1. Was sind eigentlich Kurden?
Die Kurden zählen zu den indogermanischen Völkern. Mit ca.30 Millionen Menschen (Angaben schwanken) sind sie weltweit das größte Volk ohne ein eigenes Land. Ihr Siedlungsgebiet wurde nach dem ersten Weltkrieg zwischen den neu entstandenen Ländern Syrien, Irak, Iran und Türkei aufgeteilt.
Die Kurden sind neben den Arabern, Persern und Armeniern eines der ältesten Völker der Region. Das von ihnen besiedelte Land wird Kurdistan genannt. Kurdistan ist ein geographischer, ein sozialer und ein historischer Begriff, aber kein Staat. Es reicht von den Taurusausläufern im Westen der Türkei bis zum iranischen Hochplateau im Osten, vom biblischen Berg Ararat im Norden bis zu den Ebenen von Mesopotamien im Süden. In diesem Gebiet, das mit 500.000 qkm so groß wie Frankreich ist, beträgt der Anteil der kurdischen Bevölkerung 80-90%. Ein gewisser Teil von Kureden lebt seit frühen Zeiten oder aufgrund von Migrations- beziehungsweise Fluchtbewegung in anderen Regionen und den Metropolen der jeweiligen Länder. Zieht man auch diese in Betracht so leben innerhalb der Staatsgrenzen der Türkei 18 Millionen, des Iran 8 Millionen, des Irak 5 Millionen und Syriens 1,5 Millionen Kurden. Durch Arbeitsimmigration, wirtschaftliche bzw. politische Flucht sind zusätzliche 1 Millionen nach Europa gekommen.
Die Kurden haben ihre eigene Sprache, Kurdisch. Kurdisch gehört zur indo-europäischen Sprachfamilie und gehört neben dem Persischen, Afghanischen und dem Beludischen zur Gruppe der iranischen Sprachen. Mit dem Arabischen und dem Türkischen ist Kurdisch nicht verwandt. Es gibt zwar eine kurdische Schriftsprache, es werden seit dem 10. Jahrhundert literarische Werke in kurdischer Sprache verfasst und trotzdem bestehen aufgrund der verschiedenen Dialekten, die im Laufe der Zeit entstanden sind Sprachprobleme: Diese Dialektgruppen können sich untereinander nicht verständigen.
Fast alle Kurden gehören dem Islam an.
Die kurdische Gesellschaft war feudal sehr stark zersplittert: Stammestruktur, Spaltung in religiöse Strömungen und Konfessionen, Großgrundbesitzer- und Scheich-institution. Selbst heute sind diese feudalen Strukturen vor allem in den ländlichen Gebieten noch ausgeprägt vorhanden.
2. Geschichte der Kurden
Schon 2000 v.Chr. wurde auf einem numerischen Steigstein auf das Land Kardaka hingewiesen. Die Kardaken sind die Urväter der Kurden, so erzählen es auch die antiken, griechischen Historiker. Einige Jahrhunderte bildeten sie mit den Persern einen gemeinsamen Staat. Sie waren Anhänger Zarathustras oder Christen. Später wechselten sie zum Islam. 1639 teilten das erste Mal die Perser und Osmanen Kurdistan in zwei Teile. Nachdem Ersten Weltkrieg ging das Osmanische Reich unter und die Siegermächte England und Frankreich teilten das Gebiet in Halbkolonien. Nachdem im August 1920 unterzeichneten Vertrag von Sévres sollte dort auch ein Staat Kurdistan entstehen. Es entstand eine revolutionäre Reformbewegung gegen die Kolonialisierung und unter General Mustafa Kemal (Atatürk) mit der Parole „Islamische - kurdische-türkische Brüderschaft“ die schließlich siegte. Es entstand der Staat Türkei in seinen heutigen Grenzen. Somit war Kurdistan der Türkei, dem Iran, dem englischen und dem französischen Mandat des osmanischem Überbleibsel (heute Syrien und Irak) unterstellt.
In der Türkei wurden die Kurden schließlich Übergangen. Die Strukturen des neuen Staates richteten sich gänzlich nach den türkischen Interessen. Die Existenz der Kurden wurde
geleugnet. Neben der Ausübung der kurdischen Sprache und der kurdischen Kultur wurden auch die Begriffe „Kurdisch“ und „Kurdistan“ verboten. Die kemalistische Führung Kemals berücksichtigte die multikulturelle Struktur, die ein Völkermosaik darstellte nicht im geringsten. Sie machte zum Grundstein ihrer Politik andere Sprachen und Kulturen in die türkische Kultur einzuschmelzen und dadurch „eine einzige Nation“ zu schaffen. Von Kurden zu Sprechen und die Unterdrückung zu kritisieren galt als ein schwerwiegendes Verbrechen und wurde massiv bestraft.
1925 erhoben sich die Kurden mit der Forderung „Herstellung der kulturellen, sozialen und politischen Rechte der Kurden, Errichtung eines autonomen Gebietes und wirtschaftliche Entwicklung in kurdischen Gebieten der Türkei.“. In der Folge zerstörten die Türken 200 Dörfer, töteten mehr als 15.000 Kurden. Die Türkische Presse triumphierten: „Wo die türkische Bajonette regiert gibt es kein Kurdenproblem“. Anfang der 30er Jahre intensivierte die türkische Regierung ihre Politik der „Türkisierung“. Im Mai 1932 wurde ein Gesetz verabschiedet das die Deportation zehntausender Kurden aus ihren Heimatdörfer ermöglichte. Neue Blutige Aufstände brachen aus, zuletzt 1938 in Dersim.
Nach 1938 folgte eine relative Ruhephase von etwa 20 Jahren. Allerdings ist es nicht verwunderlich, dass die Kurden, die alle nationalen Rechte entbehren und massiven Unterdrückungsmaßnahmen unterworfen waren, die in Armut und Unwissenheit getrieben wurden sich erneut bewaffneten. Seit 1979 regiert die Türkei Kurdistan mit Kriegsrecht.
In den anderen Teilen Kurdistans ging eine ähnlich Entwicklung ab. Ebenfalls Aufstände und kriegerische Handlungen bestimmten das Bild. Lediglich im Norden des Iraks besteht heute ein kurdisches Autonomiegebiet, das durch eine nach dem Golfkrieg eingerichtete UN- Flugverbotszone für das irakische Militär, geschützt ist.
3. Kampf der PKK
Am 15.8.1984 nahmen die „Hezen Rizgariya Kurdistan“ (HRK, Befreiungseinheiten Kurdistans), der militärische Arm der kurdischen Arbeiterpartei „Partiya Karkeren Kurdistan“(PKK), den bewaffneten Kampf gegen die türkischen Regierungstruppen mit dem Ziel der Sezession Südostanatoliens(Türkisch-Kurdistan) von der Türkei auf, welche intern als nationaldemokratische Revolution unter Führung des Proletariats bezeichnet wird. Die Motivation für die Aufnahme von Kampfhandlungen ist durch die Maßnahmen der türkischen Regierung und dem daraus resultierenden Elend für die Kurden (s.o.) erfolgt.
Das Erklärte Ziel der PKK, alle Kurden der Region(Gesamt-Kurdistans) in einem Staatsverband zu organisieren, liegt weder im Interesse der betroffenen Staaten noch in dem der Ordnungsmächte.
Ein weiterer Grund der halbherzigen Sympathiebekundungen seitens des Westens für kurdische Belange besteht in der strategischen Bedeutung des NATO-Mitglieds Türkei. Diese ging auch nach dem Ende des kalten Krieges nicht wesentlich zurück. Heute bietet die Türkei Nachschubbasen und Flugplätze für die militärische Sicherung für die nach dem 2.Golfkrieg entstandenen UN-Schutzzone. Generell gilt die Türkei als „Einfallstor“ des Westens in den Orient. Nicht zuletzt diese internationale Ablehnung gegenüber den Vorstellungen der PKK führte zu Beginn der 90er Jahre zur Änderung der Zielsetzung: Autonomierechte für Türkisch- Kurdistan innerhalb des türkischen Staatsverbands. Seit die PKK ihre Ziele neu definierte, drängt die internationale Gemeinschaft zwar energischer auf die Einhaltung der Menschenrechte in der Türkei, das konnte allerdings nicht verhindern dass der Krieg seit 1990 pro Jahr erheblich mehr Opfer forderte als in den Jahren 1980er Jahren.
Dies war auch darin begründet, dass die PKK in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre einige strukturelle Veränderungen in ihrer Organisation vornahm. Hierzu gehörte die Differenzierung zwischen militärischen und politischen Kadern. So wurden 1986 die „Artesa Rizgariya Gele Kurdistan“(ARGK, Volksbefreiungsarmee Kurdistans) gegründet, weil sich die HRK als ineffektiv und sogar kontraproduktiv für die Ziele der PKK erwiesen hat. Damit hatten sie der kurdischen Arbeiterpartei einigen Einfluss auf die Bevölkerung gekostet. Weit erfolgreicher war hingegen der 1987 gegründete politische Arm der PKK, die „Eniya Rizgariya Neteva Kurdistan“(ERNK, Nationale Befreiungsfront). Mit erfolgreichen Propagandaaktivitäten gelang es dieser die Aktivitäten die Sympathien der kurdischen Bevölkerung zu gewinnen. Hierzu trugen auch die seit Ende der ´80er Jahre weiter intensivierten und vielfach brutalen Unterdrückungsmaßnahmen der türkischen Armee gegen die Kurden bei. 1987 wurde in über elf kurdischen Provinzen Notstandsrecht verhängt und die türkische Armee betrachtete nahezu jeden Kurden als Terroristen. Es wurden Antiterroreinheiten aufgestellt und die Sischerheitskräfte massiv verstärkt, so dass bis 1990 ca. 200.000 Soldaten, 70.000 Polizeibeamte, 25.000 sogenannte „Dorfschützer“ und 1.500 Anti- Terrorspezialisten gegen geschätzte 2.500PKK- Rebellen kämpften. Das Jahr 1991 stand im Zeichen der im September 1990 von der türkischen Regierung verkündeten Suspendierung von Grundrechten (wie sie von der Europäischen Menschenrechtskommission definiert werden); die unter anderem die Pressefreiheit einschränkte.
Die gestiegene Akzeptanz und Identifikation mit der PKK innerhalb der kurdischen Bevölkerung bewirkte Anfang der 1990er Jahre, dass der Krieg eine neue Dimension annahm. Die Propagandaaktivitäten und die Brutalität der türkischen Sicherheitskräfte hatten spätestens zu diesem Zeitpunkt aus einer Guerilliarevolte eine Volksbewegung werden lassen. Nicht nur die bewaffneten Verbände waren stärker und aktiver geworden, auch der Widerstand der zivilen Bevölkerung erreichte enorme Ausmaße. Die PKK hatte ihre Unterstützer jetzt nicht nur in den grenznahen Gebieten, sondern auch im Westlichen Kurdistan, im Zentrum der Türkei. Durch den Zustrom kampfbereiter Rebellen konnten die ARK- Einheiten zunehmend als lokale Kampftruppen agieren, das heißt dass die Kämpfer in der Nähe ihrer Heimatdörfer und Heimatstädte bliebe und durch ihre Ortskenntnis erhebliche Vorteile gegenüber den türkischen Sicherheitskräften besaßen. Die für die unwegsamen Gebirgsregionen unwegsame Ausrüstung des Militärs führte zu erheblichen Verlusten auf Seiten der Armee.
Die erfolgreiche Aktivitäten der PKK führten 1992 dazu, dass die türkische Politik erstmals auch offiziell Die Existenz einer „kurdischen Frage“ eingestehen musste. Ab nun wurde der private Gebrauch kurdischen Sprache nicht mehr unter Strafe gestellt. Für die PKK setzte 1992 allerdings eine Entwicklung ein, die ihre Operationsmöglichkeiten beschränkte. Durch den Ausbau ihrer Stützpunkte im Norden Iraks verschlechterte sich die Beziehungen zu den irakischen Kurdenorganisationen, die sich schließlich zur offenen Feindseligkeit entwickelten. Hierzu trug auch bei, dass das türkische Militär die Umstände des Golfkriegs nutzte. Während einer Großoffensive in den Irak 1992 erlangten sie, von den auf türkische Hilfslieferungen angewiesen Kurden im Norden Iraks bewaffnete Unterstützung.
Im Rückblick erscheint das Jahr 1994 als ein Wendepunkt des Krieges. Die türkische Armee konnte seit 1993 die Ausrüstung für den Kampf gegen die PKK- Rebellen entscheiden verbessern. Rüstungslieferungen aus Deutschland und Russland verhalfen der Armee mit moderneren Kampfpanzern und Kampfbombern, zu mehr Effektivität. Entscheidender für den Kampf in den unwegsamen Bergregionen waren aber die Lieferungen von annähernd 500 Radpanzern, Nachtsichtgeräten und anderen Gerätschaften. In den darauffolgenden Jahren verlagerten sich die Kampfhandlungen für längere Zeit aus den türkischen Südostprovinzen in die UN-Schutzzone im Irak und in die türkische Provinz Tuncelli. Dabei gelang es dem Militär die Rebellenbewegung immer weiter zurückzudrängen und ihnen empfindliche militärische Rückschläge zuzufügen.
Bald wurde klar, dass die Verluste der PKK über das Maß rein kurzfristiger Rückschläge hinaus ging: Im April jenes Jahres konnte die Nr.2 der PKK, Semdin Sakik durch ein Spezialkommando auf irakischem Grund gefangen genommen werden. Sakik war nach einem Zerwürfnis mit PKKAnführer Öcalan zu einer irakischen Kurdenorganisation übergelaufen. Außerdem folgten rasch aufeinander mehrere bedingungslose Waffenstillstandsangebote der PKK. Zumindest Teile der Guerilliaorganisation erkannten die Aussichtslosigkeit der Fortsetzung eines bewaffneten Kampfes. Außerdem gelang es der Türkei nach einer gezielten Verschärfung des Verhältnisses zu Syrien, die dort gelegenen Rückzugsgebiete der PKK abzuriegeln.
Vor dem Hintergrund dieser Rückschläge der PKK gelang dem türkischen Militär zu Beginn des Jahres 1999 der bisher wohl wichtigste Schlag gegen die PKK mit der Gefangennahme dessen Führers Abdullah Öcalan. Dieser ist für die Kampfesmoral großer Teile der PKK-Kader und ihrer Unterstützer besonders wichtig. Öcalan war von einem Spezialkommando der türkischen Armee in Kenia gefasst wurden, nachdem Asylgesuche in Russland und Italien gescheitert waren. Am 29.Juni 1999 wurde Öcalan vom türkischen Staatssicherheitsgericht nach einem mehrwöchigen, von rechtsstaatlichen Normen weit entfernten Prozess wegen Hochverrats zum Tode verurteilt(siehe unten).
Unmittelbare Folgen der Gefangennahme Öcalans in der Türkei war die Verschärfung der antikurdischen Stimmung innerhalb der türkischen Bevölkerung. Damit einher ging die landeswite Verhaftungswelle mehrerer mutmaßlicher PKK Sympatisanten. Auf der anderen Seite kam es zu mehreren Anschlägen kurdischer Aktivisten in Istanbul und anderen Großstädten sowie einigen Touristikzentren der Türkei.
Auch die militärischen Ereignisse des Jahres 1999 standen unter dem Einfluss der Festnahme Öcalans. Am 18.Februar startete die türkische Armee zum wiederholten Mal eine Offensive gegen mutmaßliche PKK-Stellungen im Norden Iraks. Hierbei rückten bis zu 10.000 türkische Soldaten unterstützt von Kampfhubschraubern, Panzern und Artilleriegeschützen in die UN- Schutzzone ein
Im August 1999 schließlich verkündete der inhaftierte PKK-Vorsitzende Öcalan eine einseitige Waffenruhe und machte der türkischen Regierung hiermit ein erneutes Friedensangebot. Außerdem wurde ein Waffenstillstand mit der irakischen Kurdenorganisation KDP verkündet. Seither, also knapp zwei Jahre hat der zerbrechliche Friede weitgehend gehalten. Des weiteren wird der Fall Öcalan vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Staßburg neu verhandelt. Die türkische Regierung will dieses Urteil vor der Vollstreckung der Todesstrafe auf jeden Fall abwarten.
4. Türkei und die EU bezüglich Menschenrechte
Auf dem EU-Gipfel in Helsinki im Dezember 1999 wurde der Türkei der Kandidatenstatus zuerkannt. Doch die EU verlangt in fast allen Bereichen Zugeständnisse von der Türkei, die mit dem Druckmittel der Mitgliedschaft erreicht werden sollen.
So werden neben den an die Türkei gestellten wirtschaftlichen Anforderungen vor allem die durch den türkischen Staat verübten Menschenrechtsverletzungen angeprangert. Insbesondere die Kurdenpolitik der türkischen Regierung wird in Brüssel aufmerksam beobachtet. So wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die Fortschritte und Probleme in diesem Bereich bewerten soll. Die Einschätzung der derzeitigen Situation dürfte hingegen den EU-Beobachtern nicht leicht fallen. In der letzten Zeit hat sich Ankaras Politik gegenüber den Kurden als äußerst ambivalent erwiesen. Zweifelsohne wurden in der Türkei in jüngster Zeit zahlreiche Anstrengungen unternommen, um Missstände im Bereich der Menschenrechte und vor allem im Umgang mit der kurdischen Bevölkerung zu beheben. Aber genau in der Regierung selbst herrscht größte Uneinigkeit darüber wie man mit der kurdischen Bevölkerung umgehen sollte. So fordern Köpfe der demokratischen Linkspartei von Ministerpräsident Ecevit (DSP), in der Streitfrage, ob und in welchem Ausmaß den Kurden kulturelle Rechte zugebilligt werden sollen, mehr Zugeständnisse an die Kurden zumachen. Doch der Koalitionspartner, die ultra rechte Partei des nationalistischen Aufbruchs (MHP) , hält großartige Lockerungen in diesem Bereich für undenkbar. So wehrten sie die Forderung des türkischen Außenministers Ismail Cem (DSP) „jeder Bürger der Türkei sollte in Fernsehsendungen seine Muttersprache sprechen können“ mit dem Argument ab, wenn man Kurdisch in Schulen und Fernsehsendungen erlaube, werde das zu Forderungen nach Autonomie führen, „wenn wir dazu gedrängt werden gibt es eine Regierungskrise.“
Die Uneinigkeit in der Regierung verzögert die Umsetzung eines nationalen Programms, mit dem die Türkei die von der Europäischen Union geforderten Voraussetzungen für einen EUBeitritt erfüllen will und eben hierzu wäre auch ein Wandel in der Politik gegenüber der kurdischen Bevölkerung nötig
Zumindest einige Ansätze, wie das Aussetzen der Vollstreckung des Todesurteils gegen Öcalan bis zu einem Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zeigen, dass man der EU ein Stück entgegen kommt. Auch wurde es erstmals ermöglicht, dass Angehörige der Staatsverwaltung vor Gericht gestellt werden können.
Darüber hinaus verabschiedete das türkische Parlament im August 1999 ein Gesetz , welches Kämpfern der PKK bei Reue die Möglichkeit einer Strafmilderung anbietet. Auch wurde bereits ein Entwicklungsplan für das extrem unterentwickelte Siedlungsgebiet der Kurden erstellt. Leider konnten diese in der Theorie fortschrittlich anmutenden Maßnahmen in der Praxis nicht richtig greifen. So kann die angebotene Strafmilderung von kaum einem Angehörigen der PKK wahrgenommen werden, da das sogenannte „Reuegesetz“ nur dann Anwendung findet, wenn das PKK- Mitglied niemals auch nur die geringste Verbindung zu den Taten der PKK hatte. Zum anderen kommt die Entwicklung in den kurdischen Gebieten nur äußerst spärlich voran. Das Geld fehlt, Ankara ist wegen eines Kreditabkommens mit dem WWF und erst recht seit der neuesten Finanzkrise nicht in der Lage hier Investitionsanreize zu schaffen und so bevorzugen die meisten Firmen den besser entwickelten Westen des Landes
Des weiteren fordert die EU die Abschaffung der Todesstrafe, was einigen Zeitungsberichten nach von Teilen der Regierung, sowie mittlerweile auch vom Militär unterstützt wird. Im Besonderen bringt der Fall Öcalan Brisanz in dieses Thema.
Immer noch werden in türkischen Gefängnissen sowie Polizeistationen von brutalen Wertern und Polizisten Misshandlungen von hauptsächlich politischen Gefangen, also PKK-Kämpfer und anderen Sympathisanten des Kurdenkampfes, zum Beispiel Schriftsteller, aber auch islamischen Fundamentalisten durchgeführt. Bisher gab es in der Türkei vorwiegend große Gefängnisse mit Räumen mit bis zu 100 Insassen und nun, da die türkische Regierung die Verlegung in moderne, den EU-Standarts angepassten Gefängnissen angeordnet hatte, gingen die Gefangenen in einen Hungerstreik. Sie fürchten, dass sie in den Einzel- oder Dreierzellen den Misshandlungen des Personals schutzlos ausgeliefert sind.
Die Regierung begründet das neue System damit, die alten Zellen hätten die Gefängnisse zu Indoktrinationszentren linker, kurdischer und islamischer Organisationen gemacht. Zur Verlegung der Gefangenen hatten die Sicherheitskräfte im Dezember mehrere Haftanstalten gestürmt. Dabei kamen 30 Häftlinge und zwei Soldaten ums Leben. Nach starkem Druck im In- und Ausland arbeitete die Regierung vor kurzem zwei Gesetzesentwürfe aus, um die Haftbedingungen zu verbessern. Die Vorschläge, die noch nicht verabschiedet wurden, sehen vor, dass Beobachter die Haftanstalten besuchen dürfen und lassen ferner die Teilnahme von Gefangenen an sportlichen und kulturellen Veranstaltungen zu. Den Hungerstreikenden gehen die Entwürfe nicht weit genug, auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International fordert weitere Schritte
Des weiteren bildet die extrem starke Stellung der türkischen Armee im türkischen Staat und damit der unmittelbare Einfluss auf die Staatsgeschäfte ein großes Hindernis für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der EU. Die Türkei hat „traditionell“ eine sehr große und mächtige Armee, die mit 610.000 Soldaten, die zweit größte der NATO ist. Die Armee wird in der Türkei sehr schnell als „Aufräumer „ eingesetzt um wieder „Ordnung“, das heißt eine, im 5
Sinne Atatürks funktionierende Republik herzustellen. Bei diesen Aktionen kam es auch wiederholt zu Menschenrechtsverletzungen insbesondere im Kampf gegen die Kurden. Doch die Generäle selbst „empfahlen“ der Regierung konkrete Reformen - bis hin zur Stärkung der zivilen Kräfte gegenüber den Militärs. Im Nationale Sicherheitsrat, der als Transmissionsriemen zwischen Militär und Regierung dient und von dem aus seit1997 alle wesentlichen innen-, sowie außenpolitischen Initiativen ausgehen, würde dann das Gewicht auf die zivile Seite verschoben werden und ihn als verfassungsmäßig weniger wichtiges Organ einstufen. Bisher gehören ihm der Generalstabchef und die vier Generäle der vier Teilstreitmächte an, sowie der Ministerpräsident, Innen-, Außen- und Verteidigungsminister. Den Vorsitz führt der Staatspräsident.
5. Zukunftsausblick
Es wird wohl solange die Weltordnung nicht völlig kippt in absehbarer Zeit kein eigener Staat auf dem Territorium des eigentlichen Kurdistans geben. Aber die Leugnung eines kurdischen Volkes, insbesondere in der Türkei, wird es hoffentlich auch nicht mehr geben. Die Unterdrückungspolitik und die damit Verbundenen militärischen Auseinandersetzungen kommen den beteiligten Länder teuer zu stehen. Im Falle der Türkei sind dies laut „Spiegel“- Informationen mindestens 12 Milliarden Mark jedes Jahr. Die Unterdrückungspolitik ist für die Türkei ein großes Hindernis für Demokratie und inneren Frieden. Und eine der Hauptursachen für die häufigen Militärputschs in der Türkei war die Kurdenfrage. So ein Krieg verschlingt Ressourcen. Neben den direkten Kriegsausgaben, hat der Tourismussektor große Einbußen und in Kurdistan ist die Wirtschaft nahezu gänzlich lahmgelegt; Landwirtschaft, Handel und Viehwirtschaft sind auf einem Minimum.
Es besteht keinen Zweifel daran, dass dieses Problem nicht mit Armee und Polizei zu lösen ist. Durch Dialog und Anerkennung kurdischer Rechte ist eine friedliche Lösung möglich und die liegt im Interesse beider Völker. In mehrheitlich kurdisch bevölkerten Gebieten, muss die kurdische Sprache als mindestens gleichwertig betrachtet werden, es muss natürlich auch Fernsehprogramme und Zeitungen in kurdischer Sprache geben. Die Kurden müssen in den Parlamenten vertreten sein und es sollte ein stärkerer Föderalismus einkehren, um somit den Kurden in gewisser Weise eine eigene regionale Verwaltung zu ermöglichen Damit könnte Frieden und Demokratie Einzug halten und die gesamte Türkei könnte dann in eine Entwicklungsphase treten.
In der Theorie hört sich das zwar sehr ordentlich an, aber bei der praktischen Umsetzung wird es wie üblich, bei bestimmten Vorstellungen immer eine Partie geben, die mit der Lösung unzufrieden ist. Auch die Erfahrungen in letzter Zeit lehren, dass sehr häufig unzufriedene Personen mit Gewalt eine andere Lösung erreichen wollen. So gibt es in Mazedonien einige extrem nationalistische Albaner oder die immer noch nicht schweigende baskische Untergrundorganisation ETA, die mit Terroranschlägen gegen die große Mehrheit der Basken für ein unabhängiges Baskenland „wirbt“.
- Arbeit zitieren
- Philipp Kreuz (Autor:in), 2001, Kurden in der Türkei, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103516