Die Stellung der Arbeitnehmer/innen in der japanischen Arbeitswelt unter besonderer Berücksichtigung neuerer Entwicklungstendenzen


Bachelorarbeit, 2000

32 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Hinführung

2. Traditionelle Strukturen
2.1 Die Identifikation des Arbeitnehmers mit seinem Betrieb
2.2 Die Grundprinzipien des japanischen Managements
2.2.1 Das Prinzip der lebenslangen Beschäftigung
2.2.2 Das Senioritätsprinzip
2.2.3 Die `Duale Struktur' des Beschäftigungssystems
2.3 Strukturen der Arbeitszeit
2.4 Die Rolle der Frau im japanischen Beschäftigungssystem

3. Der Wandel traditioneller Strukturen
3.1 Die Veränderung der japanischen Arbeitsmoral
3.2 Die Grundprinzipien geraten ins Wanken
3.3 Die aktuelle Arbeitszeitdiskussion
3.4 Neue Chancen für weibliche Beschäftigte

4. Schlußbetrachtung und Ausblick

5. Literaturverzeichnis

1. Hinführung

Während sich die japanische Arbeitswelt in der letzten Zeit erheblichen gesellschaftlichen und ökonomischen Veränderungen unterzieht, ist dieses Land für viele immer noch ein ,,Ort der Wunder"(Jaufmann, 1996, S. 58) Vom `Vorbild', vom `Phänomen' Japan ist dabei in vielen Publikationen die Rede. Unberücksichtigt der besonderen japanischen Kultur wird dabei oftmals das Bild der arbeitsversessenen, loyalitätsbewußten japanischen Arbeitnehmer gezeichnet, deren `vorbildliches' Verhalten auch auf andere Gesellschaften übertragen werden könnte. Problematisch ist für mich dabei das Selbstverständnis, mit der die japanische Arbeitsmoral und die Strukturen des japanischen Managements als `vorbildlich' erachtet werden, ohne dabei zu hinterfragen, welche gesellschaftliche Ethik und welche ökonomischen Zwänge dieses Handeln determinieren. Niemand ist von Geburt an so wie er ist. Erst durch die Prägung der Gesellschaft wird er zu dem was er ist. Da die japanische Gesellschaft völlig andere Strukturen aufweist als z.B. die deutsche Gesellschaft, ist auch die Prägung eine andere. Insofern ist ein Vergleich des japanischen Modells mit anderen Kulturen meiner Ansicht nach ein `zweifelhaftes Unterfangen', da bei dieser Betrachtung mit zweierlei Maß gemessen würde. Die japanische Arbeitswelt sähe heute vielleicht ganz anders aus, wenn das traditionelle Umfeld ein anderes wäre. Ein Vergleich des japanischen Systems mit westlichen Strukturen kann nützlich sein, um die Dimension bestimmter Aspekte zu verstehen, nicht aber um das eine oder andere Modell mit dem Attribut besser oder schlechter zu belegen. Interessanter ist es vielmehr, die Ursachen der japanischen Arbeitswelt und der momentanen Neuorientierung zu ergründen.

Ausgehend von diesem Bild soll in der vorliegenden Arbeit untersucht werden, welchen Stellenwert die Arbeitnehmer/innen im japanischen Beschäftigungssystem in der Vergangenheit eingenommen haben und welche Veränderungen sich aus der aktuellen Diskussion über eine Neuorientierung der japanischen Arbeitswelt ergeben. Da die japanische Arbeitswelt ein `weites Feld' ist, kann sich die Betrachtung im Rahmen dieser Arbeit nur auf einzelne Gesichtspunkte beschränken und keine umfassende Analyse aller Aspekte dieses Systems liefern. Die Arbeit gliedert sich in zwei große Bereiche. Der erste umfaßt die traditionelle Struktur der japanischen Arbeitswelt, der zweite die neueren Entwicklungstendenzen. Beide Bereiche weisen eine ähnliche Struktur auf, um eine gute Vergleichbarkeit der einzelnen Aspekte zu ermöglichen. Zunächst soll die Identifikationsbereitschaft betrachtet werden, die der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber entgegenbringt. Besondere Beachtung soll dabei der japanischen Kultur zukommen, auf der die spezifisch japanische Arbeitsmoral basiert. Ferner sollen die Grundstrukturen des japanischen Managements dargelegt werden, da diese den Status des Arbeitnehmers erheblich beeinflussen. Die Ausführungen werden sich dabei vor allem auf die Beschäftigten der Stammbelegschaften in den Großunternehmen beziehen. Da japanische Unternehmen aber verschiedene Kategorien von Arbeitnehmern unterscheiden, soll schließlich eine diesbezügliche Differenzierung getroffen werden, wobei speziell auf die besondere Stellung der Frau im japanischen Beschäftigungssystem einzugehen ist. Im zweiten Teil sollen die Tendenzen des Wandels dargestellt werden, die in den vergangenen Jahren zu einer Neuorientierung der japanischen Arbeitswelt geführt haben. Im Mittelpunkt sollen dabei die Auswirkungen dieses Prozesses auf das Beschäftigungssystem stehen. Werden die Veränderungen so stark sein, daß sich der Status der Arbeitnehmer grundlegend wandelt?

2. Traditionelle Strukturen

2.1 Die Identifikation des Arbeitnehmers mit seinem Betrieb

Der japanische Arbeitnehmer besitzt eine besonders enge Beziehung zu seinem Unternehmen, dem Unternehmen, in dem er beschäftigt ist. Anders als Arbeitnehmer in Europa oder den USA sind es nicht so sehr persönliche Ziele, wie Karriere, Reichtum oder Selbstverwirklichung, die ihn bei seiner täglichen Arbeit vorantreiben. Vielmehr arbeitet er für seine Gruppe, für seinen Betrieb. ,,Mit der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Unternehmen und in diesem Rahmen zu einer bestimmten Arbeitsgruppe, der alle anderen privatpersönlichen Beziehungen ein- und untergeordnet werden, [...] erreicht der japanische Arbeitnehmer seine soziale Position."(Lecher/Welsch, 1983, S. 140) Er betrachtet das Unternehmen, in dem er beschäftigt ist nicht nur als seinen Arbeitsplatz, sondern als seine Firma, weshalb diese von ihm auch ,, Uchi (mein Haus)" genannt wird. Das Unternehmen, in welchem ein Bekannter arbeitet heißt entsprechend ,, Otaku (dein Haus)".(Kobayashi, 1980, S. 25)

Der Zusammenhalt einer Gruppe wird determiniert ,,durch die Homogenität des emotionellen Bewußtseins ihrer Mitglieder."(Kobayashi, 1980, S. 15) Japaner sind bereit, sich ihrer Gruppe unterzuordnen und dieser vollkommene Loyalität entgegenzubringen. Die Gemeinschaft ist wichtiger als die Individualität, die Firma wichtiger als persönliche Interessen. Die traditionelle Struktur japanischer Unternehmen kennt keine Verantwortung des Einzelnen. Eine klare Einteilung der Entscheidungskompetenzen gibt es nicht. Vielmehr trägt die Gruppe als Ganzes die Verantwortung und somit erfolgt ,,die Willensbildung [...] durch einvernehmliche Entscheidung aller vom Problem Betroffenen."(Lecher, Welsch, 1983, S. 139) Für den einzelnen Mitarbeiter liegt in diesem Umstand eine ,,motivierende Kraft, [...] denn das Bewußtsein, nicht isoliert, sondern als Glied einer Gemeinschaft mit anderen Verantwortung zu tragen, [...] vermittelt dem Individuum ein Gefühl der Sicherheit"(Kobayashi, 1980, S. 28) und der Harmonie.

Die Ausrichtung des Japaners auf die Gruppenkonformität beginnt früh. Bereits im Kindesalter entscheidet sich, ob man später einer angesehenen Gruppe angehört oder nicht. ,,Die gesamte Sozialisation von der frühkindlichen Phase bis zum Ende der vorbetrieblichen Ausbildung ist deshalb auf die Eingliederung in ein renomiertes Unternehmen ausgerichtet." (Krell, 1994, S. 218) Die Karriere des Nachwuchses beginnt mit der Wahl des ,,richtigen1 Kindergartens"(Heeg, 1983, S. 45), für den unter Umständen sogar ein Zugangstest von den Kindern gefordert wird. In den Schulen setzt sich der Leistungsdruck fort. Nach Schulschluß werden private `Paukkurse' angeboten, in denen auf die Aufnahmeprüfungen der Hochschulen vorbereitet wird. Im Prinzip dient die gesamte Schulausbildung der ,,Vorbereitung auf die Universitätsaufnahmeprüfung", da der Lebensweg des Japaners dadurch geprägt ist, ,,daß er an einer prestigeträchtigen Universität studieren kann,"(Nenninger, 1994, S. 164) um so den Zugang in eines der renommierten Großunternehmen zu finden. Einige japanische Unternehmen verfügen sogar über eigene Oberschulen, in denen die Schüler ,,systematisch mit dem rechten `Firmengeist' getränkt werden."2 Wer einmal den Sprung in die Stammbelegschaft (vgl. Kapitel 2.2.3) eines der Großunternehmen geschafft hat, der kann auch von diesem ,,äußerste Loyalität" (Krell, 1994,S. 223) erwarten, denn es ist das Anliegen der Firmen die ,,emotionelle Beziehung"(Kobayashi, 1980, S. 25), die der Arbeitnehmer dem Unternehmen entgegenbringt, noch zu verstärken. Dies erreicht man z.B. mit der Garantie der `lebenslangen Beschäftigung' (vgl. Kapitel 2.2.1). Einerseits erhöht die Gewissheit nicht entlassen zu werden die Arbeitsmoral, andererseits entwickeln die Arbeitnehmer ein außerordentliches Loyalitätsbewußtsein gegenüber der Gruppe, da man mit seinen Kollegen schließlich noch ein Leben lang zusammenarbeiten muß. Ein weiteres Mittel dieser Verstärkung ist ein umfangreiches Paket von Sozialleistungen. Viele Arbeitnehmer wohnen z.B. mit ihren Familien in firmeneigenen Wohnungen. Dies führt dazu, daß auch die Ehefrauen der Mitarbeiter in den Identifikationsprozeß mit einbezogen werden. Bekanntschaftsverhältnisse und Freundschaften rekrutieren sich oftmals aus dem Kollegenkreis der eigenen Gruppe. ,,Ein gesellschaftliches Leben außerhalb der konkreten Gruppe"(Kobayashi, 1980, S. 26) findet somit kaum noch statt. Das Verständnis solcher `betrieblichen Sozialleistungen' ist in Japan ein ganz anderes als in westlichen Industrienationen. Diese reichen von finanziellen Zuwendungen bei Hochzeiten, Geburten und Beerdigungen, über Bildungskurse für die Mitarbeiter, bis hin zu betriebseigenen Wohnheimen, Ferienhäusern, Sporthallen und Krankenhäusern.3

Schneidewind (1991, S. 48) merkt allerdings an, daß im Gegensatz dazu die `staatlichen Sozialleistungen', mit Ausnahme der Gesundheitsfürsorge, weit hinter denen der Bundesrepublik Deutschland zurückliegen. Die Renten sind gering, eine staatliche Unfallversicherung, Bafög-Leistungen für Studenten oder staatliche Vergünstigungen beim Kauf von Wohnungseigentum gibt es nicht. Kuren oder Müttergenesungswerke sind unbekannt. Der Staat überläßt die soziale Verantwortung den Unternehmen. So gehen die Arbeitnehmer nicht in öffentliche Schwimmbäder, sondern benutzen jenes der eigenen Firma. Sie verbringen ihren ,,Urlaub in Firmenheimen" und ,,Firmendarlehen"(Schneidewind, 1991, S. 49) ermöglichen den Erwerb von Wohnungseigentum. Als Gegenleistung wird die völlige Hingabe des Arbeitnehmers gegenüber dem Unternehmen erwartet. Griepenkerl schildert in sehr anschaulicher Weise den Idealtypus eines japanischen Stammarbeitnehmers am Beispiel des Herrn Sato:4

,,Er tritt nach dem Schulabschluß als Mitglied der Stammbelegschaft in ein Unternehmen ein. Als Junggeselle wohnt er im Wohnheim der Firma. Er ißt morgens, mittags und abends in der Kantine des Wohnheims oder des Betriebes. Die Wochenenden verbringt er auf den firmeneigenen Sportplätzen mit seinen Kollegen. [...] Seinen Urlaub verbringt er im firmeneigenen Erholungsheim, wobei er den Urlaubsanspruch nie voll ausschöpft, um zu dokumentieren, daß er die Arbeit wichtiger nimmt als das Vergnügen. Eine geeignete Lebenspartnerin sucht er innerhalb des Betriebes. Sein Vorgesetzter fungiert als Ehevermittler. Da die Ehefrau im gleichen Unternehmen arbeitet, wird sie für ,,die vielen Überstunden, Dienstreisen und geopferten Wochenenden Verständnis aufbringen, ganz zu Schweigen davon, daß sie als Ehefrau ihre Berufstätigkeit aufgibt und so dem Unternehmen die Kündigung einer älteren Kraft abnimmt. [...] Nach Feierabend geht Herr Sato nicht sogleich nach Hause, sondern ißt und trinkt gelegentlich mit Vorgesetzten und Kollegen in Restaurants und Bars. Bei dieser Gelegenheit werden viele informelle Daten ausgetauscht. Alle wachsen zu einer Gemeinschaft zusammen, indem sie Erlebnisse, Erfahrungen und Sorgen miteinander teilen [...]. Und wenn Herr Sato gestorben ist, wartet auf ihn vielleicht sogar ein firmeneigener Friedhof."

Das ganze Dasein, das ganze Handeln des japanischen Arbeitnehmers soll nur auf die Firma gerichtet sein. Griepenkerl beschreibt diesen Zustand daher als ,,Symbiose von Individuum und Organisation."5 Ein freiwilliges Verlassen dieser Symbiose kommt einem ,,Verrat an der Gemeinschaft"(Krell, 1994, S. 225) gleich. Ein Arbeitnehmer, der dies tut, wird kaum eine vergleichbare Stellung in einer Stammbelegschaft wiederfinden. Es wird ihm nichts anderes übrig bleiben, als sich auf dem Arbeitsmarkt der Randbelegschaften (vgl. Kapitel ...) umzusehen und in Betrieben mit weniger geschützten Arbeitsverhältnissen zu arbeiten. Die schlechteren Arbeitsbedingungen der kleineren Unternehmen stellen somit auch ein ,,Disziplinierungsinstrument für die Stamm-Beschäftigten der Großunternehmen"(Krell, 1994, S. 225) dar.

Welche Ursachen hat nun aber diese besondere Arbeitsmentalität der Japaner?

Wie kommt es zu dieser durch Harmonie und Loyalität geprägten Gruppenkonformität?

Um dieser Fragestellung nachzugehen, sollen im folgenden einige japanische Eigenheiten betrachtet werden, die als ursächlich6 für eine derartige Mentalität angesehen werden. Zu den Eigenarten des japanischen Staates, im geographischen Sinne, gehört es, daß nur ca. ein Drittel der Grundfläche Japans bewohnt ist. Durchschnittlich leben somit ca. 935 Menschen7 auf jedem Quadratkilometer bewohntem Gebiet. Eine derartig beengte Wohnsituation, die geprägt ist durch die Nähe zu den Nachbarn, erfordert ,,Rücksichtnahme auf andere, Kompromiß, Toleranz, also das Bewußtsein für das Leben in der Gemeinschaft."(Kobayashi, 1980, S. 15) Häufiger als andere Länder ist Japan immer wieder von Naturkatastrophen betroffen.8 Vulkanismus, Erdbeben und Taifune (vgl. Heeg, 1983, S. 48) verlangen der Bevölkerung immer wieder ,,gegenseitige Hilfe" (Kobayashi, 1980, S. 15) zur Überwindung der Katastrophen ab.

Japan kennt im Gegensatz zu anderen Staaten keine politischen Grenzen, da der Staat nur von einer natürlichen Grenze, dem Meer, umgeben ist. Kriege mit Nachbarländern sind nie auf japanischem Boden ausgetragen worden, so daß ,,Japan [...] immer japanisch"(Heeg, 1983, S. 48) blieb. Unter einem ,,sozial-konservativen Feudalsystem", welches ,,das Mittelalter und seine Wertvorstellungen bis weit in die westliche Moderne hinein verlagerte"(Bobke/Lecher, 1990, S. 24), isolierte sich das Land bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts fast völlig von seiner Umwelt. Dies führte dazu, daß sich aufbauend auf einer konfuzianischen Geisteshaltung und ungestört durch Einflüsse von außen eine homogene eigenständige Kultur entwickeln konnte. Die Lehre des Konfuzius, die sich von China aus über ganz Ostasien ausbreitete ist in Japan vor allem durch fünf Tugenden determiniert: Treue, Formgefühl, Tapferkeit, Glaubwürdigkeit und Bescheidenheit (vgl. Nenninger,1994, S. 253). Vor allem die Treue wird dabei immer wieder hervorgehoben. Im Gegensatz zur ursprünglichen chinesischen Auslegung der Treue, daß man seinem eigenen Gewissen treu bleiben sollte, bedeutete diese Tugend in Japan die ,,Hingabe gegenüber dem Herrn9 bis zur Selbstaufgabe. [...] Japaner waren verpflichtet, ihrem Herrscher zu gehorchen, den Eltern zu dienen, die Älteren zu ehren und in Übereinstimmung mit den gesellschaftlichen Mehrheiten zu handeln; taten sie dies, konnten grundsätzlich keine Gewissensprobleme auftreten"(Nenninger, 1994, S. 253). Individualität des Einzelnen hatte in diesem feudalen System, das durch ,,selbstverständliche Unter- und Überordnung"(Bobke & Lecher, 1990, S. 24) und kollektivem Handeln geprägt wurde, keinen Platz. In der sogenannten ,,Meiji-Ära", die im Jahre 1868 das feudale Tokugawa-Regime (vgl. Lecher & Welsch, 1983, S. 7) ablöste, öffnete sich Japan dem Westen und es begann mit der Industrialisierung der wirtschaftliche Aufstieg des Landes.

Auch wenn im modernen kapitalistischen Japan die konfuzianische Ideologie nicht mehr als Staatsideologie propagiert wird, so bestimmt dieses Weltbild doch immer noch den Alltag vieler Japaner. In der konfuzianischen Weltanschauung wird die Gesellschaft ,,durch das Familiensystem getragen."(Lücke, 1988, S.196) Diese Familienfunktion wird auch auf die Gruppenbeziehung im Unternehmen übertragen. Erfolg kann daher nur derjenige Mitarbeiter eines Unternehmens haben, der einer starken Gruppe angehört und sich seiner Verantwortung gegenüber der Gruppe bewußt ist. Lücke (1988, S. 196) beschreibt die konfuzianischen Tugenden mit den Begriffen humanistische Geisteshaltung, Verantwortung f ü r den Mitmenschen, Harmonie und Konsens. Hier wird das Bestreben des Japaners deutlich, zu seinen Mitmenschen eine möglichst ,,vertrauensvolle und harmonische Beziehungsstruktur"(Lecher & Welsch, 1983, S. 141) aufzubauen. Schneidewind (1991, S. 42) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die japanische Gesellschaft im Alltag nicht ständig in permanenter Harmonie lebt. Nichtsdestotrotz herrsche in der Bevölkerung Einigkeit darüber, ,,daß Harmonie eine Essenz des Zusammenlebens der japanischen Menschen sein sollte." Dazu führt Jungblut (1981, S. 62) ein verblüffendes Beispiel an: Masotoshi Shinfuku, Vorstandsmitglied der Bank of Tokyo10, erklärt ,,seinen Aufstieg bis in den Vorstand [...] damit, daß er `überhaupt kein Talent' besitze. Er meint damit, daß er kein Experte ist, sondern nur dazu geeignet, Mitarbeiter zu motivieren und für Harmonie zu sorgen" Die wichtigen Aufgaben und die Führung der Bank erledigen seine Mitarbeiter.

Es zeigt sich, daß die Identifikationsbereitschaft des japanischen Arbeitnehmers auf einem ganz anderen historischen Fundament beruht, als dies in westlichen Gesellschaften der Fall ist. Gewiß sind die konfuzianische Geisteshaltung oder die geographische Situation nicht die einzigen Faktoren, die Einfluß auf die japanische Arbeitsmentalität nehmen. Sicherlich tragen auch die betrieblichen Anreizsysteme der Großunternehmen, die vor allem auf die soziale Rundumversorgung der Japaner abstellen, zu der hohen Identifikationsbereitschaft der Arbeitnehmer bei. Ohne das traditionelle Verständnis für Loyalität, für Harmonie und gruppenkonformes Verhalten, bei gleichzeitigem Verzicht auf Individualität, könnte allerdings dieser Grad der Identifikation, der zu einer, wie Deutschmann (1987, S. 13) es ausdrückt, ,,Rundumnutzung der Arbeitskraft" führt, nicht erreicht werden. An dieser Stelle muß man sich jedoch die Frage stellen, inwieweit die geschickte Verstärkung der prädisponierten gesellschaftlichen Werte durch die Unternehmen eine Ausnutzung der Arbeitnehmer darstellt, die sich oftmals aus der ökonomischen Notwendigkeit nicht gegen die Rundumnutzung zur Wehr setzen können oder wollen.

2.2 Die Grundprinzipien des japanischen Managements

2.2.1 Das Prinzip der lebenslangen Beschäftigung

Das Prinzip der `lebenslangen Beschäftigung' ist eines der ,,Markenzeichen des japanischen Beschäftigungssystems."(Schulten, 1995, S. 77) Es ist dadurch gekennzeichnet, daß ein Arbeitnehmer nach seinem Schul- oder Universitätsabschluß in ein Unternehmen eintritt und dort sein ganzes Leben lang tätig bleibt, ohne den Arbeitgeber zu wechseln. Die Idee der Dauerbeschäftigung ist dabei kein feudales Relikt, sondern entwickelte sich erst als Folge der Industrialisierung.(vgl. Nenninger, 1994, S. 175) Der große Nachfrageüberhang nach qualifiziertem Personal, der mit der beginnenden Industrialisierung einherging, führte dazu, daß qualifizierte Arbeitskräfte häufig den Arbeitsplatz wechselten. Besonders nach dem ersten Weltkrieg war der Mangel an qualifiziertem Personal besonders hoch. So entwickelte das Management etwa zwischen 1908 und 1918 Strategien, um das Personal längerfristig an die Unternehmen zu binden. Zusammen mit anderen sozialen Anreizsystemen enstand dabei die Konzeption der lebenslangen Beschäftigungsgarantie.

Die dauerhafte Bindung an ein Unternehmen ermöglicht dem Arbeitnehmer eine langfristige Lebensplanung, ohne der Gefahr ausgesetzt zu sein, plötzlich entlassen zu werden. Das Bewußtsein, bis zur Pensionierung mit seinen Kollegen auskommen zu müssen, macht ihn zudem ,,anpassungsbereit, [...] fördert die Toleranz und [...] die Selbstbeherrschung in den zwischenmenschlichen Beziehungen innerhalb eines Betriebes."(Nenninger, 1994, S. 179) Diese Anstellung auf Lebenszeit führt aber auch dazu, daß japanische Arbeitnehmer relativ immobil sind. Zwar impliziert der Kündigungsschutz seitens des Unternehmens keine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Betriebstreue (vgl. Fürstenberg, 1981, S. 17), gleichwohl ist, wie in Kapitel 1.1 bereits angesprochen, ein Arbeisplatzwechsel nur möglich, wenn man ,,erhebliche Verluste an Ansehen und finanzielle Einbußen in Kauf nimmt. [...] Der Markt für die Großunternehmen mit guten Arbeitsbedingungen ist nur einmal im Leben (nach Ausbildungsschluß) offen."(Nenninger, 1994, S. 177) Für die Arbeitsbeziehungen innerhalb der Gruppe ist diese Praxis hingegen von Vorteil, da durch den Umstand, daß kein, oder nur ein geringer Personalwechsel [...] stattfindet"(Kobayashi, 1980, S. 43), die Harmonie in der Gruppe nicht gestört wird. Die Anstellung auf Lebenszeit bringt jedoch für die Unternehmen auch Nachteile mit sich. Viele Betriebe haben große Schwierigkeiten, ihren Personalbedarf der jeweiligen betriebswirtschaftlichen oder konjukturellen Lage anzupassen. Arbeitnehmer, die z.B. nicht mehr die geforderte Leistung erbringen, können nicht entlassen werden. Dies hat zur Folge, daß es in japanischen Unternehmen oftmals viele überflüssige Arbeitsplätze (Pförtner, Gästebetreuer etc.) gibt, auf die diese Arbeitnehmer `abgeschoben' werden. (vgl. Nenninger, 1994, S. 180)

2.2.2 Das Senioritätsprinzip

Einhergehend mit der lebenslangen Beschäftigung entwickelte sich das `Senioritätsprinzip'. Ausgangspunkt dieses Prinzips ist die Annahme, daß die Stellung des Arbeitnehmers im Unternehmen nicht von seiner individuellen Leistung, sondern von der Dauer seiner Betriebszugehörigkeit abhängt. Offensichtlich wird dieser Ansatz in der Gehaltspolitik der Unternehmen.(vgl. Fürstenberg,1981, S. 21) Für die qualifizierten Arbeitskräfte sollte auf diese Weise ein Anreiz geschaffen werden, sich langfristig an ein Unternehmen zu binden. Die relativ geringen Einstiegsgehälter werden dabei durch die Gewißheit einer stetigen Gehaltserhöhung kompensiert. ,,Eine solche Ausgestaltung der Entlohnung ist sehr gut kompatibel mit dem japanischen Lebenszyklus [...]."(Nenninger, 1994, S. 189) Durch die hohen Ausbildungskosten der Kinder und die unzureichende Altersversorgung, steigt der finanzielle Bedarf eines Japaners im Laufe seines Erwerbslebens kontinuierlich an. Zwei Mitarbeiter, die im selben Unternehmen die gleiche Arbeit verrichten, können somit je nach Dienstalter höchst unterschiedlich bezahlt werden.

Äquivalent zur Entlohnung ist auch die Beförderung nach Seniorität von der Länge der Betriebszugehörigkeit abhängig. In regelmäßigen Abständen steigt der Arbeitnehmer, unabhäbgig von seinen individuellen Leistungen und Qualitäten, die Hierarchieleiter nach oben.(vgl. Fürstenberg,1981, S. 21) Hier wird der Zusammenhang zur lebenslangen Beschäftigung deutlich. Durch die dauerhafte Bindung an ein Unternehmen kommt der japanische Arbeitnehmer in den Genuß regelmäßiger Beförderungen. Ein Aufstieg durch zwischenbetriebliche Mobilität ist hingegen kaum möglich. Bedingt durch diese Vorgehensweise sind ,,der Förderung von besonders befähigten Nachwuchskräften [...] enge Grenzen gezogen." (Nenninger, 1994, S. 184) So wird es kaum vorkommen, daß ein Mitarbeiter bereits mit 30 oder 35 Jahren eine leitende Position erhält. Offenkundig wird dies ebenfalls in den Hierarchieebenen der Unternehmen. Japanische Betriebe weisen ein Rangsystem auf, welches nicht nach Funktionen, sondern nach der Altersstruktur geliedert ist. Nach Kobayashi (1980, S. 35) gibt es demnach in japanischen Betrieben die Ränge Sempai (Senior), Kôhai (Junior) und Dôro (Kollege, Gleichrangiger). Da die Arbeitsgruppen oft aus den neu eingestellten Mitarbeitern eines Jahrgangs gebildet werden, gehören die Gruppenmitglieder oftmals der gleichen Rangstufe an. Japaner sind der Auffassung, daß ,,Menschen mit gleicher Lebenserfahrung" und ,,gleichem Ausbildungshintergrund" in der Lage sind ,,ein besonderes Gruppenbewußtsein zu entwickeln."(Fürstenberg, 1981, S. 22) Andererseits sieht Fürstenberg (1981, S. 22) hierin den Grund, daß viele japanische Manager Schwierigkeiten haben, mit gleichrangigen jüngeren Kollegen zu kooperieren. Westliche Unternehmen mit einem jüngeren Management hätten z.B. große Probleme ältere japanische Führungskräfte einzustellen. Junge Mitarbeiter stehen dem Senioritätsprinzip zunächst oft kritisch gegenüber, da sie noch keine Nutznießer dieses Systems sind. Sie versuchen aber nicht, etwas an diesem System zu ändern, weil ihnen bewußt ist, daß sie mit zunehmendem Alter von der Seniorität profitieren werden.

2.2.3 Die `Duale Struktur' des Beschäftigungssystems

Wie bereits dargelegt, führt die lebenslange Beschäftigung der Mitarbeiter zu konjunkturellen Anpassungsschwierigkeiten der Personalkapazitäten. Um nun aber flexibel auf wirtschaftliche Entwicklungen reagieren zu können, unterscheiden japanische Großunternehmen zwei Arten von Beschäftigten: den Stammbelegschaften und den Randbelegschaften.11 Im Gegensatz zu den Stammbeschäftigten kommen die Beschäftigten der Randbelegschaften nicht in den Genuß der lebenslangen Rundumbetreuung durch die Unternehmen. Vielmehr dienen sie den Betrieben als ,,Konjunkturpuffer"(Kobayashi, 1980, S. 48) und können nach dem ,,hire and fire Prinzip"(Heeg, 1983, S. 28) jederzeit eingestellt und wieder entlassen werden. Die Unternehmen haben somit die Möglichkeit, in Krisenzeiten die Beschäftigungszahlen zu reduzieren, ohne dabei die Privilegien der Stammitarbeiter tangieren zu müssen. Zu den Randbelegschaften zählen Teilzeitbeschäftigte, Leiharbeiter sowie Saisonarbeiter. Auch die meisten weiblichen Beschäftigten werden dieser Gruppe zugerechnet, da sie oftmals bei ihrer Heirat wieder aus der Firma ausscheiden (vgl. Jungblut, 1981, S. 80) und somit in keinem Dauerbeschäftigungsverhältnis im Sinne der Seniorität stehen. Die Betrachtung der dualen Wirtschaftsstruktur darf sich aber nicht allein auf die Großunternehmen beschränken. Die japanische Dualstuktur wird auch durch die Differenzierung in ,,wenige kapitalintensive Großunternehmen" einerseits und ,,viele arbeitsintensive Klein- und Kleinstunternehmen"(Lecher, 1982, S. 20) andererseits dokumentiert. Letztere sind oftmals Zuliefererbetriebe der großen Konzerne und somit völlig von deren Auftragsvergabe abhängig. Die dort Beschäftigten erhalten i.d.R. einen niedrigeren Lohn, als in den Großunternehmen und besitzen keine lebenslange Beschäftigungsgarantie. Wer hier arbeitet hat kaum eine Chance, eine Anstellung in der Stammbelegschaft eines Großunternehmens zu bekommen, denn ,,das Prinzip der Seniorität schließt jeden aus, der nicht gleich zu Beginn seines Arbeitslebens in die Firmenfamilie aufgenommen wurde."(Jungblut, 1981, S. 90) Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß in Japan ein Kausalzusammenhang zwischen der Größe des Unternehmens und der Art der Beschäftigung zu erkennen ist.

Tabelle 1: Teilzeitbeschäftigungsquote nach Unternehmensgröße in Japan (in %)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Monthly Labour Survey, National Survey (December 1993). zit. nach: Schulten, 1996, S. 66

Tabelle 1 veranschaulicht am Beispiel der Teilzeitbeschäftigten, daß mit abnehmender Betriebsgröße der Anteil der Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse zunimmt. Die Arbeitnehmer mit Teilzeitverträgen unterliegen im Regelfall deutlich ,,schlechteren sozialen Konditionen" (Schulten, 1996, S. 66) als die Stammarbeitnehmer. So sind z.B. nur ein Drittel aller Teilzeitbeschäftigten in Japan renten-, kranken- und arbeitslosenversichert. Es wird deutlich, daß zu der scharfen Differenzierung der Arbeitsverhältnisse in den Großunternehmen eine Differenzierung nach der Unternehmensgröße hinzukommt und ferner die priviligierte Stellung der Stammbelegschaften in den japanischen Großunternehmen auf einer Benachteiligung der Randbelegschaften basiert. Die Seniorität und die lebenslange Beschäftigung werden auf Kosten der weniger priviligierten Arbeitnehmer aufrechterhalten. Die duale Wirtschaftsstruktur Japans wird von Außenstehenden daher oft als ,,System der sozialen Ungerechtigkeit" (Kobayashi, 1980, S. 49) gesehen, da sie zu einem zwei Klassensystem der Beschäftigungsverhältnisse führt. In Japan selbst wird dies etwas anders gesehen. Die Tatsache, daß Arbeitnehmer mit guter Bildung auf Kosten der Arbeitnehmer mit schlechter Bildung priviligiert werden, wird vor allem von den männlichen Arbeitnehmern als gerecht empfunden. Die bisher dargestellte Praxis muß vor dem Hintergrund dieser dualen Strukturen Japans erheblich relativiert werden, da die soziale Rundumversorgung längst nicht auf alle Beschäftigten zutrifft.

2.3 Strukturen der Arbeitszeit

Nach Angaben von Krell (1994, S. 232) sind Wochenarbeitszeiten von 56 Stunden - einschließlich der unbezahlten Überstunden - in japanischen Unternehmen keine Seltenheit. Hinzu kommen noch 2-4 Stunden in der Woche für informelle Gespräche sowie 4-6 Stunden im Monat für Betriebsfeste, die häufig am Wochenende stattfinden. (vgl. Krell, 1994, S. 232) Das gewerkschaftliche Forschungsinstitut Denkiroren befragte Ehefrauen von Angestellten des Kreditgewerbes nach deren durchschnittlichen Heimkehrzeiten. Dabei stellte sich heraus, daß 56 Prozent der Ehemänner zwischen 21 und 22 Uhr und sogar 40 Prozent erst gegen 24 Uhr nach Hause kommen.(vgl. Deutschmann, 1987, S. 115) Auf das Jahr gesehen kommt ein japanischer Arbeitnehmer dabei auf 2400 Arbeitsstunden. Im Vergleich dazu arbeitet ein deutscher Arbeitnehmer im Durchschnitt nur 1800 Stunden.(vgl. Sonnenborn & Esser, 1991, S. 112) Die langen Arbeitszeiten kommen ferner dadurch zustande, daß Japaner über weniger Jahresurlaub verfügen,als z.B. ihre deutschen Kollegen. Noch in den achtziger Jahren betrug der gesetzliche Mindesturlaub nur 6 Tage im Jahr. Zwar haben die Beschäftigten in den Großunternehmen i.d.R. 20 Tage Urlaub im Jahr, aber der Nutzungsgrad liegt nur bei ca. 50 Prozent. 10 Tage lassen die Mitarbeiter einfach verstreichen. Die Unternehmen zahlen nichts für diese ungenutzten Tage, was für sie einen enormen Kostenvorteil bedeutet. Was veranlaßt die Mitarbeiter aber zu dieser Praxis? Prof. Masami Nomura12 hat dafür eine einfache Erklärung: ,,Wenn ein Mitarbeiter seine Urlaubstage voll ausnutzt, dann leidet das Team. Also besprechen die Teammitglieder untereinander, die Urlaubstage nicht voll zu benutzen."

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Wirtschaftswoche 34 (1990) S. 52

2.4 Die Rolle der Frau im japanischen Beschäftigungssystem

Für Japanerinnen gestaltet sich im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen der Zugang in die priveligierten Stammbelegschaften äußerst schwierig. Einige Großunternehmen weigern sich sogar generell, Frauen einzustellen. Wie Tabelle 2 belegt, arbeiten nur 4% der erwerbstätigen Japanerinnen in Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten. In kleinen Betrieben, mit 5-9 Beschäftigten, ist das Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Angestellten hingegen fast ausgeglichen. Weber (1990, S. 106) weist dabei auf ein ,,spezifisch japanisches Paradoxon" der geschlechtsspezifischen Personalpolitik hin. Während bei uns die Chance einen adäquaten Arbeitsplatz zu finden, mit zunehmender Qualifizierung des Bewerbers ansteigt, ist eine gute Ausbildung für japanische Mädchen oftmals ein Hindernis. Je höher die Ausbildung einer Japanerin, desto schwieriger wird es für sie, eine geeignete Stellung zu finden. Lichtenberger (1990, S. 53) beschreibt in diesem Zusammenhang die Ergebnisse einer Untersuchung über weibliche Fach- und Führungskräfte im japanischen Management am Institut für Personalwesen und Arbeitswissenschaft in Hamburg. Danach luden von 1700 börsennotierten japanischen Unternehmen nur 450 überhaupt Hochschulabsolventinnen zu Einstellungsgesprächen ein; über 70% nahmen nicht einmal die schriftlichen Bewerbungsunterlagen entgegen.

Tabelle 2: Beschäftigung von Frauen nach Betriebsgröße in Japan (in %)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Monthly Labour Survey, National Survey (December 1993). zit. nach: Schulten, 1996, S. 72

Trotz ihrer hohen Qualifikation werden diejenigen Absolventinnen, die den Sprung in eines der Großunternehmen geschafft haben, vielfach ,,für Tätigkeiten, wie Tee servieren, Telephondienst, Empfang und Sekretariat eingesetzt."(Krell, 1994, S. 244) Für Frauen gibt es keinen innerbetrieblichen Aufstieg. Für sie gibt es nur den Weg nach draußen, da sie bei ihrer Heirat i.d.R. aus dem Unternehmen ausscheiden müssen.(vgl. Jungblut, 1981, S. 80) Dies führt dazu, daß Japanerinnen im Durchschnitt nur zwei bis sechs Jahre in einem Betrieb tätig sind.(vgl. Kobayashi, 1980, S. 48) Bei Sony beträgt z.B. die durchschnittliche Beschäftigungszeit der weiblichen Angestellten nicht länger als zwei Jahre. (vgl. Jungblut, 1981, S. 80) Die innerbetrieblichen Fortbildungsveranstaltungen der Großunternehmen lassen ebenfalls erkennen, welchen Stellenwert die weiblichen Beschäftigten in der japanischen Arbeitswelt besitzen. ,,Während die jungen Männer durch ein Training on-the-job fortgebildet werden, bringt man den jungen Frauen eine gepflegte Sprache und charmante Umgangsformen bei - verbunden mit dem Hinweis, dies mache sie für ihre späteren Gatten attraktiver und zu besseren Vorbildern für ihre Kinder."(Krell, 1994, S. 242)

Der Status der Frau im japanischen Beschäftigungssystem wird nicht allein durch eine konsequente Diskriminierung, sondern auch durch eine klassische Rollenverteilung, bei der die Frau primär für den Haushalt und die Erziehung der Kinder zuständig ist, bestimmt. Die ,,männliche Erwerbsbiographie"(Schulten, 1996, S. 72) ist hingegen vollkommen auf den Idealtypus des japanischen Stammarbeitnehmers fixiert. Die Rundumnutzung des männlichen Arbeitnehmers wäre nicht möglich, wenn die Frau ihm zu Hause nicht `den Rücken frei halten' würde. Frauen bilden somit ,,die Grundlage für die lebenslange Anstellung der Männer."(Kobayashi, 1980, S. 48) Natürlich können auch in anderen Industriestaaten Benachteiligungen von weiblichen Beschäftigten beobachtet werden, jedoch sind die unterschiedlichen Berufschancen zwischen Männern und Frauen in Japan besonders stark ausgeprägt.

3. Der Wandel traditioneller Strukturen

3.1 Die Veränderung der japanischen Arbeitsmoral

Bisher haben wir die Japaner als strebsame, gruppenkonforme Arbeitnehmer kennengelernt, die ihrer Gruppe, ihrem Unternehmen vollkommene Loyalität entgegenbringen und als Gegenleistung von diesem sozial abgesichert werden. Dieser auf den ersten Blick so beschauliche Eindruck ist meiner Ansicht nach jedoch trügerisch. Um in den Genuß der sozialen Rundumversorgung zu gelangen, müssen die Japaner einen sehr hohen Preis bezahlen: die Aufgabe ihrer Individualität. Zynisch ausgedrückt könnte man sagen, die japanischen Arbeitnehmer werden durch dieses System Zwängen ausgesetzt, die man im weitesten Sinne als `Erpressung' bezeichnen könnte. Bisher haben viele Japaner, schon aus der ökonomischen Notwendigkeit heraus, dieses stillschweigende Übereinkommen akzeptiert. In letzter Zeit nimmt jedoch die Zahl derjenigen, die Kritik an diesem System äußern, zu. Viele Japaner beklagen sich über die vorhandenen Arbeitsbedingungen. Vor allem die niedrigen Einkommen und die langen Arbeitszeiten werden dabei reklamiert. Neben den Forderungen nach humaneren Arbeitsbedingungen und mehr Individualität wird dabei auch eine stärkere Betonung des Familien- und Freizeitaspektes angestrebt.

Vor allem die junge Generation japanischer Arbeitnehmer fühlt sich ,,nicht mehr zu absoluter Loyalität verpflichtet."(Koyama, 1991. S. 275) Japans Jugend setzte sich in der Vergangenheit einem immensen Lerndrill aus, um einen der begehrten Stammarbeitsplätze zu erhalten. 94% der Japaner eines Jahrgangs besuchen die Oberschule, 34% entscheiden sich für ein Hochschulstudium. Doch plötzlich beginnt ,,eine Gesellschaft, die jahrzehntelang in kollektiv geschlossener Verbissenheit alles daransetzte, sich zur gebildetsten der Welt aufzuschwingen, [...] an den Rändern auszufransen." (Küster, 1987, S. 174) Dem Bewußtsein zum Trotz, nur durch eine konsequente Ausbildung einen sicheren, gut bezahlten Arbeitsplatz zu erhalten, scheint es in Japan eine Bereitwilligkeit junger Menschen zu geben, ,,um der persönlichen Freiheit willen unsichere, schlechtbezahlte" Gelegenheitsarbeiten ,,höher zu schätzen als lebenslanges Eingebundensein in die Sicherheit einer Firma."(Küster, 1987, S. 176) Von diesem Trend profitiert vor allem der Dienstleistungssektor. So besitzen von den 7000 Mitarbeitern des Freizeitunternehmes Disneyland bei Tokyo ca. 5000 keine feste Anstellung. Darunter befinden sich auch viele Akademiker. (vgl. Küster, 1987, S. 176) Viele der Berufsanfänger gehen zudem bei ihrer Arbeitsplatzsuche sehr viel kalkulierender vor, als dies früher der Fall war. Vor- und Nachteile des künftigen Arbeitsplatzes werden genau abgewogen. Nach Angaben des Automobilherstellers BMW findet deren Unternehmenskultur bei Hochschulabsolventen gerade wegen der Betonung von Individualität großen Zuspruch.(vgl. Sonnenborn & Esser, 1991, S. 115)

Der Wertewandel bei Japans Jugend führt zu einer Arbeitshaltung, bei der anstelle des Wohlergehens des Gesamtunternehmens der Wunsch nach Selbstverwirklichung tritt.13 Diese Entwicklung wird in Japan ,,`Shin-Jinrui' (neue Menschheit)"(Koyama, 1991. S. 275) genannt. Bei einer Umfrage gaben mehr als zweidrittel der japanischen Jugendlichen an, daß ihnen ihr persönliches Leben mehr bedeute, als das Unternehmen, dem sie einmal angehören werden oder in dem sie bereits arbeiten.(vgl. Küster, 1987, S. 177f) Die junge Generation tendiert mehr und mehr zu persönlicher Unabhängigkeit. Sie stellen alles in Frage, was für die Älteren Japan ausmacht: ,,Disziplin, Arbeit, Bescheidenheit, Unterordnung. Die Traditionelle Karriereplanung rückt zunehmend in den Hintergrund.(vgl. Marten-Grubinger/ Stengel, 1995, S. 72)

Ursächlich für eine solche Einstellung könnte nach KÜSTER (1987, S. 180) sein, daß die jungen Leute oftmals selber unter den ,,Schattenseiten" des traditionellen japanischen Managements gelitten haben. Die Harmonie der Arbeitsgruppe war und ist die Maxime der japanischen Unternehmensphilosophie. Die sozialen Bindungen innerhalb der Familie blieben dabei jedoch `auf der Strecke'. Großfamilien, mit mehreren Generationen in einem Haus gibt es nicht mehr. Die Scheidungsrate ist seit den achtziger Jahren erheblich angestiegen. Vor allem aber erkennen die Jugendlichen, daß auch ihre lebenslang beschäftigten Väter nicht mehr vor rezessionsbedingten Entlassungen gefeit sind. ,,Da viele junge Japaner den Schwindel mit der lebenslangen Anstellung durchschaut haben, [...] macht es ihnen richtig Spaß, dagegen zu opponieren." (Küster, 1987, S. 183) Einhergehend mit der schwindenden Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber steigt in Japan die zwischenbetriebliche Mobilität der Arbeitnehmer. Vor allem junge Arbeitnehmer wechseln häufiger ihren Arbeitsplatz. Dieses Vorgehen stellt den Versuch dar, die eigenen Arbeitsbedingungen durch einen Wechsel des Arbeitsplatzes zu verbessern.14 Sie wollen sich ,,nicht mehr mit der beiderseitigen Erfüllung der Austauschbeziehungen in ferner Zukunft zufrieden geben", sondern erwarten ,,ein entsprechendes Gehalt und Arbeitszufriedenheit in der Gegenwart."(Koyama, 1991, S.275) Mit unseren Maßstäben gemessen sind die Forderungen der `neuen Menschheit' bescheiden, aber in Japan mit seinen tief verwurzelten Traditionen, ,,kommt dieser Wandel im Lebensgefühl der Jugend einem zerstörerischen Erdbeben gleich." (Küster, 1987, S. 180)

In einer Studie über die Berufsorientierung und Identifikationsbereitschaft in Japan stellen Marten-Grubinger & Stengel (1995, S. 81) fest, daß lediglich 17 Prozent der von ihnen befragten Japaner einen karriereorientierten Berufsweg präferieren. Die Anzahl derjenigen, die sich hingegen für einen freizeitorientierten Lebensweg entscheiden, liegt mit 24 Prozent allerdings nur unwesentlich höher. Die Mehrzahl der Japaner (58 Prozent) präferieren ein alternatives Engagement. Die Tatsache, daß sich knapp ein Viertel der Befragten für eine Freizeitorientierung entschieden haben, ist nach Marten-Grubinger & Stengel nicht zu vernachlässigen, spräche allerdings auch nicht für eine in naher Zukunft ,,kommende japanische Freizeitgesellschaft." Eine freizeitorientierte Haltung ist vor allem bei Japans Jugend zu beobachten. Mit zu-nehmendem Alter nimmt diese Einstellung ab. Daher kann allenfalls von einem ,,`langen Weg' in die Freizeitgesellschaft"(Groth, Kammel & Tsumura, 1994, S. 329) gesprochen werden.

Der Wertewandel und das daraus resultierende geringere Loyalitätsbewußtsein der jungen Generation hat die Unternehmen veranlaßt, auf diese Entwicklung zu reagieren. Um der schwindenden Arbeitsmotivation der Mitarbeiter zu begegnen, setzt vielfach ein Umdenken zu humaneren Arbeitsbedingungen ein. Die Unternehmen müssen Mittel und Wege finden, um ihre Arbeitsplätze für die Beschäftigten attraktiver werden zu lassen. So überdenken viele Betriebe die traditionellen Prinzipien ihrer Personalpolitik, wie z.B. die lebenslange Beschäftigungsgarantie oder das Senioritätsprinzip.15 (vgl. Kapitel 3.2) Fairerweise muß man dem allerdings hinzufügen, daß es den Unternehmen in Zeiten der Rezession unter kostenrechnerischen Gesichtspunkten nicht gerade schwer fällt, ihre traditionellen Systeme zu überdenken.

Sicherlich kann nicht von einem generellen Wandel der japanischen Arbeitsmoral gesprochen werden. Gerade ältere Arbeitnehmer sind noch stark von ihrem loyalitätsbewußtem Denken geprägt. Andererseits muß das allgemeine Bild des arbeitsversessenen Japaners revidiert werden. Es gibt eine Reihe gerade jüngerer Arbeitnehmer, die sich weniger als ihre Väter an das Unternehmen gebunden fühlen und nicht mehr bereit sind ihre Individualität dem Unternehmensgeist zu opfern.

3.2 Die Grundprinzipien geraten ins Wanken

Neben dem sich verändernden Loyalitätsverständnis der japanischen Arbeitnehmer, sind auch die traditionellen Strukturen des japanischen Managements im Wandel begriffen. Dieser reicht von der zunehmenden Flexibilisierung bis hin zur Aufgabe traditioneller Prinzipien. Hervorgerufen werden diese Veränderungen durch den Wertewandel in der japanischen Gesellschaft, aber vor allem durch öknomische Zwänge, denen die Unternehmen rezessionsbedingt unterliegen.(vgl. Groth/ Kammel/ Tsumura, 1994, S. 329) Die Umstrukturierungsmaßnahmen der Unternehmen spiegeln die Anpassung an einen sich im Umbruch befindenden Arbeitsmarkt sowie die Bemühungen, ihre Strukturen in Zeiten der Rezession neu zu organisieren, wider.(vgl. iwd, 18/1993, S. 6) Diese Maßnahmen betreffen im wesentlichen den Abbau der lebenslangen Arbeitsplatzgarantie und die stärkere Präferierung des individuellen Leistungsprinzips. Was in den siebziger und achtziger Jahren noch als Erfolgsmodell japanischer Unternehmensführung galt, ist den Japanern jetzt zu teuer geworden.(vgl. Der Spiegel, 16/1996, S. 118)

Steigende Personalkosten, ein geringerer Bedarf an Arbeitskräften aufgrund von weltweiten Rezessionserscheinungen und die Verlagerung von Produktionsstätten ins Ausland haben dazu geführt, daß viele Unternehmen die Notwendigkeit des Systems der lebenslangen Arbeitsplatzgarantie in Frage stellen.(vgl. Groth, Kammel & Tsumura, 1994, S. 331) Schon zu Beginn der achtziger Jahre postulierte Lecher(1982, S. 28) eine Auflockerung dieses Prinzips, um ,,im internationalen Maßstab" konkurrenzfähig zu bleiben. Die Unflexibilität dieses Systems hat einen ,,Arbeitsmarkt geschaffen, auf dem die Wartelisten für Spitzenpositionen schier endlos werden."(Stalk, 1992, S. 20) Die konsequente Einstellung von Stammarbeitnehmern mit Dauerbeschäftigungsgarantie in den vergangenen Jahrzehnten hat in der Rezession zu ,,personellen Überdeckungen"(Groth, Kammel & Tsumura, 1994, S. 331) geführt. Die Unternehmen versuchen nun diese Überdeckung durch die reduzierte Einstellung von Jugendlichen und durch Entlassungen von Stammarbeitnehmern von zwei Seiten zu beschneiden.(vgl. Die Quelle, 6/1988, S. 339) Eine vollständige Aufgabe des Beschäftigungsverhältnisses auf Lebenenszeit konnte bislang vermieden werden. 1994 sprachen sich noch 54 Prozent (vgl. Bundesarbeitsblatt, 12/1994, S.25) der japanischen

Unternehmen für eine Beibehaltung dieses Prinzips aus. Groth, Kammel & Tsumura (1994, S. 331) sind jedoch der Ansicht, daß es zu einem ,,Dominoeffekt" kommen könne, ,,insofern, daß ein Großunternehmen bei der Abschaffung der `Lebensarbeitszeit' das Startsignal [...] gibt" und die anderen ihm folgen.

Tabelle 3: Bewertung von Beförderungs-Kriterien in der japanischen Bevökerung ab 20 Jahre (in %)

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Quelle: Philipp-Franz von Siebold Stiftung, Deutsches Institut für Japanstudien. Tokio. Repräsentativ Umfrage bei 2.241 Teilnehmern 1991 zit. nach: Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft. 5 (1993) S.2

Ebenfalls stark in der Diskussion steht das Prinzip der Seniorität. Aufgrund des raschen technischen Wandels, verringert sich mit zunehmendem Alter der Wert der Arbeitskraft für das Unternehmen. Gerade mit zunehmendem Alter gelangen die Mitarbeiter aber auch in Positionen, in denen wichtige Entscheidungen getroffen werden. Junge Mitarbeiter, die über ein entsprechendes Know How verfügen, haben demgegenüber wenig Möglichkeiten, dieses in ihre Arbeit einzubringen. Da die Betriebe aber daran interessiert sind, die Anpassungsfähigkeit der Belegschaft an den technologischen Wandel zu erhöhen, befürworten sie einen Abbau des Senioritätssystems zugunsten des Leistungsprinzips.(vgl. Lecher, 1982, S. 28) Eine Umfrage der Tageszeitung Nihon Keizei im Jahre 1988, an der sich 84 japanische Manager beteiligten, ergab, daß 90 Prozent von ihnen das Senioritätsprinzip als eher hinderlich für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung erachten.(vgl. Koyama, 1991. S. 275) Die Unternehmen Sony, Fujisawa Pharmaceutical und Honda haben 1992 für Führungskräfte ein Beförderungs- und Entlohnungssystem eingeführt, daß ausschließlich an der individuellen Leistung des Mitarbeiters ausgerichtet ist. Diejenigen Arbeitnehmer, die nicht die geforderte Leistung erbringen, können dabei auch im Rang zurückgestuft werden.(vgl. Groth, Kammel & Tsumura, 1994, S. 331) Die Zeiten, in denen japanische Firmen ihr Personal automatisch nach dem Lebensalter befördern, sind vorbei. Das Kriterium Leistung gewinnt für die Karriere des Mitarbeiters zunehmend an Bedeutung. Die Aufstiegschancen eines Arbeitnehmers stehen in einem engen Zusammenhang mit seinem persönlichen Ehrgeiz.

Der Manager Nobuyuki Idei, der 1995 in die Spitze des Sony-Konzerns aufrückte, ,übersprang z.B. 14 Manager in der Hierarchie.16 Die Forcierung des Leistungsprinzips geht zudem konform mit den Votum der japanischen Bevölkerung für die persönliche Arbeitsleistung als maßgeblichem Beförderungs-kriterium. Für das Dienstalter als Beförderungskriterium votieren nach einer Studie des Deutschen Instituts für Japanstudien (vgl. Tabelle 3) nur 15 Prozent der japanischen Bevölkerung. Demgegenüber äußern 67 Prozent der Befragten, daß die individuelle Arbeitsleistung ein starkes Kriterium für die Beförderung darstellt. Mit der Aufgabe traditioneller Prinzipien verschärfen sich auch die Arbeitsbeziehungen innerhalb der Betriebe. Eine neue Generation von Managern - wie Nobuyuki Idei - erwartet von den Mitarbeitern eigenständige Entscheidungen. ,,Die Zeiten der kollektiven Konsenssuche sind vorbei."(Der Spiegel, 16/1996, S. 117) Tadashi Sekizawa, Vorstandsmitglied bei Fujitsu hält die Umstellung auf das Leistungsprinzip für unumkehrbar. Das traditionelle Managementsystem habe sich einfach zu ,,stark vom internationalen Durchschnitt entfernt."(Der Spiegel, 16/1996, S. 117) In der Vergangenheit war das japanische Management voll und ganz auf die Geisteshaltung der japanischen Bevölkerung zugeschnitten. Mit der zunehmenden Globalisierung und der daraus resultierenden Ausrichtung auf internationale Märkte wurden aber die Grenzen dieser traditionellen Strukturen sichtbar.(vgl. Koyama, 1991, S. 275) Nobuyuki Idei ist der Auffassung, daß Sony keine Zukunft habe, wenn sich nicht alle Angestellten ändern. Das Unternehmen könne auf dem Weltmarkt nur mit einem modernen Management überleben.(vgl. Der Spiegel, 16/1996, S. 117) Die japanische Bevölkerung muß sich allerdings erst noch an Typen wie Nobuyuki Idei oder Tadashi Sekizawa gewöhnen. So schaue Sekizawa - nach Ansicht des Wirtschaftsmagazin Nikkei Business - ,,zwar recht freundlich aus dem rundlichen Gesicht, aber seine Augen lächeln nicht."(Der Spiegel, 16/1996, S. 118)

Die Zeiten, in denen Harmonie die Unternehmensfamilie beherrschte, sind vorbei. Diese neuen Impulse der japanischen Unternehmenspolitik führen dazu, daß die Unternehmen die Krise nutzen, um zu rationalisieren. Während früher in Krisenzeiten zumindest an den Stammbelegschaften festgehalten wurde, kann man sich nun keine überschüssigen Arbeitskräfte mehr leisten.(vgl. Terzani, 1987, S. 174) Die Folge ist, daß die Arbeitslosenquote seit 1991 stetig angestiegen ist. 1996 wurde das bisherige Rekordhoch von 3,4 Prozent17 erreicht, Tendenz steigend. Nicht mehr benötigte Arbeitskräfte werden ohne große Umstände entlassen. Wer morgens zu seinem Arbeitsplatz kommt und einen leeren Schreibtisch ohne Telefon oder einen Kreidekreis um seinen Stuhl vorfindet, kann davon ausgehen, daß er nicht mehr gebraucht wird. Diese Praxis gilt nicht nur für die Mitarbeiter in den Randbelegschaften. Auch die Stammbeschäftigten können heute nicht mehr mit der lebenslangen Loyalität ihres Unternehmens rechnen.(vgl. Der Spiegel, 16/1996, S. 118) Vor allem die älteren Beschäftigten werden von den Betrieben nicht mehr grundsätzlich bis zur Pensionsgrenze gehalten.

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Quelle: Steingart, 1997, S. 1

Gerade für diese Gruppe ,,ist der neue Stil ein schmerzhafter Bruch mit der Geschichte. Bisher galt ihnen die Karriere des Angestellten [...] als Traumberuf. Um einen sicheren Job bei Toyota, Nissan oder Matsushita zu ergattern, unterwarfen sich Japaner von Kindheit an einem extremen Lerndrill."(Der Spiegel, 16/1996, S. 119) Wie bereits in Kapitel 3.1 deutlich wurde, wächst die neue japanische Generation mit einem anderen Selbstverständis auf, was ihre Identifikation mit dem Arbeitgeber angeht. Für die Älteren kommt dieser neue Stil aber einer ,,Abschiedserklärung der Unternehmen an die Kooperation von Arbeitnehmern und Arbeitgebern"(Klebe, 1996, S. 101) gleich.

Trotz dieser Phase der Neuorientierung, in der vor allem in den großen Konzernen über Alternativen zum traditionellen Management nachgedacht wird, sind nach Ansicht von Groth, Kammel & Tsumura (1994, S. 321ff) ,,abrupte Richtungswechsel" nicht zu erwarten. ,,Trotz fortschreitender globaler Expansion großer japanischer Unternehmen und der Aufgeschlossenheit der Manager gegenüber westlichen Managementpraktiken verhindern weiterhin fest verankerte kulturelle Wurzeln eine abrupte Abkehr von traditionellen Vorgehensweisen." Derzeit gibt es ein ,,Nebeneinander von Tradition einerseits [...] und ökonomischen Herausforderungen des internationalen Wettbewerbs andererseits."(Groth/ Kammel/ Tsumura, 1994, S. 328)

3.3 Die aktuelle Arbeitszeitdiskussion

Die langen Arbeitszeiten sind in Japan ein explosives Diskussionsthema. Vor allem durch die Kritik des Auslandes sah das Ministerium für Internationalen Handel und Industrie (MITI) Handlungsbedarf, um Druck auf die japanischen Unternehmen auszuüben. Die Anzahl der Arbeitnehmer, die nicht mehr bereit sind auf die Hälfte ihres Urlaubs zu verzichten, sondern lieber einmal richtig Ferien machen möchten, nimmt zu. Viele Unternehmen haben aber Schwierigkeiten bei der Anpassung der Arbeitszeiten, da sie in der Vergangenheit Überstunden und nicht genommenen Urlaub mit in ihre Kalkulation einbezogen haben.18 Um ,,die internationale Wettbewerbsfähigkeit der japanischen Wirtschaft am Weltmarkt zu stärken"(Schoenaich-Carolath, 1992, S. 119) verfolgt die japanische Regierung seit einigen Jahren das Ziel, die Arbeitszeiten in Japan zu reduzieren. Die Revision des Arbeitszeitgesetzes von 1987 sieht eine schrittweise Einführung der 40 Stunden Woche als gesetzlichen Standard19 vor. In einem ersten Schritt wurde die zulässige Regelarbeitszeit 1988 von 48 auf 46 Stunden je Woche gesenkt.1991 betrug die Wochenarbeitszeit 44 Stunden an 6 Arbeitstagen. Parallel zur Senkung der Arbeitszeit erhöhte die Regierung den gesetzlichen Mindest-urlaub von 6 auf 10 Tage im Jahr. In einer weiteren Revision im Jahre 1992 wurde die Einführung einer 40 Stunden Woche an 5 Arbeitstagen beschlossen, die 1997 zur Pflicht wird. Da aber immer noch rezessionsbedingte, ,,ökonomische Zwänge als Bremse für eine tatsächliche Arbeitszeitverkürzung auf breiter Basis"(Groth, Kammel & Tsumura, 1994, S. 329) wirken, haben bis 1996 erst 38,7 Prozent der Betriebe diese 40 Stunden Woche eingeführt.20

Trotz dieser Bemühungen ist in Japan ein genereller Wandel der Arbeitszeitpolitik nicht zu erkennen. Was nützt eine gesetzliche Regelarbeitszeit, wenn darüber hinausgehende Überstunden nicht reglementiert sind. Das Ministerium für Internationalen Handel und Industrie (MITI) kommt in einer Studie aus dem Jahre 1990 zu dem Ergebnis, daß die folgenden Faktoren ursächlich für einen solchen Trend seien: (vgl. Schoenaich-Carolath, 1992, S. 119)

1. Die Unternehmen sind keinesfalls gewillt, ihre Marktanteile gegenn ü ber der Konkurrenz wegen einer Verlängerung des Urlaubs zu gefährden.
1. Klein- und Mittelbetriebe k ö nnen sich eine Urlaubsverlängerung nicht leisten, weil sie Lieferabkommen mit Mutterunternehmen erf ü llen m ü ssen.
1. Die Arbeitnehmer bef ü rchten die negative Beurteilung, `nicht hart genug zu arbeiten'.

Das japanische Arbeitsministerium kommt in einer Untersuchung zu dem Ergebnis, daß die Jahresarbeitsstunden in Japan im Jahre 1992 erstmals unter den Wert von 2000 gesunken seien.(Bundesarbeitsblatt,12/1994, S. 25) Derzeit betrage die jährliche Arbeitszeit in Japan 1930 Stunden. In einer Hochglanzbroschüre des japanischen Außenministeriums heißt es, ,,damit hätten die Japaner mit einer Wochenarbeitszeit von 39 Stunden sogar mit dem [...] `Freizeitpark Deutschland' gleichgezogen."(Steingart, 1997, S. 107) Eine Studie des japanischen Amtes für Management und Koordination kommt jedoch zu anderen Ergebnissen. Danach betrug in den Jahren 1995 und 1996 die durchschnittliche Wochenarbeitszeit 43,4 Sunden. Während dieser Berechnung bezahlte und unbezahlte Arbeitsstunden zugrunde liegen, berücksichtigt die Statistik des Arbeitsministeriums nur die bezahlten Arbeitsstunden.(vgl. Steingart, 1997, S. 107) Es ist ersichtlich, daß Aussagen zur Reduzierung der Arbeitszeiten in Japan sehr differenziert betrachtet werden müssen, gerade wenn das Datenmaterial von staatlichen Behörden vorgelegt wird. Diese sind natürlich daran interessiert, das negative Image der langen japanischen Arbeitszeiten zu verbessern. Nach Aufassung des japanischen Arbeitgeberverbandes Nikkeiren müsse man bei allen Überlegungen, die Arbeitszeitstrukturen in Japan zu verändern, ,,stets daran denken, daß es der über viele Jahre andauernde Fleiß der Japaner gewesen sei, der für den heutigen Wohlstand verantwortlich ist." (Schoenaich-Carolath, 1992, S. 119)

Diese Äußerungen lassen vermuten, daß eine grundlegende Veränderung der Arbeitszeitstrukturen von den Unternehmen nicht zu erwarten ist, es sei denn, konjukturelle Schwierigkeiten würden sie dazu zwingen. Gesetzliche Reglementierungen sind eine `Farce', solange die Unternehmen die Möglichkeit haben, die Reduzierung der gesetzlich zulässigen Regelarbeitszeit mit zusätzlichen Überstunden zu kompensieren. Lange Arbeitszeiten und arbeitswütiges Verhalten(Groth/ Kammel/ Tsumura, 1994, S. 329) beherrschen auch heute noch den Arbeitsalltag der Japaner. Doch wo früher Harmonie und Konsens vorherrschten, ist das Klima heute kälter geworden. Gerade der zunehmende Leistungsaspekt der letzten Jahre und die damit verbundene betriebsinterne Konkurrenzsituation unter den Mitarbeitern haben dazu geführt, daß ,,oft bis zum Umfallen [...] geschuftet"(Steingart, 1997, S. 104) wird. Viele Japaner befürchten bereits, ein `Karoshi-Opfer' zu werden, daß heißt den Tod durch Überarbeitung zu sterben. (vgl. Steingart, 1997, S. 104)

3.4 Neue Chancen für weibliche Beschäftigte

Während die japanischen Frauen in der Vergangenheit die klassische Rollenteilung akzeptierten, wächst bei vielen Frauen Verdrossenheit, da sie trotz gleicher Qualifikation keinen Zugang in die Stammbelegschaften der Großunternehmen finden. Die Zeiten haben sich geändert. Arbeitnehmerinnen geben sich nicht mehr damit zufrieden, ,,Tee zu servieren oder sich zu verbeugen, wenn die Fahrstuhltüren auf- und zugehen."(Shimomura, 1992, S. 19) Mit Unterstützung der Regierung suchen einige Großunternehmen nach Möglichkeiten, um die Potentiale der Frauen besser nutzen zu können. Sie sind zu der Erkenntnis gekommen, daß es lohnender ist, in die weiblichen Mitarbeiterinnen zu investieren, anstatt sie zu verlieren. Ein Schritt in diese Richtung ist z.B. ein Gesetz, daß den Frauen 14 Wochen Mutterschaftsurlaub gewährt und ihnen somit nach der Geburt der Kinder die Rückkehr in das Unternehmen ermöglicht.(vgl. Shimomura, 1992, S. 19) Mit westlichen Maßstäben gemessen, mutet dieser Zeitraum jedoch bescheiden an. Um ihren Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften decken zu können, ist das Unternehmen Nissan dazu übergegangen, spezielle Förderprogramme für Frauen einzurichten.(vgl. Sonnenborn & Esser, 1991, S. 115) Einige Firmen bieten sogar schon Freistellungsprogramme für ihre männlichen Mitarbeiter an, die sich statt der Ehefrau um ihre Kinder kümmern möchten. Weber(1990, S. 122) merkt allerdings an, daß ,,die Spezies" dieser ,,neuen Männer auch in Japan [...] äußerst selten" sei.

Die Vorbehalte japanischer Unternehmen gegenüber Frauen - besonders wenn diese hoch qualifiziert sind - haben dazu geführt, daß viele Hochschulabsolventinnen Arbeitsplätze in ausländischen Unternehmen finden. Ungeachtet der bessereren Sozialleistungen und der höheren Einkommensvergütungen dieser Unternehmen versucht der männliche Führungsnachwuchs sein `Glück' lieber in einem japanischen Unternehmen, um so in den Genuß der lebenslangen Beschäftigungsgarantie zu kommen. Im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen begreifen die Frauen eine Beschäftigung in einem ausländischen Unternehmen hingegen als günstige Gelegenheit, um in der Arbeitswelt `Fuß zu fassen'. Vor ,,allem bessere Aufstiegsmöglichkeiten, eine gerechtere Bezahlung und die Chance, Karriere und Familie miteinander zu verbinden"(Lichtenberger, 1990, S. 52) spielen dabei eine entscheidende Rolle. Auch deutsche Unternehmen werben zunehmend um den weiblichen Führungsnachwuchs. Kimiyo Powils-Okano arbeitet z.B. als Assistentin des deutschen Vorstandes der Wella AG in Japan. (vgl. Lichtenberger, 1990, S. 52) Auch bei der japanischen Niederlassung des Automobilherstellers BMW arbeiten zahlreiche Frauen in Führungspositionen. Im Gegensatz zu japanischen Unternehmen werden sie dort ,,nach Persönlichkeit, Erfahrung und Leistung befördert. Gehaltserhöhungen werden direkt aus der jährlichen Leistungsbeurteilung abgeleitet."(Sonnenborn & Esser, 1991, S. 115)

Problematisch wird die Beschäftigung weiblicher Führungskräfte allerdings, wenn die japanische Niederlassung des ausländischen Unternehmens von japanischen Managern geleitet wird. Kaori Hayashi ,,war mit ihrer Arbeit bei einem ausländischen Mineralölkonzern so lange zufrieden, bis die Geschäftsleitung Sitten und Angewohnheiten japanischer Manager einführte. Danach [...] war es mit selbständiger Arbeit vorbei" und ihre Aufgaben ,,reduzierten sich auf Tee servieren und Telefondienste."(Lichtenberger, 1990, S. 52) Nach Angaben der Dresdner Bank haben Frauen in ihrer japanischen Niederlassung die gleichen Chancen wie ihre männlichen Kollegen. Es sei aber festzustellen, daß es immer wieder zu innerbetrieblichen Problemen zwischen männlichen japanischen Führungskräften und weiblichen Angestellten gebe.(vgl. Lichtenberger, 1990, S. 52)

Trotz dieser positiven Ansätze muß jedoch festgestellt werden, daß sich die Rolle der Frau in Japan nicht wesentlich verändert hat. Sicher ist das Selbstbewußtsein der Frauen gestiegen und einige Großunternehmen bemühen sich verstärkt um den weiblichen Führungsnachwuchs. Grundlegend wird sich aber so lange nichts ändern, wie die geschlechtspezifische Differenzieung in den Köpfen der männlichen Unternehmensführer vorhanden ist. Besonders die älteren Manager tun sich schwer, die Frau als gleichberechtigten Partner zu akzeptieren. Da bleibt die Hoffnung, daß die neue Generation des japanischen Führungsnachwuchses in den kommenden Jahrzehnten das klassische Bild der Frau revidieren wird.

4. Schlußbetrachtung und Ausblick

,,Während in Japan mehr oder weniger grundlegende Veränderungen stattfinden [...], wird die japanische [...] Personalpolitik im Westen als vorbildliches Modell [...] propagiert."(Krell, 1994, S. 247) Vor allem aber der Mythos vom arbeitsversessenen Japaner, der schon von Geburt an einen prädisponierten Arbeitseifer aufweise, hält einer kritischen Betrachtung nicht stand. Die Leistungsbereitschaft der Japaner entsteht ,,vielmehr aus einem subtilen Geflecht von Tradition, Gruppendruck und finanziellen Zwängen."(Sonnenborn & Esser, 1991, S. 113) Die Unternehmen verstehen es dieses Geflecht zu verstärken, um so eine Rundumnutzung der Mitarbeiter zu erreichen. Die mangelnde Kritik der Arbeitnehmer an diesem System begründete sich in dem Bewußtsein, beim Verlassen dieser Gemeinschaft erhebliche finanzielle Einbußen hinnehmen zu müssen. Die dargelegten Ausführungen haben gezeigt, daß in den vergangenen Jahren vor allem bei den jüngeren Japanern ein Umdenken stattgefunden hat. Ihre neue Maxime offenbart sich in den Schlagworten Individualität, Selbstverwirklichung und in der Ablehnung der langen Arbeitszeiten. Auch auf der Ebene des Managements wird vielfach über die Revision der traditionellen Strukturen nachgedacht. Treibende Kräfte sind dabei aber weniger humanistische Beweggründe, als vielmehr ökonomische Zwänge, denen die Unternehmen als Folge der Rezession und der zunehmenden Globalisierung unterliegen. Allen Veränderungen zum Trotz ist gerade bei der älteren Generation ein permanentes Festhalten an den traditionellen Werten zu erkennen. Insofern kann nicht davon ausgegangen werden, daß sich in Japan abrupte Richtungswechsel abzeichnen werden. Zumal auch die Mehrzahl der derzeitigen Unternehmensführer eher noch dieser Generation zugerechnet werden können. Die Tatsache, daß sich derzeit sowohl die Gesellschaft an sich, als auch das Management in einer Phase der Neuorientierung befinden, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß zwischen beiden immer noch eine erhebliche Diskrepanz hinsichtlich ihrer Zielvorstellungen besteht. Deutlich werden diese unterschiedlichen Auffassungen vor allem in der Diskussion über die Reduzierung der Arbeitszeit. Während sich die Arbeitnehmer über die langen Arbeitszeiten beklagen und ein größeres Gleichgewicht zwischen den Faktoren Arbeit und Freizeit (bzw. Familie) anstreben, können es sich die Betriebe in der momentanen wirtschaftlichen Situation nicht leisten, die Arbeitszeiten zu reduzieren. Unter diesen Umständen scheinen die Forderungen der `neuen Menschheit' nach Selbstverwirklichung und mehr Lebensqualität vorerst schwer realisierbar zu sein. Die Einführung des Leistungsaspektes in einigen Unternehmen hat ohnehin dazu geführt, daß sich der Druck auf die Beschäftigten durch die zunehmende innerbetriebliche Konkurrenzsituation enorm erhöht hat. Abzuwarten bleibt, wie sich die Stellung der Arbeitnehmer in der japanischen Arbeitswelt verändern wird, wenn die Rezession überwunden und eine neue selbstbewußte Generation von Beschäftigten und Managern herangewachsen ist. Derzeit befindet sich das japanische Volk auf einem sehr schmalen Grad zwischen Tradition und Moderne. Auf lange Sicht gesehen wird sich der Drang nach Individualität und Lebensqualität vermutlich durchsetzen. Auf der anderen Seite werden und können sich traditionelle Werte, die über Jahrhunderte gewachsen sind, nicht von heute auf morgen `abschütteln' lassen. Wenn die japanischen Unternehmen auch langfristig erfolgreich sein wollen, werden sie daher in der Zukunft Sensibilität für diese sich im Wandel befindende Gesellschaft aufbringen müssen.

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Nomura, Masami: Toyotismus am Ende? - Zur Reorganisation der `schlanken Produktion' in der japanischen Autoindustrie. In: Lean Production - Kern einer neuen Unternehmenskultur und einer innovativen und sozialen Arbeitsorganisation? Hg. v. der Hans-Böckler-Stiftung/ Industriegesellschaft Metall. Baden Baden 1992. S. 55-63

Schneidewind, Dieter: Das japanische Unternehmen - uchi no kaisha. Berlin, Heidelberg 1991

Schulten, Thorsten: Stamm- und Randbelegschaften: Zur dualen Struktur des japanischen Beschäftigungssystems. In: Vorbild Japan? - Stärken und Schwächen der Industriestandorte Deutschland und Japan. Hg. v. Klaus Zwickel. Köln 1996. S. 57-84

Shimomura, Mitsuko: Wir werden individualistischer. In: HAVARDmanager 1 (1992). S. 19-

Sonnenborn, Hans Peter/ Esser, Martin: Japan II: Führen in einer fremden Welt - das Beispiel BMW. In: HAVARDmanager 3 (1991). S. 109-115

Stalk, George: Japan kann Druck von außen gebrauchen. In: HAVARDmanager 1 (1992). S. 20-21

Steingart, Gabor: `Kämpfe Vati' - Überstunden, Nachtarbeit, Saufgelage: der Arbeitsalltag in Japan wird härter. In: Der Spiegel 8 (1997). S. 102-107

Terzani, Tiziano: Man haßt uns wie die Kakerlaken. In: Der Spiegel 40 (1987). S. 162-174

Weber, Claudia: Chancengleichheit per Gesetz. In: Nippons neue Frauen. Hg. v. Ruth Linhart / Fleur Wöss. Reinbek 1990. S. 104-125

[...]


1 Anm. Heeg weist darauf hin, daß unter `richtigen' Kindergärten jene verstanden werden, die sich durch gute Verbindungen zu angesehenen Schulen und Hochschulen auszeichnen.

2 Hirschmeyer, J.: Ideologie des japanischen Managements 1945-1972, In: Gesellschaft Japans - So ziale Gruppen und sozialer Prozeß. Hg. v. I. Shimizu/ Y. Tamanoi. Opladen 1976. S. 157. zit. nach: Krell,1994, S. 219

3 vgl. Kobayashi, 1980, S. 26 und Schneidewind, 1991, S. 48

4 Griepenkerl, H.: Von den Japanern lernen - Die Erfolgsgeheimnisse der jüngsten Weltwirtschafts macht. München 1987. S. 87 f. zit. nach: Krell, 1994, S. 225 f

5 Griepenkerl, 1987, S.197. zit. nach: Krell, 1994, S. 224

6 vgl. Kobayashi, 1980, S. 16 f und Heeg, 1983, S. 48 f

7 Anm. Eigene überschlägige Berechnung, ausgehend von einer Gesamtfläche von 377.682 km2 und einer Einwohnerzahl von ca. 117,7 Millionen. Daten aus: Meyers großes Handlexikon. Hg. v. Bibliographischen Institut. Mannheim 1985

8 Anm. Zuletzt das schwere Erdbeben in Kobe.

9 Anm. Als ,,Herr" ist in diesem Kontext kein Gott, sondern der jeweilige Herrscher des Landes, der Kaiser (Tenno) gemeint.

10 Anm. Stand des Jahres 1981

11 Anm. Alle bisherigen Ausführungen bezogen sich auf Mitarbeiter der Stammbelegschaften in den Großunternehmen.

12 Was können Japan und Deutschland/Europa von einander lernen? (Podiumsdiskussion) In: Lean Production - Kern einer neuen Unternehmenskultur und einer innovativen und sozialen Arbeitsorganisation? Hg. v. der Hans-Böckler-Stiftung und der Industriegesellschaft Metall. Baden Baden 1992. S. 75

13 vgl. Marten-Grubinger & Stengel, 1995, S. 74 und Koyama, 1991, S. 275

14 vgl. Ernst, 1987, S.10 sowie Jaufmann, 1996, S. 59 und Lecher, 1982, S. 26

15 vgl. Groth, Kammel & Tsumura, 1994, S. 329 und Shimomura, 1992, S. 19

16 Der Spiegel: Kopf abschneiden - Kurswechsel in Japans Konzernen. 16 (1996). S. 116

17 In der Literatur wird immer wieder darauf hingewiesen, daß diese Quote ein nicht ganz reales Bild aufzeigt. So werden z.B. in der Arbeitslosenstatistik die Teilzeitkräfte gar nicht berücksichtigt. Desweiteren gibt es Angestellte, die zwar in einem Arbeitsverhältnis stehen aber dennoch keine Arbeit haben und von den Unternehmen nur wegen der Unternehmensphilosophie der lebenslangen Beschäftigung gehalten werden. Die japanische Arbeitslosenquote müßte daher mit dem Faktor 2,5 multipliziert werden, um ein reales Bild zu erhalten.

18 vgl. Nomura, 1992, S. 56 und Küster, 1987, S. 180

19 Anm.: Dieser Standard ist nur im Hinblick auf die gesetzlich maximal zulässige Regelarbeitszeit zu sehen. Zusätzliche Überstunden, die in Japan eine nicht unbedeutende Rolle spielen, sind nicht gesetzlich reglementiert.

20 vgl. Schoenaich-Carolath, 1992, S. 119 sowie Groth, Kammel & Tsumura, 1994, S. 329 und Der Spiegel, 16 (1996), S. 119

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Die Stellung der Arbeitnehmer/innen in der japanischen Arbeitswelt unter besonderer Berücksichtigung neuerer Entwicklungstendenzen
Autor
Jahr
2000
Seiten
32
Katalognummer
V101911
ISBN (eBook)
9783640003174
Dateigröße
570 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Stellung, Arbeitnehmer/innen, Arbeitswelt, Berücksichtigung, Entwicklungstendenzen
Arbeit zitieren
Olaf Munderloh (Autor:in), 2000, Die Stellung der Arbeitnehmer/innen in der japanischen Arbeitswelt unter besonderer Berücksichtigung neuerer Entwicklungstendenzen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/101911

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