Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Begriffsdefinition
2.1 Symptomatik
2.2 Stärken
3 Pathogenese
4 Zur Relevanz von ADHS
5 Vorstellung eines Diagnoseverfahrens
6 Konkrete Fördermaßnahmen
7 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
ADHS — Was ist das eigentlich genau?
Vielen Menschen ist bewusst, dass es sich bei ADHS um eine Verhaltensstörung handelt, doch nicht alle weisen ein tiefergehendes Wissen auf und pflegen den richtigen Umgang dahingehend. In der folgenden Handreichung wird auf die Auffälligkeit genauer eingegangen, um besonders den Umgang mit der Auffälligkeit zu thematisieren, wobei als Zielgruppe vor allem Lehrkräfte angesprochen werden. Aus diesem Grund fokussiert die vorliegende Arbeit überwiegend ADHS bei Kindern. Zum Einstieg in das Thema erfolgt eine Begriffsdefinition, indem die Symptome von sowie die Stärken ADHS fokussiert werden. Im nächsten Schritt wird die Pathogenese dargelegt und anschließend die Relevanz der Auffälligkeit erläutert. Bezogen auf den Umgang mit ADHS wird ein Diagnoseverfahren vorgestellt, sowie Fördermaßnahmen inklusive Handlungsmaßnahmen für Lehrkräfte.
2 Begriffsdefinition
Die Abkürzung ADHS bedeutet Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung und gehört zu der Kategorie der hyperkinetischen Störungen. Es handelt sich um eine Störung, die vererbbar ist. ADHS wird am häufigsten bei Kinder und Jugendlichen zwischen sechs und achtzehn Jahren diagnostiziert, Jungen sind insgesamt etwa dreimal häufiger betroffen als Mädchen.1 Auf der Welt sind circa fünf Prozent der Kinder und Jugendlichen, sowie etwa vier Prozent der Erwachsenen von ADHS betroffen.2 Damit zählt die Auffälligkeit zu den häufigsten kinder- und jugendpsychiatrischen Störungen.3 Die Störung verläuft oft chronisch, weshalb etwa 50% bis 70% der betroffenen Kinder die Symptome bis ins Erwachsenenalter aufweisen.4
Eines der Kernsymptome der Auffälligkeit ist Hyperaktivität, welche durch eine hohe Aktivität und Ruhelosigkeit gekennzeichnet ist. Aufmerksamkeitsdefizite gehören ebenfalls zu der Kernsymptomatik, welche sich beispielsweise in einem vorzeitigen Abbrechen von Aufgaben oder Tätigkeiten und eine hohe Ablenkbarkeit zeigen können. Das letzte der Hauptsymptome ist die Impulsivität auf kognitiver, emotionaler sowie motivationaler Ebene.5 Diese Symptome treten fortlaufend und situationsübergreifend in mehreren Lebensbereichen auf und beeinträchtigen die psychosoziale und kognitive Funktionsfähigkeit der Betroffenen.6 Die beiden Klassifikationssysteme ICD-10 und DSM-IV unterscheiden einige Kriterien für die Diagnose der ADHS: Die drei eben genannten Kernsymptome sind bei den Klassifikationssystemen zu finden, jedoch sollten bei ICD-10 alle drei Symptome gleichzeitig bei der betroffenen Person auftreten, während bei dem System DSM-IV zusätzlich zu dem gleichzeitigen Auftreten aller drei Symptome auch nur Symptome für Unaufmerksamkeit oder für Hyperaktivität und Impulsivität auftreten können. Die Symptome sollten einen frühen Beginn aufweisen, wobei das System ICD-10 einen Beginn vor dem siebten Lebensjahr spezifiziert, DSM-IV dagegen einen Beginn vor dem zwölften Lebensjahr als Kriterium ansieht. Bei beiden Systemen müssen des Weiteren die Symptome mindestens sechs Monate lang auftreten und zu Beeinträchtigungen in zwei oder mehr Lebensbereichen führen. Zusätzlich dürfen keine anderen psychischen Störungen vorhanden sein.7 Eine geringe Frustrationstoleranz, Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten, Aggressivität, oppositionelles Verhalten, Schlafprobleme und Isolation können ebenfalls Symptome, die jedoch sekundär und nicht diagnoserelevant sind, sein. Doch etwa 80% der betroffenen Menschen weisen zusätzlich eine, etwa 60% mehrere der Begleitstörungen auf.8 Die Kenntnis über die sekundären Symptome können, zusätzlich zu den Kernsymptomen, eine hohe Relevanz für Lehrkräfte bergen, da diese Charakterzüge in der Schule eine große Rolle spielen, auf die die Lehrkraft gegebenenfalls entsprechend reagieren muss.
Nachfolgend möchte ich besonders auf die Stärken eingehen, die Kinder mit ADHS aufweisen können. Damit möchte ich verhindern, dass die Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung bloß als eine Auffälligkeit angesehen wird, die negativ konnotiert ist, weil sie beispielsweise mit Störungen durch Verhaltensauffälligkeiten im Unterricht verbunden wird. Kinder mit ADHS können auch Eigenschaften besitzen, die sich positiv auf den Unterricht oder die Klassengemeinschaft auswirken können: Spontan, kreativ, unternehmungslustig, neugierig und reaktionsstark können Kinder mit ADHS sein. Ebenfalls können sie verbale und kommunikative Stärken aufweisen, die in einer Unterrichtsdiskussion angebracht sind. Eine künstlerische Ader kann besonders im Kunstunterricht von Vorteil sein. Sie sind oft hilfsbereit und reagieren sensitiv auf die Bedürfnisse anderer, womit sie die Klassengemeinschaft stärken können. Bei Themen, die sie interessiert, können sie fokussiert mitarbeiten.9 Um das Selbstwertgefühl von Kindern mit ADHS zu stärken, kommt es darauf an, die Kompetenzen und Stärken anzuerkennen und zu fördern10, worauf ich im fünften Kapitel genauer eingehen werde, in welchem ich Fördermaßnahmen vorstelle.
3 Pathogenese
Allgemein wird die Konnexion zwischen psychosozialen und biologischen Faktoren als Ursache der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung angenommen, jedoch zeigen Studien der letzten Jahre, dass biologische Faktoren eine höhere Signifikanz vorweisen.11
Betrachtet man als Ursache die Neurobiologie, wird deutlich, dass bei betroffenen Menschen „[...] eine grundlegende Dysfunktion des kortikalen-striatalen Netzwerkes vorliegt. Hierbei scheinen erbliche Faktoren eine bedeutende Rolle zu spielen mit einer wahrscheinlich genetisch bedingten dysfunktionalen Informationsverarbeitung zwischen Frontalhirn und Basalganglien.“12 Genetische Faktoren, Schädigungen des Zentralnervensystems oder allergische Reaktionen sind biologische Faktoren, die ADHS verursachen können.13 Aber auch neuroanatomische, neurophysiologische, neurochemische und neuropsychologische Ursachen können für ADHS vorliegen.14 Nimmt man die psychosozialen Faktoren als Ursache in Betracht, wird deutlich, dass ungünstige familiäre Bedingungen, wie ein geringer sozioökonomischer Status, psychische Auffälligkeiten der Mutter oder familiäre Konflikte, das Risiko für ADHS erhöhen können und als Ursache fungieren können. Auch Störungen der ElternKind-Interaktionen, wie beispielsweise das Stellen von Aufforderungen, negative Äußerungen oder kein responsives Verhalten seitens der Mütter, können in einem Zusammenhang mit ADHS stehen.15 16
Zur Veranschaulichung gibt Abbildung 1 nachfolgend ein bio-psycho-soziales Modell zu den Ursachen von ADHS wieder, indem besonders die Zusammenhänge deutlich werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Bio-psycho-soziales Modell zu der Entstehung von ADHS.16
4 Zur Relevanz von ADHS
Psychische Störungen und chronisch gesundheitliche Beeinträchtigungen haben insgesamt zugenommen, etwa 10% bis 20% aller Kinder und Jugendlichen weisen psychische Auffälligkeiten auf. Somit lassen sich psychische Auffälligkeiten als ein bedeutsames Problemfeld innerhalb der Kinder- und Jugendgesundheit beschreiben. ADHS spielt in dieser Thematik eine große Rolle, da, wie bereits erwähnt, die Auffälligkeit eines der am häufigsten diagnostizierten kinder- und jugendpsychiatrischen Störungen ist. Dadurch, dass ein hoher Anteil der betroffenen Kinder die Symptome, wenn auch in abgeschwächter Form, im Erwachsenenalter beibehalten, zeichnet sich ADHS als eine prägnante Störung mit langwierigen Folgen aus. Insbesondere das Umfeld der Personen mit ADHS ist davon betroffen, das mit dem auffälligen Verhalten derjenigen Person einen guten Umgang pflegen muss.17
Die Institution Schule weist bezogen auf ADHS eine hohe Relevanz auf, da die Auffälligkeit oft erst während des Übergangs in die Schule zu einem behandlungsbedürftigen Problem wird. Dadurch, dass das soziale Umfeld in der Schule größer wird, häufen sich die Schwierigkeiten mit den Symptomen.18 Das Aufmerksamkeitsdefizit tritt oft in Situationen auf, in denen eine längere Aufmerksamkeitsspanne gefordert ist, wie beispielsweise im Unterricht.19
Die ADHS-Symptomatik und die Interaktion der betroffenen Person mit dem sozialen Umfeld stehen in einem wechselseitigen Zusammenspiel: Die Symptome bewirken eine Zunahme der negativen Interaktionen, diese Zunahme der negativen Interaktion wiederum bewirkt eine Zunahme der Symptomatik, sowie die Entwicklung weiterer komorbider Symptome.20 Das stärkt die Annahme, die Institution Schule als relevantes Problemfeld zu betrachten, das zur Verminderung des Ausschreitens der Auffälligkeit beitragen kann.
[...]
1 vgl. Häßler, F. (2009). Das ADHS Kaleidoskop. S. 1.
2 vgl. Döpfner, M. et. al. (2009). Handbuch ADHS. S. 9.
3 vgl. Häßler, F. (2009). Das ADHS Kaleidoskop. S. VII ff.
4 vgl. ebd. S. 1.
5 vgl. Hoyer, J., Wittchen, H. (2011). Klinische Psychologie & Psychotherapie. S. 678.
6 vgl. Häßler, F. (2009). Das ADHS Kaleidoskop. S. 1.
7 vgl. Döpfner, M. et. al. (2009). Handbuch ADHS. S. 17 ff.
8 vgl. Gebhardt, B. (2016). Mit ADHS vom Kindergarten in die Schule. S. 28.
9 vgl. Döpfner, M., Frölich, J., Banaschewski, T. (2014). ADHS in Schule und Unterricht. S. 13.
10 vgl. ebd. S. 13.
11 vgl. Döpfner, M. et al. (2013). Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS). S. 9.
12 ebd. S. 10.
13 vgl. Döpfner, M. et al. (2013). Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS). S. 10 ff.
14 vgl. ebd. S. 13 ff.
15 vgl. ebd. S. 16 ff.
16 ebd. S. 17.
17 vgl. Gebhardt, B. (2016). Mit ADHS vom Kindergarten in die Schule. S. 16 ff.
18 vgl. ebd. S. 19 ff.
19 vgl. Döpfner, M. et al. (2013). Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS). S. 2.
20 vgl. ebd. S. 18.
- Arbeit zitieren
- Thalia Marie Twenhöven (Autor:in), 2021, Der Umgang mit ADHS. Eine Handreichung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1037290
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