das Kennenlernen, die Freundschaft und gemeinsame Erlebnisse der beiden Autoren. Besonderes Augenmerk liegt auf Goethes Charakterisierung Stillings und den unterschiedlichen Schreibstilen der beiden.
Wie unterscheidet sich Goethes Schreibstil von Stillings?
Goethe schreibt mit großer Distanz und Objektivität, wodurch seine Wertungen, Beurteilungen und Reflexionen in den Text einfließen. Er nutzt Vergleiche und detaillierte Charakterisierungen, um dem Leser ein genaues Bild von Stilling zu vermitteln. Stilling hingegen verwendet das erlebende Ich und einen weniger wertenden Schreibstil, was die Identifikation mit den dargestellten Persönlichkeiten erschwert.
Welche Intention verfolgt Goethe mit seiner Autobiographie?
Goethes Intention ist es, einen Bezug zu seinen Lesern herzustellen und der Nachwelt eine deutliche Anschauung der Personen, Situationen und Gegebenheiten aus seinem Leben zu bieten. Er setzt sich intensiv mit Thematik und Motivik auseinander und gestaltet seine Erzählung dementsprechend.
Wie spiegeln sich die unterschiedlichen Stile in den Titeln der Autobiographien wider?
Stillings Titel ,,Heinrich Stillings Jugend, Jünglingsjahre, Wanderschaft und häusliches Leben" spiegelt direkt den Inhalt der Autobiographie wider: ein sachlicher Text ohne Wertungen. Goethes Titel ,,Dichtung und Wahrheit" regt zum Nachdenken an und deutet den Stil des Autors an: Wahrheit durch ein umfassendes Geschichtsbild, Dichtung durch die Gestaltung und Ausdeutung der Ereignisse.
Welche sprachlichen Mittel verwendet Goethe, um seine Gedanken zu vermitteln?
Goethe verwendet verschiedene sprachliche Mittel wie Klimax, Vergleiche und Ausdrücke wie ,,Natürlichkeit und Naivität", um seine Gedanken und Reflexionen zu vermitteln und den Leser anzusprechen.
Wie unterscheidet sich Goethes Distanz zu seinen Erlebnissen von Stillings Erzählungen?
Goethe wahrt eine große Distanz zum eigenen Erleben, während Stilling direkter erzählt. Goethe scheint eine beispielhafte Darstellung des Menschenlebens seiner Zeit abgeben zu wollen, was er auch erreicht. Stilling scheint vor allem über sich und sein Leben informieren zu wollen.
Inwiefern unterscheiden sich die Darstellung Goethes von Stilling in Bezug auf die Freundschaft der beiden?
Goethe befasst sich eingehend mit Stillings Charakter, Einstellungen und Naivität. Er gibt seine Schlussfolgerungen und philosophischen Überlegungen wieder. Stilling hingegen deutet Goethes Aussehen an und versichert dem Leser die Größe ihrer Freundschaft, ohne jedoch eine tiefergehende Charakterisierung Goethes vorzunehmen.
- Arbeit zitieren
- Anna Neuburger (Autor:in), 2000, Vergleich von Goethes "Dichtung und Wahrheit" mit Stillings "Heinrich Stillings Jugend, Jünglingsjahre, Wanderschaft und häusliches Leben", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/101848