Inhaltsverzeichnis
ÄSTHETIK UND KRITIK
Medien des Kapitalismus
Entfremdung
Der Gebrauchswert ist nicht zu gebrauchen
Vom Tauschwert zum Simulakrum
SIMULATION UND SIMULAKRUM
Imitation
Produktion
Simulation
KRIEG DER ZEICHEN
Konsum als Wertschöpfung
Do it yourself
LITERATUR
Und Elvis rockt auch nicht mehr wie früher...
,,Kino und mehr..." lautet die Unterzeile einer Werbetafel vor Berliner UFA-Kinos.
Auffallend häufig wird seit einiger Zeit die Formel des ,,und mehr..." in allen möglichen Werbeeinsätzen verwendet. Meist handelt es sich dabei um die einfallslosen Varianten der üblichen Schaufenster-Slogans, mit denen Kunden zum Eintreten bei Friseuren, Boutiquen oder Kneipen animiert werden. Im Zusammenhang mit Kino erscheint diese Formel jedoch ihre ideale Verwendung gefunden zu haben, gibt es doch kaum einen anderen Markt, der mit einer ähnlichen Berechtigung gerade mit dem nicht Aussprechbaren werben könnte.
Das ,,Mehr" des Kinos spielt auf ganz persönliche Filmerlebnisse an, auf die individuellen Erfahrungen, die Träume, Ängste und faszinierenden Momente, die für viele Zuschauer den größten Reiz eines Kinobesuchs ausmachen. Das unbestimmte, bewußt nicht ausformulierte ,,Mehr" läßt sich als Ausdruck dessen sehen, was mit dem Erwerb einer Eintrittskarte tatsächlich gekauft wird - nicht die Plüschsessel mit verstellbarer Rückenlehne oder THX- Surround Sound, sondern die Bilder, die erst im Kopf des Zuschauers entstehen.
Eine ähnliche Form der Wertschöpfung im Territorium der Phantasie läßt sich bei einer gegenwärtig stattfindenden Elvis-Revival-Tour beobachten, in welcher der King tatsächlich wieder zum Leben erweckt wird. Diesmal jedoch nicht in Form einer Imitation durch einen Sänger, der sich in jahrelangem Training die Stimme, den Hüftschwung und das laszive Lippenzucken des Originals zu eigen machte.
Der King erscheint vor ekstatischen Fans in Gestalt einer Videoprojektion, zu der die Musiker von damals den ,,authentischen" Sound beisteuern: ,,Zu den Songs des virtuellen Elvis schreien und kreischen junge wie alte Zuschauer in künstlicher Massenhysterie, als seien die letzten 20 Jahre nicht vergangen. Ihr Aufstand gilt naturgemäß nicht der Qualität von Musik und Live-Band. Er huldigt der Mattscheibe, ihren bewegten Bildern und nicht zuletzt sich selbst, dem Publikum. Echte Tränen fließen vor der Videoleinwand, rote Rosen fliegen auf die Bühne." (die tageszeitung, 27.1.99, meine Hervorh.)
Was sich an diesem Szenario zeigt, ist, daß es keines leibhaftigen Stars bedarf, um die Effekte zu erzeugen, die mithin gerne der Wirkung seiner Person, zugeschrieben werden. Es genügt, eine Erinnerung an den ,,echten" Elvis und an den Kult, der zu seinen Lebzeiten und darüber hinaus um ihn gepflegt wurde, auszulösen, das, was unabhängig von seiner lebendigen Erscheinung von ihm existierte und noch bzw. wieder existiert.
Elvis als Simulakrum bildet ein glaumourös-bizarres Glanzlicht einer Warenwelt, deren teuerste Werte sich zunehmend im virtuellen und nicht mehr im konkreten Raum befinden. Unter den Bedingungen einer fortschreitenden Virtualisierung von Wertschöpfungsmechanismen tut sich eine Kritik der Warenproduktion deshalb schwer, wenn sie sich nur auf das Reale versteift.
Mit dem Begriff der Simulakren - verstanden als ,,wirklichkeitsmächtige Kulturmuster, mit denen die soziale Welt semantisch beschrieben und vorgestellt wird" (Kraemer 1994) - deren Entstehung eng mit der Entwicklung des Tauschwerts von Waren zusammenhängt, bietet sich dagegen eine Möglichkeit, die kapitalistischen Produktionsbedingungen jener Zeichen1, die so eng mit unserer Phantasie und unserer Alltagswirklichkeit verbunden sind, unter den gegenwärtigen Bedingungen ihrer Virtualisierung zu beschreiben und zu kritisieren.
© by Karl Marx
In der marxistischen Theorie spielen ideelle Waren - jene Produkte, um welche im Zuge der Expansion der ,,neuen Medien" lebhafte Diskussionen und Bestrebungen zur Neudefinition des Urheberrechts entbrannt sind - eine untergeordnete Rolle. Marx selbst leitet seine Kritik des Tauschwerts und seine Analysen des Entfremdungsbegriffs von einem Markt ab, der vorrangig mit materiellen Waren handelt. Auch sein Arbeitsbegriff blendet Tätigkeiten der kulturellen Produktion - also solche, die neue Zeichen und Bedeutungen schaffen - aus.
Der Kapitalismus hat sich jedoch zu einem System entwickelt, das gerade die Produktion von Zeichen und Bedeutungen extrem vorantreibt - wobei die durch Copyright geschützten nur einen Teil ausmachen. Nicht mehr die materiellen Produktionsverhältnisse, die bei Marx im Mittelpunkt der ästhetischen Kritik des entfremdenden Systems stehen, stellen das primäre Medium politisch-ökonomischer Hegemonie dar. Es stellt sich von diesem Ansatz her nicht mehr die Frage, wie die von Marx beschriebene Entfremdung überwunden werden kann, die aus der Trennung von Form und Inhalt menschlicher Lebensweisen resultiert.
Angesichts einer exorbitanten Produktion von Zeichen und Bedeutungen, hinter der die Unterscheidung zwischen politischen, ökonomischen und kulturellen Sphären verschwindet - verbunden mit dem Abdriften dieser Zeichen und Bedeutungen in einen Raum außerhalb der konkreten Realität - scheint die Frage wichtiger, nach welcher Logik diese Produktion von statten geht. Im Gegensatz zu der marxistischen Vorstellung der Überwindung der Entfremdung sollte es um Möglichkeiten des bewußten Umgangs mit der symbolischen Politik des Kapitalismus und der Aneignung von Produktionsweisen gehen - immer verbunden mit der Frage, welcher Grad an Freiheit und Selbstbestimmung in einem Herrschaftssystem möglich ist, das vor allem mittels seiner Produktionsweisen und der Einbindung der Einzelnen in diese Produktionsweisen regiert.
Eine medientheoretische Beschreibung kapitalistischer Zusammenhänge scheint gegenwärtig eine befriedigendere Antwort auf derartige Fragen zu ermöglichen als die ein ums andere Mal praktizierte Paraphrasierung marxistischer Begrifflichkeiten. Ausgehend von einer Kritik der marxistischen Werttheorie, soll hier untersucht werden, wie sich der Kapitalismus primär durch Signifikationspraktiken perpetuiert, mit dem Effekt, daß die Produktion von Zeichen und ihre Besetzung mit Bedeutungen zu einer zentralen Wertschöpfungspraktik des ausgehenden Jahrhunderts geworden ist.
Unsere Erfahrungswirklichkeit2 besteht in zunehmendem Maße aus Zeichen, deren Entstehung letztlich auf kapitalistische Triebkräfte zurückgeführt werden kann und die in Folge einer letztlich kapita listischen Logik mit Bedeutungen und Werten versehen werden. Um diese Entwicklung nachzuvollziehen, scheint es angebracht, die von Marx formulierte Werttheorie näher zu betrachten und ihre Verbindungslinien zu Baudrillards Konzept des Simulakrums hervorzuheben.
Die Forderung nach einer Rückkehr zu etwas ,,Eigentlichem" oder ,,Ursprünglichem" (wie Marx sie stellte) hat sich als ohnmächtig gegenüber solch starken Kräften wie dem kapitalistischen Wertschöpfungsdrang erwiesen. Anstelle einer essentialistischen Kritik sozialer Verhältnisse sollte vielmehr versucht werden, die Hyperrealität - das Reich der Zeichen, dem wir im Alltag, in unserer Phantasie, in kulturellen, ökonomischen und politischen Zusammenhängen gegenüberstehen wie einer nicht greifbaren aber wirkmächtigen Realität - als Metatext zu lesen, statt ihr das Argument entgegenzuschleudern, Du bist gefälscht!
Bei einer zunehmenden Ununterscheidbarkeit zwischen Simulation und Realität machen derartige Anschuldigungen keinen Sinn mehr und führen zu nichts als dem üblichen Kulturpessimismus - oder sie fördern die gegenwärtige Tendenz zur Nostalgisierung - in der Politik wie in der Werbung -, die jedoch zu nichts weiter taugt als zur Vermarktung der verloren geglaubten Vergangenheit und Authentizität in den zahllosen Slogans des ,,Originalen" und ,,Echten".
Häufig ist in den Medien selbst von einer ,,Medienwirklichkeit" die Rede, von einer ,,Scheinwelt", von ,,Trugbildern" oder ähnlichen Begriffen, mit denen eine kategoriale Unterscheidung zwischen ,,wirklicher" Realität und der von und in den Medien dargestellten Realität aufrechterhalten wird. Nicht selten wird dabei zudem zwischen guten und schlechten, falschen und richtigen Darstellungen gewertet und somit eine Vorstellung von ReprÄsentation perpetuiert, die nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. Darüber hinaus sind über die Wirkungsweisen der Medien deutlich mehr Spekulationen und althergebrachter Medienpessimismus im Umlauf als fundiertere Analysen oder Thesen über Strategien für den Umgang mit den Bildern, den Images, die um uns herum in diesen Medien zirkulieren.
Die Grundideen in dem ästhetischen Konzept, das hinter Marx` kommunistischer Utopie steckt, haben auch heute noch ihre Gültigkeit - auch wenn bei einer Revision kaum ein Teil des alten Vokabulars Bestand haben mag. Sieht man Marx' Ansatz jedoch als einen medientheoretischen, und trägt man dem Umstand Rechnung, daß sich die Medien des Kapitalismus gewandelt haben, wird deutlich, daß sich damit einhergehend auch die Form und der Gegenstand seiner Kritik ändern müssen.
Ästhetik und Kritik
Wie Terry Eagleton (1994) zeigt, ziehen sich bestimmte ästhetische Vorstellungen durch die Arbeit von Marx, die möglicherweise sogar die Grundlage für seine Kritik des Kapitalismus und für seine Vorstellungen von der kommunistischen Gesellschaft liefern. Im Grunde geht es Marx dabei immer um die erneute Zusammenführung von Elementen, die zusammengehörten, im Kapitalismus aber getrennt werden, wie etwa Vernunft und Sinnlichkeit, Geist und Körperlichkeit, Form und Inhalt.
Eine Annahme eines Urzustandes und einer Essenz dieser Begriffe also, die sich in der Unterscheidung zwischen dem Gebrauchswert und dem Tauschwert einer Ware fortführt, und die angesichts des gegenwärtigen Standes von Subjektphilosophie und der Diskussion um Identitätspolitik nur noch schwer nachzuvollziehen ist. Die Tugend einer reichen, umfassenden Entfaltung der Fähigkeiten jedes Individuums stellt jedoch für Marx das absolute moralische Kriterium dar.
Diese Vorstellung liegt auch seiner Kritik des Tauschwerts, der Produktionsverhältnisse und der Entfremdung zugrunde. (ebd. 235). Die ausbeuterischen Produktionsverhältnisse im Kapitalismus treiben das Individuum zwar auf die Spitze individualistischer Entwicklung ,,zu einer neuen Höhe subtilen Selbstbewußtseins und zu einem raffinierten Reichtum von Subjektivität, _sie machen_ aus ihm aber zugleich einen räuberischen Egoisten." (ebd. 230) Die Produktionsverhältnisse sind in Marx` Augen während einer bestimmten Phase gesellschaftlicher Entwicklung zwar für eine effektive Herausbildung der Produktivkräfte nötig, da sie zu einer wachsenden Verfeinerung der menschlichen Fähigkeiten, und der Ideale von Freiheit, Gleichheit und universaler Gerechtigkeit führen. Doch ab einem bestimmten Punkt müssen sie zugunsten des Menschen neu genutzt werden.
Im Sozialismus muß versucht werden, so viele dieser Fähigkeiten wie möglich den Einzelnen zu ihrer schöpferischen Verwirklichung zugänglich zu machen. Die nichtentfremdete Produktion von Gebrauchswerten allein zum Zweck der Entwicklung des ,,Gattungswesen des Menschen" muß das Ziel sein. Angesichts der zunehmenden Verbreitung kultureller Produktionsmittel von der Videokamera bis hin zum Bildbearbeitungsprogramm sieht es so aus, als wäre der erste Teil dieser Forderung bereits in seiner Erfüllung begriffen, ohne daß das kapitalistische Prinzip zu einem Ende käme. Es stellt sich also die Frage, inwieweit sich die durch ein essentialistisches und idealistisches Menschenbild geprägten Analysen bei Marx von seiner Beschreibung der Funktionsweise kapitalistischer Wertschöpfungsmechanismen trennen lassen.
Medien des Kapitalismus
Medientheoretisch interessant ist Marx' konsequent materialistische Ästhetik, da er die Grundlage schafft für eine Lesart des Kapitalismus, die sich auf McLuhan und in der Folge auf Baudrillard stützen kann und sich von dem Widerspruch zwischen Form und Inhalt menschlicher Ausdrucksweisen - Zeichen im allgemeinen - trennen läßt, zugunsten einer nicht mehr essentialistischen Konzentration auf die Form bzw. das Medium. Marx geht davon aus, daß der menschliche Körper die Quelle der Vernunft darstellt, sie also aus den Bedürfnissen und Empfindungen des Körpers resultiert.3 Gewissermaßen in Vorwegnahme von McLuhans Formel von den ,,Ausweitungen des Menschen" postuliert Marx, daß die Geschichte und die Gesellschaft noch einmal neu, und zwar vom Körper ausgehend, betrachtet werden müßten. Nach Marx weitet sich der menschliche Körper durch das System der ökonomischen
Produktion über die ganze Welt aus.
Das Kapital agiert für ihn ,,als ein Körpersurrogat des Kapitalisten" (Eagleton, 206), durch welches dessen Wirken vermittelt wird. Der Kapitalismus läßt sich somit als ein System zusammenwirkender Medien beschreiben, in dem Privateigentum, Waren und Geld mediale Ausweitungen des Menschen darstellen, welche die sozialen Gegensätze, Machtverhältnisse und Interessen in der kapitalistischen Gesellschaft vermitteln.4
Einerseits werden in diesem System Inhalte transportiert - Tauschwert, Machtverhältnisse, Interessen etc. Andererseits entwickeln diese Medien auch eine Eigendynamik und haben unabhängig von Ihren Inhalten gesellschaftliche Auswirkungen aufgrund ihrer Form. (In Bezug auf die Medien des Kapita lismus wäre die Organisation von Arbeit nach dem Prinzip der freien Zeiteinteilung und permanenten Erreichbarkeit ein Beispiel hierfür, die eine räumliche und kognitive Flexibilität erfordert und andererseits den Termindruck auf die Arbeitnehmer abwälzt.)
Im Sinne der Formel vom Medium als Botschaft, bringt jedes neue Medium bestimmte Veränderungen der Lebensverhältnisse, der Rationalität und der sinnlichen Empfindungsfähigkeit mit sich, denen der Mensch weniger Widerstand entgegenbringt als den auf inhalt licher Ebene übermittelten Botschaften. Bei McLuhan ist die ,,`Botschaft' jedes Mediums oder jeder Technik [...] die Veränderung des Maßstabs, Tempos oder Schemas, die es der Situation des Menschen bringt." (McLuhan 1995, 22f) Unter diesen Voraussetzungen läßt sich das Mediensystem Kapitalismus in Hinblick auf seine spezifische Form der Bedeutungsproduktion (der ,,Code" bei Baudrillard) und somit der Art und Weise seiner Selbstperpetuierung und der Transportation von Ideologie auf inhaltlicher und formaler Ebene analysieren. So bietet sich die Möglichkeit zur Kritik seines Einflusses auf ästhetische Produktionsweisen, die mit dem marxistischen Ansatz nur unbefriedigend möglich ist.
Nach McLuhan führt z. B. die Entwicklung des Alphabets zu einer Gleichschaltung der Menschen und zu einem Verlust des Sinnes für die ,,verschiedengestaltige und diskontinuierliche Existenz der Formen", und die elektronischen Medien bedeuten eine Implosion der Welt in Gleichzeitigkeit (McLuhan 1995, 40f ). Bei Baudrillard und anderen ihm folgenden Autoren führt die mit der kapitalistischen Produktionslogik verbundene Art, Zeichen zu produzieren, zu einem ,,hyperrealen" Zeichenkosmos, der nicht mehr kausal mit der konkreten Realität in Verbindung steht. Der Verlust der ,,irdischen" Referenz der Zeichen ist ein zentraler Punkt in der Kritik des Kapitalismus als Zeichenmaschine und des Wandels der Herrschaftsausübung über das Symbolische. Unter diesen Voraussetzungen wird die
Notwendigkeit deutlich, nicht den Kapitalismus von einem ,,Außen" zu kritisieren, das es - im Anschluß an die kritische Theorie - ohnehin nicht mehr gibt, sondern ihm auf der Ebene der simulakrenhaften Zeichen zu begegnen.
Entfremdung
Die bei McLuhan thematisierte Formung des Menschen durch Medien führt wieder zu Marx zurück. Bei ihm sind die Produktionsverhältnisse in der kapitalistischen Gesellschaft die Ursache für eine fortschreitende Entfremdung des Menschen. Hier agieren in den Arbeitsverhältnissen sowie im gesellschaftlichen und geistesgeschichtlichen Bereich Medien, die diese Entfremdung in allen Lebensbereichen zur Wirkung bringen. Das Resultat besteht für ihn in einer Trennung von Geist und Sinnen, die eigentlich harmonisch aufeinander bezogen sein sollten. Auf allen Ebenen der Gesellschaft wirkt der Kapitalismus als gewaltiger Keil, der sich zwischen Form und Inhalt des Körpers, der Objekte, der Zeichen und schließlich auch der revolutionären Bewegungen schiebt. So schreibt Eagleton über den Körper: ,,Der menschliche Körper wird unterm Kapitalismus mitten entzwei gerissen. Er wird traumatisch zerteilt in einen rohen Materialismus und in einen launenhaften Idealismus." (Eagleton 1994, 215f)
Dies bezieht sich auf die entfremdende Wirkung der Lohnarbeit, in der die körperliche Materialität von der geistig-sinnlichen Erfahrungs- und Seinsebene des Menschen getrennt wird. Dieser Dualismus verliert jedoch seine Aussagekraft, wenn man berücksichtigt, daß das, was Eagleton als ,,launenhaften Idealismus" bezeichnet, zunehmend die Oberhand gewinnt. Denn letzlich wird damit nichts anderes bezeichnet als die scheinbare Willkür, nach welcher in der Welt der Simulakren ein Zeichen, eine Lebensphilosophie, eine politische Haltung oder ein Werbe-Image auf das andere folgt. Bei Marx werden die produktiven Kräfte des Körpers rationalisiert oder zu Waren gemacht, die ,,symbolischen Fähigkeiten und libidinösen Antriebe entweder zu rohen Begierden abstrahiert oder als überflüssig abgetan" (ebd.) und in die drei isolierten Bereiche der Kunst, Religion und Sexualität kanalisiert.
Doch gerade in diesem Punkt muß eine Korrektur der Marx'schen Analyse einsetzen, da sich der Kapitalismus der nachsozialistischen Ära gerade dadurch auszeichnet, daß Kunst, Religion und Sexualität - in einem weiter gefassten Verständnis des Begriffs - und nicht mehr die körperliche Arbeit zu Hauptbereichen der Wertschöpfung geworden sind. Entgegen der Einschätzung von Marx, daß der Kapitalismus irgendwann einen Grad der Ausbreitung erlangt, an dem er in sich zusammenbricht, stellt sich nach dem Ende der sozialistischen Gegenkraft keine Ermüdungserscheinung der kapitalistischen Ausbreitung ein. Vielmehr beginnt nach der so gut wie abgeschlossenen Kolonisierung des Erdballs und der Erschließung seiner Ressourcen durch das Kapital nun die Kolonisierung des menschlichen Körpers und Geistes und deren Potential zur Wertschöpfung (s.u.).
Eine ähnliche Spaltung wie die durch die Entfremdung verursachte Trennung von Form und Inhalt auf der körperlich-geistigen Ebene vollzieht sich bei Marx durch die Einführung der Waren und des Tauschwertes. Hier kritisiert er, daß durch die Trennung des Gebrauchswertes vom Tauschwert ein Objekt nur als leerer Behälter dieses Tauschwertes fungiert und seinen ,,ursprünglichen" Wert verliert. Seine ursprünglichen Eigenschaften, sein sinnlicher Inhalt würden dadurch in die Bedeutungslosigkeit gedrängt. Marx spricht von einer Störung von Geist und Sinnen durch die Ambivalenz der Ware, daß dadurch ein Widerspruch zwischen ihrer Form und ihrem Inhalt entstehe, sie zugleich Objekt und kein Objekt mehr sei.
Der Gebrauchswert ist nicht zu gebrauchen
Marx geht in seiner Analyse der Ware von einer Unterscheidung zwischen dem Gebrauchswert und dem Tauschwert einer Ware aus, die sich heute nur noch mit einigem Willen zur Reduktion aufrechterhalten läßt, da vor allem der Begriff des Gebrauchswertes viel zu eng definiert ist, um auf heutige Marktverhältnisse angewandt werden zu können. Die Problematik gründet sich letztlich in einem metaphysischen Wahrheitsbegriff, den er seinen Überlegungen zur Äquivalenz von Werten zugrunde legt und der verdeckt, daß es sich bei den Relationen zwischen Gut, Gebrauchswert und Tauschwert - ,,Leinwand ist wie Rock, beide wie Gold" - um Gleichnisse und nicht um Gleichungen handelt (vgl. Bahr 1983, S. 376).
Während sich der Gebrauchswert bei Marx aus der ,,Nützlichkeit eines Dings" (Marx 1962, 50) ableitet, entsteht der Tauschwert einer Sache erst dadurch, daß sie in Relation zu dem Wert anderer Güter gestellt wird. Marx geht also für den Gebrauchswert von einer jedem Ding innewohnenden Nützlichkeit aus, die sich im Gegensatz zu ihrem Tauschwert nicht ändert. Dieser Essentialismus wird verständlich, wenn man berücksichtigt, daß Marx offensichtlich in erster Linie an Waren mit physikalischem "Warenkörper" dachte, was seine Beispiele wie "Eisen, Weizen, Diamant usw." nahelegen.
Bei der Frage nach dem ,,natürlichen" Gebrauchswert eines Kinobildes, eines Werbeplakats, eines Popvideos oder einer journalistischen Floskel, die von anderen Journalisten aufgegriffen und zum Selbstläufer in der politischen Diskussion wird, versagt diese Trennung jedoch.
Bei Marx muß ein Gebrauchswert zwei Bedingungen erfüllen, damit er zur Ware werden kann. Zum einen muß er gesellschaftlicher Gebrauchswert sein, d.h., es reicht nicht aus, wenn ein Gut nur einem Menschen von Nutzen ist, für alle anderen jedoch keine Relevanz besitzt. Die einzige weitere Eigenschaft, die für Marx allen Waren gemeinsam ist, besteht in der für ihre Herstellung aufgewendeten Arbeit, wobei sein Arbeitsbegriff sich auf Formen "produktiver Arbeit" bezieht, wie dies etwa Tischlerarbeit, Bauarbeit oder Spinnarbeit darstellten. (ebd. 52)
Der Wert einer Ware liegt letztlich nur darin begründet, daß sie aus menschlicher Arbeit hervorgegangen ist, wobei es keine Rolle spielt, welcher Art diese Arbeit war. Es geht nicht um die von einzelnen geleistete, sondern um eine abstrakte Vorstellung menschlicher Arbeit, die durchschnittlich notwendig ist, um ein Produkt zu fertigen: "Ein Gebrauchswert oder Gut hat also nur einen Wert, weil abstrakt menschliche Arbeit in ihm vergegenständlicht oder materialisiert ist." (53)
Lehnt man jedoch die von Marx vorgenommene ,,Virginisierung des Gebrauchswerts"
(Fahlbusch), d.h., die Konstruktion des Gebrauchswertes als einen ursprünglichen Wert ab, läßt sich der Marx'sche Entfremdungsbegriff nicht mehr aufrechterhalten.
Als Ursache für die Entfremdung gilt ja bei Marx nicht zuletzt die Fetischisierung der Ware, die sich daraus ergibt, daß die Verhältnisse der Menschen in den Verhältnissen der Waren abgebildet sind, dies den Menschen jedoch verborgen bleibt.
Der mystische Charakter der Ware entsteht für Marx dadurch, daß die Menschen in ihr ,,die gesellschaftlichen Charaktere der Arbeitsprodukte selbst, als gesellschaftliche Natureigenschaften dieser Dinge" verkennen. In der Ware spiegelt sich menschliche Arbeit wider, in dieser wiederum gesellschaftliche Verhältnisse. Also spiegeln sich in der Ware die gesellschaftlichen Verhältnisse wider. (Marx 1962, 86)
Genauso wie die Helligkeit und die Farbe eines Gegenstandes als ihm innewohnende Eigenschaften verstanden werden, anstatt das Licht als ihre Ursache zu sehen, werden die Waren auch als Träger bestimmter, als wertvoll erscheinender Eigenschaften gesehen, ohne zu erkennen, daß es die gesellschaftlichen Verhältnisse sind, die bezahlt, gesucht, verehrt etc. werden. Gebrauchsgegenstände werden nur deshalb Waren, weil sie das Produkt von Privatarbeit sind.
So verkörpern sie gleichzeitig immer den ,,Charakter" einer Privatarbeit und somit das Verhältnis zwischen einzelnen produzierenden Personen. (ebd., 87) Dieser von Marx beschriebene Zeichencharakter der Waren übersteigt mittlerweile jedoch das Stadium der Repräsentation gesellschaftlicher Verhältnisse. Waren bezeichnen genauso wie ihr Produktionsprozeß primär die Existenz des ,,Codes", das Prinzip der Wertschöpfung auf dem Markt der kraftvollsten Zeichen (s.u., ,, Simulation").
Marx vergleicht die Unfähigkeit der KonsumentInnen, diesen Zeichencharakter zu erkennen als ,,Verblendung" und vergleicht sie mit der ,,Nebelregion der religiösen Welt", in der ,,die Produkte des menschlichen Kopfes mit eignem Leben begabte, untereinander und mit den Menschen in Verhältnis stehende selbständige Gestalten" erscheinen. (ebd.) In der Warenwelt geschehe dasselbe mit den ,,Produkten der menschlichen Hand".
,,Dies nenne ich den Fetischismus, der den Arbeitsprodukten anklebt, sobald sie als Waren produziert werden, und der daher von der Warenproduktion unzertrennlich ist." (ebd., 86f) Diese Entkopplung der Waren von ihrem ,,eigentlichen" Signifikat hat sich mit der Evolution des Kapitalismus bis in ein Stadium fortgesetzt, das sich mit den Begriffen der Simulation und des Simulakrums besser fassen läßt als mit einer Vorstellung von repräsentierenden Zeichen.
In diesem Stadium lohnt es nicht mehr, die Fetischisierung als Verblendung zu kritisieren.
Statt dessen sollte sie als integrativer Bestandteil der Bedeutungsproduktion im Kapitalismus betrachtet werden. Man kann die Waren-Zeichen und die Zeichen-Waren nicht mehr in bezug auf ihre mangelnde Referenz zur Wirklichkeit kritisieren, sondern nur innerhalb der Entstehungslogik ihres Tauschwerts.
Vom Tauschwert zum Simulakrum
Im Kapitalismus vollzieht sich eine endlose Bewegung der Waren, eine unablässige Produktion und Auflösung von Formen und eine ,,Vernichtung aller besonderen Qualitäten in einen unbestimmten, rein quantitativen Prozeß" (Eagleton 1994, 222). Auf die Spitze getrieben wird diese Eigenschaft in der Form des Geldes. Die Reduktion der Waren auf Ihren Tauschwert und das Geld als universale Abstraktion dieses Tauschwerts ermöglichen die Vergleichbarkeit jeden Wertes mit einem anderen auf einer rein quantitativen Ebene.
So entsteht eine nicht zu beendende metonymische Kette, ,,in der sich jeder Gegenstand auf einen anderen bezieht, der sich seinerseits wieder auf einen anderen bezieht... bis ins Unendliche." (ebd. 223)
Diese Akkumulation auf rein quantitativer Ebene macht - in der Marx'schen Logik - jede verläßliche Repräsentation unmöglich, da die Objekte nur noch Tauschwert repräsentieren und so das Signifikat (der Tauschwert) vom Signifikanten (Gebrauchswert) getrennt wird. Seine Entsprechung findet dieser Kreis der Referenzialität in Baudrillards Begriff des Simulakrums, einer Kopie ohne Original, einem Zeichen, das sich nicht mehr auf ein Signifikat in der konkreten Welt bezieht.
Die Referenzpunkte des Simulakrums befinden sich statt dessen in einem Raum der simulierten HyperrealitÄt (Baudrillard). Die Hyperrealität bildet eine Wirklichkeit, die sich nicht vom Realen unterscheiden läßt; die sich im Realen befindet, aber doch nach anderen Regeln funktioniert. Ein einfaches Beispiel hierfür stellen die wechselseitigen Bezüge von Fernsehsendern auf die Inhalte dar, welche die Konkurrenzsender ausstrahlen - wobei es sich nicht um ,,reale" Ereignisse handeln muß: Die Sendungen finden im Realen statt, die Bilder haben jedoch ihren Bezugspunkt in der Realität der Massenmedien.
Im Marx'schen Sinne wären die Simulakren Resultate eines blindwütigen Produktionsprozesses, in dem der Wert eines Gegenstandes sich nicht aus sich selbst, aus seinem Gebrauchswert herleitet, sondern aus einem ihm angehefteten Tauschwert. Dieser ergibt sich nicht aus dem scheinbaren Referenten, der jeweiligen Ware, sondern er resultiert aus seinem Verhältnis zum Tauschwert anderer Waren - ein Unterschied, den Baudrillard mit dem Wandel vom ,,funktionalen" zum ,,strukturalen" Wertzusammenhang beschreibt:
,,Der Referenzwert wird abgeschafft und übrig bleibt allein der strukturale Wertzusammenhang." (Baudrillard 1991, 17)
Für Baudrillard ergibt sich daraus ein Verlust an ,,Authentizität" von Bedeutungen und in letzter und wichtigster Konsequenz die Unmöglichkeit der Unterscheidung zwischen Realität und Simulation. Genauso wie beim Simulakrum die Form des Zeichens keine ,,ursprüngliche" Bedeutung mehr repräsentiert, gibt der Tauschwert einer Ware keinen ,,ursprünglichen" Gebrauchswert mehr wieder.
Simulation und Simulakrum
Marx' Begriff des ästhetisch Erhabenen beschreibt eine idealistische Einheit von Form und Inhalt. Aus marxistischer Perspektive stellt eine ideale ästhetische Praxis den Versuch dar, die voneinander getrennten Sphären der instrumentellen Vernunft und der Sinnlichkeit, des Körpers und der Bedürfnisse, des Gebrauchswertes und des Objekts, des Zeichen und seines Inhalts - wieder zusammenzuführen. Das heißt, ,,eine gefährlich formalistische Vernunft muß das wieder in sich aufnehmen, was das kapitalistische System als Abfall ausscheidet. Wenn Vernunft und Vergnügen miteinander im Streit liegen, dann können die Kunstgebilde Modelle der Versöhnung anbieten, indem sie die Vernunft versinnlichen und das Vergnügen _..._ vergeistigen." (Eagleton 1994, 216)
Marx selbst sagt jedoch, daß sich kein Bild von einer sozialistischen Zukunft zeichnen lasse, da sich ihre Inhalte einer Beschreibung mit jetzigen Formen entziehen.
,,Der Inhalt der kommunistischen Gesellschaft muß _..._ seine eigene Form von innen heraus erzeugen, muß sein eigenes Niveau und Maß finden." (ebd., 225) Der Marxismus kann deshalb keine bestimmte Zukunft darstellen, sondern nur die Mittel und Wege, die dahin führen: Die Befreiung des Gebrauchswertes vom Tauschwert, aus der sich eine Entwicklung menschlicher Vielfalt allein zu ihrem Selbstzweck ergeben würde.
Da diese Perspektive in post-utopischen Zeiten sehr unbefriedigend ist, stellt sich die Frage, wie man der zunehmend allumfassenden Erschließung der Welt, des Menschen, seines Körpers und seiner geistigen Produktion durch das Kapital in der Gegenwart entgegentreten kann. Die im folgenden ausgeführte Baudrillard'sche Beschreibung der Zeichenproduktion im Kapitalismus und die Kritik der Verwertungsstrategie, die Beller formuliert, scheinen dagegen Möglichkeiten aufzuzeigen, der kapitalistischen Inklusionsmacht auf der Zeichenebene entgegenzuwirken.
Baudrillard benennt drei verschiedene Arten der Simulakren, die jeweils mit einer bestimmten Phase des Kapitalismus, einer bestimmten Form der Herrschaftsausübung sowie einer bestimmten Vorstellung des Verhältnisses von Signifikat und Signifikant zusammenhängen: Das Simulakrum der Imitation, der Produktion und der Simulation. Im Grunde beschreibt er mit seiner Charakterisierung des Wandels des Kapitalismus immer auch einen epistemologischen Wandel, wobei das Stadium der Simulation in der Postmoderne als kultureller Bedingung und Verfaßtheit seinen Ausdruck findet (vgl. Jameson 1984)5.
Imitation
In der feudalistischen Gesellschaft sind Wert und Sinn immer schon vorhanden und werden von den Repräsentanten Gottes auf Erden lediglich verwaltet. In dieser Phase ,,ist eigentlich nichts produziert worden: alles leitet sich von der Gnade Gottes her. [...] Der Wert geht aus dem Reich der göttlichen oder natürlichen Eigenschaften hervor" (Baudrillard 1991, 22). Als jedoch in der Renaissance die enge Verwobenheit zwischen göttlicher Ordnung und irdischer Repräsentation sich zu lockern anfängt, beginnt das Zeitalter der Imitation, in dem man dazu übergeht, die repräsentativen Zeichen nachzuahmen.
Die Willkürlichkeit der Zeichen von Macht und gesellschaftlichem Stand tritt in den Vordergrund. Im Gegensatz zur starren Ständegesellschaft dient nun die Imitation der Zeichen als Mittel der Macht, in dem die Welt nur scheinbar noch nachgebildet, in Wirklichkeit jedoch neu geschaffen wird. Als Vorbild dient hierbei jedoch immer noch die Natur, welche nun vor dem Hintergrund spezifischer Machtinteressen imitiert wird. Die Natürlichkeit der Zeichen - etwa die Formulierung der idealen Natur des Kindes oder die Imitation der Natur in den Stuckskulpturen der Kirchen und Paläste - ist nur noch eine scheinbare, ein Simulakrum, das in Wirklichkeit als Mittel der Herrschaft eingesetzt wird, um Abweichungen von der ,,Natürlichkeit" verurteilen zu können. (vgl. ebd., 80ff)
Produktion
Während in der Renaissance Gott - und mit ihm die Natur - als letzte, nicht mehr hinterfragbare Quelle von Wahrheit und als Begründer allen Wertes galt, rückt im Zuge der Industrialisierung der Mensch in den Mittelpunkt der Wert- und Bedeutungsschöpfung. Wie auch Marx ausführt, wird in der Produktion die Ware ihrem Naturzustand entrissen und qua der an ihr geleisteten Arbeit in einen Wertträger umgewandelt.
Ähnlich verhält es sich mit der ,,Erschließung" von Sinn, der in der klassischen aufklärerischen Perspektive nicht mehr von Gott gestiftet, sondern vom Menschen produziert wird. Das heißt, den Dingen, den gesellschaftlichen Verhältnissen werden Begriffe zugeordnet. Die Begriffe spiegeln die Dinge, die Dinge die Begriffe wider. In bezug auf das Verhältnis zwischen Gebrauchswert und Tauschwert bedeutet dies, wie Baudrillard feststellt, daß [in] diesem ,,klassischen" Stadium der Signifikation [...] die Parallele mit dem Wertmechanismus in der materiellen Produktion, so wie er von Marx analysiert wurde, vollkommen [ist]: der Gebrauchswert fungiert als Horizont und Endzweck des Tauschwert-Systems - der erstere bestimmt die konkrete Behandlung der Ware im Konsum (das Moment, das dem der Bezeichnung im Zeichen parallel läuft), der letztere weist auf die Austauschbarkeit aller Waren untereinander in der Äquivalentform hin (das Moment, das dem der strukturalen Organisation des Zeichens parallel läuft). (Baudrillard 1991, 17)
Die Zeichen, die nach der industriellen Revolution entstehen, haben keinen Ursprung mehr in dem Sinne, wie die imitierenden Zeichen einen Ursprung im ,,Natürlichen" hatten. Im industriellen Zeitalter werden die Zeichen produziert. Wie bei dem Unterschied zwischen den den Menschen imitierenden Automaten der Renaissance und dem Roboter des Industrie- zeitalters, der nicht dem Anspruch der Ähnlichkeit, sondern der Gleichwertigkeit mit dem Menschen genüge leistet, verhält es sich mit den Simulakren der Produktion. Diese konfrontieren den Menschen nicht mit ihrer Unverwechselbarkeit mit der Realität, sondern damit, daß sie funktionieren, und zwar auf ihre eigene Art:
,,Das Simulakrum der zweiten Ordnung [...]" vereinfacht das Problem [der Unterscheidung zwischen Simulation und Realem], indem es die Erscheinung absorbiert oder das Reale auflöst; wie auch immer - es errichtet jedenfalls eine Realität ohne Bild, ohne Echo, ohne Spiegel, ohne Schein: so ist die Arbeit, so ist die Maschine, so ist das gesamte System der industriellen Produktion: es stellt sich dem Prinzip der theatralischen Illusion radikal entgegen.
Es gibt weder Ähnlichkeit noch Unähnlichkeit zwischen Gott und dem Menschen, es gibt nur eine immanente Logik des operationalen Prinzips." (Baudrillard 1991, 85) In Baudrillards Argumentation verweisen die Waren nicht mehr als Zeichen auf etwas Drittes wie etwa eine natürliche Ordnung, sondern nur noch auf sich selbst. Während diese Darstellung klingt, als entstünden die Simulakren der Produktion aus dem Nichts, tritt dabei der Umstand in den Hintergrund, daß die Zeichen in mehr oder weniger kollektiven Zusammenhängen entstehen, einer Art medialem Gedächtnis entspringen, das nicht mehr in einer staatlichen Herrschaftsordnung festgeschrieben und reglementiert ist, sondern in der Arbeit von Einzelnen oder Arbeitszusammenhängen - Teams, Produkionsmaschinen, KünstlerInnen, Medien-Konkurrenzen etc. - geschaffen werden.
Deutlich wird dies bei dem von Baudrillard selbst - jedoch in einem anderen Sinn - gebrauchten Beispiel der Serienbilder Andy Warhols, die weniger auf das verweisen, was auf der Bildebene abgebildet wird - Marilyn Monroe, Elvis oder Mao -als vielmehr auf den spezifischen Modus der seriellen und massenhaften Produktion von Waren im fortgeschrittenen Kapitalismus und darauf, daß die Stars in einer engen Beziehung mit diesem Produktionssystem stehen.
Der Unterschied zwischen dem Simulakrum der Produktion und der Simulation besteht dagegen darin, daß sich der ikonenhafte Charakter der Bilder Warhols selbst wieder als möglicher Bezugspunkt beispielsweise für Werbekampagnen eignen kann, deren Bilder weder als ,,Dialog" mit der Kunst Warhols noch als Bezugnahme auf Marilyn Monroe und erst recht nicht als Kommentar zur industriellen Massenproduktion gedacht sind, sondern als nahezu willkürliche Signifikanten für ein Produkt stehen.
Simulation
Im 20. Jahrhundert vollzog sich eine, wie Baudrillard es nennt, ,,Revolution des Werts selbst, die ihn über seine Warenform hinaus zu seiner radikaleren Form geführt hat." (ebd.) Nur der strukturale Wert also, der sich aus dem Verhältnis der Ware zu anderen Waren ergibt, bleibt erhalten. Am leichtesten läßt sich dies anhand der oben skizzierten Veränderung der Vorstellung des Gebrauchswertes nachvollziehen.
Mit der zunehmenden Zeichenhaftigkeit, Immaterialität und Virtualität der Waren im fortgeschrittenen Kapitalismus hat sich eine Vorstellung von einer ,,hausbackenen Naturalform" der Waren (Marx) endgültig erledigt. Wie das Beispiel der Verwendung von Warhols Bildern zeigt, besteht das Resultat dieser Entwicklung in einer Emanzipation der Zeichen gegenüber dem Realen. Zeichen müssen nicht mehr repräsentieren, wie dies im Zeitalter der Imitation der Fall war, und sie gehorchen auch nicht mehr einer Logik der seriellen Produktion oder der ,,mechanischen Reproduzierbarkeit" im Sinne Walter Benjamins.
Im Zeitalter der Simulation bewegen sich Wert und Sinn - außerhalb der konkret erfahrbaren Realität - in einer ,,Hyperrealität", einer Art Paralleluniversum, einem Reich der Zeichen, das nicht mehr denselben Gesetzmäßigkeiten folgt wie jenes der Dinge, die sie einmal bezeichneten.
Während bei der Imitation die Reproduktion der Zeichen nach einer einfachen Logik der Ausbreitung symbolischer Macht erfolgte und bei der Produktion nach der Logik einer maschinellen Funktionalität, entstehen die Simulakren der Simulation nach der Gesetzmäßigkeit des ,,Codes".
Wenn [...] das Kapital eine Herrschaftsform ist, dann leben wir sehr wohl in ihm, denn das strukturale Wertgesetz ist die allerreinste gesellschaftliche Herrschaftsform, die verdeckt ist wie der Mehrwert, die nunmehr ohne Referenzen zu einer herrschenden Klasse oder zu einem Machtverhältnis, ohne Gewalt auskommt, die ganz und gar, ohne einen Tropfen Blut, in den Zeichen aufgegangen ist, die uns umgeben, und die überall im Code wirksam ist, in dem das Kapital endlich seinen reinsten Diskurs führt, jenseits der Dialekte von Industrie -, Handels- und Finanzkreisen, jenseits der Klassendialekte, die es in seiner ,,produktiven" Phase gesprochen hat. Eine symbolische Gewalt, die sich überall in den Zeichen niederschlägt, und sogar in den Zeichen der Revolution. (Baudrillard 1991, 23)
Krieg der Zeichen
Mit dem Begriff des Codes bezieht sich Baudrillard auf die Logik der permanenten Selbstreproduktion der kapitalistischen Herrschaft und ihrer Handlungsrationalität auf nahezu allen Ebenen der Bedeutungsproduktion - am stärksten jedoch immer dort, wo sich Markt- und Machtinteressen und die Produktion von Zeichen verschränken: im Bereich der Politik, der Werbung, der Medien. Baudrillard vergleicht den Code mit dem genetischen Code, der ebenfalls der Schlüssel für die Reproduktion des Lebens darstellt, selbst jedoch immer auf eigenartige Weise außenstehend bleibt. Wie die lebende Substanz der DNS gegenüber eine weder klar aktive noch passive Rolle einnimmt (vgl. Baudrillard 1978, 50), so verhält es sich auch mit den ,,Subjekten" (soziale Akteure im weiteren Sinne, also auch korporative
Handlungsinstanzen wie das Fernsehen) im Kapitalismus.
Der Code steht für die binäre Unterteilung all dessen, was von ihm erfaßt wird, in die Kategorien der Verwertbarkeit und Nichtverwertbarkeit. Arbeit wird unter diesen Bedingungen zu einem Zeichen, ebenso wie die Freizeit - was nichts anderes heißt, als daß Arbeit wie Freizeit auf die Eingebundenheit der erwerbstätig Arbeitenden und der FreizeitArbeitenden in die Verwertungslogik verweisen -, und beide lassen sich (dadurch) gegeneinander austauschen.
Die Produktion wird zur Be-Zeichnungsmaschine, die alles Produzierte mit einer Markierung der Inklusion in das System versieht.6 Diese Um-Schreibung der kapitalistischen Welt nach einem bestimmten Code geht so weit, daß selbst die Phantasie, das Verhalten, die Sexualität, diese vormals als nicht-materialistisch gedachten Kräfte, zur Produktivkraft werden. Sie werden dem Code unterworfen, von ihm besetzt und dienen mit ihrem Potential zur Hervorbringung von Zeichen der Wertschöpfung. Hinsichtlich der Fähigkeit zur Imagination sexueller Praktiken, der Formulierung von Wunschträumen, des Begehrens bestimmter Waren und der Fähigkeit, sich die Erfüllung dieses Begehrens vorzustellen, läßt sich somit nicht mehr zwischen ,,autonomer" Phantasie und ,,falschen" oder ,,implantierten" Wünschen unterscheiden.
In der Phase der Simulation hat der Kapitalismus das Stadium verlassen, in dem noch ein kausaler Zusammenhang zwischen Produktion und Nachfrage bestand. Das Produktionssystem ist zu einer blindwütigen Maschinerie geworden, die erzeugt und ausspuckt, ohne noch in einem Verhältnis zu realen Bedürfnissen zu stehen.
Diese ,,Abkoppelung der Produktion von jeder gesellschaftlichen Referenz und Finalität" (Baudrillard 1991, 40), in der es rentabler ist, Produkte zu vernichten, als die produzierte Stückzahl zu verringern, schlägt sich auch und vor allem in der Produktion von Zeichen - etwa in Gestalt von Werbung, Filmen, Stars, Images, Trends und Moden - nieder (wobei jeweils eine irrwitzige Menge an Zeichen- Trash 7 ausgestoßen wird), denen bereits aufgrund ihrer schieren Menge und Omnipräsenz Bedeutung zukommt - man kann sie nicht ignorieren.
Wie Douglas Rushkoff (1995) zeigt, hat sich beispielsweise im Bereich der Popmusik durch die Einführung von Musikvideos, ihrer Promotion durch MTV und der damit verbundenen eigenen Ästhetik eine neue Zeichenmaschinerie entwickelt, die sich mittlerweile unermüdlich selbst mit neuem Rohmaterial versorgt. Gleichzeitig geht damit jedoch auf seiten der KonsumentInnen eine Veränderung der Wahrnehmungsweisen, Rezeptionsfähigkeiten und Ausdrucksweisen - auch in politischer Hinsicht - einher, die den Kulturpessimismus Baudrillards radikal entkräftet.
Es scheint tatsächlich so zu sein, daß zwanghaft produziert wird, ,,egal was, unter dem Zwangsgesetz der Reinvestierung um jeden Preis (und nicht etwa wegen der Profitrate)" (Baudrillard 1991, 40). Doch handelt es sich dabei nicht nur um ,,[einen] Prozeß, der aus sich und für sich allein verläuft" und damit in eine heillose Sinnentleertheit führt.
Das Simulakrum der Simulation wird als etwas eingesetzt, das es nicht ist. Es dient als Signifikant für ein Signifikat, das keine Entsprechung in der Realität hat, während gleichzeitig simuliert wird, daß dies der Fall sei. Es ist das Simulakrum, auf das der Tauschwert sich bezieht. Im Gegensatz zu Marx` Analyse steckt der Tauschwert nicht ,,voll metaphysischer Spitzfindigkeit und theologischer Mucken" (Marx 1962, 85).
Bei Marx ist die Ware und ihr Wert eine Glaubenssache. Sobald man jedoch den Tauschwert dahingehend versteht, daß er in einem Markt von Simulakren entsteht, einem Handel, der stetig voranschreitet, sobald man also das, was Marx als Glaubenssache abtut, als ebenso real (bzw. nicht mehr unterscheidbar von der Realität) anerkennt, verliert die Ware ihren mystischen Charakter. Ihr Zeichencharakter und ihre Funktionalität in der symbolischen Kommunikation/Integration, ihre kulturelle Bedeutung treten ins Zentrum der Aufmerksamkeit.
Im Sinne der Simulation kann man Marx zustimmen, wenn er von einer Verschleierung der tatsächlichen gesellschaftlichen Verhältnisse durch den Warencharakter der Produkte spricht. Doch wird mit dieser Art von Kritik der Umstand an den Rand gedrängt, daß mit den Simulakren Handel, Wertschöpfung betrieben wird, daß sie sehr wohl Sinn machen und nicht jeweils aus der Luft gegriffen sind. Vielmehr beziehen sie sich im Hyperrealen aufeinander.
So macht die neue Werbung für H.I.S. -Jeans dies in ihrer ,,unmöglichen" Verbindung von politischer Haltung und modischem Statement deutlich. Wenn auf einem Plakat eine Jeans mit dem Kommentar ,, Links wÄhlen, rechts tragen." abgebildet ist, so bezieht sich das zugrundeliegende Marketingkonzept auf den Marktwert einer politischen Position. Gleichzeitig steht diese Position in einem in Geldwert, sprich, Verkaufszahlen, ablesbaren Verhältnis zu zeichenhaften Werbe-Statements anderer Hersteller wie ,, Die Jeans, in der Sex am tollsten ist." oder ,, Die Jeans, die 150 Jahre hÄlt." Dabei hat der ursprüngliche Referent der abgebildeten Jeans - eine Hose aus blauem Baumwollstoff - absolut keine Bedeutung mehr.
Es nützt also nichts, aus dem Realen heraus gegen die Simulakren anzuschreiben, zu demonstrieren, sich ihnen zu verweigern (,,Man wird das System niemals auf der realen Ebene besiegen", sagt Baudrillard (1991, 63)). Statt dessen muß eine Gegenproduktion von Simulakren stattfinden, welche die Formen der Wertschöpfung im Bereich des Ästhetischen für andere Zwecke benutzt.
Bei Baudrillard besteht ein Effekt des ,,Codes" darin, daß Herrschaft nicht mehr durch direkte Kontrolle ausgeübt wird, sondern in der Form eines Zeichenkosmos von Simulakren, die bei ihrer Rezeption eine permanente Bereitschaft des ,,Getestetwerdens" erzeugen (vgl. ebd. 97ff).
Wie bei demographischen Umfragen, welche die Artikulation einer eigenen Meinung durch den Druck ersetzen, sich für gestellte Antwortmöglichkeiten zu entscheiden und dadurch zu einer Entsubstantialisierung politischer und gesellschaftlicher Fragen führen; wie im politischen System, in dem alternierende Gegensatzpaare sich gegenseitig hochschaukeln und schließlich dadurch, daß sie sich nur noch aufeinander beziehen, jede Erdung in einer gesellschaftlichen Realität verlieren, so stellt die Entwicklung von vermarktbaren Simulakren, die sich aufeinander beziehen und nic ht auf eine Entsprechung in der Realität, sowie die permanente Konfrontation der KonsumentInnen mit Entscheidungen zwischen einer der Optionen ein Verhindern der Entscheidung für ein Anderes dar.
Baudrillard vollzieht hier den bemerkenswerten Gedankengang, daß nicht der Inhalt der Umfragen/der politischen Optionen/des Warenangebots das Problem darstellt, sondern die ,,operationale Simulation": die Simulation einer gesellschaftlichen Frage, eines politischen Themas oder eines Gebrauchswertes durch die Art der Fragestellung. Ähnlich wie bei der demoskopischen Frage, der dadurch eine Berechtigung zuerkannt wird, daß sie überhaupt beantwortet wird - wobei es auf die Art der Antwort gar nicht mehr ankommt -, wird in bezug auf den Warenkonsum die Inklusion in das kapitalistische Prinzip und die Bereitschaft zur Teilnahme daran allein dadurch manifestiert, daß überhaupt eine Entscheidung getroffen wird.
Konsum als Wertschöpfung
Der Gedanke der quasi automatischen Einschließung in die kapitalistische Wertschöpfung wird bei Jonathan L. Beller (1994) wieder aufgenommen, der das Kino als eine Form der kulturellen Konditionierung, als Wegbereiter für die Wertschöpfungspraktiken des zwanzigsten Jahrhunderts beschreibt. Beller stellt die These auf, daß ,,cinema and cinematic technologies - television, telecommunications, computing, automation - provide some of the discipline and control once imposed by earlier forms of imperialism." (ebd.) Diese neue Form des ,,Imperialismus", so Beller, findet nach der globalen Ausbreitung des Kapitalismus nicht mehr an geographischen Orten statt, sondern auf dem Territorium des menschlichen Körpers.
In der Form des Blickes, des Zusehens entsteht eine Form von Arbeit; die Montagetechniken des Films werden zu Techniken der Transportation von Wert. Das Kinobild wird durch die Wertschätzung der Zuschauer eine der ersten immateriellen Waren. Die Filmsprache bildet einen Weg, auf dem diese Ware - innerhalb des Films sowie im Sinne einer Intertextualität filmischer Bilder - zirkulieren kann. So bahnte die Sprache des Films bestimmte ,,Wege der Wahrnehmung", die einen ,,Pfad hin zum Körper" bilden: beispielsweise durch die mit dem Film erlernte Fähigkeit zu Zeitsprüngen, Asynchronität oder Multiperspektivität, die sich wiederum als marktdienliche Qualifikationen verkaufen lassen.
Cinematic production uses the practices of Fordism but begins the dematerialization of the commodity form, a tendency which, more than anything else, characterizes the course of economic production during this century. Rather than requiring a State to build the roads that enable the circulation of its commodities, as did Ford, the cinema builds its pathways of circulation directly into the eyes and sensoriums of its viewers. It is the viewers who perform the labor that opens the pathways for new commodities. (ebd., Fußnote 14)
Kino wird somit zum Ort der Wertschöpfung und visualisiert Formen der Wertschöpfung zugleich8 Mit Bellers ,,attention theory of value" - der These, daß Wert sich durch die Zuwendung von Aufmerksamkeit ergibt, durch die Verständnisarbeit, die etwa an immer neuen filmischen Bildern geleistet wird - läßt sich Baudrillards Begriff des Simulakrums und der Teilnahme an der Wertschöpfung qua Konsumentscheidung auf eine kritikfähigere Ebene bringen als dies bei Baudrillard selbst der Fall ist.
Baudrillards elaborierter Pessimismus, in dem er von der ,,Implosion der Zeichen" redet, von einer völligen Referenzlosigkeit, die daher rührt, daß sich ,,alle Zeichen untereinander austauschen, ohne sich gegen das Reale auszutauschen" (Baudrillard 1991, 18), wirkt stellenweise selbst, als hätte er jeglichen Boden unter den Füßen seiner Theorie verloren. Indem er den Zeichen jeden Sinnbezug abspricht, verdeckt er nicht nur einen grundlegenden Antrieb der Produktion und des Konsums von Waren, sondern macht auch eine konstruktive Kritik unmöglich.
Sicherlich wird die Formulierbarkeit einer klaren Kritik schwieriger, je differenzierter und subtiler die politisch-ökonomischen Herrschaftsformen sich gestalten und je stärker sie mit symbolischen statt konkret repressiven Mitteln ausgeübt werden. Die Vorstellung einer fundamentalen Kritik gar, die zu Systemumbrüchen führen könnte, hat sich als illusorisch erwiesen. Andererseits stellen Formen der Kritik auf symbolischer Ebene, die bei Baudrillard aufgrund der Referenzlosigkeit der Zeichen ausgeschlossen wird, jedoch die einzige Möglichkeit dar, in einer Zeit, in der politische Anklagen eines monolithischen ,,Machtapparats" sprichwörtlich ins Leere laufen (weil es diesen nicht gibt), zumindest punktuell und situativ kritikfähig zu bleiben (vgl. Blisset/Brünzels 1997, z.B. 214ff).
Wie in der Einleitung angedeutet, besteht das große Potential für die Vermarktbarkeit von (kulturindustriellen) Waren gerade in der Unbestimmtheit ihres symbolischen Gehalts, der es einerseits der ProduzentInnenseite erlaubt, ihnen jedes Image anzuheften. Auf der anderen Seite bilden Waren jedoch nur das Rohmaterial, dem sich die KonsumentInnen für ihre eigenen Zwecke bedienen. (vgl. hierzu etwa Fiske 1990, Certeau 1988). Dabei spielt sich der Gebrauch der Waren primär auf einer symbolischen Ebene ab - etwa in der Diversifizierung von und Distinktion durch popkulturelle Stile oder in der Form einer Identifizierung mit Stars, Filmen etc.
Im Gegensatz zum essentialistischen Gebrauchswert bei Marx, läßt sich hier also von einem symbolischen Gebrauchswert (vgl. Kraemer 1994) sprechen, bei dem es sich nicht um eine der Ware innewohnende Eigenschaft handelt, sondern um einen Wert, der sich - einem sprachlichen Zeichen ähnlich - aus der Position der Ware in einem symbolischen Gefüge ergibt, welches sich von dem Gefüge der Tauschwertbeziehungen unterscheiden kann aber nicht muß.
Popkulturelle Stile können gegenläufig zu den hegemonialen Markttendenzen entstehen und sich (temporär) den von der Kulturindustrie entworfenen Konzepten entziehen. Dabei läßt sich in der Regel jedoch nicht verhindern, daß eine Subökonomie entsteht, in welcher ähnliche Ver-Wertungsweisen sich etablieren (z.B. ,,exklusive" 2nd Hand-Clubwear) wie auf dem Hauptmarkt. Mit einer derartigen Sichtweise verlieren die Simulakren den gleichsam metaphysischen Charakter, den sie bei Baudrillard haben, und werden als Wertträger in einer Gesellschaft erkennbar, in der die Unterschiede zwischen Politik, Ökonomie und Kultur bereits unter dem Zeichen des ,,Codes" verschwunden sind. Der Blick wird dadurch frei auf die Mechanismen, die hinter der Wertentwicklung wirken.
Es wird beispielsweise deutlich, wie die Figur des Stars zu einem Phänomen wurde, das sich nicht mehr auf den kulturellen Bereich beschränkt.
Gleichgültig, ob es sich um einen Politiker mit Gespür für symbolische Politik handelt9, um einen Manager, der seine Firma repräsentiert, um eine Marilyn Monroe (mit der Jahrzehnte nach ihrem Tod noch Geld verdient wird) oder ein virtuelles Model (Computerspiel-Heldin Lara Croft macht Werbung für ,,Die Welt" (!)): Die dem Star zugeschriebenen Eigenschaften entwickeln sich unabhängig von der ,,Privatperson" des Stars (was spätestens bei Cyber- Models wie Lara Croft offensichtlich wird). Bei diesen nicht-persönlichen Eigenschaften handelt es sich um Simulakren, die genauso als Träger von Tauschwert wie von symbolischen Werten fungieren.
Deena Weinstein zieht daraus die Folgerung, daß der Star in unserer Kultur, in der wir uns so unbewußt zwischen Waren bewegen wie Fische im Wasser, zu einem Medium der sozialen Interaktion geworden ist:
,,Celebrity has become the currency within all areas of society (politics, education, religion etc.), a fully generalized medium of exchange, comparable to money as Simmel conceptualized it." (Weinstein 1994)
Sieht man Simulakren als Wertträger, die innerhalb eines politisch-ökonomischen Produktions- und Verwertungskomplexes entstehen, verschiebt sich das Ziel ihrer Kritik weg von einer ,,Falschheit" ihrer Aussagen oder den durchsichtigen Machtinteressen ihrer ProduzentInnen hin zu der Logik ihrer Entstehung und den ,,Botschaften", die sie transportieren. Unter einem solchen Blickwinkel ist am virtuellen Elvis weniger die Abweichung vom Original interessant als die Tendenz zur Virtualisierung in der Kulturindustrie. Die Videoshow läßt sich als Testballon für den Handel mit Cyber-Stars wie Lara Croft und anderen computeranimierten Modellen untersuchen, die sich leichter pflegen und den Anforderungen des Marktes anpassen lassen, als lebende Personen.
Do it yourself
Bellers Begriff von der ,,attention theory of value" macht deutlich, wie die Form der persönlichen Schaffung von Wert wieder zurückgeführt wird in den kapitalistischen Verwertungszusammenhang. Da es mit Baudrillard nicht möglich ist, sich etwa durch ,,kritischen Konsum" diesem Verwertungszusammenhang zu entziehen, kann der Ausweg aus dem Dilemma nur darin liegen, ,,Gegenfragen" zu stellen, oder, in Baudrillards Terminologie vom symbolischen Tausch, eine ,,Gegengabe" zu leisten:
Man wird das System niemals auf der realen Ebene besiegen. [...] Es hat [...] mit realer Gewalt oder Gegengewalt nichts zu schaffen, denn es lebt von systematischer Gewalt. [...] die symbolische Gewalt leitet sich von einer Logik des Symbolischen her. [...]
Es ist also erforderlich, alles in die Sphäre des Symbolischen zu verlegen, deren Gesetz das der Herausforderung, der Reversion und der Überbietung ist. [...] Wenn die Herrschaft daraus entspringt, daß das System das Monopol der Gabe ohne Gegengabe innehat [...] dann ist die einzige Lösung die, gegen das System das Prinzip seiner Macht selbst zu kehren: die Unmöglichkeit der Antwort und der Vergeltung.
Das System herausfordern durch eine Gabe, auf die es nicht antworten kann, es sei denn durch seinen eigenen Tod und Zusammenbruch.
Wie bei demoskopischen Umfragen das einzige, was in ihrer Form und ihrem Inhalt nicht vorgesehen ist, im eigenständigen Fragen besteht, liegt innerhalb der Produktionsmaschinerie der Zeichen die einzige Möglichkeit zur autonomen Sinnerzeugung in der Produktion eigener Zeichen.
Diese Schlußfolgerung liegt den Subversionstaktiken zugrunde, die unter Begriffen wie dem des culture jamming 10 seit geraumer Zeit in den Formen der Aneignung, Entwendung, der Parodie, und Verfremdung von Medienereignissen und -kampagnen angewendet werden (und inzwischen das zwiespältige Stadium erreicht haben, in dem Handbücher zur Vorgehensweise veröffentlicht werden11 (vgl. etwa Blisset/Brünzels 1997, mit zahlreichen weiteren Verweisen)).
Eine Grundlage für diese Entwicklung besteht in der zunehmenden freien Verfügbarkeit von Mitteln der Signifikation und des Zeichensetzens für die eigene Produktion in Form von erschwinglicher Computerhard- und -software, Videoausrüstungen, Kopierern etc.
Bei Dery sowie Blisset/Brünzel werden eine Vielzahl von Praktiken beschrieben, in denen Kommunikationstechniken des Marktes als Mittel zur Kritik desselben - in Form einer Gegengabe - eingesetzt werden.
Dabei wird genau auf Baudrillards Überlegung gesetzt (die von ihm jedoch nicht weitergedacht wird), daß es dem System nicht mehr möglich ist, die Kritik aufgrund ihrer Form als illegitim zu entwerten, also in der Form einer Gabe zu antworten, welche die RezipientInnen wieder in die perfide Situation der ,,Befragten" ohne eigene Antwortmöglichkeit bringt.
Bei den ,,Adbusters" (www.adbusters.org) werden eigene Kampagnen gestartet, die sich zwar in ihrer Aufmachung nicht von kommerzieller Werbung unterscheiden. In ihrem Impetus jedoch wenden sie sich gegen einige der wirkmächtigsten Simulakren der Werbewelt - den maskulinen Körper, die Freiheit und Naturverbundenheit des Rauchers, die freie Welt des ,,Just do it" der Nike-Werbung.
,,Snipers" wie die nordamerikanische ,,Billboard Liberation Front" setzen dagegen auf Attacken gegen bereits bestehende Werbung, mit dem Ziel, sie durch leichte Variationen für gegenteilige Aussagen zu entfremden. In einer Reaktion auf das Exxon Valdez-Desaster wurde von der BLF beispielsweise eine Radiowerbung mit dem Slogan ,,Hits Happen" in ein ,,Shit Happens - Exxon" umfunktioniert.
Das Prinzip, um das es bei all diesen Taktiken geht, wird am besten am Beispiel des ,,Media Hoaxing" deutlich, bei dem die Presse dazu gebracht wird, mit Inbrunst über von vornherein als Fake inszenierte Ereignisse zu berichten.
Wie in der Äußerung des Hoaxers Joey Skaggs deutlich wird (vgl. Dery), geht es dabei jedoch weniger darum, das Simulierte glaubhaft zu machen, sondern eine Sensibilität für die Entstehungsweisen der berühmten ,,objektiven Wahrheiten" des Journalismus zu erzeugen, die oft genug den Charakter von Simulakren annehmen - Gegenstände der Berichterstattung, die im Wertesystem journalistischer Nachrichten eine hohe Profit- und Zirkulationsrate versprechen, aber keine Entsprechung in der Realität aufweisen: In der Regel geht es beim Hoaxing darum, to get someone from an out-of-state newspaper to run a story on something sight unseen, and then you Xerox that story and include it in a second mailing. Journalists see that it has appeared in print and think, therefore, that there's no need to do any further research. That's how a snowflake becomes a snowball and finally an avalanche, which is the scary part. There's a point at which it becomes very difficult to believe anything the media tells you. (Joey Skaggs, zit. nach Dery)
Zu den von Skaggs lancierten Meldungen zählen neben vieen weiteren die Walk Right!- Bewegung (eine Truppe zur Wahrung der Etikette auf Bürgersteigen), ein Bordell für Hunde sowie die Entdeckung eines Arztes, daß Hormone aus mutierten Kakerlaken zur Bekämpfung von Arthritis, Akne und nuklearer Strahlungskrankhet eingesetzt werden könnten. (vgl. ebd.)
Die Taktik des Media Hoaxing weist vielleicht am deutlichsten auf die Entstehungsweisen von Simulakren hin und macht konkret, wie allgegenwärtig dieser bei Baudrillard reichlich nebulös gehaltene Begriff geworden ist. Adbusting, Sniping und andere Praktiken leisten ähnliches auf der visuellen Ebene der Medien, die mehr noch als die sprachliche als fester und gleichzeitig unhinterfragter Bestandteil in die Alltagswirklichkeit eingegangen ist.
Diese Praktiken scheinen innerhalb der von Baudrillard wie der Kritischen Theorie formulierten Unmöglichkeit eines ,,Außen" des kapitalistischen Systems gegenwärtig eine Möglichkeit zu bieten, den Inklusions- und Entmündigungsmechanismen der kapitalistischen Verwertungslogik zumindest punktuell zu entgehen und gleichzeitig ein Bewußtsein für diesen unhinterfragten Teil der Lebenswelt zu schaffen.
Es hat sich gezeigt, daß es sich bei der Verwertungslogik des kapitalistischen Codes zunehmend um eine Form der Herrschaftsausübung auf symbolischer Ebene handelt.
Unter der Voraussetzung, daß mit der sich ausweitenden Virtualisierung der Waren die Erzeugung ihres Wertes zunehmend erst in ihrer Rezeption vonstatten geht, besteht eine Chance, diese Wertschöpfungsmechanismen - zwar nicht zu durchbrechen, doch für eigene Zwecke umzufunktionieren - darin, der dominierenden Zeichenproduktion Konkurrenz zu machen.
Im Idealfall wird dadurch die hegemoniale Bedeutungsproduktion gebrochen und bewußt gemacht, und es können Freiflächen für Territorien der andersartigen Schaffung symbolischer Gebrauchswerte entstehen.
In Rückbezug auf das eingangs erwähnte Beispiel des unbestimmten ,,Mehr", das den Wert eines Kinobesuches ausmacht, und auf die von Marx formulierte ästhetische Utopie besteht die Herausforderung folglich nicht etwa in der Erstellung von Filmen, die eine adäquate Form für den ,,Inhalt" des menschlichen ,,Wesens" gefunden haben, oder, wie Eagleton sich ausdrückt, ,,Kunstgebilde, die Modelle der Versöhnung" von Vernunft und Sinnlichkeit darstellen. Die Herausforderung besteht statt dessen in einer ästhetischen Praxis, welche abweichende Lesarten filmischer Texte provoziert - sprich, die Entwicklung symbolischer Werte durch die RezipientInnen, die sich mit anderen abweichenden Werten in Beziehung setzen lassen fördert -, wie dies beim culture jamming der Fall ist.
Literatur
Bahr, Hans-Dieter (1983): Über den Umgang mit Maschinen. Tübingen. Zit. nach Fahlbusch (a.a.O.).
Baudrillard, Jean (1978): Agonie des Realen. Berlin.
Baudrillard, Jean (1979): Kool Killer oder Der Aufstand der Zeichen. Berlin.
Baudrillard, Jean (1991): Der symbolische Tausch und der Tod. München.
Blisset, Luther/Brünzels, Sonja (1997): Handbuch der Kommunikationsguerilla. Hamburg.
Beller, Jonathan L. (1994): ,,Cinema, Capital of the Twentieth Century." In: Postmodern Culture 4:3 (May 1994).
Certeau, Michel de (1988): Kunst des Handelns. Berlin.
Dery, Mark (o.J.): ,,Culture Jamming: Hacking, Slashing and Sniping in the Empire of Signs." www.escape.com/~cicada/culture.htm.
Eagleton, Terry (1994): Ästhetik. Die Geschichte ihrer Ideologie. Stuttgart/Weimar. Fiske , John (1990): Understanding Popular Culture. Routledge.
Fahlbusch, Jürgen (o.J.): ,,Ghost-Busters III - Vor ,,Marx' Gespenstern"". www.hrz.uni- kassel.de/wz2/mtg/fahlbusch.html.
Jameson, Frederic (1984): ,,Postmodernism or The Cultural Logic of Late Capitalism." In: New Left Review 146 (July-August), S. 53-92.
Kraemer Klaus (1994): Schwerelosigkeit der Zeichen? In: Bohn, Ralf/Fuder, Dieter: Simulation und Verführung. München.
Kroker, Arthur/Weinstein, Michael A. (o.J.): ,,The Political Economy of Virtual Reality." www.ctheory.com/a-political_economy.html.
Marx, Karl (1962): Das Kapital; Erster Band. MEW Band 23. Berlin. McLuhan, Marshall (1995): Die magischen Kanäle. Dresden/Basel.
Rushkoff, Douglas (1995): Media Virus. Die geheimen Verführungen in der Multi-Media - Welt. Kapitel 5: Die MTV-Revolution.
www.deutschland.de/el_mag/mediendiskussion/media05.html.
Shaviro, Steven (1993): The Cinematic Body. Minneapolis/London.
Weinstein, Deena (1994): ,,Celebrity as Simulacrum." http://ctheory.aec.at/r- celebrity_as_simulacrum.html.
[...]
1 Mit Zeichen sind hier und im folgenden Bedeutungsträger in einem allgemeinen Sinn gemeint, die in irgendeiner Form kulturell-ökonomischen Wert annehmen können. Dabei kann es sich genauso um konkrete kulturindustrielle Produkte wie Filmbilder, Werbeplakate oder Musikstücke handeln wie um Images, journalistische Mythen oder politische Gesten.
2 Mit Erfahrungswirklichkeit ist hier die Realität gemeint, mit der sich ein Subjekt auseinandersetzt, an der es sich abarbeitet, auf die es reagiert, aus der sich seine Vorstellungen, Ängste, Wünsche und Phantasien ableiten und anhand der sich Subjekte spiegeln, selbst erkennen oder entwerfen. In diesem Verständnis macht es keinen Sinn, auf einem grundlegenden und kategorialen Unterschied zwischen Medienrealität und konkreter oder Alltagsrealität zu bestehen.
3 Auch wenn man mit Foucault davon ausgeht, daß der menschliche Körper als Einschreibfläche für machtgesteuerte Diskurse fungiert, er also nichts Natürliches an sich hat, das eine reine Vernunft aus der Natur ableiten ließe, kann diese These ihre Gültigkeit behalten.
4 Bei Marx wird dieser Gedanke nur ansatzweise gedacht und steht nicht im Mittelpunkt seiner Kritik - etwa wenn er davon schreibt, daß der Wert ,,jedes Arbeitsprodukt in eine Hieroglyphe" verwandelt (Marx 1962, 88).
5 Das Anschreiben gegen den ,,despotischen Signifikanten" (Deleuze/Guattari), gegen die monopolistische Definition von Bedeutungen, unter welche sich die Allgemeinheit unterzuordnen hat; ein Perspektivenwechsel in der Filmtheorie, wie ihn Steven Shaviro (1993) vornimmt, mit einer Abwendung von der psychoanalytischen Filmexegese hin zu einem Kino, das nicht repräsentiert, sondern ,,Spuren der Realität" unmittelbar erfahren läßt, ohne daß sie endgültig erfaßbar wären - dies sind Beispiele für einen Wandel der Perspektiven auf sow ie der Produktion von Kultur.
6 Wenn Baudrillard vom ,,Ende der Produktion" spricht (1991, 22ff), meint er damit lediglich das Ende der Produktion als Form der Wertschöpfung durch die Arbeiter: Wenn heute Steuersenkungen als Mittel eingesetzt werden, die Nachfrage anzukurbeln, bedeutet das nichts anderes, als daß die Wertschöpfung, also das, wodurch das Kapital vermehrt, wodurch ein Wachstum des Betriebs, des Innlandsprodukts, des kapitalistischen Systems gesichert wird, nicht mehr in der Arbeit der Produktion geleistet wird. Die für den Kapitalismus relevante Arbeit besteht heute primär im Konsum - der Konsum wird zur wertschöpfenden Arbeit.
7,,Trash" im Sinne von Billigstproduktionen jeglicher Art - Filme, Spielzeug, Magazine, Wegwerfartikel, Schlager etc. -, die aufgrund des zuweilen unwiderstehlichen Charmes ihrer Krudität wieder zu popkulturellen Ehren kommen können.
8 Arthur Kroker und Michael Weinstein führen in ihrem Aufsatz ,,The Political Economy of Virtual Reality" aus, wie sich dieses Prinzip der medialen Wegbereitung neuer Formen der Wertschöpfung im Bereich der virtuellen Realität in gesteigertem Maße fortsetzt. Die Schaffung von Angebot, Nachfrage und Befriedigung derselben auf der virtuellen Ebene/auf der Ebene der Simulakren - deren Börsen-Äquivalent im Handel mit Futures zu finden ist - vereinfacht die Perpetuierung der kapitalistischen Maschinerie selbstverständlich. Körper, Begehren, Befriedigung, Sehen, Subjektivität werden in ihrer digitalisierten Form noch leichter form- und vermarktbar.
9,,We tried to create the most entertaining, visually attractive scene to fill that box [den Fernseher], so that the cameras from the networks would have to use it. It would be so good that they'd say, ,Boy, this is going to make our show tonight.`", zitiert Mark Dery in ,,Culture Jamming" einen Reagan-Berater, der von der Inszenierung Wahlkampf-Tour berichtet.
10 Culture jamming leitet sich vom Begriff des jamming ab, der die Störgeräusche von CBFunkern, die sich durch Furzen, Obszönitäten u.a. in Radiosendungen einmischen. Culture jamming kann davon abgeleitet als das Erzeugen von Störgeräuschen in der hegemonialen Kommunikation verstanden werden. (vgl. Dery)
11 So muß sich die Zeitschrift ,,Adbusters" mittlerweile den Vorwurf gefallen lassen, selbst in die Marketing-Maschine eingestiegen zu sein - u.a. wegen der Publikation eines neuen Buches bei Hearst statt bei unabhängigen kleinen Verlagen und wegen des Dilemmas, nun selbst für Antiwerbung werben und Geld auftreiben zu müssen.
- Arbeit zitieren
- Markus Sailer (Autor:in), 1999, Und Elvis rockt auch nicht mehr wie früher... Zur Kritik des marxistischen Tauschwertbegriffs im Reich der Simulakren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106532