Was bedeutet es, "belizisch" zu sein, wenn die nationale Identität fließend und die sprachliche Vielfalt schier unendlich ist? Diese Frage steht im Zentrum einer bahnbrechenden Studie, die die tiefgreifenden Verbindungen zwischen Sprache, Kultur und Identität in dem mittelamerikanischen Land Belize erkundet. Anhand von Interviews und Beobachtungen entschlüsseln Tabouret-Keller und Le Page das Konzept der "acts of identity" – jene unbewussten sprachlichen und sozialen Handlungen, durch die Individuen ihre Zugehörigkeit definieren und aushandeln. Die Leser erwartet eine Reise in eine faszinierende Gesellschaft, in der die Wahl des Dialekts, der Akzent und selbst einzelne Wörter zu machtvollen Werkzeugen der Selbstinszenierung werden. Es wird analysiert, wie sich ethnische Zugehörigkeiten manifestieren, wie sich die koloniale Vergangenheit in der Gegenwart widerspiegelt und wie sich der Einzelne in einem komplexen Netz aus Tradition und Moderne positioniert. Jenseits sprachwissenschaftlicher Fachbegriffe bietet dieses Buch einen ebenso aufschlussreichen wie zugänglichen Einblick in die Mechanismen, die unsere Identität prägen. Es zeigt, wie Sprache nicht nur Kommunikationsmittel, sondern auch ein Spiegel der Gesellschaft und ein Schlüssel zum Verständnis kultureller Vielfalt ist. Für Sprachwissenschaftler, Kulturanthropologen und alle, die sich für die Dynamik von Identität interessieren, ist dies eine unverzichtbare Lektüre. Die Untersuchung der sprachlichen und kulturellen Vielfalt in Belize bietet wertvolle Einblicke in die Identitätsbildung und die Rolle von Sprache in multikulturellen Gesellschaften. Erforschen Sie die Komplexität von Sprache und Identität in einer Gesellschaft im Wandel. Entdecken Sie die subtilen, aber wirkungsvollen "acts of identity", die unser soziales Gefüge formen. Tauchen Sie ein in die Welt von Belize, wo Sprache mehr ist als nur ein Werkzeug – sie ist ein Ausdruck des Selbst und ein Fenster zur Seele einer Nation. Eine tiefgreifende Analyse der sprachlichen Identitätsfindungsprozesse und deren Auswirkungen auf das soziale Gefüge.
Inhalt
1 Einleitung
2 Die Untersuchungen von Tabouret-Keller & Le Page
2.1 Das Land Belize
2.2 Ablauf und Ergebnisse
3 Was ist ein „act of identity“?
3.1 Thesen und Deutungen
3.2 Soziales Verhalten - „projection“, „focussing“, „diffusion“
4 Schluß: „Prolls“ und „Machos“ - Kategorienbildung und „Schubladendenken“ durch acts
5 Anhang: Wirtschaftskarte Belize
1 Einleitung
Im folgenden wollen wir versuchen, die These von Tabouret-Keller und Le Page zu verdeutlichen, wonach Konzepte wie Sprache und Gesellschaftsordnung durch sogenannte Identitätshandlungen („acts of identity“) entstehen, die Indivi- duen im Umgang mit sich und anderen durchführen[1].
Die Theorie der „acts of identity“ markiert einen Wendepunkt im Kontext des Seminars, da sie einen neuen Zusammenhang zwischen Sprache und Kultur erkenntlich macht. Das Verständnis von Sprache als System mit festen Strukturen und Grenzen ändert sich in Richtung eines freieren Zugangs, der Sprache als Norm versteht, die sich erst durch ihren Gebrauch definiert. Tabouret-Keller und Le Page sehen veränderliches Sprachverhalten als Norm an, ein Sprachverhalten also, dem keine starren Regeln zugrunde liegen. Das subjektive Sprachverhalten des Individuums beeinflußt seine Umgebung im engeren wie im weiteren Sinne und bildet damit die Schnittstelle zwischen Individuum und Gesellschaft, zwischen „individueller Sprache“ und Kultur. Sprache kann somit als primäres Kommunikationsmittel hinsichtlich sozialer Lebensorganisation beschrieben werden.
2 Die Untersuchungen von Tabouret-Keller & Le Page
2.1 Das Land Belize
Belize liegt in Mittelamerika auf dem südöstlichen Teil der Halbinsel Yucatán. Es grenzt im Norden unmittelbar an Mexiko und teilt die West-/Südgrenze mit Guatemala. Charakteristisch für Belize ist das Küstenland mit seinen Sümpfen, Lagunen und den Maya Mountains im Südwesten. Ursprünglich von Mayas bevölkert, wurde Belize in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts britische Kolonie
mit dem Namen „British Honduras“. 1964 erlangte Belize innere Autonomie und damit erstmals eine teilweise Unabhängigkeit von Großbritannien. 1973 taucht Belize erstmals als eigenständiger Name auf, und das Land erreicht 1981 unter diesem Namen die vollständige Unabhängigkeit. Die Bevölkerung von Belize wuchs seit 1970 (120.000 Einwohner) rasant auf cirka 215.000 Einwohner (Stand: 1995), das entspricht einem Anstieg um 80%. Die größte Bevölkerungs- gruppe stellen mit 44% die Maya-Spanier (Mestizen) gefolgt von 30% Kreolen (englischsprachige Schwarze / Mulatten) und 11% Inder/Mayas. Des weiteren gibt es kleine Minderheiten bestehend aus Weißen und Indern. Wichtigstes Exporterzeugnis ist in erster Linie Zucker mit 40 %, es folgen Zitrusfrüchte, Fische und Holz.
2.2 Ablauf und Ergebnisse
Die Ergebnisse, die Tabouret-Keller und Le Page vorlegen, beruhen auf Untersuchungen, die beide seit Ende der 60er Jahre durchführten, hauptsächlich auf Interviews und Umfragen, die auch teilweise mit identischem Personenstamm wiederholt wurden, um eine eventuelle Entwicklung abzulesen. Belize erschien den Autoren aufgrund seiner geschichtlichen Entwicklung und der anzutreffenden sprachlichen Gegebenheiten für ihre Untersuchungen geeignet, so ist beispielsweise der Begriff der nationalen Identität noch nicht fest geprägt und eine einheitliche Sprache mit der bzw. über die eine Identifikation erfolgen kann, nicht vorhanden. Vielmehr wird in Belize ein „bunter Mix“ an Sprachen gesprochen, der von Gruppe zu Gruppe, aber auch von Sprecher zu Sprecher, beispielsweise in der Familie, variieren kann. Tabouret- Keller und Le Page beobachteten dies unter anderem am Beispiel von Irma Fairley (s. Abbildung 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1
Ein weiteres interessantes Ergebnis liefert eine Umfrage von 1970, in der die Teilnehmer nach ihrer ethnischen Identität gefragt wurden, d. h. nach ihrem Selbstverständnis gemäß der Idee einer ethnischen Zugehörigkeit. Dabei fällt auf, daß es eine hohe Vielzahl verschiedener Begriffe für dieselbe Ethnie gibt.
Ein drittel der Befragten sieht sich als kreolisch, „miksup“ bzw. schwarz, ein viertel als spanisch und 12% als Indianer/Maya. Mehreren Ethnien fühlen sich 17% zugehörig (s. Abbildung 2).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2
[...]
Häufig gestellte Fragen
Worum geht es in dem Text?
Der Text ist eine umfassende Sprachvorschau, die Titel, Inhaltsverzeichnis, Ziele und Schwerpunktthemen, Kapitelzusammenfassungen und Schlüsselwörter umfasst. Es wird die These von Tabouret-Keller und Le Page erläutert, wonach Konzepte wie Sprache und Gesellschaftsordnung durch sogenannte Identitätshandlungen („acts of identity“) entstehen.
Was sind "acts of identity"?
„Acts of identity“ sind Handlungen, die Individuen im Umgang mit sich und anderen durchführen und durch die Konzepte wie Sprache und Gesellschaftsordnung entstehen. Die Theorie der „acts of identity“ markiert einen Wendepunkt, da sie einen neuen Zusammenhang zwischen Sprache und Kultur erkenntlich macht.
Was ist das Besondere an Belize im Kontext der Untersuchungen?
Belize erschien Tabouret-Keller und Le Page aufgrund seiner geschichtlichen Entwicklung und der anzutreffenden sprachlichen Gegebenheiten geeignet für ihre Untersuchungen. Der Begriff der nationalen Identität ist dort noch nicht fest geprägt, und es existiert keine einheitliche Sprache, mit der bzw. über die eine Identifikation erfolgen kann.
Was sind die wichtigsten Erkenntnisse der Untersuchungen in Belize?
Die Untersuchungen zeigen, dass in Belize ein „bunter Mix“ an Sprachen gesprochen wird, der von Gruppe zu Gruppe, aber auch von Sprecher zu Sprecher variieren kann. Eine Umfrage von 1970 zeigt eine hohe Vielzahl verschiedener Begriffe für dieselbe Ethnie.
Wer sind Tabouret-Keller und Le Page?
Tabouret-Keller und Le Page sind die Autoren der Theorie der "acts of identity". Sie führten seit Ende der 60er Jahre Untersuchungen in Belize durch, hauptsächlich Interviews und Umfragen, um die Zusammenhänge zwischen Sprache, Identität und Gesellschaft zu untersuchen.
- Quote paper
- Christoph Zeidler (Author), 2000, Acts Of Identity, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102286