[...]
2. Zum Zeitbegriff, oder: Was ist "Zeit"?
Mit dieser Arbeit behaupte ich, daß es möglich ist, einen Zusammen-hang zwischen Zeitbegriff und Politikbegriff aufzuzeigen. Dieser Zu-sammenhang ist nach meiner Annahme, daß der Zeitbegriff, der in einer "Politischen Theorie" verwendet wird, für den Politikbegriff, der i n dieser und d u r c h diese "Politische Theorie" bestimmt wird, von Bedeutung ist: Der Zeitbegriff bestimmt den Politikbegriff. Deshalb stelle ich die Frage nach der "Zeit" und untersuche den Zeitbegriff in "Politischer Theorie", um feststellen zu können, ob sich durch den Zeitbegriff für den Politikbegriff notwendige Bedingungen ergeben.
Den umgekehrten Zusammenhang, nämlich daß der Politikbegriff für den Zeitbegriff von Bedeutung ist, daß also der Politikbegriff den Zeitbegriff bestimmt, schließe ich nicht aus. In dieser Arbeit folge ich jedoch nicht der Annahme dieses umgekehrten Zusammenhangs.
Zur Untersuchung des Zeitbegriffs habe ich sieben "Politische Theorien"15 bearbeitet, bei denen sich unterschiedliche Zeitbegriffe aufzeigen lassen. Ich behaupte nicht, daß diese Auswahl die einzig mögliche, die bestmögliche oder eine wie auch immer bestimmte ist, sondern nur, daß es mit dieser Auswahl möglich ist, eine vergleichende Gegenüberstellung von unterschiedlichen Zeit- und Politikbegriffen vorzunehmen, um damit meine Behauptung zu stützen oder auch nicht.
[...]
Inhalt
1. Chronopolis? Von Zeiten und Zeitungen, von Orten und Ordnungen
2. Zum Zeitbegriff, oder: Was ist "Zeit"?
2.1. Zur Allgemeinheit des Zeitbegriffs und dessen Verbindung mit dem Raumbegriff
2.2. Zu Besonderheiten von Zeitbegriffen und deren Verbindung mit Raumbegriffen
2.2.1. Theoretische oder philosophische Wirklichkeitsentwürfe:
2.2.1.1. Zur linearen Zeitstruktur:
2.2.1.1.1. Platons "Erkenntnis" von "Zeit" und "Raum"
2.2.1.1.1.1. "Gott" als Ursache der "Zeit" im "Timaios"
2.2.1.1.1.2. Die Planeten als von "Gott" eingesetzte "Zeiger" der "Zeit"
2.2.1.1.1.3. Der Raum als Voraussetzung von "Gottes" Schöpfung
2.2.1.1.1.4. Platons Erklärung der "Zeit" als lineares Maß
2.2.1.1.1.5. Die Unendlichkeit und die Endlichkeit linearer "Zeit"
2.2.1.1.1.6. Die Unsterblichkeit als Unvergänglichkeit in der Unendlichkeit linearer "Zeit" und in der Ewigkeit
2.2.1.1.2. Jesus "Verkündigung" von "Zeit" und "Raum"
2.2.1.1.2.1. Zur Überlieferung der Aussagen von Jesus
2.2.1.1.2.2. Die ewige allgegenwärtige "Gottesherrschaft"
2.2.1.1.2.3. Die kommende "Gottesherrschaft"
2.2.1.1.2.4. In der "Zeit" vor dem Ende der "Zeit" und in der gegenwärtigen vor der ewigen "Gottesherrschaft"
2.2.1.1.3. Augustinus "Bekenntnis" von "Zeit" und "Raum"
2.2.1.1.3.1. Das "Schauen" der "Zeit" im "Geiste"
2.2.1.1.3.2. Die Richtung von Verlauf und "Fluß" der "Zeit"
2.2.1.1.3.3. Der "gerade Weg" zur "ewigen Seligkeit"
2.2.1.1.3.4. Das Verhältnis von "Weltgeschichte" und "Zeit"
2.2.1.1.4. Kants "Bestimmung" von "Zeit" und "Raum"
2.2.1.1.4.1. Kants Beschreibung von "Zeit" und "Raum"
2.2.1.1.4.2. Die "Bestimmung" der Richtung der "Zeit"
2.2.1.1.5. Marx und Engels "Bewußtsein" von "Zeit" und "Raum"
2.2.1.1.5.1. Der "Geschichtsverlauf" nach Marx und Engels
2.2.1.1.5.2. Das "Bewußtsein" von "Produktion" und "Prozeß"
2.2.1.1.5.3. Das "Sein" des "Bewußtseins": die lineare teleologische "Zeit"
2.2.1.1.5.4. Ein "Bewußtsein" des marxistischen "Bewußtseins"
2.2.1.2. Zur zyklischen Zeitstruktur:
2.2.1.2.1. Buddhas "Überwindung" von "Zeit" und "Raum"
2.2.1.2.1.1. Zum Ursprung buddhistischer Überlieferung
2.2.1.2.1.2. Buddhas "Vier Edle Wahrheiten" vom "Leiden"
2.2.1.2.1.3. Buddhas Formel der "Bedingten Entstehung"
2.2.1.2.1.4. Das Verhältnis von "Leiden" und "Vergänglichkeit"
2.2.1.2.1.5. Buddhas Vorstellung von "Zeit" und "Raum"
2.2.1.2.2. Nietzsches "Überzeugung" von "Zeit" und "Raum"
2.2.1.2.2.1. Zarathustras "Wanderung" in und jenseits der "Zeit"
2.2.1.2.2.2. Zarathustras "Gedanke" der "ewigen Wiederkunft"
2.2.1.2.2.3. Zarathustras "Lehre von der ewigen Wiederkunft"
2.2.1.2.2.4. Der Ursprung von Nietzsches Anschauung der "Zeit"
2.2.1.2.2.5. Zarathustras und Nietzsches "Augenblicke": Lust und Liebe zur "Ewigkeit"
2.2.2. Praktische oder sogenannte "politische" Verwirklichungen:
2.2.2.1. Zur linearen Zeitstruktur:
2.2.2.1.1. Platon: Das "Werden" nach dem "Sein": gemäß " Gott"
2.2.2.1.1.1. Die "Erziehung" zur Vollendung des "Staates" in Platons "Politeia"
2.2.2.1.1.2. Sokrates "Erziehung" zur "Erkenntnis"
2.2.2.1.1.3. Das Verhältnis von "Erkenntnis" und "Raum" und das Verhältnis von "Gleichnis" und "Zeit"
2.2.2.1.1.4. Platons Verwirklichung des "Philosophenstaates": Die "Erziehung" gemäß "Gottes" Schöpfung
2.2.2.1.2. Jesus: Das Ende des "Werdens": bei " Gott"
2.2.2.1.2.1. Die Verbindlichkeit von "Zeit" und "Raum" wie von Weltende und "Gottesherrschaft"
2.2.2.1.2.2. Die Moral der Gebote als Notwendigkeit bei "Gott"
2.2.2.1.3. Augustinus: Die Trennung des "Seins" vom "Werden": unter"Gott"
2.2.2.1.3.1. Die Trennung von "Weltstaat" und "Gottesstaat"
2.2.2.1.3.2. Die "Lebensführung im Gottesstaat"
2.2.2.1.4. Kant: Das "Werden" zum "Sein": hin zu " Gott"
2.2.2.1.4.1. Der "Gang" der "Geschichte": Regel, Sinn und Richtung
2.2.2.1.4.2. Die "Zeit" als "Leitfaden" von "Naturabsicht" und "Vernunft"
2.2.2.1.4.3. Eine "Aufklärung" der Kantschen "Aufklärung"
2.2.2.1.4.4. Kants "Wahrsagende Geschichte der Menschheit"
2.2.2.1.5. Marx und Engels: Das Ende des "Werdens": als " Gott"
2.2.2.1.5.1. Der "Sozialismus" als Ziel der "Geschichte"
2.2.2.1.5.2. Die "Revolution" zur "Freiheit" in der "Herrschaft"
2.2.2.2. Zur zyklischen Zeitstruktur:
2.2.2.2.1. Buddha: Jenseits vom "Sein" des "Werdens": als " Gott"
2.2.2.2.1.1. Der "Weg" des "Edlen Achtgliedrigen Pfads"
2.2.2.2.1.2. Buddhas "Nirvana" als "Erkenntnis" und Ziel seiner Lehre
2.2.2.2.1.3. Buddhas Vermittlung seiner Lehre
2.2.2.2.2. Nietzsche: Jenseits vom "Sein" des "Werdens": ohne " Gott"
2.2.2.2.2.1. Das "Schicksal" des Menschen in der "Zeit"
2.2.2.2.2.2. Die "Natur der Moral" als "Schicksal" des Menschen
2.2.2.2.2.3. Die "Vernichtung der Moral" als "Schicksal" Nietzsches
2.2.3. Das Verhältnis von "Zeit" und "Raum" als Verhältnis von "Werden" und "Sein"
2.2.4. Zu besonderen Gottesbegriffen?
2.3. Versuch einer Antwort auf die Frage nach dem Zeitbegriff
3. Zum Politikbegriff, oder: Was ist "Politik"?
3.1. Zur Bestimmung des Politikbegriffs durch den Zeitbegriff
3.2. Versuch einer Antwort auf die Frage nach dem Politikbegriff
zum 2001er juni ...
kurzen lebenslauf fuer wens was wert ist ...
geb.1969juni03. in der schule erfolgreich, eigentlich nur naturwissenschaftlich interessiert also physik-leistungs-kurs, und englisch
und immer viel sport gemacht
ausser dem minimalpensum keinen draht zu geisteswissen-schaftlichen themen gehabt ...
... studium maschinenbau begonnen, aber nach wenigen wochen seingelassen (will ich dip-ing. werden.? nein !!!)..
mehr zufaellig in die sozialwissenschaften reingerochen und schnell an politischer philosophie/theorie/... gefallen gefunden ...
konto frischgehalten durch jobben aufm bau ... 1991 zufällig auf eine abbruchfirma gestossen, bei der ich teilzeit schufften konnte ... 1992/93/94/95 mit themen rund um mein diplomthema beschaeftigt ... 1994 tochter kyrah ..
nach dem diplom war es für mich keine frage mehr, lieber häuser abzubrechen als dem kult von seminaren, kaffeemaschinen und zimmerpflanzen beizuwohnen ...schluss mit dem uni-kram, bis das internet so funktioniert, dass es für mich lohnend ist, „geisteswissenschaftlich“ weiterzumachen ... gebt mir den presslufthammer und ich mach meter ... vor der dsl-einweihung vorn paar wochen hat bei mir internettechnisch noch nie etwas funktioniert, so hart ich auch kämpfte (hallo telekom?) ... nu denn, die ansätze meiner diplomarbeit sind dürftig, und mir würden sich heute die haare sträuben, wenn sie nicht so schwer wären ...nu denn gehts langsam weiter, wenn ich neben dem tausch knochenarbeit gegen geld noch zum lesen komme ... also denn bin ich weiterhin abhängig von leuten, die nicht mal nen dreisatz können ... und das woertchen organisation so ebend gerade aussprechen können ... es is lustig, wenn man nicht weiter darüber nachsinnt ... auf ins
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
die 1995er .doc-datei hab ich nur teilweise umformatiert, ... und ein paar restmängel scheisst der hund drauf.
kommentare sind immer willkommen ... schreibt an MKP01@t-online.de, wenn ich es schaffe, werd ich antworten.
viel spass beim lesen ... lasst die hirne qualmen ...
... und immer locker bleiben ... olli linden
1. Chronopolis?Von "Zeiten" und "Zeitungen"
von "Orten" und "Ordnungen"[1][2],
Bei meinem Studium von Texten aus dem Bereich von "Politischer Theorie und Ideengeschichte" ist mir wiederholt ein Erscheinen des Begriffs der "Zeit" in diesen Texten aufgefallen oder habe ich einen Zeitbegriff als Voraussetzung für die angestellten Überlegungen für unerläßlich gehalten.[3] Neben der Verschiedenartigkeit wie auch der Häufigkeit dieses Erscheinens wunderte mich besonders die Selbstverständlichkeit, mit der dieser Begriff meist verstanden und verarbeitet oder aber als notwendige Voraussetzung für die angestellten Überlegungen nicht erklärt wird.
Als Voraussetzung von "Geschichte" im allgemeinen und als Grund-lage von "Ideengeschichte" im besonderen erfolgt eine Gliederung und Ordnung von Texten durch Einordnen des "Datums" ihres Er-scheinens in "der Zeit", wodurch eine "Chronologie" entsteht. Dabei stellt sich mir die Frage, aufgrund welcher Voraussetzungen oder aufgrund wessen Setzung ein "Datum" als Angabe und Einordnung eines bestimmten Tages oder eines geschichtlichen "Zeitpunkts" in "eine Zeit" oder in "die Zeit" und weiter in "eine Geschichte" oder in "die Geschichte"gegeben ist.[4]
In der verfügbaren Literatur der "Gegenwart" zum Begriff "Zeit" finde ich unter anderem die Selbstverständlichkeit der Erscheinung von "Zeit", so z.B. eine "Geschichte der Stunde" über "Uhren und moderne Zeitordnungen"[5], worin zu finden ist, daß die "Zeit" eine Erschei-nung ist, die meßbar ist:
"Jahrtausendelang wurde die Zeit mit Sonnenuhren und Wasseruhren gemessen, wurde von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang gearbeitet."
Auch wird von einem "Wandel des Zeitbewußtseins" berichtet:
"Zeiterfahrung, Zeitauffassung und Zeitbewußtsein sind sehr weite Begriffe ... Die Formen der Wahrnehmung von geschichtlichem Wandel als kreisförmiger Bewegung, als Aufstieg und Niedergang, als unendlichem Fortschritt, als beschleunigt und verzögert, beinhalten jeweils verschiedene Vorstellungen von der Beziehung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft."[6]
Hierbei fällt auf, daß ein "Wandel" des "Bewußtseins"von"Zeit" wiederum nur in"Zeit", in "einer Zeit" oder in "der Zeit", geschehen kann. "Über die Zeit"[7] bemerkt Norbert Elias:
" .. in der griechischen Mythologie taucht, vielleicht zum ersten Mal, ein Zeit-gott auf. Der Name des antiken Gottes Chronos war auch einer der Ausdrücke für »Zeit«. Es kann für die Entwicklung des menschlichen Zeitbestimmens kaum ohne Belang sein, daß ein Gott dem Begriff seinen Namen lieh."[8]
Nach Elias macht das "Bestimmen" von "Zeit"durch den Men-schen ebenfalls in der "Zeit" und während der "Zeit" eine "Ent-wicklung" durch, zu der zu fragen ist, was bei dieser "Entwicklung" das "Eingewickelte", "Verwickelte" oder "Umwickelte" ist, das "ausge-wickelt" oder "entwickelt" wird oder "sich selbst entwickelt". Elias behauptet, daß die Zeitbestimmung von einer punktuellen Bestimmung weniger für die Gemeinschaft bedeutsamer Zeitpunkte in "früheren" kleinen Dorfstaaten zu einem gleichmäßigen Fließen von "Zeit" in "späteren" großen Gesellschaften fortgeschritten ist, wobei dieser "Fortschritt" auch in und während der "Zeit" besteht.
Weiter ist zum Begriff "Entwicklung" eine Definition von Niklas Luhmann zu erwähnen, der ebenfalls ein Verständnis von "Zeit" zugrundeliegt:
"... geschichtliche Entwicklung" ist "... zu definieren als Veränderung derje-nigen Strukturen, die die Bedingungen der Möglichkeit weiterer Veränderun-gen definieren."[9]
Dem von Luhmann verwendeten Begriff der "Veränderung" liegt dabei ebenso notwendig ein Begriff von "Zeit" zugrunde wie auch seiner Vorstellung einer Folge "weiterer" Veränderungen, die "weiter"in"Zeit" geschehen.
Um das oben beschriebene "Bewußtsein" von "Zeit" oder von "der Zeit" annehmen zu können und um eine "Geschichte" von Ideen, die in Verbindung mit "Politischer Theorie" stehen, schreiben zu können, ist als Voraussetzung dafür eine Vorstellung von "Zeit"notwendig, nach der "Zeit" mindestens eine Struktur mit den Eigenschaften der Stetigkeit[10] und des Verlaufs ist. Diese Struktur von "Zeit" ist als Ordnung auch die Grundlage einer "Chronologie".
Entgegen dieser Annahme der Stetigkeit und des Verlaufs wird in einem Mythos, den in Platons Dialog "Politikos" ("Der Staatsmann") ein "Fremder" dem Sokrates berichtet, vom "Leben unter dem Kronos" "während der Gewalt des Kronos" und von Einschnitten in "Zeit" und "Bewegung" berichtet.[11] Die "größte und vollständigste" "Veränderung ... von allen Umwendungen, welche sich am Himmel ereignen", bewirkt die
"Änderung im Auf- und Untergang der Sonne und der andern Gestirne, daß sie nämlich von wo sie jetzt aufgehen, dorthin damals untergingen und aufgingen auf der entgegengesetzten Seite. ...Welches Alter jedes lebende Wesen hatte dies blieb ihm zuerst stehn, und alles sterbliche hörte auf je länger je älter auszusehn, vielmehr wendete es sich auf das entgegengesetzte zurück und wurde gleichsam jünger und zärter." Die Menschen, "das Geschlecht, wovon erzählt wird, es sei ehedem ein erdgebornes gewesen, das waren eben die damals aus der Erde zurückkehrenden, und wurde so erwähnt von unsern ersten Vorfahren, welche nach der auf Endigung des ersteren Umlaufes folgenden Zeit Grenze erreichten und am Anfange des jetzigen geboren wurden." Dabei jedoch "gab es keine bürgerliche Verfassungen noch auch häusliche, daß man Weiber und Kinder hatte; denn aus der Erde lebten sie alle auf, ohne sich des vorherigen zu erinnern. Sondern dergleichen fehlte ihnen alles, Früchte aber hatten sie reichlich ... welche die Erde ihnen von selbst gab."[12]
Aus dieser Beschreibung geht hervor, daß die Menschen, die aus der Erde geboren wurden, weder in Bezug auf Nahrung, Kleidung, Unter-kunft noch gar in Bezug auf Fortpflanzung eine eigene gemeinschaft-liche Ordnung herstellen mußten, um in Gemeinschaft miteinander le-ben zu können. Die Notwendigkeit dazu entstand gemäß dem Mythos erst mit dieser "größten Umwälzung". Die Natur in ihrem gegenwärti-gen Erscheinen war gegeben und mußte bewältigt werden. Eine be-stimmte Gruppe von Menschen mußte an einem bestimmten Ort in Gemeinschaft zusammen- und überleben und deshalb eine "Polis"[13] bilden.
Durch die Untersuchung einer "Polis", nämlich der griechischen "Po-lis", als einer Ordnung unter verschiedenen "Ordnungstypen", über die Überlieferungen vorhanden sind, und durch die Untersuchung weiterer "Ordnungstypen" meint Eric Voegelin, zur "Ordnung der Geschichte, die sich aus ihrer Geschichte", also aus der Geschichte der Ordnungstypen, "ergibt", gelangen zu können:
"Die Ordnung der Geschichte enthüllt sich in der Geschichte der Ordnung": "Jede Gesellschaft steht vor der Aufgabe, unter den ihr gegebenen Verhältnissen eine Ordnung zu schaffen ..."[14]
Da das Erscheinen von "Zeit" zu diesen "gegebenen Verhältnissen" zu gehören scheint, meine ich, das "Schaffen einer Ordnung" mit dem Er-scheinen einer "Ordnung von "Zeit"" verbinden zu können, um weiter fragen zu können, wie sich das Verhältnis von "Schaffen" und "Zeit" aufzeigen läßt: Wer oder was schafft "Zeit", oder: Wie bedingt "Zeit" dieses Schaffen? Ist "Zeit" ein "Geschaffenes", eine "Schöpfung", ist "Zeit" Bedingung für eine "Schöpfung", ist "Zeit" mit einer "Schöpfung" bedingt, oder ist "Zeit" Bedingung in einer "Schöpfung"?
Um den für diese Arbeit gesteckten Rahmen, der durch ihre Funktion als Diplomarbeit vorgegeben ist, nicht zu überschreiten, muß ich so-wohl eine möglichst geeignete Fragestellung aus den Möglichkeiten von Fragen auswählen sowie auch das zugrundezulegende Textmaterial auswählen. Dies betrifft die Auswahl der Autoren, die durch den Verlauf meines Studiums und meinen vorhandenen Kenntnisstand bei der Materialsuche bestimmt wird, sowie auch die Auswahl der Texte der jeweiligen Autoren, da ich unmöglich sämtliche Texte der ausgewählten Autoren berücksichtigen konnte. Dabei setze ich voraus, daß die zu einem einzelnen Autor ausgewählten Textstellen nicht in Widerspruch zu anderen Aussagen desselben Autors stehen, die sich an anderen Stellen seiner Texte befinden. Um den Umfang der Untersuchung nicht zu weit auszudehnen, lasse ich auch mögliche Verknüpfungen meiner Fragestellungen mit anderen bereits vorhandenen Bearbeitungen der zugrundeliegenden Quellentexte zunächst beiseite. In meinen Bearbeitungen der Quellentexte benutze ich deshalb möglichst ausschließlich die aus diesen Texten entnommenen Begriffe und verwende diese, in An-führungszeichen gesetzt, weiter.
Diese Einschränkungen meiner Arbeit schränken notwendigerweise ebenfalls die Ergebnisse ein. Nichtsdestotrotz will ich durch diese Ar-beit auf die Möglichkeit der Untersuchung eines Zusammenhangs von Zeitbegriff und Politikbegriff sowie auch auf eine dadurch mögliche Bedeutung von Ergebnissen für "Politische Theorie" hinweisen.
2. Zum Zeitbegriff, oder: Was ist "Zeit"?
Mit dieser Arbeit behaupte ich, daß es möglich ist, einen Zusammen-hang zwischen Zeitbegriff und Politikbegriff aufzuzeigen. Dieser Zu-sammenhang ist nach meiner Annahme, daß der Zeitbegriff, der in einer "Politischen Theorie" verwendet wird, für den Politikbegriff, der in dieser und durch diese "Politische Theorie" bestimmt wird, von Bedeutung ist: Der Zeitbegriff bestimmt den Politikbegriff. Deshalb stelle ich die Frage nach der "Zeit" und untersuche den Zeitbegriff in "Politischer Theorie", um feststellen zu können, ob sich durch den Zeitbegriff für den Politikbegriff notwendige Bedin-gungen ergeben.
Den umgekehrten Zusammenhang, nämlich daß der Politikbegriff für den Zeitbegriff von Bedeutung ist, daß also der Politikbegriff den Zeit-begriff bestimmt, schließe ich nicht aus. In dieser Arbeit folge ich je-doch nicht der Annahme dieses umgekehrten Zusammenhangs.
Zur Untersuchung des Zeitbegriffs habe ich sieben "Politische Theo-rien"[15] bearbeitet, bei denen sich unterschiedliche Zeitbegriffe aufzei-gen lassen. Ich behaupte nicht, daß diese Auswahl die einzig mögliche, die bestmögliche oder eine wie auch immer bestimmte ist, sondern nur, daß es mit dieser Auswahl möglich ist, eine vergleichende Gegenüberstellung von unterschiedlichen Zeit- und Politikbegriffen vorzunehmen, um damit meine Behauptung zu stützen oder auch nicht.
Für den Zeitbegriff kann ich keine Beschreibung oder Abgrenzung nen-nen, die die Frage "Was ist "Zeit"?"sogleich und hier für die sieben ausgewählten "Politischen Theorien" gemeinsam beantworten kann. Der Zeitbegriff bildet nicht nur in der wissenschaftlichen Fachsprache die Grundlage des Verstehens der Ordnungen in der zu verstehenden Welt, indem er (wie z.B. in den Natur-wissenschaften) als Bestandteil der angenommenen vier-dimensionalen "Raumzeit" zusammen mit dem Raumbegriff die-jenige Struktur bildet, in die alle Inhalte eingeordnet werden. Ebenfalls gehört der Zeitbegriff in der Alltagssprache der Menschen zu einer Selbstverständlichkeit, da die Annahme der Menschen von ihrem Leben in einem "Zeitraum" als Wirklichkeit verstanden wird. Deshalb stellt sich mit der Frage nach dem Zeitbegriff die Frage nach der selbstverständlichen Grundlage oder der grund-legenden Selbstverständlichkeit von "Zeit" und "Raum".[16]
2.1. Zur Allgemeinheit des Zeitbegriffs und dessen Verbindung mit dem Raumbegriff
Der Zeitbegriff erscheint innerhalb der wissenschaftlichen Fach-sprache sowie in der Alltagssprache der Menschen, und zwar nicht nur einzeln, sondern ebenfalls in Verbindung mit dem Raumbegriff. In den Begriffen des "Zeitraums" und der "Raumzeit" stehen die Begriffe "Zeit" und "Raum" in vertauschter Reihenfolge zusammen und bilden damit zwei weitere verschiedene Begriffe. Insgesamt liegen also vier Begriffe vor, was die Frage nach der "Zeit" zu der Frage erweitert, ob, und wenn ja, in welchem Zusammenhang diese Begriffe zueinander stehen: "Zeit", "Raum", "Zeitraum" und "Raumzeit". Es läßt sich die Frage stellen, ob es möglich ist, einen der Begriffe einzeln zu bestimmen, oder ob sich die Begriffe nur gemeinsam und jeweils durch einander verstehen lassen und damit wiederum selbstverständlich, aber eben nur selbstverständlich und damit nicht verständlich sind.
Selbstverständlich ist sowohl in Wissenschaftssprache wie auch in All-tagssprache, daß es "Zeit" und "Raum" gibt, nicht aber keine "Zeit" oder keinen "Raum". Fraglich ist, ob es "Zeit" ohne "Raum" gibt, und auch, ob es "Raum" ohne "Zeit" gibt. Es scheint eine Verbindung von "Zeit" und "Raum" zu geben, die untrennbar ist: eine Einheit von "Zeit" und "Raum" trotz ihrer sogenannten Verschiedenheit: In der Sprache wird begrifflich geschieden, was es möglicherweise nicht einzeln gibt, sondern nur zusammen als Einheit. In der Theorie oder auch in der Philosophie wird begrifflich geschieden, was es in der Praxis oder auch in der sogenannten "Politik" möglicherweise nicht einzeln gibt, sondern nur als Einheit. Das praktische oder sogenannte "politische" Handeln gibt es selbstverständlich nur innerhalb eines "Zeitraums" und innerhalb der "Raumzeit"[17], also auch nur in der "Zeit" und im "Raum". Das theoretische oder philosophische Denken gibt es möglicherweise jenseits und außerhalb von "Zeit" und "Raum", um die Selbst-verständlichkeit von "Zeit" und "Raum" und deren Verbindung ver-stehen zu können. "Zeit" und "Raum" können nur in Trennung von "Zeit" und "Raum" und von "Zeitraum" und "Raumzeit" gedacht und unterschieden werden und nicht in Einheit des Denkens mit der Einheit von "Zeit" und "Raum" in "Zeitraum" und "Raumzeit": Zur Erkenntnis und zur Unterscheidung ist Trennung notwendig.
2.2. Zu Besonderheiten von Zeitbegriffen und deren
Verbindung mit Raumbegriffen
In "Politischer Theorie" sind "Zeit" und "Raum" auf verschiedene Wei-se erkannt und beschrieben worden, was diese Arbeit zeigt. Ich behaupte, daß es keine "Politische Theorie" gibt, der keine Selbstverständlichkeit einer theoretischen oder philosophischen Erkenntnis von "Zeit" und "Raum" zum Verständnis von praktischem oder sogenanntem "politischem" Handeln innerhalb eines "Zeitraums" der "Raumzeit" zugrundeliegt. Oder:
Ich behaupte, daß jeder "Politischen Theorie" eine Selbstverständlichkeit einer theoretischen oder philoso-phischen Erkenntnis von "Zeit" und "Raum" zugrunde-liegt, die zu einem Verständnis von praktischem oder so-genanntem "politischem" Handeln innerhalb eines "Zeit-raums" und innerhalb der "Raumzeit" führt.
Durch Gegenüberstellung der besonderen Selbstverständlichkeiten der theoretischen Erkenntnisse und der besonderen Verständnisse von praktischem Handeln wird im folgenden der jeweilige Zusammenhang von Selbstverständlichkeit und Verständnis aufgezeigt.
2.2.1. Theoretische oder philosophische
Wirklichkeitsentwürfe und
2.2.2. Praktische oder sogenannte "politische"
Verwirklichungen
Diese Gegenüberstellung erfolgt dadurch, daß zuerst die besonderen Selbstverständlichkeiten der theoretischen oder philosophischen Er-kenntnisse als theoretische oder philosophische Wirklichkeitsentwürfe und dann die besonderen Verständnisse des praktischen oder sogenannten "politischen" Handelns als praktische oder sogenannte "politische"Verwirklichungen aufgezeigt werden.
2.2.1.1. Zur linearen Zeitstruktur (auch 2.2.2.1.) und
2.2.1.2. Zur zyklischen Zeitstruktur (auch 2.2.2.2.)
Bezüglich der Struktur der "Zeit" lassen sich die beiden unterschied-lichen Vorstellungen und Anschauungen von linearer und zykli-scher Zeitstruktur unterscheiden. Mit dieser Unterscheidung will ich keine Aussage verbinden, in welchem Verhältnis Linearität und Zykli-zität einer Zeitstruktur zueinander stehen, also ob sie sich gegenseitig ausschließen, einander widersprechen, miteinander vereinbar sind oder sich gegenseitig ergänzen, oder ob es sogar eine "richtige" und eine "falsche" Vorstellung von "Zeit" gibt. Zur Strukturierung dieser Arbeit bietet sich die Unterscheidung von linearer und zyklischer Zeitstruktur an und ich will im folgenden die einzelnen Autoren jeweils einer Zeitstruktur zuordnen, um unter den sieben ausgewählten Autoren eine Einordnung vornehmen zu können. Mit diesen beiden unterschiedlichen Annahmen über die Struktur der "Zeit" sind unvermeidlich jeweils auch bestimmte Eigenschaften von "Zeit" bestimmt:
Die lineare Zeitstruktur ergibt die anschauliche Darstellung der "Zeit" als Vorstellung einer Geraden. Mit der Vorstellung einer Geraden im "Raum" ergibt sich eine eindimensionale Gerade innerhalb eines dreidimensionalen "Raumes". Mit der Annahme eines unendlichen "Raumes" ist die Annahme einer endlichen oder unendlichen Geraden verbunden: Ist der "Raum" offen und nicht geschlossen, also unbegrenzt und unendlich, dann ist die Gerade endlich oder unendlich, mit oder ohne Anfang und Ende. Ist der "Raum" jedoch endlich, so muß auch die Gerade endlich sein und einen Anfang und ein Ende haben.
Die zyklische Zeitstruktur ergibt die anschauliche Darstellung der "Zeit" als Vorstellung eines Kreises. Mit der Vorstellung eines Krei-ses im "Raum" ergibt sich ein zweidimensionaler Kreis innerhalb eines dreidimensionalen "Raumes". Für die Annahme der Struktur der "Zeit" als die eines Kreises ist die Endlichkeit oder Unendlichkeit des "Rau-mes" unbedeutend. Der Kreis ist eine gekrümmte und geschlossene Linie, die weder Anfang noch Ende hat und auf der jeder Punkt gleich weit vom Mittelpunkt des Kreises entfernt ist. Der Kreis ist endlich, denn seine Größe und damit sein Umfang sind endlich, und der Kreis ist auch unendlich, denn es gibt auf der Kreislinie keinen Punkt, der Anfang und nicht auch Ende ist, und der Anfang und Ende voneinander unterscheidet. Damit bestehen in der "Zeit" weder Anfang noch Ende und die "Zeit" ist ein sich unendlich wiederholender endlicher Kreislauf.
Ist die "Zeit" linear, so verläuft sie in eine Richtung und damit von je-dem beliebigen Punkt auf der Geraden hin zu einem nächsten weiter. Jeder Punkt kann ein Anfang und auch ein Ende sein, jedoch nur ein Anfang für das Folgende und ein Ende für das Vorangegangene.
Ist die "Zeit" zyklisch, so verläuft sie mit einer Krümmung um den Mittelpunkt des Kreises herum, nämlich in sich, mit sich und durch sich selbst. Jeder Punkt kann ein Anfang und auch ein Ende sein, ist das jedoch von immer demselben Kreis, wodurch jedes noch Folgende gleich dem schon Vorangegangenen ist.
Für die lineare Zeitstruktur gilt also: das Folgende ist anders als das Vorangegangene, Folgendes und Vorangegangenes sind von jedem Punkt aus verschieden, denn sie werden durch jeden Punkt vonein-ander geschieden . Für die zyklische Zeitstruktur gilt jedoch: das Folgende und das Vorangegangene sind von jedem Punkt aus gleich.
Dabei kann dieses zugleich Vorangangene und Folgende jedoch möglicherweise von jedem Punkt in der "Zeit" aus anders erkannt werden.
Schaubild 1: Darstellung von linearer und zyklischer Zeitstruktur
in Verbindung mit endlichem oder unendlichem "Raum"
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(die Stellung der Achsen zueinander in der Darstellung ist unbedeuend, wenn nicht die Achsen des
"Raumes" in eine Ebene oder miteinander zusammenfallen und dadurch eine Achse fehlt)
Bei der Bearbeitung der besonderen Zeitbegriffe unterscheide ich die Zeitbegriffe von Platon, Jesus, Augustinus, Kant und Marx und Engels, die eine lineare Zeitstruktur aufweisen, von den Zeitbegriffen von Buddha und Nietzsche, die eine zyklische Zeitstruktur aufweisen. Die Behauptung, Platon, Jesus, Augustinus, Kant und Marx und Engels würden eine zyklische Struktur der "Zeit" annehmen, oder Buddha und Nietzsche würden eine lineare Struktur der "Zeit" annehmen, ist damit nicht möglich,[18] auch wenn sich möglicherweise in den Werken neben den jeweils linearen und nicht-zyklischen oder zyklischen und nicht-li-nearen Zeitbegriffen auch "Erfahrungen" oder "Erscheinungen" aufzeigen lassen, die die jeweils andere Struktur aufweisen.
Die Bearbeitungen von Platon, Augustinus, Kant, Marx und Engels, Buddha und Nietzsche sind Textdeutungen von mir, die ich keinen anderen als den von mir angegebenen Quellen entnommen habe. Bei der Bearbeitung von Jesus wiederhole ich teilweise nur die in den Überlieferungen enthaltenen Aussagen und beziehe mich auf vorhandene Textdeutungen von Altem und Neuem Testament.
2.2.1.1.1. Platons "Erkenntnis" von "Zeit" und "Raum"
2.2.1.1.1.1. "Gott" als Ursache der "Zeit" im "Timaios"
Die Rede des Timaios über die Entstehung der Welt und des Alls beginnt mit einer Frage zur "Zeit": die Frage nach dem Anfang der "Zeit" des Alls, "nämlich in wie fern es entstanden ist oder aber unentstanden von Ewigkeit war"[19]. Beantwortet wird diese Frage damit, daß
"es entstanden und von einem Anfange ausgegangen ist ..., denn es ist sichtbar und fühlbar und hat einen Körper, alles so Beschaffene aber ist sinnlich wahrnehmbar, und das sinnlich Wahrnehmbare, welches der Vorstellung mit Hülfe der Sinne zugänglich ist, erschien uns als das Werdende und Entstandene."[20]
Das "Werdende" oder das "Werden" entspricht somit der Welt und dem All. Die Welt und das All hat "Gott" als Schöpfer nach dem "Vorbild" des "Ewigen" geschaffen:
"So ist denn auch jene [die Welt (siehe Zusammenhang im "Timaios")][21] als eine solche ins Leben gerufen worden, die nach dem Urbilde dessen entstanden, was der Vernunft und Erkenntnis erfaßbar ist und beständig dasselbe bleibt"[22]:
Das "Sein". Aus diesem "Sein" ist das "Werden" oder die "Welt ... durch "Gottes" Vorsehung entstanden"[23]. "Gott" ist die Ursache für die Entstehung des "Werdens" aus dem "Sein". Demnach ist "Gott" der Schöpfer der "Zeit".
2.2.1.1.1.2. Die Planeten [24] als von "Gott" eingesetzte
"Zeiger" der "Zeit"
Mit der Schöpfung der "Zeit" entsteht die Zeitlichkeit, die der Zeitlosigkeit des ewigen "Seins" entgegengesetzt ist. "Gott" macht bei der Schöpfung der Welt
"ein bewegtes Bild der Ewigkeit ..., um zugleich dadurch dem Weltgebäude seine innere Einrichtung zu geben, von der in der Einheit beharrenden Ewig-keit ein nach der Vielheit der Zahl sich fortbewegendes dauerndes Abbild, nämlich eben das, was wir Zeit genannt haben. Nämlich Tage, Nächte, Mona-te und Jahre, welche es vor der Entstehung des Weltalls nicht gab, läßt er jetzt bei der Zusammenfügung desselben zugleich mit ins Entstehen treten. Dies alles aber sind Teile der Zeit und das War und Wirdsein sind Formen der entstandenen Zeit, obwohl wir mit Unrecht, ohne dies zu bedenken, dieselben dem ewigen Sein beilegen. ... es sind dies (Alles) die Formen der die Ewigkeit nachahmenden und nach den Zahlenverhältnissen im Kreise sich fortbewegenden Zeit geworden."[25]
Zur Hervorbringung der "Zeit" setzt "Gott" die Planeten in "Bahnen":
"... in Bezug auf die Zeit entstanden, damit dieselbe hervorgebracht werde, Sonne, Mond und die fünf anderen Sterne, welche den Namen der Wandel-sterne tragen, zur Unterscheidung und Bewahrung der Zeitmaße."[26]
"Gott" benötigt also den "Raum", um die Welt zu schaffen und die "Zeit" in ihren verschiedenen Maßen vorzugeben. Durch die Planeten und deren Kreisbewegungen im All werden nicht nur die besonderen Zeitmaße festgelegt, sondern mit der Zeitlichkeit die "Zeit" selbst.
Zur Beschreibung der Schöpfung der Welt durch "Gott" verwendet Platon im "Timaios" die ihm verfügbaren astronomischen und astrologischen[27] Erkenntnisse. Diese Erkenntnisse sind aus Aufzeichnungen von Beobachtungen des Himmels hervorgegangen. Die Besonderheiten der Planeten Merkur und Venus, die aufgrund ihrer geozentrischen Beobachtung sowohl vorwärts als auch rückwärts laufen[28] und damit als Morgen- und Abendsterne gesehen werden können, waren bekannt[29], ebenso die "Durchwanderung" des "Weltenraums" "in gewundener Linie"[30] durch alle Planeten im Laufe ihrer Bewegungen durch den Tierkreis. Alle Himmelsbeobachtungen haben ihre Ursache im Sehen und Erkennen. Diese Voraussetzung des "Sehens" für das "Sehen" der "Dinge" im "Raum" und des "Erkennens" für das "Erkennen" des "Raumes" hebt Platon auch hervor:
[...]
[1] Die Wortschöpfung setzt sich aus "chrono-": "griech. chrónos = Zeit" (Duden 1989, S. 305) und
"polis": "griech. pólis: altgriechischer Stadtstaat" (Duden 1989, S. 1162) zusammen. Zu "pol-" will
ich weiter aufzeigen, daß zum deutschen Wort "Pol" auf dessen Abstammung von "griech. pólos, zu:
pélein = sich drehen“" (Duden 1989, S. 1161, 1162) zu verweisen ist.““
[2] "Zeitungen" bzw. "Zeitung" verstehe ich als "Zeitbestimmung" im Sinne eines "Bestimmens von
Zeit", so wie sich dies im Englischen durch "time" und "timing" verhält. Die in der deutschen Sprache
übliche Verwendung von "Zeitung" als "Tageszeitung" zur regelmäßigen täglichen Textverbreitung
könnte ich weiter als einen Sonderfall der von mir angenommenen Begriffsverwendung aufzeigen. Ich
möchte für diesen einfach erscheinenden Untertitel an dieser Stelle keine genaue Herleitung und "En-
stehungs- und Entwicklungsgeschichte" der einzelnen Begriffe leisten, sondern nur andeuten, daß sich "zu verschiedenen Zeiten" und "an verschiedenen Orten" im üblichen Sinne auch verschiedene "Zeitbestimmungen" und "Ordnungsbestimmungen" aufzeigen lassen. Ich will behaupten, mich bei der Untersuchung von Schriften bzw. Texten zu "Bestimmungen" von Ordnungen (und eben möglicherweise auch "Bestimmungen" von Zeiten oder "Zeitungen") im scheinbar so schwer bestimmbaren "Raum" des "Politischen" zu befinden.
[3] So ist es z.B. auf der Insel "Utopia" im gleichnamigen Werk von Thomas Morus (1516) "verboten," zu
meinen, "die Seele ginge zugleich mit dem Leib zugrunde oder die Welt treibe aufs Geratewohl und
ohne göttliche Vorsehung ihren Lauf." (Morus, S. 130 - 131) Sowohl für den "Lauf der Welt" als
auch für die "Ewigkeit der Seele" ist als Voraussetzung ein Begriff von "Zeit" unerläßlich.
Ebenso geht Eric Voegelin von der Annahme aus: „"Die Existenz des Menschen in politischer Gesell-
schaft ist geschichtliche Existenz. Eine Theorie der Politik, wenn sie zu den Prinzipien vorstößt, muß
zu einer Theorie der Geschichte werden." (Eric Voegelin, Die Neue Wissenschaft der Politik, S. 19)
Für "geschichtliche Existenz" sowie für eine "Theorie der Geschichte" halte ich die Berücksichtigung
von "Zeit" für unvermeidbar. Voegelin schreibt weiter von "Prinzipien der Politik" und von Prinzipien
einer "Philosophie der Geschichte", die an einem "Punkt" "zusammentreffen", bis zu dem "es ...heute
nicht üblich" ist, "ein theoretisches Problem der Politik ... zu verfolgen." (s.o., S. 19)
[4] Üblich in unserer Gesellschaft sind Angaben zur Einordnung eines "Datums" in "die Zeit" in Bezie-
hung zum "Nullpunkt" der christlichen "Zeitrechnung", die "seit" der Geburt von Jesus Christus ge-
mäß dem Julianischen Kalender und dann gemäß dem Gregorianischen Kalender in Gebrauch ist.
Neben dem römischen Kalender, der auch mehrfach geändert werden mußte und sich auf das "Datum" der Gründung der Stadt bezog, sind ebenfalls andere Kalender in anderen Gesellschaften nachweisbar.
Meine Frage nach den Voraussetzungen bezieht sich nicht auf die Festlegung des Bezugspunkts eines Kalenders, sondern auf das "Datum" der Gegebenheit einer "Zeitzählung" und "Zeitrechnung"selbst.
[5] Dohrn-Van Rossum, Die Geschichte der Stunde, Uhren und moderne Zeitordnungen
[6] Dohrn-Van Rossum, S. 13
[7] Elias, Über die Zeit, Arbeiten zur Wissenssoziologie II
[8] Elias, Über die Zeit, S. 164 - 165
[9] Luhmann, Weltzeit und Systemgeschichte, S 96, Kursivschreibung im Original
[10] "Stetigkeit" führe ich zurück auf "stetig", das bedeutet "ohne Unterbrechung" (Duden 1989, S. 1466),
also "ohne Einschnitte in einer Linie" oder "ohne Trennungen verschiedener Punkte"
[11] Platon, Politikos (268 d - 274 e), S. 337 - 353
[12] Platon, Politikos (271 a), S. 343
[13] Zum griechischen Wort "pólis" ist aufzuzeigen, daß es mit dem griechischen Wort "pélein" im Zu-
sammenhang steht, das "sich drehen" bedeutet (Duden 1989, S. 1161, 1162). Da z.B. bei Elias fest-
stellt wird, daß jeder Dorfstaat seinen eigenen Himmel hat (Elias, Über die Zeit, S. 161), und sich
deshalb für jeden Dorfstaat "ein anderer Himmel" dreht oder sich die beobachtbaren Himmelskörper
anders drehen, will ich mit dieser Beziehung darauf hinweisen, daß für jeden einzelnen Ort und damit
für jede an einem bestimmten begrenzten Ort lebende Gemeinschaft die Gleichheit der beobachtbaren Bewegungen und Veränderungen des Himmels oder am Himmel gegeben ist. Dieser gemeinsame Ort ist damit auch der gemeinsame "Pol" oder "Mittelpunkt" der beobachtbaren Bewegungen, um den sich die Himmelskörper drehen oder zu drehen scheinen. Die gemeinsam beobachtbare "Gegenwärtigkeit" der Erscheinungen am Himmel ist also durch die gemeinsame Anwesenheit am demselben Ort gege ben. Zum Wort "Gegenwart" weise ich deshalb darauf hin, daß entgegen der üblichen Verwendung im "zeitlichen" Zusammenhang "Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft" hier ein räumliches Verhältnis vorliegt: Die beobachtende Gemeinschaft steht an ihrem "Pol" oder Ort einem "gemeinsamen Himmel""gegen-über", der von der gemeinsamen "Warte" aus beobachtet wird. Zum Wort "Warte" ist demgemäß eine räumliche Beschreibung zu finden: "Warte": "hochgelegener Platz, von dem aus die Umgebung gut zu überblicken ist" (Duden 1989, S. 1712). Der Gemeinschaft der Menschen in einer "Polis" ist demgemäß also der gemeinsame Ort und deshalb die gleiche Beobachtung des Himmels gemeinsam und deshalb "gegenwärtig".
[14] Voegelin, Die Ordnung der Geschichte enthüllt sich aus der Geschichte der Ordnung, S. 19 - 21
[15] Zusätzlich zu den gewöhnlich zu "Politischer Theorie" gerechneten Werken von Platon, Augustinus,
Kant und Marx und Engels will ich in dieser Arbeit auch die gewöhnlich als "Religionen" bezeichneten Überlieferungen von Buddha und Jesus und die gewöhnlich der "Philosophie" zugeordneten Werke von Nietzsche als "Politische Theorien" zulassen, was durch diese Arbeit als möglich aufgezeigt
werden soll. Eine Übernahme der gewöhnlichen Zuordnungen würde diese Arbeit einschränken.
[16] Diese Frage stelle ich in Vergegenwärtigung des Kinderreimes, der Ein- und Ausklang der von mir
gesehenen Kindersendung Sesamstrasse war. Der Reim lautet: "Der, die, das; wieso, weshalb,
warum; wer nicht fragt bleibt dumm. Tausend schöne Sachen, die gibt es überall zu sehn; manch-
mal muß man fragen, um sie zu verstehn." Ohne diesen Reim selbst in seine zeit- und raumbezogenen Bestandteile zu zerlegen, will ich gemäß dem Inhalt des Reimes mit dieser Arbeit die Frage nach dem Zeitbegriff, die möglicherweise damit auch eine Frage nach dem Raumbegriff ist, stellen, um herauszufinden, ob sich auf diese Frage eine Antwort finden läßt oder nicht. Eine mögliche Feststellung wäre auch: "Manchmal nutzt kein Fragen, um sie zu verstehn." Möglicherweise sind "Zeit" und "Raum" genau keine "Sachen", die es "zu sehn" gibt, weshalb man dann nicht nach ihnen fragen kann ...?
[17] während im allgemeinen Sprachgebrauch vom "Zeitraum" auch der Plural Verwendung findet, es also
sowohl einen Zeitraum als auch viele Zeiträume gibt, ist dies für die"Raumzeit" nicht so. Ich
übernehme diesen allgemeinen Sprachgebrauch.
[18] Bernulf Kanitscheider behauptet z.B., Nietzsches Annahme der Struktur der "Zeit" sei die einer
unendlichen Geraden innerhalb der Lehre von der ewigen Wiederkehr und der ewigen Wiederkunft:
"Die Zeit hat die offene Topologie einer Geraden, die von - bis + reicht". (Kanitscheider 1988:
Nietzsches Idee des zyklischen Universums vor dem Hintergrund der heutigen physikalischen Kosmo-
logie, in: Albertz, Jörg (Hg.) 1988, S. 135)
Diese Aussage ist nur aus einer Anschauung innerhalb des Kreises der "Zeit", innerhalb der zykli-
schen "Zeit", möglich: Die "Zeit" verläuft unendlich im endlichen Zyklus und kann damit auch linear
gedacht werden, dies jedoch nur im Zyklus. Die Wiederkehr ist unendlich: eine ewige, wieder
und wieder im Kreis sich kehrende, drehende "Zeit", damit also eine zyklische "Zeit":
Nietzsche lehrt die ewige Wiederkehr. Die zyklisch wiederkehrende "Zeit" kehrt ewig wieder zum
gleichen Augenblick hin und zurück, ist also deshalb auch eine ewige Wiederkunft: Nietzsche lehrt die
ewige Wiederkunft. Kanitscheider benutzt die Begriffe Wiederkehr und Wiederkunft austauschbar
(siehe S. 133, 134). Ihr Zusammenhang ergibt sich aber nur aus der zyklischen Struktur der "Zeit",
die Kanitscheider nicht erkennt und darum eine lineare Struktur der "Zeit" unterstellt, die seinem
physikalisch-naturwissenschaftlichen Zeitverständnis entspricht und die er bei seiner Interpretation von
Nietzsches Lehre beibehält. Zum Verständnis von Nietzsches Lehre siehe 2.2.1.2.2., 2.2.2.2.2..
Ebenso ist bei Platon die Behauptung einer zyklischen Struktur der "Zeit" nicht möglich. Wie 2.2.1.1.1.
und 2.2.2.1.1. zeigen, folgt die lineare Struktur der "Zeit" aus Zyklen der Bewegung der Planeten im
"Raum". Die Zyklen bestehen dabei im "Raum", nicht in der "Zeit".
[19] Platon, Timaios (27 c), S. 235
[20] Platon, Timaios (28 b, c), S. 237
[21] Anmerkung von mir
[22] Platon, Timaios (29 a), S. 237
[23] Platon, Timaios (30 b, c), S. 241
[24] Die 7 Planeten oder Wandelsterne bei Platon: Sonne, Mond, Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn
[25] Platon, Timaios (37 d - 38 a), S. 257
[26] Platon, Timaios (38 c), S. 259
[27] zum astrologischen Bezug im Timaios z.B. (40 c, d), S. 265 - 267: "Die Reigenbewegungen
.. von diesen selber und ihre gegenseitigen (Annäherungen und) Begegnungen, und was sich auf die
Rückkehr ihrer Bahnen in sich selber und ihr Vorrücken bezieht, ferner welche von den Göttern bei
den Vereinigungen einander nahe und wie viele einander gegenübertreten, und hinter welchen die
einzelnen, indem sie einander ins Licht treten, und zu welchen Zeiten sie sich für uns verbergen und,
wenn sie dann wieder zum Vorschein kommen, Furcht vor dem, was bevorsteht, und Vorzeichen des-
selben für Die, die nicht zu rechnen verstehen, mit sich bringen." Auch im Timaios (90 c, d), S. 421:
"..., dem Göttlichen in uns aber verwandt sind die Gedankenbewegungen und Kreisläufe des Alls.
Ihnen also muß ein Jeder folgen und die Kreisbewegungen, die in unserem Haupte, aber gestört durch
die Art unserer Entstehung, Statt finden, durch Erforschung der Harmonie und der Kreisläufe des Alls
in Ordnung bringen, und so das Denken zur Ähnlichkeit mit dem Gedachten seiner ursprünglichen
Natur gemäß erheben, um so dasjenige Ziel des Lebens zu erreichen, welches den Menschen von den
Göttern als das vollendetste vorgesteckt ist für die gegenwärtige und die folgende Zeit."
[28] auch die anderen damals bekannten Planeten Mars, Jupiter und Saturn laufen teilweise rückwärts, und
zwar Mars ca. 9 % seiner Umlaufzeit, Jupiter 30 %, ... doch sind diese Erscheinungen weniger auf-
fällig, da sie in Opposition, in Gegenüberstellung zur Sonne stattfinden, im Gegensatz zur Rückwärts-
bewegung von Merkur und Venus, die in Konjunktion, in Gleichstellung mit der Sonne erfolgen und
deshalb als Morgen- oder Abenstern sichtbar sind. Dies ist in der Unterscheidung von inneren und
äußeren Planeten in Bezug zur Erde begründet. (Sullivan, Erin: Rückläufige Planeten, Wettswil (CH)
1993, Original "Retrograde Planets", Harmondsworth (GB) 1992)
[29] Platon, Timaios (38 c, d), S. 259, 261
[30] Platon, Timaios (39 d, e), S. 263
- Arbeit zitieren
- Oliver Linden (Autor:in), 1995, Untersuchungen zum Zusammenhang von Zeitbegriff und Politikbegriff an den Beispielen von PLATON, JESUS, AUGUSTINUS, KANT, MARX/ENGELS, BUDDHA und NIETZSCHE, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102