Mann, Thomas - Der Tod in Venedig
Zum Leben des Schriftstellers:
Thomas Mann wird am 6.Juni 1875 als zweiter Sohn des Lübecker Kaufmanns und Konsuls Thomas Johan Heinrich Mann und der Deutsch-Brasilianerin Julia da Silva-Bruhns geboren. Er wurde ursprünglich zum Erben der Firma bestimmt, doch als 1891 sein Vater stirbt zieht er nach München um.
Zusammen mit seinem Bruder Heinrich verbringt Thomas Mann 2 Jahre in Italien, wo er mit der Arbeit an seinem berühmten Roman „Buddenbrooks“ beginnt. 1901 als das Werk erscheint wird Thomas Mann über Nacht ein berühmter Mann. Der literarische Erfolg und seine Heirat im Jahre 1905 mit Katja Pringsheim, der Tochter eines reichen Münchner Professoren, ermöglichen ihm ein grosszügiges Leben.
1910 schliesst er Bekanntschaft mit dem Komponisten Gustav Mahler. 1911 unternimmt Thomas Mann eine Reise nach Italien, welche ihn auch nach Venedig führt. Auf dem Lido wohnt er im „Grand-Hotel des Bains“, als er vom Tod Gustav Mahlers erfährt. Der Tod seines Freundes erschüttert Mann und ist der Anlass zu seiner Novelle „Der Tod in Venedig“. Thomas Mann heimst in Folge zahlreiche Preise ein, unter ihnen auch den Nobelpreis für Literatur im Jahre 1929.
Thomas Mann warnt bereits 1930 vor dem Faschismus. Nach der Machtübernahme Hitlers 1933, kehrt er von einer Vortragsreise nicht mehr nach Deutschland zurück. Er lebt in der Schweiz, von wo er 1938 nach Amerika emigriert. 1952 als man ihn in den USA als Kommunisten abstempelt, kehrt er nach Europa zurück, wo er sich in Zürich niederlässt und dort am 12. August 1955 stirbt.
1970 verfilmt Luchino Visconti den „Tod in Venedig“ und macht ihn so einem breitem Publikum bekannt, auch wenn starke Abänderungen vorgenommen wurden. Benjamin Britten (1973) verstärkt mit seiner Oper „Death in Venice“ den Bekanntheitsgrad der Novelle.
Aufbau und Form der Novelle:
Der Aufbau der Novelle verläuft einem Drama ähnlich: Zuerst wird die Person dargestellt, dann wird sukzessive auf einen Höhepunkt zugesteuert und schliesslich an einem Wendepunkt angekommen, fällt die Handlung wieder ab. Der theatralische Charakter einiger Figuren (z.B. der Strassensänger) und der tragische Schluss legen die Nähe zum Drama zusätzlich dar.
Ein auktoriale Erzählhaltung, das heisst ein allwissender Erzähler beherrscht das Geschehen. Er steht ausserhalb der Handlung -kommentiert, kritisiert und beurteilt aber Geschichte und Hauptfigur. Die auktoriale Erzählweise wird durch eine personale Erzählperspektive ergänzt, die immer dann auftritt, wenn die Hauptfigur dem von ihm geliebten Knaben begegnet. Die Novelle war flüssig zu lesen, weil die zum Teil schon sehr langen und verschachtelten Sätze meist überschaubar blieben.
Allerdings weist „Der Tod in Venedig“ viele literarische Anspielungen, sowie symbolische Bedeutungen auf und setzt einige Kenntnisse, vor allem der griechischen Mythologie voraus.
Handlung :
Gustav Aschenbach - von Aschenbach wie er nach seiner Adelung seit seinem 50 Lebensjahr amtlich genannt wird-, macht sich um von einer Schaffenskrise abzulenken, auf einen Spaziergang durch seinen Wohnort München. Er, der berühmteste Schriftsteller der Nation, wird von einer inneren Unruhe getrieben und nimmt so gar nicht wahr, dass er einen fremden Wanderer in der Nähe des Nördlichen Friedhofes anstarrt. (Textstelle). Durch diesen Mann inspiriert, ergreift ihn eine Wanderlust und Fernweh übermannt ihn, weshalb er beschliesst zu verreisen.
Wir lernen infolge Aschenbachs familiären Verhältnisse und seine künstlerischen Werdegang kennen und vertiefen uns so in die Hauptperson.
Seine Reise führt ihn zuerst nach Triest, dann nach Pola, wo er es allerdings auch nicht lange aushält und er beschliesst per Schiff nach Venedig überzusetzen.
Unter den Fahrgästen fällt Aschenbach ein auffallend gekleideter falscher Jüngling auf. Falsch deshalb, weil er eigentlich ein Alter Mann ist, der sich aber kosmetischen Eingriffe bedient hat um jünger auszusehen. Dieser Mann ekelt Aschenbach an. Auch der Gondoliere, in dessen sargähnliche Gondel Aschenbach steigt, ist eine düstere Gestalt. So kommt es, dass als Aschenbach für die Go ndelüberfaht Geld im Hotel wechseln will, der mysteriöse Gondoliere verschwindet, da er keine Lizenz hat.
Im Hotel angekommen bezieht Aschenbach sein Zimmer mit Meerblick und kleidet sich für den Abend um. Im Speisesaal sieht er Gäste, die aus unterschiedlichsten Ländern stammen. Ihm ins Auge sticht ein polnischer Jüngling namens Tadzio, der mit seiner auffallende Schönheit von seinen 3 Schwestern abhebt.
Am nächsten Tag nimmt Aschenbach den faulen Geruch der Lagunenstadt wahr und plant rasch abzureisen, ändert aber seine Meinung, als er dem (Zitat)„von gottähnlicher Schönheit“ gesegneten Knaben wieder erblickt.
Bei einem nachmittäglichen Spaziergang durch Venedig nimmt er den faulen Geruch, der ihm auf das Gemüt drückt wieder wahr und er beschliesst nun der Lagunenstadt endgültig den Rücken zu kehren. Er gibt Anweisungen sein Gepäck zum Bahnhof zu befördern. Als er jedoch am Bahnhof erfährt, dass sein Gepäck irrtümlicherweise in eine falsche Stadt vorausgeschickt worden ist, kehrt er ins Hotel zurück. Er gesteht sich ein, dass ihm um Tadzios willen der Abschied so schwer fiel und ist deshalb glücklich wieder im gleichen Hotel wie sein Angebetener zu sein.
Als die fehlversandten Gepäckstücke endlich wieder in seinem Besitz sind, bleibt er bei seinem Entscheid in Venedig in Tadzios Nähe zu bleiben.
Eines Abends, als die polnische Familie mit Tadzio spät erscheint, verrät sich Aschenbach durch seinen unkontrollierten Gesichtsausdruck mit dem er den Jungen anstarrt. Der Knabe, der als einziger dies wahrnimmt, scheint den Blick zu erwidern, indem er halb verlegen halb neugierig zurücklächelt.
In der vierten Woche seines Aufenthaltes entdeckt Aschenbach in der Luft einen eigentümlichen Geruch. Zufällig aufgefangene Gesprächsfetzen, und das Gespräch mit dem Coffeir, deuten auf eine in Venedig grassierende Epidemie, die Cholera hin. Den Besuchern Venedigs wird aus ökonomischen Gründen der Ausbruch der Epidemie aber verschwiegen. Aschenback bemerkt zwar, dass deutsche Gäste immer seltener werden, die übrigen vor allem slawischen Gäste und somit auch Tadzio aber bleiben. Aschenbach empfindet sogar eine gewisse Zufriedenheit, da damit sein Geheimnis um Tadzio mit dem der Stadt verschmilzt. Inzwischen stellt er Tadzio regelrecht nach und belässt es nicht mehr bei Zufallsbegegnungen. Als eines Abends Strassensänger im Hotel spielen, geht von einer dieser Gestalten ein penetranter Karbolgeruch aus, der Geruch des Todes, den aber die Gäste ignorieren.
Am nächsten Tag erfährt Aschenbach die Wahrheit über die ausgebrochene Seuche und man rät ihm zur sofortigen Abreise. Er erwägt zwar die Familie Tadzios zu warnen, verwirft diesen Gedanken aber wieder. In der Nacht wird Aschenbach von einem fürchterlichen Alptraum heimgesucht, der von dem Einzug eines fremden Gottes handelt.
Aus Sorge, dem jungen Tadzio nicht zu gefallen, lässt er sich sein Äusseres durch Haarfärben und Crèmes herrichten und ähnelt nun dem von ihm verachteten Alten, den er auf dem Schiff nach Venedig gesehen hat. Nach demVerzehr überreifer Erdbeeren, fällt Aschenbach in einen Tagtraum. Darin hat er eine Vision von Schönheit und Eros, von Erkenntnis und Abgrund, die jäh mit einem Verzicht auf das eigene Künstlertum endet.
Wenige Tage später geht Aschenbach zum Strand. Ihm ist nicht wohl. Er sieht Tadzio nach einem Ringkampf mit einem Kollegen ins Meer rennen und glaubt Tadzio winke ihm zu und fordere ihn auf ihnen ins Meer zu folgen. In diesem Augenblick stirbt Aschenbach. (Zitat) „Und noch am desselben Tages empfing eine respektvoll erschütterte Welt die Nachricht von seinem Tode“.
Personenensemble :
Die Hauptpersonen in Thomas Manns Novelle sind der alte Schriftsteller Gustav Aschenbach und der 14-jährige Schönling Tadzio. Zwischen den beiden wird kein einziges Wort gesprochen. Kommunikation findet nur durch Blicke statt. Eine wichtige Rolle spielen eine Reihe sonderbarer Figuren (z.B. fremder Wanderer, Gondoliere), die Aschenbach nach Venedig und in den Tod begleiten. Randpersonal sind Gäste und Angestellte de Hotels, Tadzios Familie, seine Spielgefährten und die Einwohner Venedigs. Auf einer zweiten Ebene, die nur für Aschenbach existiert, treten Figuren aus der griechischen Mythologie auf. Ein weiter zu nennender Punkt wäre die Umgebung oder Atmosphäre Venedigs, die eine wichtige Rolle spielt.
Gustav von Aschenbachs Vorfahren väterlicherseits sind allesamt Offiziere und Beamte. Seine Mutter hingegen bringt das Künstlerische Gen ein . Aschenbach wird schon früh berühmt und macht Kariere. Er ist aber ein schwacher Held, da sein Weg mit zunehmendem Alter in den Abgrund führt.
Gustav Aschenbachs Name ist wie meist bei Mann ein sprechender. Er nahm sich seinen Freund und Komponisten Gustav Mahler, der während Manns Italienaufenthalt in Wien stirbt, als Vorbild für seine Figur. Der Nachname Achenbach erinnert an Andreas Achenbach einen Maler der Mann ebenfalls bekannt war. Durch die minimale Veränderung von Achenbach to Aschenbach, wird das in der Erzählung dominierende Todesmotiv wieder aufgegriffen, da die Asche natürlich auch das Verbrannte und Vergängliche darstellt.
Eine Reihe von Figuren (Wanderer, Gondoliere, Strassenmusikant, „alter Jüngling“) treten als Todesboten auf und begleiten Aschenbach auf seiner Todesreise. Wir schauen uns nochmals die Textstelle an.
Alle diese Figuren kann man als Stadium oder Vorboten was mit Aschenbach passieren wird vergleichen (z.B. Wanderer= Reise) und es erstaunt nicht, dass alle diese Personen über ähnliche Merkmale verfügen.
Gemeinsamkeiten:
- Physiognomie, die einem Totenkopf ähnelt mit stumpfer Nase und entblössten Zähnen.
- die roten Haare
- schmächtiger bis magerere Körperbau
- Fremdartigkeit
- Ort bzw. Auftreten (Friedhof, sargähnliche Gondel, Karbolgeruch)
Weitere Todessymbole sind die sargähnliche Gondel, der Karbolgeruch und die ablaufende Sanduhr. Durch die Atmosphäre von Venedig unterstreicht Mann den bevorstehenden Untergang und Tod.
Interpretation:
Zahlreiche Briefe, Kommentare und Äusserungen Thomas Manns, belegen, was der Schriftsteller mit seiner Novelle aussagen wollte. Zentrales Thema von Thomas Manns früheren Werken ist der Gegensatz zwischen künstlerischer und bürgerlicher Lebensform, zwischen Kunst und Leben allgemein.
So wird auch in „Der Tod in Venedig“ dieses Thema aufgegriffen und belegt, wie der Schriftsteller Gustav Aschenbach, indem er die Leidenschaft in sein geregeltes Leben einbrechen lässt seine Würde als Künstler verliert.
Im „Der Tod in Venedig“ finden wir aber auch sehr autobiographische Züge aus Thomas Manns Leben:
- Dieselbe Tätigkeit als Schriftsteller
- München als Wohnsitz
- Fremder Rasse der Mutter
- Aschenbachs Werke, bei denen es sich um nicht ausgeführte Projekte T.M. handelt
- Geistige Stagnation und Erschöpfung beider Künstler
- Die Venedig-Reise mit ihren vielen Einzelheiten (Wirkliche Tadzio- Baron Wladislaw Moers)
Thomas Mann wehrte sich natürlich gegen den Vorwurf, dass die homoerotische Komponente auf ihn beziehe oder einfach sogar überflüssig und geschmacklos sei. Er wollte einen Mann vorstellen, der auf dem Gipfel seines Schaffens keine Zuflucht in die Kunst mehr findet und seelisch sowie auch körperlich Zugrunde geht. (Zitat) „Nur um den Sturz vom Gipfel in die Tiefe möglichst gross erscheinen zu lassen, wählte ich für meinen Helden die homosexuelle Liebe.“
Im Gegensatz zu Aschenbach konnte aber Mann sich von seiner Schaffenskrise erholen. Vielleicht weil Thomas Mann in der Person von Gustav Aschenbach einen Stellvertreter erfand und ihn an seiner Stelle sterben lies.
Das Mythische, das immer wiederkehrend vorkommt ist ein (Zitat)„Hilfsmittel und geistige Zuflucht des Erlebenden.“, das heisst er beschwört die Antike, um seine Triebe vor sich selbst und seinem Gewissen zu rechtfertigen.
Thomas Mann ist ein Meister der deutschen Literatur. Vor allem seine Fähigkeit Natur und Personen so exakt zu beschreiben, dass wir sie uns bildlich vorstellen können, ja sie sogar fühlen, wie wir in der Textstelle sahen, machen seine Werke lesenwert. Ich empfehle euch zumindest einen Mann zu lesen wenn es auch nicht unbedingt „Der Tod in Venedig“ sein muss, da dieses Buch doch mit seinen zahllosen Anspielungen und Wissen das vorausgesetzt wird, mühsam zu verstehen ist.
Hiermit habe ich geschlossen.
- Arbeit zitieren
- Dabotz Lehmann (Autor:in), 2001, Mann, Thomas - Der Tod in Venedig, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103016
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