Das Hildebrandslied. Ein Denkmal der deutschen Literatur und Sprache

Geschichtlicher Hintergrund sowie Stil- und Gestaltungsmittel


Hausarbeit (Hauptseminar), 2017

18 Seiten, Note: 1,4

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Sprachhistorischer Hintergrund
1.2 Wertvorstellungen

2 Das Hildebrandslied
2.1 Ursprung
2.2 Die stoffliche Grundlage
2.2.1 Geschichtlicher Hintergrund
2.2.2 Das Motiv des Vater-Sohn-Kampfes
2.3 Aufbau
2.4 Stil- und Gestaltungsmittel

3 Fazit

4 Literatur- und Quellenverzeichnis

1 Einleitung

Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit dem Hildebrandslied, eines der frühesten Textzeugnisse deutscher Sprache und Literatur. Das Lied entstammt der Frühphase der deutschen Schriftsprache und ist ein Beleg für die Kulturentwicklung und Gesellschaftsordnung des frühen Mittelalters. Die Bemühungen der Forschung die Rätsel, die das Hildebrandslied aufgibt, zu lösen, gründen auf der Einzigartigkeit des Denkmals, als einziges und vergleichsweise gut erhaltenes germanisches Heldenlied auf deutschen Boden.

Zunächst möchte ich einleitend auf die Aspekte frühmittelalterlicher Kultur und Sprache eingehen. Im weiteren Verlauf soll das Hildebrandslied sowohl unter sprachgeschichtlichen, als auch unter literaturhistorischen Gesichtspunkten analysiert werden. Hierbei werde ich zunächst auf den Ursprung des Liedes und dessen eigentümliche Sprache eingehen. Im nächsten Schritt möchte ich die Herkunft, anhand geschichtlicher Aspekte, die Überlegungen zu einem historischen Vorbild Hildebrands, sowie das Motiv des Vater-Sohn-Kampfes näher betrachten. Darauffolgend werde ich auf den Aufbau des Liedes, sowie eine kurze Rekonstruktion des Schlusses eingehen. Im letzten Schritt möchte ich mich den Stil- und Gestaltungsmitteln, die im Lied erkennbar sind, zuwenden.

Der Text des Hildebrandliedes wird nach der Ausgabe im Althochdeutschen Lesebuch von Braune, Helm und Ebbinghaus, 14. Auflage, Tübingen 1962 zitiert, auf die sich auch die Zeilennummern beziehen. Die Zitate werden in heutiger Rechtschreibung geboten.

1.1 Sprachhistorischer Hintergrund

Die einsetzende Völkerwanderung markiert in der Geschichte den Beginn des Frühmittelalters und damit das Ende der Antike. Die Herrschaftsgewalt zersplitterte sich nach dem Untergang des Römischen Reiches in zahlreiche grundherrschaftliche Beziehungen. Die Macht wurde nicht nur von den Adligen ausgeübt, sondern auch von der Kirche, die einen eigenen Machtposten vertrat. Dies äußerte sich beispielsweise dadurch, dass die Bildung der Kirche untergeordnet und auch die Wissenschaft zu seinem folgsamen Teil der Kirche wurde.

Während dieser Zeit fand nicht nur eine gewaltige religiöse Umwälzung, die Christianisierung statt, sondern auch eine Veränderung der Sprache, die sogenannte zweite Lautverschiebung. Typische für diese Zeit war, dass es keine einheitliche althochdeutsche Sprache gab. Unter Althochdeutsch versteht man die Sprachstufe, die ca. vom 8. bis Mitte des 11. Jahrhunderts eingeordnet werden kann. Der Ausdruck Hoch-Deutsch ist hier eher als geografisch-räumlicher Begriff zu verstehen und umfasst die höhergelegenen, südlichen Regionen Deutschlands, sowie deren Dialekte im Frühmittelalter, die in ihrer Gesamtheit das Deutsche repräsentieren. Althochdeutsche Texte erschienen in bairischen und alemannischen Mundarten, sowie in den drei fränkischen Varianten Ostfränkisch, Rheinfränkisch und Mittelfränkisch. Die überlieferten literarischen Werke dieser Zeit sind für diese Uneinheitlichkeit innerhalb der Mundarten eindrucksvolle Beispiele.

Eine entscheidende Rolle für die Sprachentwicklung spielte Karl der Große und seine Reformpädagogik. Er unterstützte die Wirtschaft, Kunst und gesamte Kulturentwicklung seines Volkes. Die Bildungszentren dieser Zeit waren die Klöster, in denen Mönche alte Sprachdokumente sammelten und, zumeist auf Latein, aufzeichneten, denn nur ihnen blieb die Lese- und Schreibkunst vorbehalten.

In dieser Zeit entstanden unterschiedliche literarische Werke, z.B. Segen, Sagen, Gelöbnisse, Lieder und Rätsel. Allerdings sind nur wenige dieser Werke erhalten geblieben. Der Grund hierfür liegt zum einen darin, dass die Dichtungen nur mündlich vorgetragen und weitergegeben wurden. Zum anderen verfügte nur der Klerus über die Fertigkeit des Schreibens. Dennoch spiegeln die wenigen erhaltenen schriftlichen Texte das Menschen- und Weltbild dieser Zeit wieder.

Das Hildebrandslied gehört zu einem der wertvollsten literarischen Werke aus althochdeutscher Zeit. Die Dichtung ist ein Abbild der traditionellen mündlichen Überlieferung, welches den Stand der Kulturentwicklung des Frühmittelalters wiedergibt.

1.2 Wertvorstellungen

In der althochdeutschen Literatur werden zwei Traditionsvorstellung, germanisch- heidnische und christlich-antike Elemente, vereint.

Das Weltbild der damaligen Zeit wurde stark von der Kirche und der Bibel geprägt. Gott ist der Erschaffer der Welt, der Natur und des Menschen und lenkt diese. Es herrscht eine undurchlässige Gesellschaftsordnung, in der jeder Mensch seinen festgelegten Platz und seine Aufgaben hat.

Für die germanischen Völker galt der Kampf als heilige Sache und stand unter dem Schutz der Götter. Das Hauptziel eines Kriegers bestand darin seinen Mut im Kampf zu beweisen. Die Tapferkeit des Helden sollte seine Macht und Treue gegenüber dem Herrscher dokumentieren. Die Motivation des Kämpfers für seine Taten waren zum einen das Streben nach Ruhm und Ehre, zum anderen das Verlangen nach Macht und Herrschaft.

Auf der Grundlage dieser Sichttlichkeit und der weitgehend vorherrschenden Schriftlosigkeit entwickelte sich eine von Mund zu Mund weitergegebene und über die Jahre bewahrte Dichtung des Frühmittelalters. Die Vielfältigkeit dieser Dichtung beinhaltet beispielsweise Arbeits-, und Tanzlieder, Zaubersprüche und Gebete. Als Folge von Kriegen entstand die älteste Poesie der Germanen, das Heldenlied und der Schlachtengesang.

Das Hildebrandslied ist das einzige althochdeutsche Beispiel eines germanischen Heldenliedes. Im Zentrum eines Heldenliedes steht eine Geschichte, die sich um mindestens eine heroische Person rankt. Dieser Held muss sich häufig zwischen Pflicht und Freundschaft, zwischen Loyalität gegenüber seinem Herrn und einer Liebes- oder Verwandtschaftsbeziehung entscheiden. Bei diesen Geschichten handelt es sich zumeist um mündliche Dichtungen, deren Darstellung als episch-dramatisch bezeichnet werden kann.1

2 Das Hildebrandslied

2.1 Ursprung

Das Hildebrandslied ist nicht nur das einzig erhaltene germanische Heldenlied in althochdeutscher Sprache, sondern auch eines der wenigen Textzeugnisse in Form des Stabreims. Das Hauptmotiv des Liedes ist ein Vater-Sohn-Konflikt, eine tragische und bewegende Geschichte. Der Ausgang dieses Geschehens ist jedoch nicht überliefert.

Die mündliche Dichtung ist durch das Merkmal gekennzeichnet, dass der Verfasser nicht gleichzusetzten ist mit dem Autor des literarischen Werkes. Der Originaltext des Hildebrandliedes entstand vermutlich zwischen den Jahren 750 und 800. Die Handschriften wurden um 800 in Fulda von zwei Mönchen auf das erste und letzte Blatt eines Codex übertragen. Dieser bestand aus 76 Pergamentblättern, wobei das erste und letzte Blatt als Schutz dienten. Die restlichen Blätter des Codex enthielten auf Latein abgefasste geistliche Schriften.2 Die Handschriften gelangten nach 1945 als Kriegsbeute in die USA. Erst 1972 kam das letzte der beiden Blätter zurück nach Deutschland und konnte wieder mit dem Codex vereint werden. Heute befinden sich der Codex, welcher das Hildebrandslied enthält, in der Handschriftensammlung der Landes- und Murhardschen Bibliothek Kassel.

Das Hildebrandslied ist nur bruchstückhaft überliefert, da der Schluss des Liedes nicht niedergeschrieben wurde und einige Zeilen des Textes fehlen. Als Grund für den fehlenden Schluss wird in der Literatur der Raummangel angegeben. Auch wenn die Schreiber sich leicht davon hätten überzeugen können, dass der vorhandene Raum nicht ausreichte, schrieben diese weiter und brachen ab, wenn der Raum aufhörte. Auch zwei weitere Stücke aus dem Kodex, Salomos Gebet und die Homilie, sind unvollständig. Da keine weiteren Handschriften des Hildebrandliedes bekannt sind, beruht die Kenntnis der Forschung über das Lied, lediglich auf den Handschriften aus der Bibliothek in Kassel.

Das Hildebrandslied weist zudem keine einheitliche Sprache auf und enthält allerhand Schreibfehler und Verbesserungen. Dies ist ein Anzeichen dafür, dass es sich bei dem Dokument um eine Abschrift handelt. Im Hinblick auf die Sprache des Liedes herrscht in der Literatur keine Eindeutigkeit. Der Text weist eine eigentümliche Sprache, aus hochdeutschen und niederdeutschen Laut- und Sprachformen, mit altsächsischen und bairischen Elemente, auf. Es wird jedoch angenommen, dass der Grundstand der Sprache hochdeutsch gewesen war. Diese Vermischung der Elemente lässt sich vermutlich dadurch erklären, dass ein hochdeutsches Lied nur oberflächlich in die niederdeutsche Mundart umgeschrieben worden war.3 Betrachtet man den geschichtlichen Raum der Dietrichsage, so könnte man annehmen, dass das Lied seinen Ursprung in Oberitalien hat. Daraus würde sich ergeben, dass die Goten oder Langobarden als Schöpfer des Hildebrandliedes in Betracht kämen. Die ersten Mönche des Klosters in Fulda waren Bayern und seit Ausgang des 8. Jahrhunderts gab es dort auch sächsische Mönche. Dadurch könnte man annehmen, dass ein bairischer Mönch das Lied mit nach Fulda gebracht haben mag. Dort vermischte sich das hochdeutsche Lied schließlich mit den bairischen und altsächsischen Merkmalen.

2.2 Die stoffliche Grundlage

2.2.1 Geschichtlicher Hintergrund

Die wichtigsten historischen Angaben, die das Lied selber bietet, finden sich in Zeile 14ff. Hadubrand berichtet Hildebrand, dass dessen Vater vor dreißig Jahren, zusammen mit seinem Lehnsherren Dietrich (Theoderich), vor Odoakers Hass aus der Heimat fliehen und Frau und Kind hilflos zurücklassen musst, um am Hofe des Hunnenkönigs Schutz zu finden. Es stellt sich nun die Frage, wie sich die Angaben des Hildebrandliedes zu den historischen Tatsachen verhalten. Hierfür ein kurzer Exkurs in die Geschichte.

Seit dem Zusammenbruch des ostgotischen Reiches unter Ermanarich im Jahre 378 blieben die Ostgoten die Verbündeten und Begleiter der hunnischen Sieger. Unter Attila erhielten gotische Adlige hohe Stellen am Hofe und im Heere. Nach dem Tod Attilas im Jahre 453 wollten seine Söhne das hunnische Reich und die Gebiete der germanischen Bundesvölker untereinander aufteilen. Es kam jedoch zu einer Schlacht zwischen Hunnen und Germanen in Pannonien, in der die vereinigten Ostgoten, Gepiden und andere Germanenstämme das Heer der Söhne Attilas besiegten. Über die Ostgoten herrschten zu dieser Zeit drei Brüder, Walamer, Vidimer und Theodemer, aus dem Hause Amaler. Im Jahre 456 wurde Theodemer ein Sohn, namens Theoderich, geboren. Dieser lebte 10 Jahre als Geisel, veranlasst durch die vielen Ereignisse zwischen dem oströmischen Kaiser und den Goten, am Kaiserhof in Konstantinopel. Nach dem Tod seines Vaters sah sich Theoderich vor die Aufgabe gestellt, seinem Volk eine neue Heimat zu verschaffen. Mehr als fünfzehn Jahre dauerten die Wanderungen und Kämpfe der Goten im oströmischen Reich. Kaiser Zeno veranlasste Theoderich, den Kampf gegen Odoaker anzufangen, um Italien, das rechtlich dem oströmischen Kaiser unterworfen war, für diesen zurückzuerobern. Odoaker, ein germanischer Heeresführer, war im Jahre 476 von den germanischen Söldnern zum König von Italien ausgerufen worden und hatte den letzten weströmischen Kaiser abgesetzt. Nach einigen Niederlagen sah sich Odoaker gezwungen, sich nach Ravenna zurückzuziehen. Nach einer dreißigjährigen Belagerung kam es 493 zu einem Vertrag, dem zufolge Theoderich und Odoaker gemeinsam regieren sollten. Wenige Tage später wurde Odoaker jedoch von Theoderich getötet, sodass dieser nun Alleinherrscher über Italien war. Durch eine milde Versöhnungspolitik hoffte er die Goten und Italer zu verschmelzen, was ihm jedoch nicht gelang. Im Jahre 526 verstarb Theoderich. 555 wurde das Ostgotenreich in Italien von dem oströmischen Feldherrn Narses erobert und war seitdem eine Provinz des oströmischen Reiches.4 Die Ostgoten sind wohl, nach dem Zusammenbruch des Reiches, nicht alle aus Italien verschwunden.

Wenn man diese historisch beglaubigten Tatsachen mit den Angaben des Hildebrandliedes vergleicht, fällt auf, dass es zum einen tatsächlich eine Feindschaft zwischen Dietrich (Theoderich) und Odoaker gegeben hat. Jedoch zum anderen war es nicht Dietrich, der vor Odoaker floh, sondern umgekehrt, Odoaker wurde von Dietrich beseitigt. Weiterhin ist es zeitlich gesehen unmöglich Dietrich mit Attila zu verbinden, da Attila 3 Jahre vor der Geburt Dietrichs verstarb.

Die Mehrzahl der Forscher betrachtet das Hildebrandslied als das früheste Zeugnis für Dietrichs Exilsage. Es stellt sich allerdings die Frage, wie sich dieser Widerspruch zwischen den historischen Tatsachen und den Angaben des Hildebrandliedes erklären lässt. Im Hildebrandslied ist bereits eine Entwicklung angebahnt, die in der späteren Sagenentwicklung deutlich zutage tritt. So lebt Dietrich zwar als Heldenkönig fort, wird jedoch immer mehr von seinem geschichtlichen Zusammenhang herausgelöst. So erscheint er später als Zeitgenosse Ermenrichs, der etwa hundert Jahre früher lebte. Die germanische Heldensage lässt die großen politischen Vorgänge zurücktreten und bildet stattdessen Privatschicksale ab. Die große Politik verdichtet sich also gleichsam zum Einzelschicksal. Der Dichter des Hildebrandliedes bezieht das Geschichtliche in seine Dichtung ein und er setzt Kenntnis der Geschichte, soweit diese schon in der Sage ihren Niederschlag gefunden hat, beim Hörer voraus. Die geschichtlichen Begebenheiten sind auch im Hildebrandslied der Hintergrund, vor dem sich das Geschehen abspielt, aber das Interesse des Dichters gilt vor allem der Begegnung von Vater und Sohn. Durch diese Verdichtung zum Einzelschicksal war die Möglichkeit der Verschiebung historischer Tatsachen gegeben.

[...]


1 Vgl. Heusler, A. (1943): Die altgermanische Dichtung. Nachdruck. Darmstadt. 1967, S. 26ff

2 Vgl. Van der Kolk, H. (1967): Das Hildebrandslied. Eine forschungsgeschichtliche Darstellung. Amsterdam, S. 4

3 Vgl. Van der Kolk, H. (1967): Das Hildebrandslied. Eine forschungsgeschichtliche Darstellung. Amsterdam, S. 34ff

4 Vgl. Van der Kolk, H. (1967): Das Hildebrandslied. Eine forschungsgeschichtliche Darstellung. Amsterdam, S. 67ff

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Das Hildebrandslied. Ein Denkmal der deutschen Literatur und Sprache
Untertitel
Geschichtlicher Hintergrund sowie Stil- und Gestaltungsmittel
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Note
1,4
Jahr
2017
Seiten
18
Katalognummer
V1025931
ISBN (eBook)
9783346425492
ISBN (Buch)
9783346425508
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hildebrandslied, Literatur
Arbeit zitieren
Anonym, 2017, Das Hildebrandslied. Ein Denkmal der deutschen Literatur und Sprache, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1025931

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