Scheidung. Der Veränderungsprozess beider Partner


Seminararbeit, 2001

9 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Gliederung

1. Scheidung - eine „soziale Verwitwung“?

2. Scheidung und ihre Veränderung durch die Zeit

3. Der Scheidungszyklus
3.1. Die Vorscheidungsphase
3.2. Die Scheidungsphase
3.2.1. Die Trennung und die Zeit danach
3.2.2. Die gerichtliche Scheidung
3.3. Die Nachscheidungsphase

4. Ein Angebot der Vermittlung und Problemlösung: Mediation

LITERATUR

1. Scheidung - eine „soziale Verwitwung“?

Nach Holmes und Rahe (1967) gehört der Tod des Ehepartners zu den kritischsten Lebensereignissen überhaupt. Ein derart abruptes Ende einer langen Beziehung bringt den Einzelnen in eine Konfrontation mit der Absolutheit der Vergänglichkeit, die ihn an die eigenen Grenzen führt. Ohne jede Entscheidungs- und Einflußmöglichkeit erlebt er hilflos den Verlust. Auch einen Verlust seinerselbst, da große Teile der eigenen Identität durch den anderen und in dem anderen definiert sind. Was bleibt, ist das Errinnern der Vergangenheit (auch im Zuge der Trauerarbeit) - oder gar der Rückzug in dieselbe - und die Möglichkeit des grundlegend neuen Entwurfs der eigenen Person, der eigenen Welt und ihrer Gestaltung.

Bei Scheidung zweier Partner weisen Verlusterlebnis und Erlebensprozess zu denen bei Verlust des Partners durch Tod gewisse Parallelitäten auf, selbst beim initiierenden Partner. Jedoch sind es bei der Scheidung noch nachhaltigere Aspekte, die die starke individuelle Verschiedenheit des Vor- und Fortgangs implizieren. Allein das Überleben beider Partner spricht für weitreichendere Möglichkeiten der Mitgestaltung der Prozesse. Noch immer viel zu wenig ist den Betroffenen bewußt, welche Bedeutung gerade eine gründlich klärende und befriedigende Beendigung einer Partnerschaft für den Verlauf der Scheidung sowie Ihr eigenes Weiterleben beinhaltet.

Im Folgenden soll eine Übersicht über die Prozesse im Scheidungsverlauf gegeben werden. Die Darstellung beschränkt sich dabei auf die Paarebene. Auf die Familienebene bzw. die der Kinder wird nur nennend eingegangen.

2. Scheidung und ihre Veränderung durch die Zeit

Der statistisch auffällige Anstieg der juristischen Scheidungen gerade im letzten Viertel des 20.Jahrhunderts (nahezu eine Verdreifachung von 1960-1990) sowie die Veränderung der „Ehemoral“ ist durch die Medien oft erwähnt worden. Der Beriff der Scheidung selbst erlaubt es jedoch nicht, undifferenziert einen Verfall zu propagieren. Die juristische Scheidung ist nur der „letzte Akt eines sukzessiv erfolgten Kündigungsprozesses“ (Scheller, G. 1990, S.45) auf der dritten der drei Kündigungsebenen: 1. Die Aufkündigung der ehelichen Lebensgemeischaft innerhalb des Haushalts (Vermeidung der Gemeinsamkeit), 2. die der Haushaltsgemeinschaft durch räumliche Trennung, und zuletzt 3. der formal-rechtliche Vorgang der Eheauflösung, die Ehescheidung. Die Annahme einer bloßen Verschiebung der in Kündigung resultierenden Eheverläufe hin zur juristischen Scheidung liegt also durchaus nahe. In Italien bspw. war die Aufkündigung der Gemeinsamkeiten lange Zeit die einzig mögliche Form der „Trennung“ vom Partner.

Es ist daher kritisch zu hinterfragen, ob der vielfach für die Scheidungszahlen verantwortlich gemachte Wertewandel hin zu weniger Pflichtorientiertheit und zu mehr Selbstverwirklichung ein Werteverfall oder eher ein deutlicher gewordener Ausdruck der Schwierigkeiten menschlicher Partnerschaft sind, mitbedingt durch die Abnahme traditioneller Vorgaben und die Zunahme alternativer Lebensformen.

3. Der Scheidungszyklus

„Scheidung“ ist also nicht als Ereignis, sondern als komplexer dynamischer Veränderungsprozess zu sehen, womit einhergeht, daß ein Wechsel von Problemen und die Notwendigkeit verschiedenster Anforderungsbewältigung die beteiligten Partner fordern. Außerdem ist Scheidung ein Geschehnis in der Beziehungsgeschichte, „das die Beziehung qualitativ verändert, in der Regel aber noch nicht löst“ (Riehl-Emde, 1992). Man kann diesen Veränderungsprozess als einen Scheidungszyklus in versachiedene Phasen untergliedern: Die Vorscheidungs-, die Scheidungs- und die Nachscheidungsphase.

3.1. Die Vorscheidungsphase:

Ihr Anfang läßt sich in der Regel nicht festlegen. Die zur Scheidung führenden Prozesse treten mit Konstanz auf. Auf die Verschlechterung der Ehebeziehung folgt ein Entscheidungskonflikt. Die Phase findet ihren Abschluß in der Trennung der Ehepartner.

Die Verschlechterung der Beziehung hat viele mögliche Ursachen, die an dieser Stelle nur genannt sein sollen:

Im langsamen, subtilen Entfremdungsprozess: Abnahme beziehungsverstärkender Verhaltensweisen, unzureichende Kommunikationskompetenzen (unbefriedigende Auseinanderstzungen oder Konfliktvermeidung), Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Erziehung der Kinder, hohe und letztlich unerfüllbare Erwartungen an den Partner (oft neurotischer Natur), realistische unerfüllte Erwartungen, sonstige Belastungen innerhalb der Großfamilie.

Eine plötzliche Verschlechterung der Ehebeziehung kann eintreten durch: Übergangskrisen (Geburt eines Kindes, Beginn des Ruhestands), Offenlegung kritischer Wahrheiten (+ Verhärtung der entstandenen Fronten), Auftreten chronischer Krankheit etc. Die Beziehungsdimensionen von Vertrauen, Zuneigung, Austausch auf verschiedenen Ebenen und Loyalität werden belastet. Verstärkung erfahren die Wirkungen durch finanzielle und berufsbezogene Probleme, Sucht eines Partners, schwer vereinbare Rollendefinitionen und unterschiedliche Entwicklung der Partner.

Der Entscheidungskonflikt. Von ersten ernsthaften Gedanken an eine Trennung bis zu einer Entscheidung können Wochen, aber auch Jahre vergehen. Die komplexe Entscheidung mit ihren schwer abschätzbaren und langfristigen Folgen macht in ihrer Endgültigkeit oft Angst. Ambivalenz, Zögern, Schwanken und Anspannung kennzeichnen diese Zeit. Die Partner analysieren die Beziehung im Entscheidungsprozeß auf materielle und immaterielle Kosten und Nutzen. Andere Partnerbeziehungen dienen oft als Vergleichsmaßstab. Trägt sich nur ein Partner mit solchen Gedanken, wirkt klammerndes Verhalten des anderen kontraproduktiv. Empathie und Verständnis der Freunde können die unbefriedigende Lebenssituation erleichtern und den Entscheidungsprozess indirekt verzögern helfen. In einer Studie von beschrieben außerdem ein Drittel aller Befragten einen heimlichen Entscheidungsprozess mit anschließender Trennungsvorbereitung, auf den die unmittelbare Trennung folgte. Kinder erleben eine Trennung oft als unerwartet, weil sie von den vorhergehenden Prozessen meist mehr oder weniger isoliert werden.

3.2. Die Scheidungsphase

Meist ein Jahr (aufgrund gesetzlicher Vorschriften) liegt zwischen Trennung und dem Scheidungsurteil. Unterteilen läßt sich diese Phase in den Zeitraum nach der endgültigen Trennung und den um die gerichtliche Scheidung.

3.2.1. Die Trennung und die Zeit danach

Die Trennung - meist von der Ehefrau initiiert - ist fast immer vom Auszug eines Partners aus der gemeinsamen Wohnung gefolgt. Der ungünstigste Fall ist die „Trennung unter einem Dach“ aus bspw. ökonomischen Gründen, da hier eine äußerst unnatürliche und emotional belastende Situation entsteht.

Es folgt eine Vielzahl von Veränderungen auch psychischer und sozialer Natur. Von großer Bedeutung für die Reaktion auf die Trennung ist bspw., wie lange die Zeit der Auseinandersetzung war, ob einseitig oder gemeinsam entschieden wurde und ob eine dritte Partei (‚Affäre‘ etc.) beteiligt ist oder nicht. Entscheidend beeinflussende Faktoren sind für die Bewältigung Geschlecht, Alter und die jeweilige Phase des Lebens- und Familienzyklus. Durch die oft intensivere Auseinandersetzung konnte sich der Initiator in der Regel psychisch besser auf die Trennung vorbereiten. Die Probleme, das Ende der eigenen Ehe zu akzeptieren, sind für diesen Partner deutlich leichter zu meistern als für den „Verlassenen“. Auf dessen Seite entstehen intensive Gefühle der Trauer und Hilflosigkeit, auch kommt es oft zu psychischen und psychosomatischen Störungen. Wegweisend für die weitere Entwicklung ist die subjektive Bewertung der Trennung im Hinblick auf die eigene Gegenwart und Zukunft. Stellt sie ein Versagen oder eine Chance für innere Weiterentwicklung dar? Wird die Trennungssituation als Verbesserung gegenüber der Ehe empfunden?

Enge Netzwerkkontakte in der noch erhaltenen sozialen Umwelt und der Herkunftsfamilie helfen, das neue Leben zu stabilisieren. Mit dem Ausbau dieses geschrumpften Netzwerkes ändert sich auch schrittweise das Selbstkonzept in Richtung Alleinlebende(r). In der oben genannten Untersuchung von Spanier und Thompson (1984) begann die Mehrheit der 210 befragten geschiedenen Personen innerhalb 6 Monaten nach der Trennung mit der neuen Partnersuche, die aber häufig mit einiger Unsicherheit verbunden ist. Trotzdem ist eine Art „zweite Adoleszenz“ nicht selten, und das Bedürfnis nach tiefer Intimität entsteht erst nach einer Zeit des Experimentierens in vorwiegend sexuellen Beziehungen und Kontakten. Im anderen Fall wird möglichst schnell eine „Ersatzperson“ gesucht, oder es entsteht oder besteht bereits eine intensive und intime Beziehung zu einer dritten Person.

Bezüglich der Altersunterschiede läßt sich sagen, daß Junggeschiedene schneller in ein Leben als Single finden als Personen aus langjähriger Ehe. Die Gründe liegen auf der Hand: Kinderlosigkeit, schnellere ökonomische Unabhängigkeit, leichter aufzubauendes Netzwerk. Sie haben in die Ehe auch bisher weniger investiert als Ältere, die die Trennung als persönliches Versagen und herben Statusverlust (bes. Frauen) erleben. Männer unterdrücken dabei Gefühle wie Schmerz und Trauer eher, weniger Zorn und Haß. Sie überraschende Abhängigkeitsbedürfnisse und die männliche Geschlechterrolle machen ihnen Gefühlsäußerungen gerade gegenüber gleichgeschlechtlichen Freunden schwerer. Frauen stehen mit zunehmendem Alter in der Gefahr von Depressionen, da sie in sehr hohem Maß in die Familie investiert haben und nun auch mit großem Verlust von Lebenssinn konfrontiert sind. Erwerbstätige Frauen überstehen eine Trennung generell psychisch besser, zumal hier auch der rapide sozioökonomische Abstieg aufgefangen und sozialer Verarmung vorgebeugt ist und Kontinuität besteht. Eine zusätzliche Aufgabe der Kindererziehung führt jedoch in solcher Situation häufig zu Überlastung der seelischen und körperlichen Kräfte.

Die Beziehung zwischen getrennt lebenden Ehepartnern hat für das psychische Wohlbefinden große Bedeutung, wenn auch der Kontakt vom Umfeld oft negativ bewertet wird. Ein gemeinsamer Entschluß für die Scheidung ohne zu große Konflikte wirkt sich hier positiv aus. Der Bindungsprozeß mit seiner zentralen Rolle für die eigene Identität führte zudem dazu, daß auch „ein sich trennendes Individuum ein Fortdauern der Bindung trotz einer Abnahme der Liebe erfährt...“(Granvold 1989, S.200). Während Männer Liebe für ihre früheren Ehefrauen empfanden (Spanier und Thompson 1984), berichteten diese eher von einer Mischung aus Liebe und Haß. Verstärkt belastend wirken in dieser Phase natürlich häufige Auseinandersetzungen, die leicht außer Kontrolle geraten und bei jeder Frage zu einem neuen Machtkampf führen. Viele oft notwendige vorläufige Regelungen sind von einer klärenden Kommunikation jedoch abhängig. Kinder finden sich mit der Trennung ihrer Eltern in einer verwirrenden und verunsichernden Beziehungssituation wieder, in der sie keine Chance, sondern nur Verlust an Liebe und Zugehörigkeit sehen.

3.2.2. Die gerichtliche Scheidung

Meist beauftragt jeder getrennt lebende Ehepartner einen eigenen Rechtsanwalt, um seine Rechte wahrzunehmen. Das kategorische Denken der „Gegnerschaft“ von Rechtsanwälten, das mehr mit dem Fordern als mit dem Wohl der Beteiligten beschäftigt ist, führt gezwungenermaßen zu einer Verschlechterung der Beziehung. Rachegedanken oder der Kampf um Selbstachtung verstärken dies zusätzlich. Negative Motive leben neu auf, Probleme werden als Vehikel für den Konflikt benutzt. Ein kompromittierender Austausch zwischen den getrennt lebenden Partnern wird von den Rechtsanwälten eher verhindert; sie wecken vielmehr durch ihr Abraten die Abhängigkeitsbedürfnisse. Bei der Untersuchung von Spanier und Thompson (1984) gaben 26% der Befragten an, durch die Einschaltung eines Rechtsanwalts wurde eine Verschlechterung der Beziehung herbeigeführt; ebenfalls ein Drittel verspürte gegenüber ihrem Rechtsanwalt negative Gefühle und fühlte sich nicht unterstützt. Es scheint also, als seien Juristen zum Einlassen auf psychische Probleme und den inneren Trennungsprozess der Klienten eher unfähig oder nicht bereit.

Im Gegensatz dazu fragt das Recht vieler westlicher Länder nicht mehr nach Schuld, sondern begnügt sich mit dem Begriff des Scheiterns. Die Gründe für dieses Scheitern sind nicht mehr durch das Gericht zu erörtern. Durch die fortgeschrittene „Privatisierung“ von Familien (vgl. Bastard und Cardia-Vonèche 1992) würde ein solches Vorgehen heute mehr als Eingriff in die Privatsphäre gewertet.

Die Mehrheit der Scheidungsverfahren kommen mit ein oder zwei Gerichtsterminen aus, nicht zuletzt durch vorher getroffene Scheidungsvereinbarungen. Anhängige andere Familiensachen sowie Scheidungsfolgesachen können ein Verfahren jedoch auf eine lange Zeit ausdehnen - das Sorgerecht ist häufig ein sehr markanter Grund. Dieses emotional geladene Thema führt oft auch zum Kampf um Macht und Kontrolle - zum Leid der betroffenen Kinder.

3.3. Die Nachscheidungsphase

Es dauert einen Zeitraum von sechs Monaten bis zu vier Jahren, bis negative Gefühle und Symptome bei den Geschiedenen abnehmen und schließlich ganz verschwinden. Vorher empfinden viele weiterhin Schmerz, Angst, Schuld und Reue, Selbstmitleid und erleben sich als Versager. Aprupte Stimmungswechsel und Depressionen, Erschöpfungssymtome und psychosomatische Störungen sind auch weiterhin beim verlassenen Partner etwas stärker ausgeprägt. Bei Spanier und Thompson (1984) gaben nach zwei Jahren etwa vier Fünftel an, sich wieder wohl zu fühlen. Nach (Hetherington, Cox und Cox 1982) sind jedoch zu diesem Zeitpunkt Zufriedenheit, Selbstachtung und Gefühle der Kompetenz im heterosexuellen Verhalten noch immer nicht so hoch wie bei (Wieder-) Verheirateten. Nun Alleinerziehende sind oft noch lange Zeit von der emotionalen Unterstützung ihrer Kinder abhängig.

Ob diese Zeit positiv erlebt wird, hängt also wesentlich davon ab, ob die Probleme des Single- Daseins gemeistert werden können und Identität und Lebensziele neu definiert werden. Geschiedene (besonders Frauen) leiden öfter unter psychischen Störungen und sind in psychiatrischen Kliniken überrepräsentiert. Alkoholismus und Selbstmordversuche liegen ebenfalls über dem Durchschnitt. Zusätzlich zu einer weniger negativen Scheidung und wenig psychischen und interpersonalen Problemen während der Trennungsphase sowie Faktoren wie Selbstsicherheit und Selbstgenügsamkeit, spielt die ‚psychische Scheidung‘ vom Ehepartner eine große Rolle. Trauerarbeit und Gefühle des Versagens und der Schuld müssen bewältigt und verarbeitet sowie der eigene Anteil am Scheitern der Ehe erkannt werden. Dafür ist wichtig, ein realitätsentsprechendes Bild vom Partner zurückzugewinnen und sich von seinem Einfluß auf das eigene psychische Leben zu befreien. Bei Spanier und Thompson (1984) akzeptierten mehr als 90% der Befragten nach zwei Jahren das Ende ihrer Ehe. Natürlich wirken sich die Bewältigung der Umstellungsprobleme sowie das Sozialleben weiterhin unterstüzend aus. Bei Spanier und Thompson (1984) gaben 30% starke Einsamkeitsgefühle an. 55% fühlten sich „etwas einsam“. Nach Coysh und Mitarbeitern (1989) wirkt sich außerdem eine befriedigende neue Beziehung positiv auf das Wohlbefinden Geschiedener aus.

Zur Beziehung zwischen geschiedenen Ehepartnern: Nach Spanier und Thompson (1984) berichtet noch ein Drittel der Befragten von zumindest unveränderter Spannung, die Mehrheit aber von einer Abnahme der selben. Die Hälfte bevorzugte eher geringen Kontakt, zwei Viertel jeweils äußerten keinen Kontaktwunsch oder den nach engerem Kontakt. Eine deutsche Untersuchung (Napp-Peters 1988) von durchschnittlich viereinhalb Jahren Geschiedenen ergab, daß bei 54% kein Kontakt zum früheren Partner mehr bestand - oft seit weniger als 12 Monaten nach der Scheidung. Bei 27% war eine ‚ko-elterliche Interaktion‘ festzustellen (gemeinsame aktive Teilnahme am Leben der Kinder, gemeinsame Entscheidungen). Viele Konflikte beziehen sich in dieser Zeit auf Unterhaltszahlungen und Umgangsrecht. In zuletzt genannter Studie erhielten nur 42% der Geschiedenen regelmäßig Unterhalt für die gemeinsamen Kinder, 26% hatten noch nie Unterhaltsleistungen erhalten. Weil meist nicht zwischen Partner- und Elternebene getrennt wird, erschwert die Position als Verlierer oder Bittsteller eines der Partner die Umgangsform zusätzlich. Von Verfeindung bis zur Freundschaft zwischen den Geschiedenen (und zu deren Herkunftsfamilien) reicht das Spektrum der Beziehungsnähe.

4. Ein Angebot der Vermittlung und Problemlösung: Mediation

Die seit in den 90er Jahren sich etablierende Scheidungsmediation ist „ein Ansatz, mit dem die aus der familiären Trennung oder Scheidung entstehenden Probleme eigenverantwortlich, aber mit Unterstützung von neutralen (sog. gemeinsamen) Dritten gelöst werden“ (Bastine, Link und Lörch 1992).

Sie fördert konsensuale Vereinbarungen über konkrete Scheidungsprobleme mit Orientierung an dem Gerechtigkeitsempfinden der Beteiligten, die Kooperation in der Interaktion und Kommunikation zugunsten der Umsetzung und des sich verändernden Lebens und zuletzt die Trennung von Paar- und Familienebene (Trennung als Paar, aber nicht als Eltern). Letztgenannte Autoren berichten eine hohe Zufriedenheit von 70-90% der in Anspruch Nehmenden mit Mediation, unabhängig von erzielten Vereinbarungen, während nur 40-50% mit dem gerichtlichen Verfahren zufrieden seien. Da eindeutige Indikationskriterien (grundsätzlich: Motivation und Fähigkeit zur Verhandlung) jedoch nicht existieren, auf der anderen Seite aber nicht jedes Paar geeignet ist, kommt es zur selektiven Indikation. Mediation ist anyway nicht mit einer Therapie zu verwechseln. Sie ist Problem- und nicht Konfliktlösung.

Mediation trägt der Entwicklung Rechnung, daß Scheidung „zu einem häufigeren und besser akzeptierten Tatbestand geworden ist“ (Riehl-Emde 1992) und nicht mehr als ungewöhnlicher Prozeß des Familienwandels gilt. Meta-Analysen von Amato, Keith und Kurdek, auf die die letztgenannte Autorin verweist, besagen, die Folgen der Ehescheidung seien in den letzten 30 Jahren weniger belastend geworden. Ein normales, leicht zu bewältigendes Ereignis ist sie beileibe trotzdem nicht. Riehl-Emde (1992, S.429): „Zwischen der gesellschaftlichen Realität und der individuellen Akzeptierung dieser Realität liegen Welten.“ DER SPIEGEL(1992) warnt, das Leben sei kein Lego-Spiel mit problemlos tauschbaren Partnerschaftssteinchen. -

Es bleibt Aufgabe der Prävention und Intervention, die konstruktive Investition in intime partnerschaftliche Beziehung als lohnende Hingabe zu fördern.

LITERATUR:

BASTINE, R. , LINK, G., LÖRCH, B. (1992): Scheidungsmediation: Möglichkeiten und

Grenzen. In: Familiendynamik 17: S. 379 - 394.

COYSH, W.S.., JOHNSON, J.R., TSCHANN, J.M., WALLERSTEIN, J.S., KLINE, M. (1989):

Parental postdivorce adjustment in joiint and sole physical custoky families. Journal of Familiy Issues 10, S. 52-71.

DUSS-VON WERDT, J. (1998): Paarkonflikte in der Mediationspraxis. In: Familiendynamik 23, S. 117-128.

GRANVOLD, D.K. (1989): Postdivorce Treatment. In: Textor, M.R.(Hg.): The divorce and divorce therapy handbook. Northvale, London: Aronson, S.197-223.

HETHERINGTON, E.M., COX, M. UND COX, R. (1982): Effects of divorce on parents and children. In: Lamb, M.E. (Hg.): Nontraditional families: Parenting and child development. Hillsdale, London: Erlbaum, S. 233-288

NAPP-PETERS, A. (1988): Scheidungsfamilien. Interaktionsmuster und kindliche Entwichlung. Aus Tagebüchern und Interviews mit Vätern und Müttern nach Scheidung. Frankfurt: Eigenverlag des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge.

PROKSCH, R. (1992): Vermittlung (Mediation) in streitigen Sorge- und Umgangsrechtsverfahren. In: Familiendynamik 17: S. 395 - 414.

RIEHL-EMDE, A. (1992): Ehescheidung und ihre Folgen. In: Familiendynamik 17: S.415 - 432 SCHELLER, G. et al. (1990): Scheidungsursachen im Wandel. Bielefeld: Kleine Verlag

SPANIER, G.B., THOMPSON, L. (1984): Parting: The aftermath of separation and divorce. Beverly Hills: Sage

SPIEGEL, DER (1992): Illusion vom Lebens-Lego. Heft 8: S. 68-83.

TEXTOR, M. (1991): Scheidungszyklus und Scheidungsberatung. Göttingen: Vandenhoeck& Ruprecht

Lieber Joachim, eigentlich wollte ich erst über Mediation schreiben, das hätte sicher eine vielfältigere Darstellung ergeben (viel aktuelles Material). Nur habe ich gleich am Anfang gemerkt, daß es mir selbst mit einer bloßen Einleitung über Scheidung nicht reicht, weil ich zu wenig darüber wußte. Das Ergebnis haut mich selbst nicht gerade vom Hocker, weil die dargestellten Sachverhalte sehr wenig überraschen und beinahe gewöhnlich scheinen. Wie auch immer - da ich bis Mitte April im Urlaub bin, hier meine Arbeit per Post. Wenn zur Scheinvergabe Mangel da sind, schicke mir bitte eine kurze Notiz im Rückumschlag und habe Verständnis, daß ich mich dann erst im April für evtl. Näheres melde. Auch ansonsten wäre ich für ein Minifeedback dankbar.

Noch eine gute Zeit bis zum Sommersemester!

Viele Grüße,

Ende der Leseprobe aus 9 Seiten

Details

Titel
Scheidung. Der Veränderungsprozess beider Partner
Note
1,0
Autor
Jahr
2001
Seiten
9
Katalognummer
V104238
ISBN (eBook)
9783640025930
Dateigröße
357 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Übersicht über die Phasen des Trennungs- und Scheidungsprozesses beim Paar und den einzelnen Partnern
Schlagworte
Scheidung, Veränderungsprozess, Partner
Arbeit zitieren
Johannes Schauer (Autor:in), 2001, Scheidung. Der Veränderungsprozess beider Partner, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104238

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