Dürrenmatt, Friedrich - Der Besuch der alten Dame


Referat / Aufsatz (Schule), 2001

6 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Einleitung

Claire Zachanasian, eine ältere Milliardärin, kommt in ihr früheres Heimatstädtchen Güllen zurück. Güllen ist total verarmt, darum setzen die Güllener alle Hoffnung in ihren Besuch. Alfred Ill, ein ehemaliger Freund der Milliardärin, die damals noch Kläri Wäscher war, soll die Millionen erbetteln. Doch er hatte sie vor vierzig Jahren geschwängert und sitzen gelassen. Kläri Wäscher wurde aus der Stadt gejagt und damit wurde ihr Leben zerstört. Sie hatte später einen Milliardär geheiratet und nach dessen Tod sein Vermögen geerbt.

Nun nimmt sie Rache an Ill, setzt ein Kopfgeld von einer Milliarde auf Ill aus und wartet auf seinen Tod. In Erwartung des Geldsegens leben die Güllener auf Kredit und der Wohlstand steigt. Alle warten auf Ills Tod, selbst seine eigene Familie. Alfred Ill leidet nun unter Todesangst und Verfolgungswahn, doch er kann sich nicht dazu entschliessen zu fliehen. Später sieht er seine Schuld ein und wartet auf die „Urteilsvollstreckung“; er teilt auch den Reportern die Wahrheit nicht mit, obwohl er die Chance hätte, sich damit zu retten.

Er stirbt dann durch einen Lynchmord nach einer Gemeindeversammlung, an der die Voll- streckung beschlossen worden ist, und der Arzt stellt einfach Herzversagen als Todesursache fest. Claire Zachanasian nimmt seine Leiche in einem Sarg mit in ein Mausoleum am Mittelmeer.

Es wird dargestellt, dass Geld ein enormes Machtmittel sein kann und dass Geldgier jegliche humane Gedanken in den Schatten stellt. Es wird auch bald klar, dass dies überall und zu jeder Zeit in ähnlicher Weise vorkommen könnte. Dies sind wohl die wichtigsten Aussagen im Text, da sie ein genaues Abbild der heutigen Gesellschaft und Wirtschaftswelt geben. Weitere Aussagen sind, dass die Geldgier auch engste Freunde und Angehörige zu den grössten Feinden machen kann und dass die Menschen Rache oft als Gerechtigkeit ansehen. Es sind gerade die Würdenträger, die der Geldgier verfallen, es aber nicht zugeben sondern vertuschen. Die Menschen begründen all ihr Handeln damit, dass sie es zum Wohl der anderen tun würden und decken damit sogar einen Mord.

Interpretation

Das Stück ist durchzogen von Situationskomik. Zum Besipiel sagt der Polizist zu Ill, dass er von niemandem bedroht würde und gleichzeitig richtet er das Gewehr auf ihn. Ein anderes Mal tätschelt Ill Claire Zachanasians auf das Bein, wobei ihn die Hand schmerzt, weil es eine Prothese ist. Oder bei der Ankunft der Zachanasian wird der Sarg in die Stadt getragen und die Bevölkerung reiht sich dahinter ein wie bei einem Trauerzug, dabei ist die Milliardärin angekommen.

Es hat viele humorvolle Stellen, so als Ill Claire Zachanasians Hand küsst und sagt: „Dieselbe kühle Hand“ und sie sagt: „Auch eine Prothese“1. Gegen Ende des Stückes ist dann das Beil das Meistverkaufte in Ills Laden. Humorvoll wirken auch die folgenden Situationen. Die Zachanasian heiratet ihren achten Gatten und lässt sich wieder scheiden. Am Schluss ist sie mit dem neunten zusammen. Oder dass Ill sich bei Claire für die Blumen auf dem Sarg und das Mausoleum bedankt. Stichomythie ist vorhanden bei den Leuten, die den Zügen nachsehen und beim Schlusschor.

Diese Ortschaft wurde nicht zufälligerweise vom Autor Güllen genannt. Gülle ist ein Synonym zu Jauche, womit die Geschehnisse in diesem Ort eine eindeutige Beurteilung erfahren.

Die Würdenträger spielen eine entscheidende Rolle, denn sie lehnen jeglichen humanen Ge- danken ab. Sie trifft eine sehr hohe Schuld, denn es wäre an ihnen, sich der Geldgier zu widersetzten und das Volk zur Vernunft zu bringen. Statt dessen leben sie auf Kredit, geben dies Ill gegenüber aber nicht zu. Sie sind es sogar, die am Ende den Mord begehen. Sie verhalten sich kaltblütig, berechnend und hinterhältig. Nur der Lehrer will sich dagegen auflehnen, als er sagt: „Güllener, ich will die Wahrheit verkünden, auch wenn unsere Armut ewig währen sollte“2. Doch dies geschieht nur, weil er stockbesoffen ist, und niemand nimmt ihm ernst.

Die ganze Zeit spielt das Geld eine grosse Rolle. Es ist ein enormes Machtmittel, war aber bereits früher, als Ill Kläri verliess, das ausschlaggebende Motiv. Das Geld war der Grund für Ills Heirat mit Mathilde Blumhard. Es ist auch die Geldgier der Güllener, welche sie zum Morden veranlasst. Claire besticht eine ganze Stadt und Ill auch hat früher zwei Zeugen bestochen. Die Rache baut auf den gleichen Mitteln auf wie das Verbrechen Ills und zwar auf Geldgier und Bestechung. Zwei Dinge, die optimal in unsere Zeit von Korruption, Börsenfieber und Karrieredenken passen. Claire Zachanasian steht als Symbol der negativen Effekte des Kapitalismus.

Auch die Kirche wird einer enormer Kritik unterzogen. Sie lässt sich von der Geldgier ebenso befallen und gewährt dem Verfolgten keine Zuflucht und Hilfe, und sie stellt sich keine moralischen Fragen, sondern stellt sich auf die Seite der Verräter und Verbrecher. Etwas das in der Geschichte der Kirche mehrmals schon geschah, wie beispielsweise das Verhalten des Vatikans nach Kriegsende, als er mehreren nationalsozialistischen Kriegsverbrechern Asyl gewährte und ihnen eine Flucht nach Südamerika ermöglichte.

Die vorhandene Korruption und Manipulation und die entstandene Ungerechtigkeit, das Dulden und Ausführen von Verbrechen lassen die Namen der Enkelkinder des Bürgermeisters erklären. Sie heissen Hermine und Adolfine, was ein Hinweis auf Göring und Hitler ist. Weiter tragen alle Güllener neue gelbe Schuhe, was eine Art Uniform darstellt und einen Zusammenhalt in der Gemeinschaft des Verbrechens und Geldgier bildet. Hier wird deutlich, dass mit dem Kriegsende leider die faschistischen Gedanken nicht aus der Welt geschafft sind und sie weiterhin eine nicht zu unterschätzende Gefahr bilden.

Claire Zachanasian rächt sich an Alfred Ill für das, was er ihr angetan hat. Die Rache versucht eine Ungerechtigkeit wieder auszugleichen, indem dem Täter ein Leid zugefügt wird. Es kommt zu einer Vergeltungsaktion zur Wiederherstellung der emotionalen Balance. Doch die Rache ist masslos, sie ist meist nicht verhältnismässig und schafft so neue Ungerechtigkeiten, und das Opfer wird zum Täter3 und stellt sich so auf dieselbe tiefe Ebene. Nun steht das ursprüngliche Opfer in der Schuld des ursprünglichen Täters, da die Rache unverhältnis- mässig und ungerecht ist.

Ähnlich verhät es sich in dem Stück „Der Besuch der alten Dame“. Die Milliardärin rächt sich an ihrem Jugendfreund. der sie schwanger hat sitzen lassen und bei einem Vaterschaftsprozess Zeugen bestochen hat, indem sie zum Mord an Ill anstiftet und die Ausführung übermässig bezahlt. Die Rache besteht aber nicht nur aus dem Mord, sondern zusätzlich leidet Ill lange an Todesangst. Ill ist früher von Kläri Wäscher „schwarzer Panther“ genannt worden und nun bringt Claire Zachanasian einen echten Panther mit, den sie in der Stadt frei lässt. Von da an läuft jeder in Güllen bewaffnet durch die Stadt, was eine Bedrohung für Ill darstellt, bis der Panther, der als Symbol für Ill steht, vor dessen Laden erschossen wird. Diese Rache ist übertrieben. Zwar war Ills Tat verwerflich, doch sind die seelische Folter und der Mord wohl nicht verhältnismässig.

Diese Rache ist ein Verstoss gegen die von der Gesellschaft gemachten und geachteten Gesetze, denn es ist die Aufgabe der Justiz, die Verbrecher zu bestrafen und nicht die des Opfers. Auch ist Claire Zachanasian wohl die einzige, die bestraft werden könnte, falls der

Fall ans Licht käme, sie ist der einzige Täter, bei dem die Tat, Anstiftung zum Mord, offen- sichtlich ist. Die Tat Ills ist verjährt, und bei dem Mord an Ill weiss man nicht, wer der ist, der ihn wirklich umgebracht hat. Es gibt keine Zeugen, die nicht selbst Täter sind. Auch ethisch gesehen ist die Situation am Schluss des Stücks nicht gerecht, da Ill nach seinen Qualen der Todesangst und dem Eingestehen seiner Schuld eigentlich genug gestraft ist. Doch er muss trotzdem sterben und wird so vom Täter immer mehr zum Opfer. Claire Zachanasian wird vom Opfer zum Täter. Beide sind Opfer und Täter zugleich, was sie zu einer Mischung aus Verbrechern und Helden macht. Das ist ein wichtiges Element, das wie ein verstecktes Leitmotiv im Stück wirkt.

Schlussfolgerung

Rache und Vergeltungsschläge gehören zum Alltag des Menschen, und das seit Urzeiten. Heute machen wir diese Erfahrungen beispielsweise im Nahen Osten, in Ruanda oder auf dem Balkan: und es wäre eine enorme Entwicklung nötig, um davon weg zu kommen. Viel wird im Stück angedeutet, was erst später an Aktualität gewinnt; sei es die zunehmende rechtsextreme Gewalt heute, die Propaganda oder das opportunistische Verhalten der Europastaaten während des Kalten Krieges oder die enorme Wohlstandssteigerung auf Kosten der Armen zu Zeiten der Globalisierung.

Dürrenmatt wollte in der Rolle der Güllener normale Menschen darstellen. die so handeln, wie er selbst auch gehandelt hätte. Er wollte auch aussagen, dass dies immer und überall in ähnlicher Form passieren könnte. In seiner Dramentheorie schreibt Dürrenmatt, dass es keine tragischen Helden wie Wallenstein mehr gäbe, die man auf der Bühne darstellen könne. Vielmehr seien viele Themen heute so schlimm und schwierig, dass sie sich nur noch als Komödie auf die Bühne bringen liessen, da die Komödie Distanz zum Thema schaffe. Die Kunst ist aber, dem Thema doch noch etwas Tragisches zu lassen, um es nicht ins Lächerliche zu ziehen. Er zieht die Form der Komödie vor, um Distanz und Objektivität zu den Inhalten zu gewinnen.

Dürrenmatt gelingt es in seinem Stück, den Ungeist der Zeit in einer Form zu präsentieren, welche die Missstände und Charaktere sichtbar macht und die Glaubwürdigkeit trotz Über- zeichnung bewahrt. Beeindruckend sind die vielen versteckten Botschaften, Hinweise und Informationen. Allein die Sache mit der Gerechtigkeit lässt einiges an Zweifel aufkommen, da grundsätzlich keine Gerechtigkeit herrschen kann, wenn Rache in die Tat umgesetzt wird. Bemerkenswert ist, dass der Text seit seiner Entstehung nichts an Aktualität verloren hat.

Kurzbiographie

Friedrich Dürrenmatt wurde am 5. Januar 1921 in Konolfingen bei Bern in eine protestan- tische Pfarrersfamilie geboren. Mit zwanzig Jahren machte er seine Matura in Bern, danach folgte ein Philosophie- und Literaturstudium in Bern und Zürich. Im Jahre 1943 schrieb er seine ersten Werke „Weihnacht“ und „Der Folterknecht“ und schon zwei Jahre später wunde zum erstenmal eines seiner Bücher, genauer „Der Alte“ veröffentlicht. Bald heiratete er und sein Sohn Paul kam zur Welt. Unterdessen kam er nach Basel, wo sein Stück „Der Blinde“ uraufgeführt wurde. In den folgenden Jahren schrieb er die beiden Kriminalromane „Der Richter und sein Henker“ und „Der Verdacht“. Zu dieser Zeit wurde seine Tochter Ruth geboren. Er wurde nun auch in den Nachbarländern bekannt und erhielt 1954 den Literaturpreis der Stadt Bern.

Im Jahre 1956 schaffte er mit der Uraufführung des Stückes „Der Besuch der alten Dame“ den Durchbruch und wurde international bekannt. Er wurde in den folgenden Jahren mit Preisen nur so überhäuft. Er bekam den „prix Italia” , den Preis der New Yorker Theaterkritiker, die Bruder-Rosenzweig Medaille der christlich-jüdischen Zusammenarbeit, den österreichischen Staatspreis für Literatur und den Literaturpreis des Landes Rheinlandpfalz. Er schrieb dann das sehr erfolgreiche Stück „Die Physiker“. Die siebziger Jahre waren für ihn von Krankheiten getrübt. Im folgenden Jahrzehnt wurde er Ehrendoktor der Universitäten Nizza, Zürich und Los Angeles. Friedrich Dürenmatt starb am 17. Dezember 1990 im Alter von 69 Jahren an einem Herzinfarkt in Neuenburg.

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1 Dürrenmatt, Freidrich: Besuch der alten Dame

2 Der Besuch der alten Dame

3 „DIE RACHE“ Ein Gespräch mit Léon Wurmser

Ende der Leseprobe aus 6 Seiten

Details

Titel
Dürrenmatt, Friedrich - Der Besuch der alten Dame
Note
1
Autor
Jahr
2001
Seiten
6
Katalognummer
V104814
ISBN (eBook)
9783640031207
Dateigröße
639 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Dürrenmatt, Friedrich, Besuch, Dame, Thema Der Besuch der alten Dame
Arbeit zitieren
Sören Waldmann (Autor:in), 2001, Dürrenmatt, Friedrich - Der Besuch der alten Dame, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104814

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