Sollte es eine allgemeine Impfpflicht gegen Corona geben?


Hausarbeit, 2021

12 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Situation in Deutschland

3. Allgemeine Problematik

4. Utilitarismus
4.1 Impfpflicht - utilitaristische Betrachtung

5. Präferenzutilitarismus
5.1 Impfpflicht - präferenzutilitaristische Betrachtung

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Wenig beschäftigt unsere Gesellschaft in dieser Zeit mehr als die, zum Zeitpunkt dieser Hausarbeit immer noch grassierende, Corona-Pandemie und all ihre Folge, Probleme und Dilemmata. Eng hiermit verbunden ist die Frage des Impfens. Auch wenn das Problem der gerechten Impfstoffverteilung eine ethisch und moralisch interessante Fragestellungen in sich birgt, so möchte ich diese Hausarbeit der größeren Frage nach einer allgemeinen Impfpflicht widmen. Hierfür möchte ich zunächst die aktuelle Situation in Deutschland skizzieren, um dann kurz auf die allgemeine Problematik dieses Dilemmas einzugehen. Anschließend werde ich den klassischen Utilitarismus nach Jeremy Bentham erläutern, um dann zu versuchen, die Frage nach einer Impfpflicht anhand dieses Prinzips zu erläutern beziehungsweise zu klären. Danach möchte ich mich einer moderneren Form des Utilitarismus widmen, den Präferenzutilitarismus nach Peter Singer. Auch hier werde ich die Prinzipien dieser Form des Utilitarismus erklären, sodass ich danach das Dilemma der Impfpflicht präferenzutilitaristisch Betrachten kann. Abschließend werde ich ein kurzes Fazit über die gewonnen Erkenntnisse ziehen.

2. Situation in Deutschland

Zum Zeitpunkt dieser Hausarbeit herrscht in Deutschland, bis auf einer Ausnahme, keine Impfpflicht. Die Ausnahme der Impfpflicht besteht darin, dass seit dem ersten März 2020 alle Kinder ab einem Alter von einem Jahr sich gegen Masern impfen lassen müssen. Ebenso müssen sich Lehrkräfte sowie medizinisches Personal, welches nach 1970 geboren wurde, gegen Masern impfen lassen (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 2021). Verstöße werden laut dem Redaktionsnetzwerk Deutschland mit einer Strafe „von bis zu 2500 Euro belegt” (2019), sowie mit dem Ausschluss des Kindes aus der Kindertagesstätte. Ein Ausschluss aus der Schule ist jedoch aufgrund der Schulpflicht nicht möglich. Ein Grund für die Einführung der Impfpflicht gegen Masern war ein starker Anstieg der Fälle in Europa, so seien 2018 so viele Masernfälle gemeldet worden wie seit 10 Jahren nicht mehr (Geissel, 2019). Der Deutsche Ethikrat äußerte sich 2019 in einer Stellungnahme zu diesem Thema. So sieht der Deutsche Ethikrat die Auslöschung der Masern als „individuell und gesellschaftlich bedeutsames moralisches Ziel“ (2019, S.85). Er rät jedoch davon ab, Bußgelder als Druckmittel für eine höhere Impfquote einzusetzen. Als Grund hierfür gibt der Deutsche Ethikrat an, dass Strafen nur als Ultima Ratio anzuwenden seien, hierfür sieht er jedoch keine Grundlage (Deutscher Ethikrat, 2019).

Zur noch andauernden Corona-Pandemie und einer möglichen Impfpflicht hat der Ethikrat, zu diesem Zeitpunkt, noch keine Standpunkte veröffentlicht. Lediglich eine Stellungnahme zu einer Immunitätsbescheinigung ist veröffentlicht worden.

3. Allgemeine Problematik

Das zugrundeliegende Problem einer allgemeinen Impfpflicht ist in der Abwägung zwischen dem Recht des Einzelnen gegenüber dem Recht der Gemeinschaft. Ein jeder soll, und muss, die Rechte über seinen eigenen Körper haben - staatliche Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit dürfen keinesfalls leicht hingenommen werden. Jedoch steht hier das Recht des Individuums auf körperliche Unversehrtheit dem Recht der Gemeinschaft auf Gesundheit gegenüber. Personen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen können, sind auf die Solidarität der Gemeinschaft angewiesen. Dies ist offensichtlich ein moralisches Dilemma, welches sich in einer liberalen Gesellschaft, welche das Recht des Einzelnen hoch bewertet, nicht so einfach lösen lässt. Der Konflikt zwischen Individuum und Kollektiv ist dabei keines Wegs ein modernes Problem. John Stuart Mill beispielsweise behandelte es bereits 1859 in seinem Buch Über die Freiheit. Somit ist es also offensichtlich, dass dieses Problem nicht erst seit der Frage nach einer Impfpflicht besteht. Die Corona-Krise, und die Verabreichung der Impfstoffe, hat diesen Konflikt jedoch wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit katapultiert. Für eine schnelle Beendigung der Pandemie wird man an der Frage nach einer Impfpflicht nicht vorbeikommen. Hier kann die Ethik mit ihren Moraltheorien als Entscheidungshilfe dienen. Dabei ist zu beachten, dass die Moraltheorien niemals als absolut gesehen werden können, auch sie bieten nur eine Referenz.

4. Utilitarismus

Der Utilitarismus ist eine teleologische Moraltheorie und steht daher im Gegensatz zum deontologischen Ansatz. Nach einer konsequentialistischen Moraltheorie ist eine Handlung dann gut, wenn auch ihre Folgen gut sind. Die Ursachen und Beweggründe für die Handlung spielen dabei keine Rolle.

Die Grundlage des Utilitarismus, so wie er heute verstanden wird, geht auf Jeremy Benthams Buch An Introduction to the Principles of Morals and Legislation zurück. Bentham nimmt hier an, dass die Handlungen des Menschen von Natur aus durch Leid und Freude bestimmt werden: „Nature has placed mankind under the governance of two sovereign masters, pain and pleasure“ (Bentham, 4 1781, S.14). Laut Bentham (1781) sind es diese beiden Prinzipien, die bestimmen, was der Mensch macht, sagt und wie er handelt. Jeder Mensch strebt ergo danach, Glück zu vermehren beziehungsweise Schmerz zu verringern. Nach utilitaristischem Prinzip muss auch eine jede Handlung an diesem Prinzip gemeßen werden. Möchte man nun den Wert einer Handlung herausfinden, so fängt man bei der Person an, deren Interesse am unmittelbarsten von der Handlung betroffen ist. Nun muss man das durch die Handlung entstehende Leid oder die entstehende Freude anhand von sieben Umständen messen. Zu diesen sieben Umständen gehört erstens die Intensität, also wie intensive das entstehende Leid oder die entstehende Freude ist, zweitens die Dauer, das hießt wie andauernd ist das Leid beziehungsweise die Freude, und drittens Gewissheit oder auch Ungewissheit, wobei bewertet werden muss, wie sicher das Eintreten des Leides oder der Freude ist (Bentham, 1781). Auch muss beachtet werden, wie Zeitnah das Leid beziehungsweise die Freude eintreten (Bentham, 1781). Ebenso muss die Folgenträchtigkeit berücksichtigt werden, das heißt, wie gering oder schwerwiegend die Konsequenzen sind (Bentham, 1781). Zusätzlich ist zu beachten, wie rein (Reinheit) das Leid oder die Freude ist (Bentham, 1781). Als siebter Umstand ist das Ausmaß zu nennen (Bentham, 1781). Hier muss darauf Rücksicht genommen werden, wieviele Personen vom entstehenden Leid beziehungsweise von der entstehenden Freude betroffen sind. Nachdem das entstehende Leid und die entstehende Freude nach den obigen sieben Kriterien bewertet worden sind, muss nun aufgerechnet werden, ob die Tendenz für die am betroffenste Person eher positiv, also ein Überwiegen der Freude, oder eher negativ, ergo ein Ungleichgewicht seitens des Leides, ist. Dieses Verfahren muss dann bei allen, von der Handlung betroffenen, Personen angewendet werden. Zu guter Letzt muss noch Bilanz gezogen werden, das heißt, dass man alle positiven und alle negativen Tendenzen addiert, um dann zu evaluieren, ob es insgesamt für die Gemeinschaft ein Übergewicht der Freude oder aber ein Übergewicht des Leides gibt. Bentham (1781) formuliert das wie folgend:

Take the balance which if on the side of pleasure, will give the general good tendency of the act, with respect to the total number or community of individuals concerned; if on the side of pain,the general evil tendency, with respect to the same community. (S.33)

Überwiegt nun also die positive Tendenz, so kann man von einer moralisch guten Handlung sprechen, überwiegt jedoch die negative Tendenz, so handelt es sich um eine moralisch schlechte Handlung.

4.1 Impfpflicht - utilitaristische Betrachtung

Bentham (1781) selber schreibt, man könne es nicht erwarten, dass dieses Verfahren jedes mal angewandt wird, dennoch sei es wann immer möglich zu Berücksichtigen. Da die Corona-Krise und die Frage nach einer möglichen Impfpflicht nach Antworten ringt, mag eine utilitaristische Beurteilung womöglich zu einer Lösung des Problems verhelfen. Nun gestaltet es sich relativ schwierig eine Person zu finden, die am unmittelbarsten von einer allgemeinen Impfpflicht betroffen ist, da eine allgemeine Impfpflicht per definitionem jeden betrifft. Trotzdem ist wohl die Person, die sich zuvor nicht hat impfen lassen wollen, nun wahrscheinlich am ehesten von einer Impfpflicht betroffen. Einfachheitshalber ist diese Person im Folgenden als Person A bezeichnet. Auch Person A handelt laut Bentham immer so, sodass sie am meisten Freude beziehungsweise am wenigsten Leid erfährt (hier ist zu beachten, dass dies natürlich subjektive Bewertungen sind; des einen Freud ist des anderen Leid) . So ist es wahrscheinlich, dass eine nicht-freiweillige Impfung für Person A eher Leid hervorruft. Wie intensiv dieses Leid ist, lässt sich als Außenstehender freilich schwer beziffern, dennoch gehe ich nicht von einem sehr intensiven leid aus. Auch die Dauer des Leides ist, höchstwahrscheinlich, nicht sehr lange, da die Impfung im Alltag nicht einschränkt - im Gegenteil, womöglich erlaubt sie sogar gewisse Dinge (beispielsweise die Einreise in ein Land, welches nur geimpfte Personen einreisen lässt). Mit einer relativen Sicherheit lässt sich sagen, dass das Leid eintreten wird, da Person A sich unter normalen Umständen definitiv nicht impfen lassen würde. Auch ist eine unmittelbare zeitliche Nähe des Leides gegeben, da ab dem Moment der Impfung das Leid eintritt. Besonders schwerwiegend sind die Konsequenzen für Person A nicht, es kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie Nachteile irgendeiner Art, auf Grund der Impfung, zu erwarten hat. So sind auch bei den neuen Impfstoffen gegen das Corona­Virus nur selten Nebenwirkungen zu erwarten (RKI, 2021). Ebenso kann man von keinem reinen Leid der Person A sprechen, da die Impfung sowohl Person A als auch andere Personen schütz, und vor dem möglichen Tod durch eine Corona-Erkrankung bewahren kann. Somit beeinflusst die Reinheit unmittelbar die Folgenträchtigkeit, da die Impfung der Person A das Leben Vieler retten kann. Das Leid wird somit in zweiter Instanz durch die Freude der anderen ausgeglichen. Somit ist man schon beim Bewerten des siebten Umstandes, dem des Ausmaßes. Von der Pflicht, das sich Person A impfen lassen muss, profitieren Abermillionen von Menschen, da Person A nun, zugegeben unfreiwillig, zur Herdenimmunität durch die Impfung beiträgt. Somit betrifft die Entscheidung, oder in diesem Fall der Zwang, zu Impfung unzählig viele Menschen, die alle in 6 erster Linie davon profitieren würden. Alles in allem lässt sich sagen, dass die Tendenz für Person A eher leicht negativ ist, auch wenn sich dies natürlich nicht pauschalisieren lässt und der ein oder andere Aspekt auch anders bewertet werden kann. Somit besteht also für die impfkritische Person A eine negative Tendenz, das Einführen einer Impfpflicht wäre für sie also eine moralisch schlechte Handlung.

Nun muss dieses Verfahren noch für eine impfwillige Person, im folgenden Person B genannt, durchgeführt werden. Da sich Person B sowieso impfen lassen will, kann von einer hohen Intensität der Freude gesprochen werden. Ähnlich wie Person A wird wahrscheinlich die Dauer auch hier nicht sonderlich, beziehungsweise außergewöhnlich, lange sein, dennoch überwiegt hier natürlich die Freude. Auch ist es gewiß, dass die Freude eintreten wird, da ab dem Zeitpunkt der Einführung der Pflicht, sich die Person sicher sein kann, eine Impfung zu bekommen. Diese Freude wird aller Wahrscheinlichkeit nach auch Zeitnahe einsetzen, da eine Impfung für Person B nun ja sicher ist. Die Folgenträchtigkeit tendiert ebenso in den Bereich der Freude, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass es einen Nachteil für geimpfte Personen gibt oder geben wird. Ebenso ist vermutlich die Freude von reiner Natur, da die Impfung nun einen Teil zur oben bereits erwähnten Herdenimmunität beiträgt. Ebenso wird die Reinheit nicht durch den Umstand des Ausmaßes beeinflusst, somit kann mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer positiven Tendenz bei sowohl der Reinheit als auch beim Ausmaß gesprochen werden. Insgesamt lässt sich also eine deutlich positive Tendenz für die impfwillige Person B ziehen, eine Impfpflicht wäre also die moralisch gute Entscheidung.

Nicht zu vernachlässigen sind Menschen, welche sich auf Grund Allergien oder sonstiger körperlicher Beschwerden, nicht impfen lassen können. Im folgenden werde ich diese exemplarisch als Person C bezeichnen. Person C wird aller Wahrscheinlichkeit nach eine sehr hohe Intensität ihrer Freude erfahren, da sie unmittelbar von der Einführung einer Impfpflicht profitieren würde. Ebenso ist es wahrscheinlich, dass sich Person C über längere Zeit darüber freuen wird, weil es ihr schließlich selber nicht möglich ist, sich impfen zu lassen. Auch kann man von einem hohen Grad der Gewissheit des Eintreffens der Freude sprechen, da sich Person C nun sicher sein kann, dass sie sich bei keinem Menschen mehr infizieren kann. Diese Freude wird sich auch zeitgleich zur Einführung der Impfpflicht zeigen, da sich Person C ab diesem Zeitpunkt keine Sorgen mehr machen muss. Ebenso kann von einer positiven Tendenz im Bereich der Folgenträchtigkeit und der Reinheit der Freude gesprochen werden, weil die allermeisten Menschen von der Impfung profitieren würden. Person C wäre eine unmittelbar betroffene Person des Ausmaßes einer Impfpflicht, aufgrund der Tatsache, dass sie durch die Solidarität anderer nun selber Geschütz wäre.

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Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Sollte es eine allgemeine Impfpflicht gegen Corona geben?
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Note
1,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
12
Katalognummer
V1035285
ISBN (eBook)
9783346445575
ISBN (Buch)
9783346445582
Sprache
Deutsch
Schlagworte
sollte, impfpflicht, corona
Arbeit zitieren
Fabrice Piche (Autor:in), 2021, Sollte es eine allgemeine Impfpflicht gegen Corona geben?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1035285

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