Der Niedergang des Schwedischen Großreiches. Auswirkungen der Schlacht von Poltawa 1709 auf das kulturelle Gedächtnis

Anleitung für eine didaktische Aufarbeitung der historischen Ereignisse im Geschichtsunterricht


Masterarbeit, 2020

258 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Aktualitat, Relevanz, Aufbau
1.2 Themenwahl
1.3 Forschungsstand
1.4 Zielsetzung
1.5 Fragestellung und Teilbereiche
1.6 Begriffe
1.6.1 GroBreich, Imperium, Weltreich

2 Das Schwedische Reich
2.1 Unabhangigkeit und fruhe Phase
2.2 Kampf um die Herrschaft uber den Ostseeraum - dominium maris Baltici
2.3 Der DreiBigjahrige Krieg - Schwedens Aufstieg zur GroBmacht
2.4 Absolutismus und Heeresreform
2.4.1 Das Schwedische Reich ab
2.4.2 Karl
2.4.3 Errichtung des Absolutismus
2.4.4 Die neue Infanterie - Reformierung und Professionalisierung des Heeres

3 Die Zeit der groBen Siege und des Untergangs
3.1 Peter I. „der GroBe“ und Karl XII. - „der Beinahe-GroBe“?
3.1.1 Peter I. Alexejewitsch Romanow
3.1.2 Karl XII. von Wittelsbach
3.1.3 Gegenuberstellung
3.2 Der GroBe Nordische Krieg bis
3.3 Der Russlandfeldzug
3.4 Die Schlacht von Poltawa
3.4.1 Anfangsposition (siehe Anhang 2.5)
3.4.2 Durchbruch der Infanterie (siehe Anhang 2.6)
3.4.3 Vorbereitungen zur finalen Phase (siehe Anhang 2.7)
3.4.4 Der Entscheidungskampf (siehe Anhang 2.8)
3.4.5 Flucht (siehe Anhang 2.9)

4 Die Auswirkungen der Schlacht bei Poltawa
4.1 Die Schlacht von Poltawa als „Entscheidungsschlacht“?
4.2 Unmittelbare Auswirkungen der Schlacht
4.3 Heutiger Wirksamkeitsgrad der Schlacht von Poltawa
4.3.1 Kollektives Gedachtnis und kulturelle Identitat
4.3.1.1 Gedachtniskonstruktionen
4.3.1.2 Erinnern und Vergessen
4.3.1.3 Das nationale Gedachtnis
4.3.2 Kulturelles Gedachtnis
4.3.3 Schweden
4.3.4 Russland
4.3.5 Ukraine

5 Didaktischer Teil
5.1 Lehrplan
5.1.1 RZG 6.1, 3 Weltgeschichtliche Kontinuitaten und Umbruche erklaren
5.1.2 RZG 7.2, 3 Geschichtskultur analysieren und nutzen
5.2 Konzentration auf epochaltypische Schlusselprobleme im Geschichtsunterricht
5.3 Die didaktische Analyse nach Klafki
5.4 Kooperative Lernmethode
5.4.1 Definition
5.4.2 Vorgehen

6 Fazit
6.1 Was sind die Auswirkungen der Schlacht von Poltawa als Entscheidungsschlacht?
6.1.1 Teilbereich 1: Wie kam es zur Bildung und zum Niedergang des Schwedischen GroBreiches?
6.1.2 Teilbereich 2: Die Schlacht von Poltawa - Entscheidungsschlacht oder bloBes Gemetzel?
6.1.3 Teilbereich 3: Wie wird historischen Ereignissen gedacht?

7 Schlusswort

8 Bibliografie
8.1 Literatur
8.2 Internet
8.3 Quellenverzeichnis

9 Abbildungsverzeichnis

10 Glossar

1 Anhang 1: Quellen
1.1 Voltaire uber Karl
1.2 Abschiedsrede Gustav II. Adolf
1.3 Gesundheitszustand Karls
1.4 Friedrich der GroBe uber Karl

2 Anhang 1: Karten
2.1 Anhang 2.1: Karte 1; Das Heilige Romische Reich 1618 -
2.2 Anhang 2.2: Karte 2; Wichtige Feldzuge im DreiBigjahrigen Krieg
2.3 Anhang 2.3: Karte 3; Die Erwerbung und der Verlust der GroBmachtstellung
2.4 Anhang 2.4: Karte 4; Die territorialen Verluste Schwedens nach dem Friedenschluss des GroBen Nordischen Krieges
2.5 Anhang 2.5: Anfangsphase der Schlacht von Poltawa
2.6 Anhang 2.6: Durchbruch der Infanterie
2.7 Anhang 2.7: Vorbereitung zur finalen Phase
2.8 Anhang 2.8: Der Entscheidungskampf
2.9 Anhang 2.9: Die Flucht

3 Anhang 3: Die schwedischen Konige bis Karl
3.1 Anhang 3.1: Gustav I. Wasa
3.2 Anhang 3.2: Erik
3.3 Anhang 3.3: Johann
3.4 Anhang 3.4: Sigismund
3.5 Anhang 3.5: Karl

4 Anhang 4: Galerie
4.1 Anhang 4.1: Abb. 1; Belagerung und Sturm auf Magdeburg
4.2 Anhang 4.2: Abb. 2; Schlacht von Breitenfeld
4.3 Anhang 4.3: Abb. 3; Schlacht bei Rain am Lech
4.4 Anhang 4.4: Abb. 4; Schlacht von Lutzen
4.5 Anhang 4.5: Abb. 5; Gustav II. Adolfs Tod
4.6 Anhang 4.6: Abb. 6; Begegnung der Verbundeten
4.7 Anhang 4.7: Abb. 7; Schlacht von Poltawa
4.8 Anhang 4.8: Abb. 8; Karl XII. und Mazeppa

5 Anhang 5: Unterrichtsplanungen
5.1 Lektion 1 - Die Entstehung des Schwedischen Reiches
5.2 Lektion 2 - Die Errichtung des Absolutismus in Schweden
5.3 Lektion 3 - Herrscherbiografien & Bundnissysteme
5.4 Lektion 4 - Der GroBe Nordische Krieg
5.5 Lektion 5 - Kriegstaktiken des 18. Jahrhunderts und Gedenken an Vergangenes

6 Anhang 6: Unterrichtsmaterialien
6.1 Anhang 6.1: Materialien fur Lektion
Anhang 6.1.1: Unabhangigkeit und fruhe Phase
Anhang 6.1.2: Kampf um die Herrschaft uber den Ostseeraum - dominium maris

Baltici 159
Anhang 6.1.3: DreiBigjahriger Krieg - Teil 1
Anhang 6.1.4: DreiBigjahriger Krieg - Teil 2
Anhang 6.1.5: Karte Entwicklung des Schwedischen Reiches 1521 - 1721
Anhang 6.2: Materialien fur Lektion 2
Anhang 6.2.1: Dossier Staatsaufbau
Anhang 6.2.2: Absolute Monarchie
Anhang 6.2.3: „Ein Portrait entschlusseln“ nach P. Gautschi, Zeitreise
Anhang 6.2.4: Herrscherbilder
Anhang 6.3 Materialien zu Lektion 3
Anhang 6.3.1: Biografien
Anhang 6.3.2: Quellenanalysemethoden
Anhang 6.3.3: Datenblatter Kriegsnationen/Karte Europa um 1700
Anhang 6.3.4: Nationenschilder
Anhang 6.4 Materialien zu Lektion 4
Anhang 6.4.1: Notizzettel Lehrervortrag „GroBer Nordischer Krieg“
Anhang 6.4.2: Die Schlacht von Poltawa
Anhang 6.4.3: Arbeitsblatt Film
Anhang 6.5 Materialien zu Lektion 5
Anhang 6.5.1: Taktiken
Anhang 6.5.2: Kollektives und kulturelles Gedachtnis
Anhang 6.5.3: Placemat Vorlage fur 4 Gruppenmitglieder

1 Einleitung

1.1 Aktualitat, Relevanz, Aufbau

Die durch den gewaltsamen Tod des US-Amerikaners George Floyd ausgebrochenen gesell- schaftlichen Unruhen in den USA und einigen europaischen Landern, die sich unter dem Slogan „Black Lives Matter“ zu einer internationalen Bewegung formierten, lassen in den westlich gepragten Nationen das Phanomen des Geschichtsrevisionismus beobachten (vgl. Nuspliger 2020, in: NZZ 2020, 18. Juni; vgl. Rueegg, Stein 2020, in: NZZ 2020, 07. Juni). Statuen von historischen Personlichkeiten, welche von der Gesellschaft bis anhin der offentlichen Huldi- gung als wurdig erachtet wurden, landen, wie in Bristol geschehen, im Hafenbecken oder wer- den musealisiert (vgl. ibid.). Es stellt sich im Angesicht solcher Vorgange die Frage, welchen Stellenwert kann oder soll Erinnerungen zugeschrieben werden, die lange vergangene Ereig- nisse betreffen und erst zu einem viel spateren Zeitpunkt wieder - unter Umstanden nicht ohne politische Nebenabsichten - aktualisiert werden? Unter diesem Gesichtspunkt wird die Ver- gangenheit entweder zum Arsenal, aus dem sich jeder, wenn es erforderlich erscheint, bedienen kann, oder zur Buchse der Pandora, aus der jene Ubel der eigenen Lebensgeschichte schlupfen, denen wir dann nicht so einfach entkommen. Erinnerungspolitik bedeutet also auch zu fragen, welche Macht der Vergangenheit uber die Gegenwart eingeraumt wird. In diesem Zusammen- hang leistet die vorliegende Schrift einen Beitrag zum erinnerungspolitischen Diskurs und ladt dazu ein, das Phanomen der Erinnerungskultur durch das Prisma eines fur Mitteleuropa dezent- ralen, vergangenen Konflikts zu betrachten.

Der Frage nach dem Einfluss des kollektiven und kulturellen Gedachtnisses geht die vor- liegende Arbeit anhand der Schlacht von Poltawa, welche am 08. Juli 1709 zwischen Russen, Schweden und ukrainischen Kosaken ausgefochten wurde, nach. Die Leserinnen und Leser werden im ersten Teil uber die Entstehungsgeschichte des schwedischen GroBreiches sowie der ersten Phase des GroBen Nordischen Krieges hin zur Schlacht von Poltawa gefuhrt, welche gemeinhin als Entscheidungsschlacht des Konfliktes, in dessen Rahmen sie geschlagen wurde, gilt. Die Bezeichnung „Entscheidungsschlacht“ wird dabei als Klassifizierungsmerkmal ver- standen. Der zweite Abschnitt untersucht die Anwendung dieser Charakterisierung der Schlacht von Poltawa auf ihre Tauglichkeit hin. Weiter wird die historische sowie aktuelle Bedeutung der Schlacht von Poltawa fur die damals beteiligten Nationen aufgegriffen und in Bezug auf das fur jede Nation eigene kollektive sowie kulturelle Gedachtnis hin untersucht. Den dritten Teil dieser Schrift bilden die Prasentation didaktischer Grundkonzepte des Geschichtsunter- richts sowie eine mogliche Verarbeitung des fachwissenschaftlichen Wissensbestandes der ers- ten beiden Abschnitte anhand der Kompetenzen des Lehrplans 21. Die vorliegende Arbeit ist als Literaturarbeit konzipiert.

1.2 Themenwahl

Seit langerem befasste sich der Autor auf privater Basis mit der groBten militarischen Katastro­phe Europas und besonders Deutschlands vor den beiden Weltkriegen, dem DreiBigjahrigen Krieg. Trotz seiner ungeheuerlichen Dimensionen, auf die damalige Bevolkerung hochgerech- net waren die Verlustraten hoher als jene des Zweiten Weltkrieges, findet dieses fur die Entste- hung und das Selbstverstandnis Europas essentielle Ereignis im regularen Geschichtsunterricht wahrend der obligatorischen Schulzeit kaum oder keine Beachtung. Es ist daher auch beinahe unbekannt, dass Schweden, in Neutralitatsfragen eine Schwesterrepublik der Schweiz, fur circa einhundert Jahre als GroBmacht das politische Geschehen Europas mitbeeinflusste und sein Niedergang mit dem gleichzeitigen Aufstieg Russlands verbunden ist. Im Angesicht der neues- ten geopolitischen Verwerfungen im Nahen Osten sowie an der ostlichen Peripherie Europas, in beiden Fallen ist Russland als Konfliktpartei stark involviert, erschien es dem Autoren ange- zeigt, das im Unterrichtskanon vernachlassigte kurze Kapitel europaischer Geschichte, in wel- chem sich die Etablierung sowie der Niedergang des Schwedischen Reiches und der Aufstiegs Russlands zur mitdominierenden internationalen Macht abspielten, aufzugreifen und den Lese- rinnen und Lesern zu prasentieren. Das entscheidende historische Ereignis im Kontext des Nie- dergangs des Schwedischen GroBreiches und dem Aufstieg Russlands, der GroBe Nordische Krieg, wird im Themenkanon der obligatorisch-schulischen Lehrplane nicht berucksichtigt. Um einer geschichtsunterrichtlichen Konzeption gerecht zu werden, die den Anspruch erhebt, gegenwartsbezogen zu agieren und somit die Aktualitat der Vergangenheit zu vermitteln, ist es notwendig, die Ursprunge der aktuellen Vorkommnisse zu beleuchten. Das Nachvollziehen der historischen Prozesse, die zu heutigen politischen Spannungen und kriegerischen Handlungen fuhren, explizit genannt sei der Ukrainekonflikt und Russlands Ringen mit dem Westen um Einfluss in diversen geopolitischen Spharen, ist eine wertvolle und auBerst wichtige Kompetenz zum Verstandnis der aktuellen Lage und dem Eruieren moglicher zukunftiger Entwicklungen.

Es gilt zu beachten, dass sich der Konflikt in Nordeuropa des fruhen 18. Jahrhunderts als Untersuchungsobjekt fur den Unterricht maBgeblich eignet, da es sich beim GroBen Nordischen Krieg ausschlieBlich um einen Territorial- und Hegemonialkrieg handelt und dass sich dieser Konflikt aufgrund seiner Einfachheit, seiner Eindimensionalitat als verstandlicher fur die Ler- nenden erweisen wird als die komplexe, mehrere diverse Ebenen umfassende Struktur eines DreiBigjahrigen Krieges. Diesen Vorteil wird es der Schulerschaft ermoglichen, sich auf die Thematik des Krieges, seiner Grunde und Folgen, einzulassen und sich gut zurechtzufinden. Als Gegenargument der Behandlung des GroBen Nordischen Krieges als Unterrichtsgegenstan- des kann die Tatsache aufgefuhrt werden, dass dieser Konflikt Mitteleuropa und somit den un- mittelbaren geografischen Raum der Schweiz nicht tangiert. Die Herstellung eines Gegenwarts- bezuges fur die Schulerschaft erscheint demnach als schwierig. Der Autor ist allerdings der Ansicht, dass die Ergrundung des Aufstiegs Russlands zur europaischen GroBmacht eine aktu- elle Bedeutung fur die Geschehnisse auf der weltpolitischen Buhne besitzt und daher fur die Lernenden aktuell und relevant ist. Weiter kann im Sinne einer Dezentralisierung, eines Abru- ckens vom Helvezentrismus, die Auseinandersetzung mit einem Forschungsgegenstand, wel- cher nicht mit der direkten Lebenswelt der Schulerinnen und Schuler zusammenhangt, den Bil- dungshorizont erweitern. Beispielsweise lasst sich die Einfuhrung des Absolutismus in Schwe- den als Schablone verwenden, um eine alternative Perspektive zum allgemein vorherrschenden franzosischen Beispiel zu gewinnen.

Unbestritten haben jede Kultur und jede Zivilisation ihre eigenen Geschichten, Mythen, Legenden und Helden. Wie es zur Bildung eines kollektiven Gedachtnisses und Gedenkens sowie einer allgemeingultigen Geschichte innerhalb einer Gesellschaft kommt, soll ebenfalls in dieser Arbeit, exemplarisch an der Schlacht von Poltawa, aufgezeigt werden. Der Frage nach der Bildung und dem Einfluss vom kollektiven Gedachtnis wird ebenfalls in der Unterrichts- einheit nachgegangen. Viel zu selten werden die Lernenden mit der Moglichkeit konfrontiert zu hinterfragen, woher allgemeingultiges Wissen kommt und was wirklich dahintersteckt. Diese Gelegenheit greift der padagogische Teil der vorliegenden Arbeit auf und versucht somit der Schulerschaft die Option zu geben, die Kultur, in der sie sich bewegt, neu zu entdecken und zu hinterfragen.

1.3 Forschungsstand

Die Literaturrecherche, welche sich aus sprachkenntlichen Grunden des Autors primar auf den deutschen und angelsachsischen Publikationsraum sowie Schriften aus der Ukraine und Russ- land in diesen beiden Sprachen beschrankte, ergab, dass die Epoche des schwedischen GroB- reiches im deutschen Forschungsraum unterbelichtet ist. Die vorhandene Sekundarliteratur be- schrankt sich primar auf den DreiBigjahrigen Krieg und vor diesem Hintergrund mit dem Wir- ken Schwedens im Ostseeraum, welches aber immer nur ein Teilaspekt des groBten Religions- krieges auf dem Gebiet des Heiligen Romischen Reiches Deutscher Nation bleibt. Die wenigen Publikationen, welche sich mit der GroBmachtzeit Schwedens befassen, fokussieren weniger auf die Prozesse der Entstehung und des Niedergangs Schwedens als europaische Macht ersten Ranges, sondern richten ihr Augenmerk als Biografien auf die beiden Lichtgestalten der schwe- dischen Geschichte, Gustav II. Adolf und Karl XII. Die altesten Publikationen in dieser Form entstanden im 19. Jahrhundert, als die Historiographie in den Diensten eines Nationalbewusst- seinsbildungsprozess standen und dementsprechend die untersuchten Personlichkeiten entwe- der als Vor- oder Feindbild darstellten, nicht frei vom Einfluss eigener Uberzeugungen und Narrativen. Eine groBe Ausnahme bildet dabei die Abhandlung Johann Gustav Ferdinand Droy- sen, der in seiner Biografie uber Gustav II. Adolf sowie seiner Geschichte des DreiBigjahrigen Krieges bestrebt ist, ein HochstmaB an Wissenschaftlichkeit zu erreichen.

Die angelsachsische Forschung uber Schweden als GroBmacht setzt ebenfalls im 19. Jahr- hundert ein, wobei das Augenmerk stark auf Karl XII. gerichtet ist. Dies mag damit zusammen- hangen, dass GroBbritannien zur gleichen Zeit, als der GroBe Nordische Krieg tobte, mit Frank- reich im Spanischen Erbfolgekrieg um die Hegemonie in Europa rang. Von britischer Seite her, obwohl es nicht zu einer direkten Verknupfung dieser beiden Konflikte kam, bestanden den- noch Interessensverbindungen, primar durch die Handelsrouten in der Ostsee, welche durch einen Krieg in dieser Region bedroht waren und das drohende Ausscheiden der norddeutschen Verbundeten aus dem Krieg mit Frankreich, welche ihre Armeen durch eine massive schwedi- sche Bedrohung der Heimatlander zuhause benotigen wurden.

Russische wie auch ukrainische Sekundarliteratur war dem Autor nur mangelhaft verfug­bar, da die Sprachbarriere nicht uberwunden werden konnte. Aus den wenigen in englischer Sprache vorliegenden Schriften leitet sich jedoch das Bild ab, dass die junge ukrainische For- schung bemuht ist, ein an Europa angelegtes Narrativ zu belegen um die Verbundenheit mit Westeuropa zu verdeutlichen und sich von Russland abzuheben. Die russischen Untersuchun- gen zielen hingegen dahin, den ersten groBen Abwehrsieg uber eine westeuropaische Macht in ein Kontinuum mit den Siegen uber Napoleon Bonaparte im Jahre 1812 und die Wehrmacht wahrend des deutsch-sowjetischen Krieges 1941-1945 zu stellen. Dies wird detailliert in Kapi- tel 6 dargestellt.

Die in die Arbeit einbezogenen schwedischen Forschungen stutzen sich primar auf die Schriften von Dr. Peter Englund, der sich einen Namen als Koryphae der schwedischen Ge- schichte des 17. und 18. Jahrhunderts gemacht hat und dessen Werke auch auf Englisch er- schienen sind. Altere Forschungen sowie die verwendeten Quellen wurden dem Autor freund- licherweise vom schwedischen Reichsarchiv zur Verfugung gestellt und ubersetzt. Anhand die- ser Auswahl kann folgendes Bild gezeichnet werden: Im 19. Jahrhundert wie auch wahrend des Kalten Krieges herrschte ein sehr positives Narrativ uber die vergangene GroBmachtzeit und seine Kriegerkonige vor. Grunde waren dafur einerseits nationalistisch-patriotische Motive, an- dererseits wurde der vergangene Kampf gegen das russische Zarenreich als Vorreiterrolle und Bestimmung Schwedens in die aktuelle geopolitische Situation wahrend des Kalten Krieges ubertragen. Heutzutage ist dieses Narrativ uberholt und die Zeit als GroBmacht wird eher ver- drangt. Kapitel 6 nimmt sich dieser Thematik an.

Im deutschsprachigen Raum sind das Ehepaar Jan und Aleida Assmann seit Jahrzehnten auf dem Forschungsgebiet der Erinnerungskulturen fuhrend. Ihre Erkenntnisse und Definitio- nen besitzen nach wie vor Gultigkeit. Die Forschung von Marko Demantowsky uber „Public History“ enthalt aufgrund des Publikationsdatums die neuesten Resultate, welche in Bezug zur Thematik der Erinnerungskultur im deutschen Sprachgebiet vorhanden sind. Das Kapitel 6 stutzt sich im Rahmen der Behandlung der Erinnerungskulturen auf die Arbeit dieser drei For- schenden. Die alleinige Fokussierung auf die in deutscher Sprache erschienenen Publikationen lasst die angelsachsische Forschung ganz auBen vor. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass der Autor im Hinblick auf die Schulerschaft, welche sich moglicherweise mit dieser Thematik auseinandersetzen wird, sprachliche Hurden vermeiden sowie eine dem Lebensraum der Schu- lerinnen und Schuler verbundene Forschung prasentieren wollte.

Diese Arbeit knupft an die dargelegten Forschungsstande an und widmet sich, nebst der Entstehungsgeschichte des schwedischen Reiches, intensiv der Etablierung nationaler Narra­tive sowie der Bildung kultureller und kollektiver Gedachtnisse. Ein Ziel dabei ist die Dezent- ralisierung des mitteleurozentrischen Blickes auf einen Konflikt in einer Randregion und seine damaligen und heutigen Auswirkungen.

1.4 Zielsetzung

Ziel dieser Arbeit ist es, dass sich die Schulerinnen und Schuler mit einem Schlusselereignis beschaftigen, das heutzutage wenig beachtet wird, namlich dem Aufstieg Russlands und seiner Beerbung Schwedens als GroBmacht ersten Ranges, dessen Auswirkungen bis heute spurbar sind. Dazu dient der Ansatz von Klafki, sich mit epochaltypischen Schlusselproblemen exemp- larisch auseinanderzusetzen. Dieser Theorie folgend werden unter anderem die makropoliti- schen Ursachen (Klafki 1985: 57) des GroBen Nordischen Krieges behandelt.

Als zweites Ziel soll der Schulerschaft vor Augen gefuhrt und bewusst gemacht werden, dass sich Gesellschaften nicht ausschlieBlich uber die reinen Fakten historischer Begebenheiten definieren, sondern sie sich ihr Verstandnis der Vergangenheit zusammenstellen und so zurechtrucken, dass es eine identitatsstiftende Wirkung entfalten kann. Die Schlacht von Poltawa, als kriegsentscheidendes Ereignis im Ringen Schwedens und Russlands, dient exemplarisch als Untersuchungsgegenstand, um zu Beleuchten, wie die damals beteiligten Nationen heute dieser Begebenheit gedenken. Diesem Umstand Rechnung tragend, werden im Hinblick auf die Vorbereitungen eines spateren Ubertrittes an eine weiterfuhrende Schule und der Schulung eines kritischen Geistes geschichtswissenschaftliche Werkzeuge, wie beispiels- weise das Analysieren von Quellen, in einer Unterrichtseinheit eingeubt und angewandt.

1.5 Fragestellung und Teilbereiche

Schwedens Niedergang und Russlands Aufstieg - Was sind die Auswirkungen der Schlacht von Poltawa als Entscheidungsschlacht?

Abgeleitet von den Zielsetzungen lassen sich fur die drei Teilbereiche eine Leitfrage sowie folgende Prazisierungen formulieren. Zur Beantwortung der Leit- sowie Teilfragen wird ein Sekundarliteraturkorpus herangezogen, welcher diverse Analysen zu den jeweiligen Teilberei- chen enthalt und somit dem Leser oder der Leserin einen Auszug aus dem wissenschaftlichen Diskurs zuganglich macht. Weiter werden, wo dies dem Autor angebracht erscheint, punktuell zeitgenossische Quellen zur Verdeutlichung der historischen Ereignisse herangezogen und kurz erlautert.

Teilbereich 1

Wie kam es zur Bildung und zum Niedergang des Schwedischen GroBreiches?

Zur Prazisierung der Leitfrage werden folgende Aspekte hervorgehoben:

- Der Aufstieg Schwedens zur europaischen Macht ersten Ranges
- Die Einfuhrung des Absolutismus durch Konig Karl XI.
- Schwedens Kampf um die Behauptung der innegehaltenen Stellung im GroBen Nordi­schen Krieg
- Die Entscheidungsschlacht bei Poltawa 1709

Teilbereich 2

Die Schlacht von Poltawa - Entscheidungsschlacht oder bloBes Gemetzel?

Zur Prazisierung dienen folgende Aspekte:

- Charakterisierung einer Entscheidungsschlacht
- Die Folgen der Schlacht von Poltawa

Teilbereich 3

Wie wird historischen Ereignissen gedacht?

Die Prazisionsfragen in diesem Teilbereich lauten:

- Was ist das kollektive Gedachtnis?
- Was ist das kulturelle Gedachtnis?
- Wie manifestieren sich diese beiden Phanomene bei den historischen Erben der Schlacht von Poltawa (Schweden, Russland, Ukraine)?

1.6 Begriffe

1.6.1 Grofireich, Imperium, Weltreich

Im Zusammenhang mit der Bezeichnung des schwedischen Herrschaftsgebietes spricht die For- schung spatestens seit der Thronbesteigung Gustav II. Adolfs 1611 vom schwedischen Grofi- reich. Dieser Begriff wird in dieser Arbeit konsequent verwendet und jener des Imperiums ver- mieden, auch wenn in der Forschung die Bezeichnungen Imperium, Grofireich sowie Weltreich oft synonym verwendet werden. Diese gleichbedeutende Verwendung sei dem Umstand ge- schuldet, dass es derzeit keine einheitliche Definition gabe, was beispielsweise ein Imperium von einem GroBreich und von einem Weltreich unterscheide, was seine Alleinstellungsmerk- male waren (vgl. Huhnholz 2014). Zwar verweist Huhnholz (ibid.) darauf, dass in der jungeren politikwissenschaftlichen Forschung eine Reihe von Abgrenzungskriterien, Handlungsmotive sowie machttheoretische Strukturmodelle angeboten wurden, diese sich aber primar auf die Differenzen zwischen Territorialstaaten und Imperien, GroB- sowie Weltreiche beziehen. Der Autor dieser Arbeit sieht allerdings einen Unterschied zwischen Imperien/Weltreichen und GroBreichen. Imperien reklamieren die politische Dominanz uber weite Teile der ihnen bekann- ten Welt, was bisweilen in Anspruche auf Weltherrschaft gipfelt. Herfried Munkler definiert Imperien wie folgt:

Imperien sind mehr als groBe Staaten; sie bewegen sich in einer ihnen eigenen Welt. Staa- ten sind in eine Ordnung eingebunden, die sie gemeinsam mit anderen Staaten geschaffen haben und uber die sie daher nicht allein verfugen. Imperien dagegen verstehen sich als Schopfer und Garanten einer Ordnung, die letztlich von ihnen abhangt und die sie gegen den Einbruch des Chaos verteidigen mussen. [...] Wahrend Staaten an den Grenzen anderer Staaten Halt machen und es ihnen selbst uberlassen, ihre inneren Angelegenheiten zu re- geln, mischen sich Imperien in die Verhaltnisse anderer ein, um ihrer Mission gerecht zu werden. Deshalb konnen Imperien auch sehr viel starker Veranderungsprozesse in Gang setzen, wahrend die Ordnung der Staaten durch einen strukturellen Konservatismus gepragt ist (Munkler 2005: 8).

Als weitere Eigenschaft von Imperien fuhrt Munkler (2010) in seinem Aufsatz fur Docupedia- Zeitgeschichte das asymmetrische Verhaltnis der Imperien gegenuber ihren Nachbarlandern auf. Grenzen bedeuteten fur sie (die Imperien) nicht das Aufeinandertreffen gleicher Rechte und Pflichten, sondern die imperiale Macht beanspruche auf dem Territorium der Anrainer ei- nen Einfluss fur sich, den sie diesen auf ihrem eigenen Gebiet niemals zugestehen wurde (ibid.).

Diese Charakteristika treffen in gewissem Masse auch auf GroBreiche zu, doch ist ihr Einfluss regional viel begrenzter. Das schwedische Reich beispielsweise beeinflusste den gan- zen Ostseeraum, doch erstreckte sich seine Hegemonie niemals uber mehrere Kontinente. So- mit lasst sich kein Anspruch auf Weltherrschaft ableiten und von einem Weltreich/Imperium kann gemaB obgenannter Definition auch keine Rede sein. Der Autor folgert aus diesen Uber- legungen, dass der Ausdehnungsgrad des Hegemonial- sowie unmittelbaren Herrschaftsberei- ches eine Differenz zwischen Grofi- und Weltreichen/Imperien darstellt. Weiter lasst sich aus diesen dargelegten Grunden die Vermeidung des Terminus Imperium im Zusammenhang mit dem schwedischen Reich begrunden.

2 Das Schwedische Reich

In diesem Kapitel werden die erste Leitfrage sowie ihre Unterfragen behandelt und beantwortet. Es handelt sich hierbei um eine Zusammenfassung der Entstehungsgeschichte des Schwedi- schen Reiches vom Beginn des 16. Jahrhunderts weg bis hin zum Ende der GroBmachtsphase im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts. Das Schwedische Reich existierte in kleinerer Form uber den Kollaps des GroBreiches hinaus weiter und bewahrte sich eine gewisse politische Bedeu- tung im nordeuropaischen Raum, doch wurden angesichts der Starke der nun etablierten euro- paischen GroBmachte sowie der eigenen Schwache nach dem mit desastrosen Auswirkungen auf die eigene Okonomie sowie Demographie verbundenen GroBen Nordischen Krieg keine auf totale Hegemonie ausgerichtete Herrschaftsziele mehr verfolgt.

2.1 Unabhangigkeit und fruhe Phase

Das Konigreich Schweden ist im Vergleich zu den Kronen Englands, Frankreichs oder der ver- gangenen Kaiserwurde des Heiligen Romischen Reiches Deutscher Nation eine junge Monar­chie, der obendrein von Anfang an das Odium der Usurpation anhaftete, da nur zwei der ersten funf Konige des Hauses Wasa durch die regulare Thronfolge an die Macht gekommen waren und dabei von ihren eigenen Verwandten gesturzt wurden. Hochst interessant sind daher die Umstande, wie eine beinahe standig unter Legitimationsdruck stehende Monarchie es innerhalb kurzester Zeit zuwege brachte, ein GroBreich zu schaffen und den Absolutismus als Staatsform gegen den machtigen Hochadel vollkommen durchzusetzen. Dieses Kapitel zeigt Schwedens Weg zur europaischen GroBmacht ersten Ranges sowie den Wandel der Staatsform weg vom Monarchen als primus inter pares, abhangig vom Hochadel, hin zum alleinigen Inhaber der absoluten Macht, auf.

1397 gelang es der Danenkonigin Margarete die Kronen Danemarks, Norwegens und Schwe- dens unter ihrer Herrschaft zu vereinen (vgl. Junkelmann 1993: 42). Die praktische Verwirkli- chung dieser Vereinigung erwies sich jedoch im Laufe des 15. Jahrhunderts immer wieder als hochst problematisch. Mehrfach traten schwedische „Reichsverweser“ auf, die sich an die Spitze nationaler Erhebungen gegen die als Fremdherrschaft empfundene Regierung der Da- nenkonige setzten. Doch gingen mit den Unabhangigkeitskampfen immer Entzweiung und Bur- gerkriege einher, die es den Danen ermoglichten, ihre Oberherrschaft erneut zur Geltung zu bringen (ibid.).

1520 strebte der Konflikt einer entscheidenden Krise zu, da in ihr der Samen des spateren unabhangigen schwedischen Konigtums gesat wurde. Der Reichsverweser Stan Sture der Jun- gere rebellierte offen gegen den danischen Konig. Als die Kirche in die Auseinandersetzungen hineingezogen wurde und Rom das Land schlieBlich mit dem Interdikt belegte, schritt Sture zur Konfiskation von Kirchenbesitz (vgl. Roberts 1968: 45ff.). Der Danenkonig Christian II., der 1520 in Schweden landete, konnte daher sein Eingreifen als Kreuzzug gegen Haretiker recht- fertigen. Sture und seine Anhanger wurden von den Danen geschlagen, wobei Sture selbst ums Leben kam. Christian hielt ein brutales Strafgericht ab, dem 30 adelige Anfuhrer und zahlreiche weitere Anhanger der Sture-Partei im „Stockholmer Blutbad“ zum Opfer fielen (Junkelmann 1993: 42). Damit schien dem nationalen Widerstand das Ruckgrat gebrochen, Danemark be- herrschte wieder unangefochten alle drei Konigreiche. Dies sollte sich aber bald andern, was das Werk eines jungen schwedischen Adeligen war, der dem Massaker knapp entronnen war, Gustav Eriksson Wasa (vgl. Roberts 1968: 45ff.). Bis 1523 eroberte er alle vormals danischen Besitzungen im heutigen Schweden und in Finnland. Am 06. Juni des gleichen Jahres wurde er zum Konig von Schweden gewahlt. Er konnte seine Macht bis zu seinem Tod im Jahr 1560 gegen alle Widerstande erhalten.

Die Nachkommen Gustav I. Wasas auf dem schwedischen Thron waren beinahe unun- terbrochen in familiare Streitigkeiten und Kriege im Baltikum verwickelt (siehe Anhang „Bio- grafien der schwedischen Konige bis Karl IX.“). Erst Karl IX. gelang es ab 1604, seinem Fa- milienzweig die Krone zu sichern. Dies war jedoch mehr das Verdienst seines altesten Sohnes, Gustav II. Adolf, mit dessen Regierungsantritt 1611 die Grundung der schwedischen GroB- machtstellung einhergeht (Junkelmann 1993: 61).1

Der Thronfolger, Gustav II. Adolf, war beim Tode seines Vaters noch keine 17 Jahre alt. Aufgrund der deutschen Abstammung seiner Mutter und des starken Einflusses, den Deutsch­land auf das damalige Kulturleben in Schweden ausubte, durfen wir annehmen, dass Gustav II. Adolf von Kindesbeinen an die deutsche Sprache erlernte. Gustav Adolf wurde grundlich auf seine Rolle als Thronfolger vorbereitet und erzogen. Im Alter von 10 Jahren nahm er erstmals an Ratssitzungen teil, auf dem Reichstag von 1610 trat er bereits als inoffizieller Mitregent seines kranken Vaters in Erscheinung (ibid.). Als Karl IX. starb, hinterlieB er nicht nur ein auBenpolitisch isoliertes und in einem Dreifrontenkrieg am Rande des militarischen Zusam- menbruchs stehendes Land, sondern auch eine wirre Thronfolgeregelung2, die es den uber die Regierungsweise des verstorbenen Konigs emporten Standen erlaubte, den minderjahrigen Kronprinzen unter massiven Druck zu setzen und ihrer Interpretation der Verfassung zum Sieg zu verhelfen (ibid.).

Die drangendste Aufgabe, der sich der neue Konig bei seinem Regierungsantritt 1612 gegenubersah, war die moglichst rasche und glimpfliche Beendigung des von seinem Vater leichtsinnig vom Zaun gebrochenen, militarisch vollig verfahrenen Krieges mit Danemark. Nach einem erbarmungslosen, jedoch unentschiedenen Verlauf des Krieges schlossen die Schweden und Danen auf Druck der Seemachte Holland und England 1613 den Frieden von Knared (Roberts 1973: 76ff.). Dieser fiel fur Schweden trotz der militarisch desolaten Situation gunstig aus, da der Unmut Englands und Hollands vor allem Danemark galt, da die Danen zur Finanzierung des Krieges die Sundzolle drastisch erhoht, uber die schwedischen Hafen eine Blockade verhangt und eine rege Kaperfahrerei betrieben hatten. Vor allem aber wunschte keine der Handelsnationen ein beherrschendes Ubergewicht Danemarks - oder sonst eines Staa- tes - im Ostseeraum, welches sie der Willkur dieser Macht ausgesetzt hatte (ibid.).

2.2 Kampf um die Herrschaft uber den Ostseeraum - dominium maris Baltici

Folgend auf die Auflosung der hanseatischen Hegemonie, zerfiel im 16. Jahrhundert auch die zweite Hauptstutze des deutschen Einflusses im Ostseegebiet, der Ordensstaat in PreuBen und Livland (Junkelmann 1993: 66). Damit entstand ein Machtvakuum, das die Ursache fur den sich anderthalb Jahrhunderte hinziehenden Kampf zwischen Danemark, Polen, Russland und Schweden um das dominium maris Baltici 3, um die Herrschaft uber die Ostsee wurde (Junkel- mann 1993: 71). Durch die Gebiete des Deutschen Ordens und des mit ihm verbundenen Or- dens der Schwertbruder in Livland waren Polen-Litauen und Russland von der Kuste abge- schnitten gewesen. Die Deutschen - Ritterorden und Hanse - hatten so die Ausfuhr dieser Lan­der an Getreide, Holz, Fellen und anderen Produkten unter ihre Kontrolle gebracht. Zar Iwan IV. der Schreckliche zogerte nicht lange, von der sich bietenden Gelegenheit Gebrauch zu ma­chen, und griff 1558 den zerbrockelnden Staat der Schwertbruder an (Kampmann 2008: 11ff.). Polen stellte sich der russischen Expansion entgegen und kam damit einem Antrag des GroB- meisters der Schwertbruder nach, der Livland unter den Schutz des Konigs von Polen-Litauen gestellt hatte. Der Bischof von Osel hingegen wandte sich an Danemark, welches die Insel ge- gen Bezahlung in Besitz nahm. Die Stadt Reval schlieBlich sandte ein Hilfegesuch nach Stock­holm, auf welches der damalige Konig Erik XIV. sofort einging, vorausgesetzt, die Stadt wurde schwedisch. So kam Reval 1561 an Schweden und bildete den ersten „uberseeischen“ Stutz- punkt des Landes (Junkelmann 1993: 67). Damit war der Weg zum Aufbau eines GroBreichs beschritten, der die schwedische Politik bis 1721 bestimmen sollte. Es waren vor allem han- delspolitische Interessen, die den Konig von Schweden zu diesem Schritt veranlasst haben dur­fen, wenn auch die Absicht, den Erzfeind Danemark, nachdem er bereits Osel erhalten hatte, nicht noch weiter FuB fassen zu lassen, ebenfalls eine gewichtige Rolle gespielt haben wird (Kampmann 2008: 11ff.).

Nachdem mit Danemark der Frieden von Knared geschlossen war, wandte sich Gustav Adolf voll und ganz dem russischen Kriegsschauplatz zu. Da mit Polen seit 1611 ein Waffen- stillstand herrschte, war von dieser Front keine Gefahr zu erwarten. Der Konig konnte einige Erfolge erzielen, musste diese aber mit teils schweren Verlusten erkaufen. Die Seemachte Eng­land und Holland drangten wie bereits in jungster Vergangenheit auf ein schnelles Ende des Konfliktes, da die Kampfhandlungen ihren Handel im Baltikum empfindlich behinderten. 1617 wurde der Vertrag von Stolbowa unterzeichnet, der Schweden eindeutig als Sieger kennzeich- nete. Nebst erheblichen territorialen Gewinnen musste das Zarenreich den Schweden ebenfalls 20 000 Rubel an Kriegsentschadigung entrichten (Junkelmann 1993: 71). Russland sah sich fur den Rest des Jahrhunderts durch die Gebietsabtretungen vom Meer und damit vom lukrativen Handel getrennt; Gustav Adolf triumphierte.4

In der kurzen Zeitspanne, in der Polen mit den Moskowitern weiterhin im Streit lag, Schweden jedoch bereits Frieden geschlossen hatte, bereitete sich Gustav Adolf auf einen Vor- stoB in Richtung Polen vor. Als der Waffenstillstand 1616 auslief und sich die Neuverhandlun- gen ergebnislos dahinzogen, griff der Schwede an und eroberte die wichtigen Hafenstadte Dun- amunde und Pernau. Ersteres ging im Zuge der Kampfhandlungen zwar wieder verloren, doch gelang der Erhalt Pernaus. 1620 wurde wiederum ein Waffenstillstand vereinbart, der Schwe- den vorerst im Besitz der letztgenannten Stadt lieB (Kampmann 2008: 11ff.).

Im gleichen Jahr gelang es dem Schwedenkonig, die Tochter des Kurfursten von Bran­denburg zu ehelichen, welcher ebenfalls in den Besitz des polnischen Lehens OstpreuBen ge- langt war. Diese Allianz brachte ihn in eine vorteilhafte strategische Position gegenuber Polen- Litauen, wurde sein Verbundeter doch in der Lage sein, den Feind vom Westen her zu bedrohen (Junkelmann 1993: 72).

Die Zeit der Brautwerbung nutzte Gustav Adolf fur eine Reise durch Deutschland, in welchem der DreiBigjahrige Krieg bereits in seinem zweiten Jahr und die Sache der Protestan- ten, Pfalzer und Bohmen nicht zum Besten stand (siehe Anhang, Karte 1). Was er von der Fuh- rung der pfalzischen Partei und der protestantischen Union sah, vermittelte ihm den Eindruck von Inkompetenz, Entschlusslosigkeit, Zerstrittenheit, ja Feigheit, und weckte in ihm eine Ver- achtung fur die protestantischen Fursten Deutschlands, die er sich bis an sein Lebensende be- wahrte (Junkelmann 1993: 72).

Die EheschlieBung mit der brandenburgischen Prinzessin Maria Eleonore konnte zu die- sem Zeitpunkt als der Abschluss eines Konsolidierungswerkes gelten, das Gustav Adolf in den ersten neun Jahren seiner Herrschaft geleistet hatte. Im selben Monat, in dem das Konigspaar heiratete, ging der zweijahrige Waffenstillstand mit Polen zu Ende, was einen neuen Waffen- gang um das dominium maris Baltici erwarten lieB, wahrend im fernen Bohmen die Streitkrafte des Kaisers und der Katholischen Liga am WeiBen Berg bei Prag einen triumphalen Sieg uber die Protestanten errangen, der ihnen auf zehn Jahre das Ubergewicht im Deutschen Reich gab (ibid.).

2.3 Der Dreifiigjahrige Krieg - Schwedens Aufstieg zur Grofimacht

Im Jahre 1627 schrieb Gustav Adolf an seinen Kanzler Axel Oxenstierna:

Die Dinge sind so weit gekommen, dass alle Kriege, die in Europa gefuhrt werden, mitei- nander vermischt und zu einem einzigen geworden sind (Diwald 1969: 419).

Der DreiBigjahrige Krieg, gefuhrt als Verfassungs-, Religions- und Hegemonialkrieg, zog bei- nahe alle damaligen europaischen Machte in seinen Sog.5 Die diversen Bundnisschlusse, wel- che der Durchsetzung der jeweiligen Interessen der einzelnen Staaten dienen sollten, taten ihr Ubriges, um alle Staaten miteinander in einen singularen, groBen Krieg zu sturzen. Dabei hatte die Vorstellung von einem Bundnis der katholischen Machte, obendrein noch unter der Fuhrung des Kaisers, keinerlei Realisierungschance (vgl. Munkler 2017: 389). Im Gegenteil: Seit Mitte der 1620er Jahre, als der Kaiser durch die Aufstellung eines eigenen Heeres vom Wohlwollen der katholischen Liga unabhangig geworden war und der bayrische Herzog, ab 1623 Kurfurst, Maximilian an Einfluss verloren hatte, versuchte die franzosische Politik, Anschluss an die protestantischen Machte des Nordens zu gewinnen und in diese konfessionsunabhangige Koa- lition auch Kurfurst Maximilian sowie die von ihm angefuhrte Liga einzubinden (ibid.). Riche­lieu, der zunachst versuchte, uber die Reichsfursten Einfluss auf das Geschehen in Deutschland zu nehmen, wobei stets unklar blieb, ob diese nun vom bayrischen oder vom sachsischen Kur- fursten angefuhrt wurden, sah sich nunmehr gezwungen, auf die Gegner des Kaisers zuzugehen und mit ihnen Allianzen zu schmieden: Da war zunachst das eher lockere Bundnis mit Dane- mark, dem nach dem Ausscheiden der Danen aus dem Krieg 1629 dann eine Allianz mit Schwe- den folgte, die in der zweiten Kriegshalfte den Gang der Ereignisse bestimmte (ibid.).

Gustav Adolf musste sich um die flankierenden Machte Polen und Danemark kummern, bevor er sich auf das Reich konzentrieren konnte: Danemark war durch die starke Flotte der gefahrlichste Konkurrent um die Kontrolle des Meeres, und ohne weitgehende Sicherheiten seitens Danemarks war an einen Feldzug in Deutschland nicht zu denken. Polen hingegen war fur Gustav Adolf bedrohlich, weil dessen Herrscher Sigismund nach wie vor seinen Anspruch auf den schwedischen Thron nicht aufgeben wollte (vgl. Findeisen 2005: 72, siehe Anhang 2). AuBerdem fuhrte der schwedische Konig gegen Polen Krieg, um die Kontrolle uber die Hafen- stadte und Flussmundungen von der Narwa bis zur Weichsel zu erlangen. Auf diese Weise wollte er das Ringen mit Danemark um die Ostseehegemonie fur sich entscheiden: Hatte Chris­tian IV. von Danemark zu diesem Zwecke auf eine starke Flotte gesetzt, so strebte Gustav II. Adolf die Beherrschung des Kustenraums an, um die dort erhobenen Zolle fur sich vereinnah- men zu konnen (vgl. Zernack 1981: 334ff). Handelszolle namlich waren der eigentliche Ertrag des dominium maris Baltici: Christian sammelte sie am Oresund ein; Gustav Adolf hatte dafur die Hafen der ostlichen und sudlichen Kusten im Blick. Zwei unterschiedliche Wege, um zu demselben Ziel zu gelangen. Beide, Christian wie Gustav Adolf, waren indes zu dem Ergebnis gekommen, die Herrschaft im Ostseeraum konne nur dann als dauerhaft gesichert gelten, wenn die dem Deutschen Reich zugehorigen Kustengebiete unter Kontrolle gebracht waren, und des- wegen entschieden sich auch beide, in den auf deutschem Boden gefuhrten Krieg zu interve- nieren (vgl. Munkler 2017: 391). So lautet denn auch des Konigs Kriegsbegrundung vor den Reichsraten in seiner Abschiedsrede vom 19. Mai 1630:

Da Mancher sich einbilden mag, dass wir uns diesen Krieg ohne gegebene Ursache aufbur- den, so nehme ich Gott den allerhochsten, in dessen Angesicht ich hier sitze, zum Zeugen, dass ich solches nicht aus eigenem Gefallen oder Kriegslust unternommen, sondern dazu seit mehreren Jahren auffallende Ursache habe, meist, darum, dass unsere unterdruckten Religi- onsgenossen mogen von dem papstlichen Joch befreit werden, was wir auch mit Gottes Gnade hoffen ausfuhren zu konnen (Klopp 1891: 409).

Das Argument, fur den protestantischen Glauben in den Krieg zu ziehen, war freilich Augen- wischerei. Es diente dazu, die skeptischen Rate zu uberzeugen und ihnen eine moralische Pflicht aufzuerlegen, da es in Gottes Augen gerecht sei, fur die unterdruckten Glaubensbruder im Reich in den Krieg zu ziehen, gar, sich schuldig mache vor dem Allerhochsten, der dies nicht zu tun beabsichtigen wurde. Im Umgang mit den fuhrenden Adeligen seines Reiches be- diente sich der Schwedenkonig freilich handfesterer Argumente, in denen unuberhorbar der schwedische GroBmachtanspruch zum Ausdruck kam. Dieser namlich, so eine der zentralen Begrundungen fur die Intervention in Deutschland, sei durch den Kaiser in Frage gestellt wor­den: zunachst durch dessen Anspruch auf die Vorherrschaft im Ostseeraum, sodann in dem von Wallenstein verfolgten Projekt, fur den Kaiser eine Kriegsflotte aufzubauen und die Kontrolle uber den Ostseehandel sowie die dort erhobenen Zolle zu erlangen; und schlieBlich in der Ent­sendung eines Hilfskorps nach Polen, um die katholischen Wasa zu unterstutzen (vgl. Munkler 2017: 421).

Es war eine eher kleine Streitmacht, mit der Gustav II. Adolf am 26. Juni 1630 nach dem julianischen Kalender - beziehungsweise am 06. Juli nach dem gregorianischen - an der Nord- westspitze von Usedom landete, dort, wo der Peenestrom in das offene Meer mundet. „10.400 Mann Infanterie, 2750 Reiter und 81 leichte Geschutze wurden von der 100 Transportschiffe, 25 Kriegsschiffe und vier bewaffneten Kauffahrer umfassenden Flotte an Land gesetzt.“ (Jun- kelmann 1993: 309) Dies war eine logistische Meisterleistung, doch hatte diese Streitmacht einem entschieden vorgetragenen Angriff der Kaiserlichen kaum standhalten konnen. Der Feind blieb allerdings passiv, der Schwede konnte seine Position in Pommern erweitern und zwei Wochen nach der Landung verfugte Gustav Adolf bereits uber 16 000 Mann Infanterie und 3200 Kavalleristen (vgl. ibid.).

Anders als es wohl vom „Lowen aus Mitternacht“, wie Gustav Adolf in der protestanti- schen Propaganda dargestellt wurde, erwartet, verhielten sich die protestantischen Reichsfurs- ten ihm gegenuber neutral bis abweisend. Weder der sachsische Kurfurst, der Fuhrer der Pro- testanten im Reich, noch der brandenburgische, welcher sein Schwager war, schlugen sich of­fen auf seine Seite. Ihre Gesandten baten, wie dies beinahe alle nichtkatholischen Fursten taten, lediglich darum, der Schwede moge ihre Neutralitat akzeptieren und ihre Lande nicht betreten oder, sofern dies geschehen sei, diese schnellstmoglich wieder verlassen. Der schwedische Mo­narch setzte die aus seiner Sicht feigen und verraterischen Aristokraten jedoch unter starken Druck. Sie mochten fur oder gegen ihn sein, einen Mittelweg gabe es nicht (vgl. Klopp 1891: 478). Trotz allen Bittens und Drohens konnte keine Einigung zwischen dem selbsternannten Retter des deutschen Protestantismus und den zu Rettenden erzielt werden. Vorerst blieb die schwedische Interventionsarmee auf sich allein gestellt. So blieb Gustav Adolf nichts anderes ubrig, als sein Heer durch neue Werbungen auf deutschem Boden zu vergroBern.

Dieser Umstand anderte sich mit der Vernichtung Magdeburgs6. Nach der vollkommenen Zerstorung dieses Symbols des protestantischen Widerstandes gegen den Kaiser durch die Truppen der katholischen Liga, unter dem Kommando Tillys, schlossen sich die entsetzten Fursten dem Schwedenkonig an. Die Folgen dieser Begebenheit sollten ihre Auswirkungen bald auf dem Schlachtfeld zeigen.

Am 17. September 1631 standen sich die vereinigten schwedisch-sachsischen Truppen, zusammen uber 43 200 Mann, und die Armee der katholischen Liga, 32 000 Mann zahlend, bei Breitenfeld nahe Leipzig zur Entscheidungsschlacht gegenuber (Junkelmann 1993: 343).7

Robert Monro, der mit seinem schottischen Regiment an der Schlacht von Breitenfeld auf Seiten der Schweden teilnahm, halt in seinen Kriegserlebnissen mit dem Blick des erfahreneren Militars fest, Tilly habe „das Gelande hochst vorteilhaft fur die Aufstellung seiner Infanterie, der Reiterei und der Artillerie ausgesucht“ und der Feind sei nicht nur durch das Gelande, son- dern auch durch „die Windrichtung und den Sonnenstand“ begunstigt gewesen (Mahr 1995: 134f).

Trotz dieser Widerstande errangen die Schweden einen entscheidenden Sieg, der ihnen die Kontrolle uber Nord- und Mitteldeutschland einbrachte.8 Gustav Adolf marschierte weiter in Richtung Bayern, schlug Tilly, welcher in der Bataille den Tod fand, erneut in der Schlacht bei Rain am Lech und besetzte schlussendlich Munchen. Es war ein unvergleichlicher Sieges- zug durch ganz Deutschland, den niemand in Anbetracht des Kriegsverlaufs der vergangenen zehn Jahre fur moglich gehalten hatte. Es wurde gar daruber debattiert, ob der Schwedenkonig selbst Kaiser des Reiches werden wolle, so umfassend war sein Sieg uber den Kaiser und die katholischen Fursten. Da Wallenstein sich jedoch mit seiner Armee nicht aus Bohmen heraus- bewegte und somit Wien nicht zum Angriff offenstand, verheerte Gustav Adolf Bayern, um Wallenstein zu provozieren. „Bet' Kindchen, bet', morgen kommt der Schwed', morgen kommt der Oxenstern, wird die Kindchen beten lern', bet' Kindchen, bet', “ war ein weit verbreitetes Gedicht in den katholischen Landen zu dieser Zeit und spiegelt die Furcht der Bevolkerung vor der fremdlandischen Soldateska wider (Kuhnel 2007 in: Deutschlandfunk Kultur).

Mit 100 000 Mann ging nun Wallenstein, nachdem Bohmen von den Sachsen gesaubert war, im Fruhjahr 1632 auf die Schweden los. Gustav Adolf, der seine Soldaten auf das ganze besetzte Gebiet verteilen musste, um die Kontrolle aufrecht zu erhalten, konnte sich nicht zur Schlacht stellen und zog sich nach Nurnberg zuruck und befestigte seine Positionen (Munkler 2017: 562ff.). Ein Stellungskrieg war die Folge, bei dem die schwedische Armee langsam an Hunger und Krankheiten zu Grunde zu gehen drohte. Also entschloss sich der Schwedenkonig zu einem Angriff, der die Stellungen des Gegners durchbrechen und seiner Armee Luft verschaffen sollte, doch in einem Fiasko endete (ibid.: 576).

Nach diesem Ruckschlag, der die Reputation des Konigs stark beschadigte und ihm den Nimbus der Unbesiegbarkeit raubte, zog sich Gustav Adolf Mitte September nach Sachsen zu- ruck. Am 05. November 1632 bot Wallenstein bei Naumburg die Schlacht an, der Schwede lieB sich aber nicht auf das neuerliche Kraftemessen ein (Munkler 2017: 581). Wallenstein kam darauf zum Schluss, dass es dieses Jahr keine groBe Schlacht mehr zu schlagen gabe und entlieB seine Truppen in die Winterquartiere. Gustav Adolf, der von der Zersplitterung der feindlichen Krafte erfuhr, zogerte nicht lange und brach mit ca. 20 000 Mann auf, um die Kaiserlichen nun mit uberlegenen Kraften zur Schlacht zu stellen (vgl. Junkelmann 1993: 449ff.). Durch seine ausgeschwarmten Reiter vom schwedischen Heranrucken in Kenntnis gesetzt, lieB Wallenstein eilig Meldereiter lossenden, welche die abgeruckten Regimenter zuruck nach Lutzen beordern sollten (Munkler 2017: 584). Derweil schanzten die Infanterieregimenter. Artilleriestellungen mussten ausgehoben und Erdwalle aufgeworfen werden, hinter denen die Musketiere Deckung und Halt finden konnten. Wallenstein nutzte mit dem Auge des geubten Feldherrn alle sich ihm bietenden Gelandevorteile. Er wurde eine moglichst starke Defensivposition zu halten versu- chen, bis seine zuruckbeorderten Regimenter ihn unterstutzen wurden (ibid.: 586).

Fur Gustav Adolf hingegen war klar, dass er eine Angriffsschlacht schlagen musste, bei der ihm das Uberraschungsmoment verloren gegangen war. Jetzt kam alles darauf an, dass die Schlacht begann, bevor Wallensteins Verstarkungen eintrafen. Mit jeder Stunde, die verging, schmolz die eigene Uberlegenheit dahin (Junkelmann 1993: 453). Aber am Morgen des 16. November lag starker Nebel uber der Ebene von Lutzen, so dass Gustav Adolf zogerte, die Schlacht zu eroffnen. Er selbst fuhrte den rechten, Bernhard von Weimar den linken Flugel. Man kann davon ausgehen, dass der Konig die Entscheidung auf dem rechten Flugel suchen wollte, der dem schwachen linken Flugel Wallensteins gegenuberstand (Munkler 2017: 587).

Die Schlacht wogte den ganzen Tag hin und her, bis Wallenstein gegen Abend den Befehl zum Ruckzug gab, wobei der Sieg symbolisch den Schweden zufiel, doch der Verlust des Ko- nigs, der aufgrund seiner Kurzsichtigkeit in eine Gruppe feindlicher Kurassiere geriet und durch mehrere Kugeln und DegenstoBe getotet wurde, sehr schwer wiegte (ibid.: 595). 9 Betrachtet man den Schlachtverlauf, dann war Lutzen indes eher ein Patt als ein schwedischer Sieg. Das zeigt sich auch in der Verteilung der ublichen Trophaen: So fiel die gesamte kaiserliche Artil- lerie in schwedische Hande, da beim Abzug keine Pferde zur Verfugung standen. Dafur buBten die Kaiserlichen nur wenige Fahnen und Standarten ein, wahrend die Schweden etwa 60 Fahnen verloren (ibid.). Das spricht dafur, dass die entsprechenden Einheiten vollig zerschlagen wor­den waren oder sich in der kurzen Phase der Panik zwischen Gustav Adolfs Tod und der Wie- derherstellung der Lage durch Herzog Bernhard weitgehend aufgelost hatten (ibid.). Dazu passt, dass die Schweden um die 5000 Tote und Verwundete zu beklagen hatten, wahrend es auf Seiten Wallensteins etwa 4000 waren (Junkelmann 1993: 461/Wolke 2007: 68).10

Mit dem Tod Gustav Adolfs hatte Wallenstein das unmittelbare Duell fur sich entschie- den, wobei unklar ist, ob Wallenstein zum Zeitpunkt des Ruckzuges vom Tod des Konigs wusste. Jedenfalls spielte die Siegessymbolik, die der Behauptung des Schlachtfeldes zukam, fur ihn keine Rolle (Munkler 2017: 595).

Die Schweden waren in der Folgezeit mit dem Tod ihres Konigs beschaftigt. Weit mehr noch als Tilly und Pappenheim war Gustav Adolf das Idol des Heers gewesen, und es blieb abzuwar- ten, wie dieses auf den Verlust reagieren wurde. Der Konig war der Kopf und das Herz der schwedischen Kriegsfuhrung in Deutschland gewesen, und es musste geklart werden, wer an seine Stelle treten konnte (Munkler 2017: 596f.). Die politische Leitung, das zeichnete sich fruh ab, wurde Reichskanzler Axel Oxenstierna ubernehmen, der diese Aufgabe bereits fruher ver- schiedentlich innegehabt hatte. Einen unmittelbaren Nachfolger auf dem Thron gab es nicht, da Gustav Adolfs einzige Tochter Christina noch unmundig war. Oxenstierna wurde fur das kom- mende Jahrzehnt zum Kopf der schwedischen Politik, und diese Aufgabe hat er auch in schwie- rigen, mitunter verzweifelten Situationen gemeistert (vgl. Findeisen 2007: 284ff. sowie 367ff.). Die operative Leitung des Heeres konnte Oxenstierna jedoch nicht ubernehmen, da ihm das Kriegswesen und die begeisternd-mitreiBende Art, uber die Gustav Adolf verfugt hatte, fernla- gen. Die Heeresfuhrung teilten sich bis zur Katastrophe von Nordlingen im Jahr 1634 Bernhard von Weimar und Horn, spater ubernahm Baner und nach dessen Tod Torstensson (Munkler 2017: 597). Das Herz der schwedischen Politik, das fur ihre Dynamik und den Rhyth- mus des politisch-militarischen Geschehens gesorgt hatte, konnte jedoch nicht ersetzt werden, und das hatte zur Folge, dass die Direktionsgewalt uber die Entwicklungen zunehmend von Schweden auf Frankreich uberging. Die alles beherrschende Autoritat Gustav Adolfs, sein Selbstbewusstsein und sein Siegescharisma hatten dem bis dahin entgegengestanden (ibid.).

Oxenstierna schaffte es, die schwedische Autoritat in Sachen der Kriegsfuhrung gegen- uber dem sachsischen Kurfursten, der eigene Ambitionen hegte und sich nicht als Befehlsemp- fanger der alleinentscheidenden Schweden sehen wollte, durchzusetzen und auch die schwedi- sche Aristokratie erneut auf den von Gustav Adolf vorgegebene Kriegspolitik einzuschworen, wozu sicherlich auch die Aussicht auf Posten, Beute und Gewinn beitrug, und er spielte die deutschen Protestanten so geschickt gegeneinander aus, dass die kursachsische Politik zunachst keinen Einfluss bekam (ibid.: 601f.). Im Heilbronner Bund verpflichtete Schweden die Mehr- zahl der protestantischen Staaten fur ihre Sache (ibid.).

Die schwedische Lage anderte sich vollkommen mit der Schlacht bei Nordlingen am 05. und 06. September 1634. Aufgrund einer Fehlannahme, die eigenen Truppen zahlten etwa 25 700 Mann und man ging von der gleichen Anzahl beim Feind aus (Munkler 2017: 648f.), drangte Bernhard von Weimar seinen vorsichtigen Mitkommandierenden Horn zu einer Atta- cke auf die Nordlingen belagernden Kaiserlichen unter dem Kommando des Erzherzoges Fer­dinand (III.), dem Sohn des Kaisers, und seines spanischen Vetters, des Kardinalinfanten Fer­dinand, deren Armee tatsachlich 33 000 Mann umfasste (ibid.) .11

Der Krieg ging nach der furchterlichen Niederlage in der Schlacht der Schweden unbeirrt weiter. Frankreich, das sich nach dem Zusammenbruch der schwedischen Macht in Mittel- deutschland veranlasst sah, nun selbst mit Truppen im Reich zu intervenieren (ibid. 657), stutze seinen taumelnden Verbundeten, der sich nach der siegreichen Schlacht von Wittstock 1636 wieder fangen und seine alte Machtbasis wiederaufrichten konnte, jedoch fortan zu einer engen Partnerschaft mit Frankreich gezwungen war und die Autonomie der Jahre 1630-1634 in Fra- gen der Kriegsfuhrung nicht mehr erlangen konnte (vgl. ibid.: 711f.). Die ungeheuren schwe- dischen Siege, die in den 1640er Jahren errungen wurden, wie zum Beispiel in der zweiten Schlacht bei Breitenfeld oder in der Schlacht bei Janknau; unter anderem der schnelle, vollstan- dige Erfolg uber Danemark in einem nur zwei Jahre dauernden Krieg, als Torstensson-Krieg bekannt, ermoglichten es den Schweden, sich in einer auBerst komfortablen Ausgangslage be- findend in die Verhandlungen in Munster und Osnabruck zu begeben (vgl. ibid.: 758ff.).

Die Satisfaktion Schwedens im Westfalischen Frieden bestand in der Ubertragung Vor- pommerns mit Stettin und der Insel Rugen an die schwedische Krone, dazu kamen der Hafen von Wismar als Flottenstation und schlieBlich die Bistumer Bremen und Verden, die vom Kai­ser zuvor zu weltlichen Herzogtumern erklart worden waren (Munkler 2017: 806). Damit kon- trollierten die Schweden die Flussmundungen von Oder, Elbe und Weser, und folglich flossen die dort erhobenen Zolle in ihre Kasse (Heckel 2001: 191). Schweden, das auf diesem Weg Reichsstand des Heiligen Romischen Reiches wurde, kann also als einer der groBen Sieger des Krieges angesehen werden; es hatte seine Kriegsziele weitgehend erreicht (Munkler 2017: 807). Dass es seine Position nicht auf Dauer halten konnte und noch im 17. Jahrhundert wieder zu- ruckgedrangt wurde, lag daran, dass die schwedische Macht bei Kriegsende uberdehnt war, da der Militarapparat, mit dem die Erfolge im Reich errungen worden waren, zu einem erheblichen Teil mit franzosischen Subsidien finanziert worden war und zu mehr als zwei Dritteln aus in Deutschland geworbenen Soldnern bestanden hatte (ibid.). Mit dem Wegfall der Subsidien Frankreichs schrumpfte der Militarapparat und damit auch die auf ihm beruhende Machtstel- lung Schwedens. Ende der 1640er Jahre jedoch gelang es der schwedischen Delegation in Munster, die starke Position auf den Kriegsschauplatzen unmittelbar in politische Macht um- zuformen. Dabei vergaB man nicht, dass politische Macht auch auf wirtschaftlicher Potenz be- ruht, und sicherte sich Zolleinnahmen (ibid.). Man war dem dominium maris Baltici einen ge- waltigen Schritt nahergekommen.

2.4 Absolutismus und Heeresreform

Zu Beginn der Erlauterungen in diesem Kapitel muss erwahnt werden, dass die Regierungszei- ten von Christina I. und Karls X. Gustav, dem Cousin der Konigin Christina, der einzigen Toch- ter Gustav II. Adolfs, ubersprungen wurden. Die Endphase des DreiBigjahrigen Krieges be- stimmte den Beginn der Herrschaft Christinas als volljahrige Konigin. Sie konnte die Fruchte des Sieges genieBen, in dem sie den Stockholmer Hof durch ihr Mazenatentum in nie dagewe- senem Glanze erstrahlen lieB. Unter anderem lieB sie Rene Descartes an ihren Hof laden (vgl. Findeisen 1992).

Karl X. Gustav fuhrte einen auBerst erfolgreichen Krieg gegen Polen, wobei er weite Teile des Landes besetzte und Danemark als Staat beinahe vernichtete. Er nahm den Schwung und die Aggressivitat, welche die Schweden zum Erfolg im DreiBigjahrigen Krieg gefuhrt hat­ten, auf, und konnte sie in weitere militarische Erfolge auf anderen Kriegsschauplatzen um- munzen (vgl. Gerstenberg 1882).

Der Autor erachtet es als wichtig, dass die Hintergrunde, die zum Zeitpunkt der Machter- langung Karls XII., dessen Regierungszeit dieser Teil der Arbeit gewidmet ist, herrschten, be- leuchtet werden. Zu diesem Zweck werden das Heer und der Staat, den Karl von seinem Vater erbte, genauer betrachtet. Ohne dessen Neuerungen waren Karl XII. und Schweden niemals in der Lage gewesen, den GroBen Nordischen Krieg so zu fuhren, wie er gefuhrt wurde. Anderer- seits darf angenommen werden, dass Schweden das weitere sinnlose Gemetzel nach der Ent- scheidung bei Poltawa erspart geblieben ware, hatte der kriegslusterne Konig nicht absolutis- tisch regiert.

2.4.1 Das Schwedische Reich ab 1660

Schwedens Karriere als GroBmacht im 17. Jahrhundert grundete sich auf den Krieg und die Moglichkeiten, die der Krieg schuf (Lundkvist 1973: 33f.). Nach dem Tode Karls X. Gustav, der einen funfjahrigen Sohn gleichen Namens hinterlieB, fur den ein Regentenrat die Fuhrung des Reiches bis zu seiner Volljahrigkeit ubernahm, war Schweden darauf bedacht, die AuBen- politik auf Machterhalt und Friedenswahrung auszulegen, da die benotigten Ressourcen zur Kriegsfuhrung als Folge der Uberdehnung der eigenen Macht nicht mehr aufgebracht werden konnten (Busch 2000: 51). Der amerikanische Historiker Paul Kennedy hat in seiner Analyse des Aufstiegs und Falls der groBen Machte den Begriff der «imperialen Uberdehnung», Impe­rial Overstretch, eingefuhrt und damit Konstellationen bezeichnet, in denen die Anforderungen an den Fortbestand einer politischen Ordnung die verfugbaren Ressourcen und die Bereitschaft der sie tragenden Bevolkerung, diese bereitzustellen, bei weitem ubersteigen (Munkler 2016: 1). Dies trifft auf Schweden in folgendem Masse zu: Um 1625 betrug die Be- volkerung im gesamten Schwedischen Reich schatzungsweise 1.1 Millionen Einwohner, davon lebten zwischen 800 000 und 900 000 im Kernland Schweden, 350 000 bis 400 000 Menschen in Finnland (Junkelmann 1993: 91). Zum Vergleich: „Frankreich hatte damals einschlieBlich Lothringen annahernd 20 Millionen Bewohner, das Deutsche Reich (ohne Bohmen und Mah- ren) 14, Italien 13, Polen mit Litauen 8, Spanien ohne Portugal 7, England mit Wales 4.5 und die Niederlande 3.5 Millionen“ (ibid.). Diese schwache Bevolkerungsbasis stellte das groBte Problem fur die GroBmachtpolitik dar, da im Vergleich zu anderen Staaten viel weniger Solda- ten rekrutiert werden konnten und Verluste im Krieg viel kraftiger zu Buche schlugen, da die Gefallenen nur schwer durch neue Kampfer ersetzt werden konnten. Aufgestockt wurde die Armee daher mit Soldnern, welche geworben werden mussten und deren Treue und Tapferkeit zweifelhaft war (Busch 2000: 35ff.). Des Weiteren belasteten die Soldzahlungen die schwedi- sche Okonomie mit ungeheuren Mehraufwanden. Dazu kam, dass die geringe Population des Reiches keine Steuerbasis fur den Unterhalt eines ausreichend groBen Heeres darstellte, um die weitlaufigen Territorien wirksam verteidigen zu konnen. Dieser Umstand wurde mit den ange- fuhrten Bestrebungen, die Zolleinnahmen rund um die Ostsee zu kontrollieren, zu kompensie- ren versucht (Heckel 2001: 191).

1674 wurde Schweden, trotz aller VorsichtsmaBnahmen, in zwei Konflikte hineingezo- gen, die miteinander zusammenhingen: in den Schonischen und Schwedisch-Brandenburgi- schen Krieg (Busch 2000: 51ff.). Seit 1630 mit Frankreich verbundet, welches seit 1672 den zweiten Raubkrieg Ludwigs XIV. gegen die Niederlande fuhrte (von Frauenholz 1942: 113), welche mit Brandenburg-PreuBen im Bundnis standen, verlegte Schweden als Gegenleistung fur franzosische Subsidien starke Truppenverbande nach Pommern. Im Juli des gleichen Jahres uberschritt die schwedische Armee, von groBen Versorgungsproblemen geplagt, ohne Kriegs- erklarung die brandenburgische Grenze (Busch 2000: 52). Ein Jahr spater wurden die schwedi- schen Truppen bei Fehrbellin gestellt und von den Brandenburgern besiegt. Die militarisch eher unbedeutende Niederlage hatte weitreichende politische Folgen (Aberg 1958: 70f.). Die Nie- derlande brachen wenige Tage nach der Schlacht die Verbindung zu Schweden ab, der deutsche Kaiser erklarte Schweden den Reichskrieg und Danemark folgte im September mit seiner Kriegserklarung. Nach herben Niederlagen und Ruckschlagen in den ersten Kriegsjahren ge- lang es Karl XI., die Initiative zu ergreifen (Busch 2000: 52ff.). Am 04. Dezember 1676 begann um 09:00 Uhr morgens die Schlacht bei Lund. In dieser blutigsten Schlacht des Krieges gelang es den Schweden den Sieg zu erringen, der ihre Herrschaft uber Sudschweden sicherte (vgl. Busch 2000: 55). Am 21. Februar 1679 erreichte Karl XI. und seine Befehlshaber die Nachricht vom Frieden in Nijmegen, der zwischen Frankreich und Schweden auf der einen und dem Kaiser und dem Reich auf der anderen Seite geschlossen wurde (Dahlberg 1912: 180). Ahnlich wie bei dem 1660 in Oliva geschlossenen Friedensvertrag, war es die einschuchternde, ultimative Verhandlungstaktik Ludwigs XIV., die Brandenburg und dann Danemark zwang, mit Schweden einen Frieden unter Bedingungen zu schlieBen, die im Wesentlichen eine voll- standige Restitution Schwedens beinhalteten. Der Macht des Franzosen hatten die Schweden den Vollbesitz ihrer alten Besitzungen zu verdanken (Busch 2000: 57).

2.4.2 Karl XI.

Geboren wurde Karl am Abend des 24. November 1655 in Stockholm. Er war das einzige Kind Karls X. Gustavs mit seiner Gemahlin und sicherte die Krone Schwedens fur das Haus Wittels- bach (Busch 2000: 61). Er war knapp vierjahrig, als er nach dem Tode seines Vaters die schwe- dische Thronfolge ubernahm (Rosen 1963: 17f.). Entgegen den vorangegangenen Vormund- schaftsregierungen, die durch die einigende Hand Axel Oxenstiernas gefuhrt worden waren, war der Regentenrat zerstritten und die Krone stark an den Hochadel gebunden, welcher die wahre Kontrolle uber das Reich ausubte (Aberg 1958: 22ff.). Manifestiert wurde dieser Um- stand durch die in der schwedischen Historiographie vorherrschende Meinung, dass die Erzie- hung Karls absichtlich von der Vormundschaftsregierung vernachlassigt wurde, um ihn will- fahrig, schwach und unkundig zu belassen (vgl. Busch 2000: 63). Resultat der Erziehung und Ausbildung war, dass Karl nur die schwedische und deutsche Sprache beherrschte und in allen anderen Fachern, mit Ausnahme des Religionsunterrichts, der ihm groBe Freude bereitete, im Alter von zehn Jahren nur mangelnde Kenntnisse aufwies. AuBerdem hatte er Schwierigkeiten beim Lesen und Buchstabieren (Dahlgren 1993: 90).12 Seine ganze Adoleszenz hindurch war der junge Konig von untereinander rivalisierenden Gruppen umgeben, die ihre Interessen hoher gewichteten als die des Reiches oder des Monarchen (vgl. Busch 2000: 67ff.). Karl bewahrte jedoch seinen eigenen Willen und bereits im Spatsommer 1672 klagte der Reichskanzler de la Gardie, der Konig wurde jeder Besprechung von Staatsangelegenheiten mit ihm aus dem Wege gehen und sich lieber an andere Ratgeber in seiner Nahe halten (Aberg 1958: 52). Hier begann der Prozess der langsamen Entmachtung des Reichskanzlers sowie des Reichsrates und auf der anderen Seite der standigen Machtzunahme auf Seiten des Konigs, der seinen vorlaufigen Ho- hepunkt fand, als Karl XI. wahrend des Krieges gegen Danemark von seinem militarischen Hauptquartier aus regierte und nicht wie ublich dem Reichsrat die Staatsgeschafte wahrend seiner Abwesenheit von der Hauptstadt uberlieB (vgl. Busch 2000: 69).

2.4.3 Errichtung des Absolutismus

Wahrend des vergangenen Krieges mit Danemark regierte Karl XI. von seinem Hauptquartier aus. Diese Praxis ging mit der Um- und Ubergehung der Reichsinstitutionen einher. Der Reichs- rat wurde von den Beschlussen des Konigs nur noch in Kenntnis gesetzt, also vor einen „fait accompli“ gestellt. Zum Regieren, der eigentlichen Aufgabe des Reichsrates, kam es nicht (Rystad 1955: 278).

Nach dem Friedensschluss behielt der Konig die Handlungsweise der Nichtbeachtung der Institutionen, besonders des Rates, bei. Geruchte, wonach der Hochadel enteignet und entmach- tet werden sollte, versetzten die Ratsherren in dermaBen groBe Panik, dass sie sich zu keiner politischen Gegenwehr durchzuringen vermochten. Erschwerend kam hinzu, dass die Mitglie- der des Rates aufgrund ihrer Amter als Gouverneure der „uberseeischen“ Besitzungen in Deutschland und im Baltikum gar nicht in Stockholm weilten, oder aber auf das ganze Land als Richter und konigliche Beamte verteilt waren. Eine groBe Zahl der Reichsrate war fur damalige Verhaltnisse alt und gebrechlich und verbrachte die letzten Tage auf Erden auf ihren Gutern und nicht im Zentrum der Politik (Busch 2000: 77ff.).

Der Reichskanzler de la Gardie und andere machtige Manner des Hochadels wurden von Karl XI. „weggelobt“ und entweder auf ehrenhafte, jedoch weit entfernte Posten auBerhalb Schwedens befordert oder in den Ruhestand versetzt (vgl. Busch 2000: 79). Zusammenfassend gesehen scheint es wenig glaubhaft, dass die Versetzung derjenigen Mitglieder des Reichsrates, die am vehementesten fur eine starke Stellung des Rates und gegen ein machtiges Konigtum eintraten, ein normaler Vorgang war, dem keine politischen Uberlegungen zugrunde lagen (ibid.: 82). Zwar unterschieden sich die Versetzungen und Beforderungen nicht von denen an- derer Zeitgenossen, doch der Unterschied lag in der Auswahl des Personenkreises. Auf diese Weise entledigte sich der Konig der Personen, die als mogliche Widersacher auf dem kommen- den Reichstag in Betracht kamen (vgl. Rystad 1955: 276).

Ein weiterer Punkt auf Karls XI. Agenda war die Reformierung und Starkung des Heeres. Dies konnte aber ohne groBangelegte Reduktionen nicht bewerkstelligt werden. Faktisch be- fand sich Schweden nach dem Krieg bereits in einem nahezu absolutistischen Zustand. Mit Spannung wurden deshalb der Reichstag und die Reaktion der Stande erwartet (vgl. Busch 2000: 79ff.).

Am 05. Oktober 1680 wurde der Reichstag eroffnet. Zu Beginn wurde die Proposition des Konigs verlesen, in der die Notwendigkeit, einen stabilen Frieden zu schaffen, die Streit- macht zu reformieren und die Finanzen dauerhaft zu ordnen, im Vordergrund stand. Die Beto- nung, die der Konig auf die dauerhafte Finanzordnung legte, zeigte einen Schwerpunkt der Politik Karls - sich von Subsidien fremder Machte und von auBerordentlichen Steuerbewilli- gungen der Stande unabhangig zu machen. Die Stande fragten nun schriftlich beim Konig nach, ob es ihm anheimstellte, den besten Ausweg aus der aktuellen Lage zu bestimmen. Die Antwort des Konigs zeigte den Grad an Alleinherrschaft, der bereits in Schweden herrschte. Karl XI. lieB sich „in Gnaden die Schrift gefallen“ (Busch 2000: 86).

Als Nachstes ernannte Karl ohne Absprache mit den Standen ein Gericht, die „GroBe Kommission.“ Sie wurde gebildet, um die Taten und Vorgange wahrend der langen Unmun- digkeit des Konigs zu untersuchen und bei Verfehlungen, welche selbstredend der Konig defi- nierte, Anklage zu erheben (Busch 2000: 84ff.). Die Einsetzung der „GroBen Kommission“ verunsicherte den Hochadel zutiefst, war doch nicht klar, wer angeklagt werden konnte und sollte; ob es die Vormundschaftsregierung als Ganzes, oder jedes einzelne Mitglied treffen sollte und ob der Reichsrat mitangeklagt werden sollte (ibid.). Gegen die alleinige Anklage der Reichsvormunder wehrte sich Magnus Gabriel de la Gardie. Nun, da er selbst als Vormund zur Rechenschaft gezogen werden sollte, beharrte er auf einer Mitverantwortung des Reichsrates (Busch 2000: 87). Dem Konig war dies nur recht, er hatte am liebsten den ganzen Reichsrat angeklagt (Upton 1987: 304). Nach dem offiziellen Ende des Reichstages am 10. Dezember gab Karl XI. die Weisung, dass die Mitglieder des Reichsrates ebenfalls zur Verantwortung zu ziehen seien, allerdings nicht kollektiv, die Ratsherren mussten einzeln fur ihr Verhalten in der Vergangenheit zur Rechenschaft gezogen werden. AuBerdem waren alle Personen betroffen, die unter der Vormundschaftsregierung Vergunstigungen erhalten hatten (ibid.). Die Arbeit der „GroBen Kommission“ zog sich bis zum Juni 1682 hin. 226 Privatpersonen und 56 Rate oder deren Erben wurden zu Zahlungen an die Krone verpflichtet, die Gesamtsumme belief sich auf 6 456 000 Reichstaler. Zusammen mit den beschlossenen Reduktionen war diese MaBnahme der erste Schritt zur Entmachtung des Adels, insbesondere des hochadligen Reichsrates (Busch 2000: 88).

Gestutzt auf die Ritterschaft, dem dritten, untersten Rang des Adels, lieB Karl sein Vor- gehen und das Ubergehen, respektive die Aushohlung der Reichsinstitutionen legitimieren (vgl. Busch 2000: 89ff.). Die Ritterschaft stand zum Konig, versprach er ihnen doch die Mog- lichkeit des gesellschaftlichen Aufstieges und die Zermurbung des Hochadels, der die unteren Range der Aristokratie seit jeher herablassend behandelt hatte. Karl hatte viele Adlige selbst in den hochsten Stand des Landes erhoben, welche bedingungslos loyal zu ihrem Herrscher stan- den (ibid.). Die sukzessive Erneuerung des Ritterhauses schuf einen neuen Adel, der den Ideen des Konigs aufgeschlossen gegenuberstand, und stellte eine denkbar gunstige Voraussetzung fur die Entmachtung der alten Hocharistokratie her (ibid.). Karl gelang es, die de facto schon in Teilen bestehende Alleinherrschaft, die sich wahrend des Krieges herausgebildet hatte, gegen eine durch die Stande des Landes legitimierte Form zu tauschen (ibid.).

Der Reichsrat, umbenannt in „koniglicher Rat“, war nun entmachtet und mit Getreuen des Herrschers besetzt, der Reichstag jedoch in seinen Befugnissen in keiner Weise einge- schrankt worden. Im Gegenteil, hatten doch Standeausschusse und der Konig eng miteinander kooperiert. Es war an der Zeit, diesen letzten Rest einer Standeordnung zu liquidieren (Carl­son 1875: 230f.).

Gelegenheit dazu bot der Reichstag von 1682. Zuerst aber lieB sich der Konig vom Reichstag die alleinige Gewalt uber die Lehen des Reiches garantieren. Die volle Verfugungs- gewalt uber die Lehen13 bedeutete nichts anderes, als dass die Reduktionsfrage unter Aus- schluss der standischen Partizipation in die Hande des Konigs gelegt wurde (Busch 2000: 102).

Zur Untergrabung des Reichsrates griff Karl zu einem Trick. Er lieB bei den Standen anfragen, ob jemand, der seinen Vater beleidigt habe, noch als redlicher Patriot gelten konne (vgl. Busch 2000: 105ff.). Hieruber wunschte er schriftliche Antworten, welche er zu einer Schrift zusammenfassen lieB und publizierte. Hierin hieB es nicht nur, dass niemand, der seinen Vater beleidigt habe, noch als redlicher Patriot anzusehen sei, sondern dass der, der sich kunftig erdreiste, gegen den Konig, dessen Aktionen oder Dispositionen zu reden, als eidbruchiger Un­tertan betrachtet werden sollte (ibid.). Die Schrift wurde ebenfalls in den Reichstagsbeschluss aufgenommen. Dies war nicht nur eine Demonstration des Herrschaftsverstandnisses des neuen Konigtums, sondern auch eine unmissverstandliche Drohung (ibid.). Freie MeinungsauBerung in den Gremien der Stande gab es nicht mehr, eine offene Kritik am Konigtum war unmoglich geworden; Opposition konnte als Gesetz brechende Handlung deklariert werden und im schlimmsten Fall mit dem Tod bestraft werden.

Karl XI. konnte zufrieden sein. Durch die Bewilligung neuer Steuereintreibungen (Kon- tributionen) und die Ausweitung der Reduktionen wurden die groBten Anstrengungen unter- nommen, um die Staatsfinanzen zu sanieren (ibid.: 118). Die Reduktionen fuhrten zu einer Ver- lagerung von den auBergewohnlichen zu den ordentlichen Abgaben, konnte sich die Krone der Einnahmen aus ihrem wiedergewonnenen Landbesitz doch dauernd sicher sein und war damit unabhangig von Bewilligungen durch die Stande. AuBerdem fuhrte die Umverteilung des Be- sitzes vom Adel in die Hand der Krone zu einer festeren Grundlage des Einteilungswerkes14, das nun in Angriff genommen werden konnte (ibid.). Der Reichstag hatte, ebenso wie der Reichsrat vor ihm, seine Funktion und Bedeutung verloren. Schweden war durch die Reichstage von 1680 und 1682 zu einer absoluten Monarchie geworden, in der die Stande zu einem akkla- matorischen Beiwerk degradiert worden waren (ibid.: 119).

2.4.4 Die neue Infanterie - Reformierung und Professionalisierung des Heeres

Als Stutze seiner Macht hatte Karl XI. das Militar auserkoren, welches er, wie bereits erwahnt, zu reformieren gedachte. Anstelle der bei Bedarf durchgefuhrten Aushebungen soll ein stehen- des Heer treten, wobei jede Provinz nach ihrer Bevolkerungszahl eine gewisse Quantitat an Soldaten zu stellen hatte. Bis anhin mussten jeweils zehn Bauern einen Soldaten komplett aus- rusten und im Falle seines Todes oder der Desertion fur einen Nachfolger innerhalb ihrer Gruppe sorgen. So bestimmte es Gustav II. Adolf zu Beginn des DreiBigjahrigen Krieges (Busch 2000: 35ff.).

Im bevolkerungsschwachen Schwedischen Reich war dies ein groBes Politikum, da die standig unter Waffen stehenden Manner in der Landwirtschaft und somit der Okonomie fehlen wurden. Der Beginn der Aufstellung standiger Infanterietruppen vollzog sich nicht durch abso- lutistische Dekrete oder Verordnungen. Die Veranderungen im Militarsystem begann in Schweden auf landwirtschaftlicher Ebene durch freiwillige Ubereinkunft zwischen der Bauern- schaft und der landesherrlichen Instanz als Vertreter der koniglichen Macht. Bestatigt und be- kraftigt wurde der Kontrakt abschlieBend durch den Konig (ibid.: 118).

Im Kontrakt vom 05. Dezember 1682 wurden die neuen Regelungen der standigen Sol- datenhaltung festgelegt.15

Dass ein absoluter Monarch am Ende des 17. Jahrhunderts mit seinen Bauern einen Vertrag mit gegenseitigen Verpflichtungen abschloss, stellte im europaischen Vergleich die Ausnahme dar. Bemerkenswert war dies aber auch fur Schweden, da der Regierungsstil Karls XI. wahrend des Kriegs mit Danemark eher einer „Militardiktatur“ glich und sein Verhalten den anderen Stan- den gegenuber klar absolutistisch war und wenig von vertraglichem Denken zu erkennen gab.

Durch den Kontrakt vom 05. Dezember 1682 erhielten die Bauern eine Rechtssicherheit in der Frage der Heeresaufstellung, wie sie vorher noch nicht dagewesen war, waren sie doch vom „Abendeuter der Ausschreibungen“16 befreit. Der Konig konnte sich darauf verlassen, dass jede Landschaft eine Streitmacht von 1200 Soldaten aufstellte und diese unterhielt; fur ihn ein sicheres und vor allem kostengunstiges System, seine Infanterie zu unterhalten17 (Busch 2000: 126).

Karl XI. schuf somit ein professionelles, durch standigen Drill geubtes Heer, in welchem sich die Soldaten nur auf das Kriegshandwerk konzentrieren mussten und nicht mit dem pri- maren Bestreiten ihres Lebensunterhaltes beschaftigt waren. Der hohe Grad an Konnen, Dis- ziplin und Vertrauen in die eigenen Fahigkeiten und Starken schufen die Voraussetzung, dass Schweden trotz einer, das Rekrutierungspotenzial betrachtend, kleinen Armee in der Lage war, mogliche Feinde abzuschrecken. Regierte Gustav I. Wasa sein Land wie ein Gutsbesitzer, so behandelte Karl XI. es wie ein Generalquartiermeister (Roberts 1973: 258).

Der Frieden, ein erklartes Ziel Karls, wurde erhalten, das Reich in seinen Besitzstanden gewahrt und die Krone war durch die Enteignungen des Hochadels in der Lage, eine Politik unabhangig von fremden Finanzhilfen, die immer an Bedingungen geknupft waren und Schwe- den in der jungsten Vergangenheit in ruinose Kriege verwickelt haben, zu verfolgen.

Karl, der zeitlebens sparsam lebte - in seinem Leben hatten Tanz, Spiel und Unterhaltung keinen Platz; Zeremonien bei Hofe waren ihm verhasst, umso mehr liebte er aber kirchliche - fuhrte nicht nur gegen sein Volk eine harte Hand, sondern auch gegen sich selbst (Dahlg­ren 1993: 144). Dies widerspiegelte sich in seiner korperlichen Verfassung: „Die Gesundheit ist nicht zum Besten bey ihm beschaffen / denn er ist vielen Nasenbluten / Kopff und Magen Wehen unterworfen, daher er sich oeffters brechen muss“ (Pufendorf 1716: 160). Diese starken Beschwerden versuchte Karl Zeit seines Lebens zu ignorieren, um sich durch sie nicht von der Arbeit abhalten zu lassen. In seinem letzten Lebensjahr verschlechterte sich sein Zustand aller- dings zusehends. Wenige Stunden vor seinem Tod, am 05. April 1697, verfugte er, dass seine Leiche obduziert werden sollte, da er die Befurchtung hegte, langsam vergiftet worden zu sein. Die Untersuchung ergab, dass Karl XI. an Magenkrebs gestorben war, mehr als hundert Ge- schwure fanden sich in seinem Bauchraum (Aberg 1958: 198f.).

In all seinen Bestrebungen, Schweden unabhangig und stark zu machen, erfolgreich, und jeder Herausforderung des Lebens gewachsen, fehlte Karl nur in einem Punkt, der sich als ent- scheidend erweisen sollte: Er hinterlieB keinen mundigen Thronfolger. Sein Sohn, der als Karl XII. in die Geschichte eingehen wird, war beim Tod seines Vaters erst funfzehn Jahre alt.

3 Die Zeit der groBen Siege und des Untergangs

Die vorangegangenen Ausfuhrungen sollten den Weg beschreiben, welchen Schweden in sei- nem Streben nach der Herrschaft uber die Ostsee beschritt, dadurch zur europaischen GroB- macht aufstieg und welche Veranderungen das Land in kurzer Zeit durchlebte. Die detaillierten Schilderungen, unter anderem der Heeresreform, dienen dem Verstandnis der nun zu betrach- tenden Ereignisse in den letzten Jahren des Schwedischen GroBreiches. Im Folgenden werden nun die historischen Ereignisse im GroBen Nordischen Krieg bis zum Zeitpunkt der Schlacht von Poltawa aufgezeigt. Diese bildet danach den Ausgangspunkt fur die Analyse und Reflexion des Kategorisierungsbegriffs „Entscheidungsschlacht“ sowie dem Gedenken der an der Bataille beteiligten Nationen an dieses herausragende Ereignis.

Da Schweden wie auch Russland in der nun zu betrachtenden Zeit absolute Monarchien waren, stellt der Autor die Personen Karls XII. und Peters I., die Herrscher dieser beiden Machte, sowie ihre Handlungen, in denen ihre Intentionen und Sichtweisen erkennbar zu wer- den scheinen, gestutzt auf zeitgenossische Quellen und Forschungsliteratur, dar. Weiter wird kurz auf den Aspekt der Wahrnehmung dieser beiden Monarchen durch die Zeitgenossen ein- gegangen.

3.1 Peter I. „der GroBe“ und Karl XII. - „der Beinahe-GroBe“?

3.1.1 Peter I. Alexejewitsch Romanow

Am 09. Juni 1672 wurde Peter als vierzehntes Kind des damaligen Zaren geboren. Seine Kind- heit war gepragt von blutigen Palastrevolutionen und Machtwechseln. Im zehnten Lebensjahr musste Peter nach dem Tod seines Vaters mit ansehen, wie beim ersten Strelizenaufstand18 zwei seiner Onkel brutal ermordet wurden (vgl. Massie 1980: 45ff.). Dieses Ereignis begrundete seinen abgrundtiefen Hass auf diese Militareinheit, der sich in seiner fruhen Regierungszeit gewaltig entladen sollte. Nachdem Peters Anhanger bei Hofe im Jahr 1689 seine Halbschwester Sophia entmachtet und ihn auf den Thron gehoben hatten, intensivierte er den Kontakt mit den in Moskau lebenden westeuropaischen Auslandern, von deren Wissen und Erkenntnissen er zu profitieren hoffte (vgl. ibid.: 116ff.). Seine ersten Regierungsjahre galten dem Aufbau einer schlagkraftigen Armee westeuropaischen Typus und dem Drang, Russland an die Meere, na- mentlich die Ostsee und das Schwarze Meer, und somit an den internationalen Handel anzu- schlieBen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 258 Seiten

Details

Titel
Der Niedergang des Schwedischen Großreiches. Auswirkungen der Schlacht von Poltawa 1709 auf das kulturelle Gedächtnis
Untertitel
Anleitung für eine didaktische Aufarbeitung der historischen Ereignisse im Geschichtsunterricht
Note
1,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
258
Katalognummer
V1025444
ISBN (eBook)
9783346444806
ISBN (Buch)
9783346444813
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schwedisches Grossreich, Peter der Grosse, Karl XII. von Schweden, Russisches Imperium, Grosser Nordischer Krieg, Schlacht von Poltawa, Erinnerungspolitik, Kulturelles und kollektives Gedächtnis, Russland, Schweden, Dreissigjähriger Krieg, Dominium Maris Baltici
Arbeit zitieren
Bruno Hermann Hunn (Autor:in), 2020, Der Niedergang des Schwedischen Großreiches. Auswirkungen der Schlacht von Poltawa 1709 auf das kulturelle Gedächtnis, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1025444

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Der Niedergang des Schwedischen Großreiches. Auswirkungen der Schlacht von Poltawa 1709 auf das kulturelle Gedächtnis



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden