Leseprobe
Abstract
Die römisch-katholische Kirche manifestierte sich im gesamten Verlauf der Doppelmonarchie stets als die bedeutendste Religionsgemeinschaft. Der Katholizismus entpuppte sich als äußerst privilegiert und maßgeblich gefördert durch das stark gottesfürchtige Herrscherhaus, speziell durch Kaiser Franz Joseph I. Die Verschmelzung der katholischen Kirche mit dem Staat und der Verfassung zeigte sich vor allem durch die weitreichenden Befugnisse des österreich-ungarischen Regenten, der, beispielsweise, Bischöfe ernennen konnte und maßgeblichen Einfluss auf die katholische Kirche übte.
Im Jahre 1867 manifestierte sich das Ausscheiden Ungarns aus dem österreichischen Staat und markierte damit eine politische Unterteilung der Reichsräte, die sich in den cis- und transleithanischen Teil gliederte. Speziell im cisleithanischen Reichsgebiet, also die von Wien aus regierten Länder der Monarchie, dominierte die katholische Kirche weiterhin das Herrenhaus und teilweise auch das Abgeordnetenhaus - Diese katholische Prägung des politischen Landschaftsbild zog sich bis zur Errichtung des Ständestaats 1933/34 unter Engelbert Dollfuß. Die Maigesetze, datierend auf das Jahr 1868, markierten eine gewisse Brucherfahrung zwischen der Donaumonarchie und der katholischen Kirche, sowie dem Vatikan. Durch die Inkraftsetzung der Maigesetze verlor die katholische Kirche ihre einflussreiche Position hinsichtlich Bildungs- und Familienangelegenheiten und die daraus resultierende Trennung zwischen Staat und Kirche. Speziell der Aufstieg der stark katholischen Christlichsozialen Partei erwies sich als zentrales Element des Katholizismus im Fin de Siècle. In der, 1910 durchgeführten, Volkszählung in den cis- und transleithanischen Reichsgebieten ergab sich, dass die römisch-katholische Kirche die weitaus größte Religionsgemeinschaft in der Doppelmonarchie stellte. Just in Cisleithanien lebten etwa 22,5 Millionen Katholiken, was einem Anteil von 79% der Bevölkerung entsprach.
Inhaltsverzeichnis
Abstract
Einleitung:
Stellung der Katholischen Kirche ab den Maigesetzen 1868
Katholizismus und die Stellung der Katholischen Kirche ab 1880
Der Aufstieg der Christlichsozialen Partei im „monarchialen“ Fin de Siècle
Karl Luegers Tod und der Weg in den ersten Weltkrieg
Katholizismus im Fin de Siècle unter Betrachtung der Christlichsozialen Partei
Gesellschaft und Katholische Kirche im Fin de Siècle
Anti-Katholische Literatur im Fin de Siècle
Katholische Kirche und Antisemitismus
Gewaltexzesse von Katholiken in der Habsburgermonarchie
Resümee
Literaturverzeichnis/Bibliographie. 19
Einleitung:
Die katholische Kirche prägte die gesellschaftliche und politische Landschaft in Österreich über mehrere Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg. Erst durch den Druck der liberalen Bewegungen und den daraus resultierenden Maigesetzen manifestierte sich eine drastische Einschränkung der kirchlichen Einflusspolitik, die im endgültigen Bruch des Konkordates 1870 endete.
Die zur Zeit des Fin de Siècle vorherrschende Gesellschaftsstimmung begrenzte sich auf eine gewisse Konnotation des kulturellen Verfalls sowie eine Aufbruchsstimmung, die aber noch maßgeblich von antiken und mittelalterlichen Weltordnungen eingeschränkt wurde.
Zur Zeit des Fin de Siècle manifestierte sich in Österreich die Entstehung einer katholischen Bewegung, die sich als Trittbrett für den Katholizismus entpuppen sollte und maßgeblich zu einer neuerlichen „Katholisierung“ der Gesellschaft führte.
In der folgenden Interpretationsarbeit soll der Katholizismus im Fin de Siècle, also von etwa 1880 bis 1910, betrachtet und analysiert werden.
Dabei wurde vor allem die Entwicklungsgeschichte der katholischen Kirche und des Katholizismus ab 1868 betrachtet, um die konfessionelle Situation in der Monarchie klar zu erläutern. In weiterer Folge soll die Stellung der katholischen Kirche im Fin de Siècle sowie die Entstehung der Christlichsozialen Partei erörtert und analysiert werden.
Stellung der Katholischen Kirche ab den Maigesetzen 1868
Die Dezemberverfassung, datierend auf das Jahr 1867, manifestierte sich als Verankerung der liberalen Menschenrechte und Grundfreiheiten in der Verfassung und entpuppt sich noch heute als gültiges Recht in Österreich. Eben durch jenes Gesetz wurden maßgebliche Teile des Konkordates, also des Vertrages zwischen dem Staat und der Kirche, annulliert. Einerseits wurde jede (Religions)Gesellschaft den allgemeinen Staatsgesetzen untergeordnet, andererseits wurde jeder anerkannten Gemeinschaft erlaubt ihre Religion frei zu praktizieren. Zu dieser Zeit waren in der Doppelmonarchie die römisch-katholische Kirche, die evangelische Kirche des Augsburger Bekenntnisses, die evangelische Kirche helvetischen Bekenntnisses, die orthodoxe Kirche und das Judentum offiziell anerkannt (vgl. Leeb et al. 2003: 382ff.).
Ein weiterer Aspekt der neu verordneten Gesetze war die Annullierung der Regelung, dass nur katholische Staatsbürger an Schulen unterrichten durften und eine maßgebliche Lehrplanreform, die sich von einem religionszentrierten Unterricht abwandte. Es manifestierte sich also, in den Jahren 1867 und 1868, eine nachhaltige Trennung von Staat und Kirche, die letzterer maßgebliche Kompetenzen entzog (vgl. Leeb et al. 2003: 382ff.).
Die Kirche sah sich durch die neu erlassenen Gesetze in ihrer Macht und Einflussposition eingeschränkt und empfand diese als Kampfansage.
Die darauffolgenden Maigesetze aus 1868 markierten einen weiteren signifikanten Einschnitt in den Wirkungs- und Machtbereich der katholischen Kirche, der nunmehr auch ihre Einflüsse im Bildungs- und Erziehungswesen entzogen wurden. Weiters umfassten die Neuerlässe die Option auf einen Kirchenaustritt für Personen über 14 Jahren sowie, dass die Ehegerichtsbarkeit wieder Gerichten und nicht der Kirche unterstellt war. Die Maigesetze bedeuteten zwar nicht, dass das Konkordat, also der Vertrag zwischen Kirche und Monarchie, annulliert wurde, jedoch wurde es stark ausgehöhlt, wie es Wandruszka und Urbanitsch in ihrem Werk zu den Konfessionen in der Habsburgermonarchie beschreiben. Während die Maigesetze von den Liberalen positiv aufgenommen wurden, zeigte man sich von kirchlicher Seite empört und rief zum „klerikalen Widerstand“ gegen die Erlässe auf. Speziell der Linzer Bischof Franz Joseph Rudigier setzte sich zur Wehr und kritisierte in mehreren Schriften den Minister für Kultus und Unterricht Hasner, der in weiterer Folge die Briefe strafrechtlich verfolgen lies. Während seiner Festnahme und polizeilichen Verfolgung demonstrierten erstmals Teile der katholischen Bevölkerung in Linz und es bildete sich eine demokratische Bewegung aus Katholiken und Anhängern des Katholizismus, die sich später zur Christlichsozialen Bewegung und Partei entwickeln sollte (vgl. Wandruszka/Urbanitsch 1995: 45ff.; Leeb et al. 2003: 385f.).
Im Verlauf des Jahres 1869 wurde der Entschluss dazu gefasst ein Reichsvolksschulgesetz zu veranlassen, dass sich am Artikel 17. des Staatsgrundgesetzes orientieren sollte und damit in weiterer Folge, eine nicht religionsgebundene Schulbildung im primären Bereich zu garantieren. Der Gesetzestext kennzeichnete, dass die Kinder sittlich-religiös erzogen werden sollten und dies von der zuständigen Kirchenbehörde überprüft werden sollte. Durch diese Maßnahmen wurde das Einflussgebiet der katholischen Kirche erneut eingegrenzt und war auf den Religionsunterricht begrenzt – somit wurde die Kirche daran gehindert, Einfluss auf andere Gegenstände zu nehmen und ihre Lehre in den Unterricht bzw. die Lehrgegenstände zu implementieren. Auch in Bezug auf katholische Privatschulden wurde verordnet, dass diese gewisse Standards hinsichtlich Lehr- Kräfte, Inhalte und Mittel zu erfüllen hatten (vgl. Wandruszka/Urbanitsch 1995: 49f.; vgl. Goldberger 1883).
Die Sanktionen der Maigesetze brachten den Kaiser und die Monarchie in eine prekäre Situation, sodass dieser versuchte das Konkordat einvernehmlich aufzulösen. Da dieser Versuch misslang, hing sich der Kaiser an der festgelegten Dogmatisierung der päpstlichen Unfehlbarkeit auf, weswegen am 30. Juli 1870 der Vatikan, durch seinen Vertreter Joseph Palomba-Coracciolo, darüber unterrichtet wurde, dass das Konkordat aufgrund der Dogmatisierung als nichtig zu betrachten sei. Kaiser Franz Joseph resümiert, dass das Konkordat mit dem Vatikan zwar annulliert sei, aber sich an der Stellung der katholischen Kirche im cisleithanischen Teil der Monarchie nichts ändern würde (vgl. Wandruszka/Urbanitsch 1995: 51ff.; vgl. Leeb et al. 2003: 386f.).
Während seitens der Kirche das Konkordat als immerwährend und intakt betrachtet wurde, strebte der Kaiser nach sofortiger Neuordnung der kirchlich-staatlichen Verhältnisse im cisleithanischen Teil des Kaiserreichs. Die innerstaatlichen Maigesetze aus 1874 umfassten vier zentrale Aspekte, die sich wie folgt gliederten:
1. Das Gesetz über die Regelung der äußeren Rechtsverhältnisse der katholischen Kirche (Katholikengesetze)
2. Das Gesetz über die Rechtsverhältnisse der klösterlichen Genossenschaften (Klostergesetz) – nicht vom Kaiser sanktioniert!
3. Das Gesetz über die Beitragsleistung des Pfründenvermögens zum Religionsfonds
4. Das Gesetz über die gesetzliche Anerkennung von Religionsgesellschaften
(Gesetze entnommen aus: Wandruszka und Urbanitsch 1995: 57)
Durch die Dezemberverfassung 1867, die Maigesetze aus 1868 und 1974, das Schulgesetz sowie den Kulturkampf bildete sich der Einfluss der katholischen Kirche auf die Gesellschaft drastisch zurück. Mit der Ablösung der liberalen Regierung im Jahre 1879 erfolgte unter dem Kabinette von Eduard Taafee eine Reorientierung der Politik in der Monarchie. Es erfolgte eine Politik der „konfessionellen Befriedigung“ wie sie von Wandruszka und Urbanitsch bezeichnet wird (vgl. Wandruszka/Urbanitsch 1995: 57ff.; vgl. Leeb et al. 2003: 387ff.).
Katholizismus und die Stellung der Katholischen Kirche ab 1880
Trotz der unzähligen Restriktionen seitens Kaiser Franz Josephs hielt die Kirche ihren etablierten Status als Staatskirche der Doppelmonarchie und prägte weiterhin maßgeblich das Gesellschaftsbild in Österreich. Bei der Volkszählung 1880 wurden 22,144.244 Personen im Reich registriert, wovon 17,693.648 römisch-katholischen Glaubens waren, was einem Anteil von 79,9% der Bevölkerung entspricht. Die vorherrschende Dominanz der katholischen Kirche zeigte sich vor allem im damaligen Salzburg, wo 99,5% der Gesamtbevölkerung auf das Christentum entfielen (vgl. K. K. Statistischen Central-Commission 1882: 118).
Der Aufstieg der Christlichsozialen Partei im „monarchialen“ Fin de Siècle
Rückwirkend entwickelte sich die Christlichsoziale Bewegung während der Festnahme des Linzer Bischofs Franz Joseph Rudigier, der sich in seinen berüchtigten Hirtenbriefen gegen die Maigesetze auflehnte und somit Proteste seitens der katholischen Bevölkerung entfachte. In weiterer Folge entwickelte sich erste katholische Gesellenverein und Verbände, die sich stark an den deutschen Kolping-Vereinen orientierten. 1987 gründeten Ludwig Psenner und Adam Latschka einen Christlichsozialen Verein, der zusammen mit der „freien Vereinigung katholischer Sozialpolitiker“ als politisches Pendant zur Arbeiterbewegung fungieren sollte. Die ideologischen und politischen Grundlagen eben jenes katholischen Vereines schufen Karl Freiherr von Vogelsang und Aloys Prinz Liechtenstein. Erstgenannter prägte vor allem den späteren Wiener Bürgermeister und Politiker Karl Lueger, der es einerseits vermochte Wien zu einer renommierten und modernen Großstadt zu verhelfen, aber andererseits als Antisemit bekannt wurde. Unter der Führung Karl Luegers wurde 1893 schlussendlich die Christlichsoziale Partei gegründet, die sich maßgeblich auf das kleine und mittlere Bürgertum fixierte und sich immer wieder an Anti- Semitismus und Liberalismus anbiederte. (vgl. aeiou o.J; vgl. Kriechbaumer 2001: 247 ff.).
1895 erlangte Dr. Karl Lueger mit der Christlichsozialen Partei im Gemeinderat die angestrebte Zweidrittelmehrheit und setzte seinen antiliberalen und antisemitischen Kurs fort – erstmals war die langjährige Dominanz der liberalen politischen Lager gebrochen. Durch seinen vielzitierten großösterreichisch-föderalistischen Kurs vermochte er es, einerseits die Christlichsoziale Partei auf Landes- und Bundesebene als Großpartei zu etablieren, aber andererseits sich auch die Zustimmung des Adels und der Kirche zu sichern – durch ein Bündnis mit altklerikal-konservativen Gruppierungen näherte er sich auch großen Teilen der Bauernschaft an. In den darauffolgenden Gemeinderats- und Reichstagswahlen etablierte sich die Christlichsoziale Partei als dominante politische Strömung und erlangte 1900 138 der 158 sowie 1906 141 von 165 Mandaten (vgl. Funder 1952; vgl. Geschichte Wiki Wien 2020; vgl. AEIOU o.J)
Karl Luegers Tod und der Weg in den ersten Weltkrieg
Erst der Tod Karl Luegers 1911 kennzeichnete erste Wahlverluste der Christlichsozialen Partei, die in Wien ihre Stimmenmehrheit an die Sozialdemokratische Partei abgeben musste. Der herbe Stimmenverlust war maßgeblich auf das Fehlen einer Führungsperson zurückzuführen, abseits davon waren auch essentielle organisatorische Strukturen innerhalb der Partei nicht gegeben. Im Gegensatz dazu manifestierte sich Viktor Adler immer mehr als Aushängeschild und „Hofrat der Revolution“ und erinnerte an ein sozialdemokratisches Pendant von Karl Lueger, dem just verstorbenen Gründer und Gesicht der Christlichsozialen Partei (vgl. Benesch 2010: 24).
Die Christlichsoziale Partei stützte sich nunmehr auf Aloys Prinz von Liechtenstein, der weiterhin einen stark antisemitisch und antikapitalistischen Kurs verfolgte – auf eben jenen Prinzipien fußten die Erfolge der Partei bei Wahlen.
Speziell im Fin de Siècle und im gesamten damaligen Europa herrschte eine deutliche Abneigung gegenüber dem Judentum, die auf abstrusen Theorien wie jener der jüdischen Weltherrschaft fußten oder just als politisches Stimmungswerkzeug zum Stimmengewinn fungierte. Der Antisemitismus diente auch der Literatur und manifestierte sich in Houston Steward Chamberlains Werk „Die Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts“, welches als Grundmanifest des Antisemitismus zu verstehen ist und weiters, Adolf Hitlers Gedankengut und Ideologie maßgeblich beeinflusste. Der in Großbritannien geborene, aber in Wien lebende, Schriftsteller dokumentierte in seiner Werk die typischen Merkmale und Charakteristika der Juden und inwiefern diese als inferior gegenüber dem Deutschtum und den Ariern zu verstehen seien (Chamberlain 1899).
Die Ermordung des österreichischen Thronfolgers resultierte schlussendlich in der Julikrise 1914, die in weiterer Folge im ersten Weltkrieg mündete, der sich als erster Globalkrieg entpuppte und etwa 70 Millionen bewaffnete Soldaten aus 40 Staaten umfasste. In dieser Zeit unterstützte die Christichsoziale Partei vehement die Monarchie und trug maßgeblich zur Weiterführungen der Kriegshandlungen bei. Der Erste Weltkrieg wurde seitens der Christlichsozialen Partei als „Sühnekrieg“ betitelt und man glaubte an einen baldiges und vor allem siegreiches Kriegsende. Österreich-Ungarns Armee galt als die am schlechtesten auf einen Kriegs vorbereitete Armee und vertraute auf nicht mehr zeitgemäße Kriegsausrüstung, die speziell im nunmehr modernen Stellungskrieg erhebliche Nachteile mit sich brachte (Glaise-Horstenau 1930: 28ff.).
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