Die Sinneswahrnehmung


Facharbeit (Schule), 2002

11 Seiten


Leseprobe


DIE SINNESWAHRNEHMUNG

Kinder sind sinnenreiche Wesen. Sie haben Spaß am Einsatz all ihrer Sinne, und noch haben sie Antennen für alles, was ihre elementaren Sinneswahrnehmung betrifft.

Auf den ersten Blick scheinbar sinnloses Tun kann zugleich sehr sinnvoll sein, wenn man sich auch als Erwachsener auf die Erlebnisebene der Kinder einlässt.

Aber Kinder wachsen in einer sinnesfeindlichen Umwelt auf. In unserer Gesellschaft geraten körpernahe Wahrnehmungen immer mehr in den Hintergrund.

Das sinnliche, ganzheitliche Erleben reduziert sich vorwiegend auf das Hören & Sehen. Dabei ist es besonders wichtig alle Sinnesorgane zu trainieren, damit sie sich weiterentwickeln zu können.

Die Wahrnehmung ist ein ganzheitlicher Prozess, und darf nicht in seine Einzelteile zerlegt werden. Um jedoch die einzelnen Sinnessysteme zu verstehen, ist es notwendig die Besonderheiten der jeweiligen Wahrnehmungsvorgänge zu betrachten, um dann auch ihr Zusammenwirken besser nachvollziehen zu können.

Darum möchte ich auch darauf hinweisen, dass neben der Darstellung besonders das Zusammenspiel der jeweiligen Sinnessysteme sehr wichtig ist.

Ihr habt alle vorher bewusst eure Sinnessysteme getrennt benützt, ob durch konzentriertes Hören in bzw. aus dem Raum, oder durch das Erraten verschiedener Gerüche, nur mit dem Geruchssinn.

Erst wenn wir unsere Sinnessysteme getrennt erleben, wird uns bewusst, wie sehr sie eigentlich von einander abhängig sind.

Oder würdet ihr blind über einen schmalen Baumstamm balancieren, ohne etwaige Geräusche, wie ein Knacken wenn er morsch ist , zu vernehmen?

Genauso muss man sich die Frage stellen, ob bei Kindern überhaupt eine „Schulung“ der Sinne notwendig ist. Benötigen wir angeleitete Betätigungen, wie Tastpfade und Riechsäckchen, um Kindern sinnliche Erfahrungen zu vermitteln?

Vielmehr gilt es den Kindern mehr Entdeckungsräume im Alltagsleben zur Verfügung zu stellen. Denn je mehr die Anregungen für vielseitige Sinneserfahrungen von den „Dingen“ selber ausgehen, desto weniger Impulse durch Erwachsene sind nötig.

Dabei ist es besonders wichtig den Kindern Freiraum zu lassen, die Welt mit eigenen Augen zu sehen, und sie zu be-greifen.

Die Bedeutung der sinnlichen Wahrnehmung:

Wahrnehmen ist ein aktiver Prozess, bei dem sich das Kind mit allen Sinnen seine Umwelt aneignet und sich mit ihren Gegebenheiten auseinandersetzt.

Die Sinne sind das Tor zur Welt. Mit ihnen kann es viele Eindrücke über seine Umwelt sammeln und sich über sich selbst im Zusammenhang mit ihr im Klaren werden. Das Greifen ist immer auch ein Begreifen, das Fassen ein Erfassen.

Kinder wollen ihre Umgebung mit allen Sinnen in sich aufnehmen, auf sie einwirken, sie sich einverleiben, sie wollen tätig sein.

Nicht umsonst werden Kleinkinder Erde essen, oder alles anfassen wollen, was sie erreichen. Sie müssen sich ein Bild von der Welt machen. Dieses Bild, das wir jetzt haben. Und wie anders als durch seine Sinne, die es von Geburt aus hat, sollte es dies tun?

Durch hautnahes Erleben, durch Erproben und Experimentieren wird das Kind Erfahrungen sammeln und Zusammenhänge selber entdecken. Diese Erfahrungen werden zu Erkenntnissen, auf die das Kind in späteren Situationen wieder zurückgreifen kann.

Der Prozess der Wahrnehmung ist eine Reizübergabe von miteinander verknüpften Nervenzellen, deren Synapsen die Nachricht an das Gehirn oder an das Rückenmark weitergeben.

Für unsere Vorfahren war dieser Übertragungsweg von besonderer Bedeutung. So mussten sie zum Beispiel anhand der Geschmacksqualität (süß, sauer, bitter,...) feststellen, ob dieser Naturstoff genießbar ist. Bitter schmecken nämlich die Naturstoffe, die giftig sind. Auch die besondere Empfindlichkeit unserer Fußsohlen ist nicht ohne Bedeutung. So ist dies notwendig gewesen, um kleine Unebenheiten unter dem Fuß zu ertasten, die womöglich eine Situation von äußerster Dringlichkeit signalisierten.

Unsere Sinne sind jedoch nicht nur für unser Überleben notwendig, sie haben auch noch heilende Wirkung.

Die aus China kommenden Quigong-Kugeln, die in der Hand gekreist werden, oder die ebenfalls von dort stammende Fußreflexzonenmassage und die Akupunktur & Akupressur sind Beispiele dafür, wie über die Haut therapiert werden kann.

Auch die immer beliebt werdenden Aroma-, Farb- und Musiktherapien zeigen große Erfolge.

Es ist auch bekannt, dass bereits Kinder im Mutterleib die Stimmung und den psychischen Zustand der Mutter wahrnehmen.

Ihre Sinnesorgane werden schon vor der Geburt entwickelt, um gleich nachdem sie das Licht der Welt erblicken ihre Umgebung zu erleben.

Dabei stellt sich die Frage: Wie viele Sinne hat der Mensch?

„Die 5 Sinne“, „alle 6 Sinne“, sogar vom 7.Sinn wird gesprochen.

Zu den klassischen Sinnen gehören all jene, die durch ein eigenes Organ erkennbar sind: Das Sehen, Hören, Tasten, Schmecken und Riechen.

Viele Wissenschaftler befassten sich mit dem Thema, und STADLER/SEEGER/RAEITHEL fanden sogar 12 Sinne.

Im folgenden werde ich eine Unterscheidung in sogenannte „Grundwahrnehmungsbereiche“ vornehmen.

Die Trennung der einzelnen Sinnessysteme entspricht natürlich nicht der Realität - in Wirklichkeit arbeiten die Sinnessysteme zusammen, und meistens gewinnen wir Informationen aus unserer Umwelt gleichzeitig über mehrere Sinneskanäle.

Um die Sinneswahrnehmung beim Kind wirklich effektiv zu schulen, brauchen sie vielfältige Möglichkeiten für den Einsatz und die Erprobung ihrer Sinne.

Diese „Schulung“ beginnt mit Spielen, die Kinder befähigen, auf die Dinge der Umwelt, auf die anderen (Mitspieler) und sich selbst aufmerksam zu werden. Sie wird fortgesetzt durch Spielideen, bei denen einzelne Sinne ausgeschaltet werden, um deren Dominanz über andere Sinnesbereiche auszuschließen und diese dadurch überhaupt zur Geltung kommen zu lassen.

Bei den praktischen Beispielen geht es also nicht darum, einzelne Sinne zu trainieren, sondern darum, die Sensibilität der Wahrnehmung funktionsfähiger zu machen.

Wahrnehmungsförderung sollte bei Kindern immer eingebunden sein in Spielsituationen. So können sie „spielend“ Erfahrungen sammeln und die für eine harmonische, ganzheitliche Entwicklung notwendigen Fähigkeiten erwerben.

DAS VISUELLE SYSTEM - DER SEHSINN

Schon das Ungeborene ist lichtempfindlich.

Bereits in der 10. Schwangerschaftswoche sind die Augen beim ungeborenen Kind voll ausgebildet. Kurze Zeit später bilden sich die Augenlider. Ab dem 5. Monat der Schwangerschaft kann das Kind die Veränderungen der Lichtverhältnisse erkennen.

Nach dem 7. Monat öffnen sich die Lider, und das Ungeborene kann sie selbstständig öffnen & schließen. So wird es ihm ermöglicht die rot-orange Dämmerung, die im Mutterleib herrscht, zu erkennen.

Ist das Baby schließlich auf der Welt, kann es zwar sehen, jedoch ist sein Sehvermögen noch eingeschränkt.

Ungefähr auf 30 cm sieht das Neugeborene scharf, was sich aber Woche für Woche weiter ausprägt.

Mit etwa einem halben Jahr hat es eine Sehschärfe eines Erwachsenen.

Bald darauf beginnt das Baby nach erblickten Gegenständen zu greifen. Dies gehört bei den Bereichen der visuellen Wahrnehmung zur visumotorischen Koordination.

Weitere Bereiche sind die Figur-Grund-Wahrnehmung, die Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden;

Die Wahrnehmungskonstanz, die bestimmte Eigenschaften des Gegenstandes beschreibt; Die Raumlage (vor - hinter, seitlich);

Die r ä umlichen Beziehungen, wo die Lage von 2 oder mehreren Gegenständen in bezug zueinander wahrgenommen wird;

Die Formwahrnehmung;

Die Farbwahrnehmung und

Das Visuelles Ged ä chtnis: Die Fähigkeit, sich an Gesehenes erinnern zu können.

Um schon beim Säugling mit der Sensibilisierung der Wahrnehmung zu beginnen, verwendet man am besten Spielsachen, die zum Beobachten anregen.

Einige Beispiele für die ganz jungen Kinder wären

- Das Papiermobile: einfach verschiedene Papierringe zuschneiden, befestigen und aufhängen
- Ein Tütenkasperl, der in einer Klopapierrolle verschwindet

Ideen zur Auge-Hand-Koordination sind

- Zielwerfen mit Bällen, Sandsäckchen,... in verschiedene Zielobjekte, wie Kübel, Waschmitteltrommeln, Wannen usw.
- Ringewerfen über die Sesselbeine
- Aufzeichnen einer Zielscheibe mit anschließendem Zielwerfen.

Auch verschiedene Farbspielereien sind faszinierend:

- Farbtöne entstehen lassen
- Farbe pusten
- Spiele mit buntem Licht
- Frottagen...

In den Visuellen Bereich fällt auch das Beobachten:

- Vom Samen zur Pflanze
- Experimente mit Schnee, Feuer,...
- Kaleidoskope
- Spiele mit dem Spiegelbild

Doch gerade beim visuellen Sinn ist es nicht unbedingt nötig Anreize zu geben, da die Umwelt an sich in diesem Bereicht schon sehr viel zu bieten hat.

DAS AUDITIVE SYSTEM - DER HÖRSINN

Akustische Reize werden nicht nur von uns wahrgenommen, auch das Ungeborene kann schon Geräusche vernehmen. Es ist vor allem ständig vom Herzschlag, sowie dem Atemrhythmus der Mutter umgeben.

Im 5. Schwangerschaftsmonat ist das Hörorgan voll funktionstüchtig, so dass das ungeborene Kind durch die mütterliche Bauchdecke hindurch Stimmen, Musik, Lachen und vieles mehr wahrnehmen kann.

Es ist auch bewiesen, dass das Baby bei zu aggressiver Musik, wie z.B. Beethoven, zu strampeln beginnt und bei ruhiger Musik (z.B. Mozart) entspannt.

Sobald es das Licht der Welt erblickt hat, beginnt das Baby zu schreien und hort sich somit selbst. Das Hören & die Lautbildung entwickeln sich immer parallel. Schon ab dem 2. Monat zeigt das Kind Interesse an akustischen Reizen, es wendet sich Geräuschen zu und reagiert mit Lallen & Ausdrucksbewegungen wie Strampeln, und hat Freude an der Wiederholung.

Im Gegensatz zu den anderen Sinnen ist der auditive Sinn der einzige, der niemals „abgeschaltet“ werden kann. Unsere Ohren sind Lärm, Geräuschen, Krach schutzlos ausgeliefert.

Auch hier gibt es Bereiche der auditiven Wahrnehmung:

Die auditive Aufmerksamkeit;

Die auditive Figur-Grund-Wahrnehmung, die dem Kind dabei hilft Reize aus dem Hintergrund herauszulösen;

Die auditive Lokalisation bestimmt woher das Gehörte kommt;

Die auditive Diskrimination, wobei Laute unterschieden werden;

Die auditive Merkf ä higkeit: Gehörtes muss gespeichert werden und Das Verstehen des Sinnbezuges

Spiele aus dem Bereich der auditiven Wahrnehmung gelingen nur, wenn die Kinder auch Interesse daran haben. Zuhören kann man nicht erzwingen, aber ErzieherInnen können konzentriertes Zuhören durch spannende Ideen wecken.

Als Beispiel aus dem alltäglichen Leben ist das konzentrierte Hören z.B. von Straßengeräuschen anzuführen. Einfach nur zu hören wie der Regen auf den Asphalt prasselt kann auch eine wunderbare Erfahrung sein.

Geräusche hören und Geräuschquellen herausfinden:

- In die Natur hineinhören (Tierstimmen, Wind, Regen, Blätterrauschen, Verkehrslärm,...)
- Spielsachen, die Geräusche von sich geben (Rasseln, Klappern, Windspiel, Quietschtiere...)
- Stimmen erkennen

Geräusche & Töne mit der eigenen Stimme erzeugen:

- Sprachspiele, die den Höreindruck vertiefen
- Experimente mit der eigenen Stimme
- „Arche Noah“: jeweils 2 Tierpaare müssen zueinander finden

Geräusche erzeugen mit Instrumenten & Gegenständen:

- Flaschenorgeln, Flaschenxylophon
- „Geräuschzelt“: Zelt mit Instrumenten
- Glasklänge, mit Murmeln & Gläser
- Körperinstrumente, selbstgemachte Instrumente

Klänge & Geräusche in Bewegung umsetzen:

- Singspiele
- Anhängespiele

DAS TAKTILE SYSTEM - DER TASTSINN

Auch das Ungeborene ist druckempfindlich. Gegen das Ende des 2.

Schwangerschaftsmonates reagiert das ungeborene Kind auf Reize von außen, es ist bereits wahrnehmungsfähig.

In dieser Zeit bilden sich die Arme & Beine, sowie die Finger & Zehen aus. Das Kind kann erstmals greifen und eine Faust bilden.

Gegen Ende des 6. Monats bilden die Hände ihre besondere Sensibilität aus. Die meisten Eindrücke nimmt das Ungeborene über die Haut wahr.

Nach der Geburt hat sich das keineswegs geändert. Das Baby nimmt nach wie vor großteils über die Haut wahr.

Wichtigste Tastzone ist dabei der Mund. Schon bald nimmt es die Finger in den Mund und hat dabei Berührungsempfindungen.

Bald kann das Baby kleine Gegenstände in der Hand halten, und ist ebenso in der Lage, beide Hände zur Körpermitte zu führen. Es beginnt seine Umgebung zu erforschen, und steckt alle Dinge in den Mund, um diese zu prüfen.

Im Alter von ca. 9 Monaten verfeinern sich die Bewegungen, die Finger werden geschickter. Das Kind ist nun in der Lage, mit Daumen & Zeigefinger (Zangengriff) Gegenstände aufzunehmen.

Was sich bei uns Erwachsenen an taktiler Wahrnehmung nur mehr auf das Tasten mit der Hand beschränkt, erfolgt beim Kind noch mit dem ganzen Körper. Die Bereiche der taktilen Wahrnehmung werden auf diese Weise in Erfahrung gebracht. Zu ihnen gehört:

Die Ber ü hrungswahrnehmung, bei der die Eigenschaften, die ertastbar sind gesucht werden;

Die Erkundungswahrnehmung gibt uns, wie der Name schon sagt, darüber Auskunft, was es zu erkunden gibt. Dabei verwenden wir Hände, Füße und den Mund als Werkzeug;

Die Temperaturwahrnehmung, die uns berichtet, wann es heiß oder kalt ist. Sie unterliegt allerdings Täuschungen; und noch

Die Schmerzwahrnehmung: Die Schmerzen gelten dabei als Warnzeichen.

Das Angebot der zu er-fassenden Gegenständen ist groß, z.B. Knetmassen (Papiermaché, Plastelin, Salzteig...). Vom Tastmemory, über Tastbären, bis hin zur Taststraße reicht es, und wächst mit der Fantasie und dem Ideenreichtum der KindergärtnerInnen & ErzieherInnnen.

Nachdem sich besonders beim sehr jungen Kind die taktile Wahrnehmung noch auf den ganzen Körper bezieht, kann man deren Sensibilität fördern mit

- Babymassage
- Wickelspiele
- Babygymnastik
- Fingerspiele
- Flugspiele...

Man verwendet Spielsachen, die zum Greifen anregen

- Greiflinge, Beißringe und Rasseln
- Qvietschtiere
- Kleine Schwimmtiere
- Rollender oder fahrende Spielgegenstände

Selbstgemachte „Massageeinrichtungen“:

- Kastanienbad
- Tastkörbe
- Tastböden, Fußweg
- Bettbezug gefüllt mit aufgeblasene Luftballons

Spielerische Förderung mit Experimenten

- Temperaturunterschiede erkennen
- Experimentieren mit Sand & Wasser
- Verschiedene Therapieformen, wie das „Rasierschaumgatschen“

Dies sind allerdings nur zusätzliche Impulse, die das Kind nach seiner natürlichen „Erkundungstour“ quer durch die Wohnung noch machen kann.

DAS KINÄSTHETISCHE SYSTEM - DER BEWEGUNGS- UND STELLUNGSSINN

Jeder normal entwickelte Mensch besitzt diesen Sinn, der Auskunft darüber gibt, in welcher Stellung sich unser Körper befindet.

Natürlich gibt es auch beim kinästhetischen System wieder verschiedene, sogenannte Bereiche der Tiefenwahrnehmung.

Ihr habt sie vorher hoffentlich alle gespürt:

Der Stellungssinn, der Auskunft darüber gibt, wo sich unsere Körperteile befinden, auch unter Ausschalten z.B. des visuellen Systems;

Der Bewegungssinn nimmt die Veränderung (die Geschwindigkeit & die Richtung) der Bewegung wahr;

Der Kraftsinn ist das Abschätzungsvermögen für das Ausmaß an Muskelkraft, das man aufwenden muss, um eine Bewegung durchzuführen; und zuletzt

Der Spannungssinn: er gibt uns Informationen über die Muskelspannung.

Neben dem Tastsinn und dem Gleichgewichtssinn ist das kinästhetische Sinnessystem das erste funktionierende System des Fötus im Mutterleib. Bereits im 3. Schwangerschaftsmonat erfährt der Fötus durch die Bewegung der Mutter das eigene bewegt werden - er schwimmt im Fruchtwasser, bewegt seine Muskeln & Gelenke.

Im Alter von 1 Lebensmonat schmiege sich ein Säugling gut den Armen und dem Körper der Person an, die es hält. Er spürt auf Grund der Rückmeldung aus seinen Muskeln & Gelenken, wie er dieses Anschmiegen aktiv durch eigene Körperhaltung unterstützen kann.

Im 2. & 3. Monat geben die Empfindungen der Nackenmuskulatur dem Baby Informationen über die Stellung seines Kopfes zum Körper und über den Raum, in dem es sich befindet.

Der Stellungssinn kommt gerade dann zum Tragen, wenn das Kind sich zum ersten Mal vom Bauch auf den Rücken und umgekehrt drehen kann. Obwohl sich die Umwelt keineswegs verändert hat, kommt dem Kind die Umgebung plötzlich völlig fremd vor. Ganz von alleine kommt es dann auf die Tatsache, dass die Umgebung, trotz seiner veränderten Lage, gleich bleibt.

Zur Sensibilisierung des kinästhetischen Systems gibt es eine Reihe von Spielmöglichkeiten, wie

- Versteinern
- „Denkmal“, bei dem ein Kind die Stellung eines anderen Kindes „formt“
- Rücken an Rücken
- Roboterspiele (wie sieht ein Roboter aus, wie bewegt er sich, welche Geräusche macht er)
- Roboter & Programmierer

Natürlich auch Entspannungsübungen:

- „Luftmatratze“: Das Kind stellt sich vor es sei eine Luftmatratze, die sich mit jedem Atemzug weiter aufbläst, bis sie voll ist und die Luft laut zischend wieder entweicht.
- „Gummiband“, das mal ganz gespannt, mal ganz locker ist

DAS VESTABULÄRE SYSTEM - DER GLEICHGEWICHTSSINN

Ab dem 2. Schwangerschaftsdrittel fühlt sich das Ungeborene wohl, wenn sich seine Mutter rhythmisch bewegt, schwimmt oder Gymnastik betreibt.

Das Kind nimmt im Mutterleib bestimmte Körperhaltungen ein und lernt, diese selbstständig zu verändern.

Das Gleichgewichtszentrum gehört zu den Gehirnteilen, die beim Ungeborenen am frühesten entwickelt sind.

Ist das Baby dann „draußen“, hat es einen großen Drang sich zu bewegen - es strampelt. Bewegung ist für die Gesamtentwicklung des Kindes notwendig und trägt zu seiner körperlichen & geistigen Gesundheit, Vitalität und zu seinem Wohlbefinden bei.

Das rhythmische Bewegungsspiel mit dem Baby fördert das Vertrauen. Es kann beruhigend für ein weinendes Kind sein, wenn es aufgenommen und geschaukelt wird und es hat Spaß an vielseitigen Bewegungserfahrungen, durch die es weitere Entwicklungsfortschritte macht.

Natürlich kann auch hier mit verschiedenen Spielimpulsen nachgeholfen werden:

- Zärtliches Wiegen & Schaukeln
- Babygymnastik
- Babymassage
- Bewegungsspiele, wie Kniereiterspiele, Fliegerfliegen
- Tänze

Die Bereiche der vestibulären Wahrnehmung können durch verschiedene Übungen intensiviert werden:

Das statische Gleichgewicht, das ortsgebunden ist, d.h. das Gleichgewicht im Stand halten, durch Übungen auf einem Bein, Kopfstand, Handstand,...

Das dynamische Gleichgewicht, das versucht, das Gleichgewicht in der Fortbewegung aufrechtzuerhalten, z.B. das Balancieren über schmale Geräte & Gegenstände (Baumstamm, Balken, Reckstange,...)

Das Gleichgewicht auf verschiedenartigem Untergrund, wie Weichböden, Schaumgummimatten, Kissen etc. zu halten, benötigt viel Aufmerksamkeit & Konzentration. Das Objektgleichgewicht, also das Balancieren von Materialien (Sandsäckchen, Zeitung, Bälle...) kann auf verschiedene Arten (gehend, mit Rollschuhen, auf dem Kopf, Schulter...) trainiert werden.

Durch das vestibuläre, das kinästhetische und das taktile System wird besonders die Körpernähe zu ErzieherInnen, Erwachsenen usw. und das daraus entstehende Sozialverhalten gefördert.

Auch bei den einfachsten Bewegungsformen, wie

- krabbeln, kriechen
- rollen, wälzen
- schwingen, klettern

ja selbst beim gehen & laufen ist der Gleichgewichtssinn erforderlich.

DAS OLFAKTORISCHE SYSTEM - DER GERUCHSSINN

In ersten Ansätzen ist die Nase bereits am Ende des 2. Schwangerschaftsmonates erkennbar. Da ist auch schon das Geruchsorgan mit den Sinneszellen vorhanden. Zwischen dem 6. & 8. Monat reift der Geruchssinn aus. Das Riechen ist aber wahrscheinlich erst nach der Geburt mit der Luftatmung möglich.

Bereits wenigen Tagen nach der Geburt erkennt das Baby den Körpergeruch der Menschen, die mit ihm umgehen.

Das Kind erlebt bald auch seinen eigenen Geruch als vertraut, z.B. an seinem Kuscheltier.

Durch Waschen dieses Gegenstandes geht der Duft verloren, und es kann sein, dass das Kind ihn nicht mehr als vertraut erlebt.

Auch beim olfaktorischen Sinnessystem kann unterschieden werden in verschiedene Geruchsqualitäten:

Blumig: riecht nach Rosen

Ä therisch: riecht nach Birne

Moschusartig: riecht nach Moschus

Kampferartig: riecht nach Eukalyptus

Faulig: riecht nach Schwefelwasserstoff

Stechend: riecht nach Ameisensäure, Essigsäure

Gerüche bleiben am längsten in unserem Gedächtnis erhalten. Jedoch werden diese oft unbewusst jahrelang gespeichert, und wenn wir dann plötzlich einen Geruch aus unserer Kindheit wiedererkennen, fällt uns die Situation dazu wieder ein, ohne überhaupt gewusst zu haben, dass und dieser Gedächtnisinhalt so lange geblieben ist.

Mit Kindern kann man auch verschiedene Riechspiele veranstalten, wie z.B.

- Duftmemory
- „Spürhund“, wo eine versteckte Duftquelle gefunden werden muss
- Parfümdetektiv, bei dem ein Kind aus verschiedenen Düften den richtigen erkennen muss

Es können auch einige Impulse zur Förderung der Sinnesbildung gegeben werden durch

- eine Riechorgel aus Pappröhren
- Anlegen von Kräuterbeeten
- einen Geruchsbasar
- Duftschalen

Natürlich kann man mit den Kindern auch die heilende Wirkung von verschiedenen Kräutern ausprobieren:

- Gute-Nacht-Tee
- Tee für jede Tageszeit
- Erkältungskräuterkissen
- Riechfläschchen

Ein weiteres, mit dem Geruchssinn eng verbundenes Sinnssystem ist

DAS GUSTATORISCHE SYSTEM - DER GESCHMACKSSINN

Schon am Ende des 2. Schwangerschaftsmonats lernt das Ungeborene schlucken und kann seinen Daumen in den Mund stecken. Ab dem 3. Monat sind die Geschmacksknospen ausgebildet, wodurch das Kind unterscheiden kann, ob etwas sauer, salzig, bitter oder süß schmeckt, und über die Nabelschnur erhält es die notwendige Nahrung.

Sowohl das Trinken des Fruchtwassers als auch das Daumenlutschen können wahrscheinlich das Wohlbefinden des Kindes regulieren: Es trinkt mehr, wenn es unter Stress steht, oder lutscht am Daumen, um sein inneres Gleichgewicht wieder herzustellen. Werden dem Fruchtwasser Bitterstoffe beigemengt, schneidet das Kind Grimassen und trinkt weniger oder gar nicht mehr, im Gegensatz zum „Süßen“, wo es mehr und schneller trinkt.

Nach der Geburt ist das Hauptnahrungsmittel eines Säuglings die Muttermilch, oder die Milch im Fläschchen, was es schon alleine trinken kann. Durch bestimmte Essgewohnheiten wird die Geschmacksbildung beeinflusst. So führt stark gesüßte Nahrung beim Baby zu immer stärkeren Verlangen nach Süßem.

Aber genauso soll Babynahrung nicht zu salzig oder zu stark gewürzt sein. Durch abwechslungsreiches Essen werden die Geschmacksempfindungen ständig weiter verfeinert.

Wie schon erwähnt werden die 4 Geschmacksqualitäten (s üß , sauer, salzig und bitter) durch Geschmacksknospen auf der Zunge und in der Mudhöhle wahrgenommen. Allerdings isst der Mensch nicht nur mit dem Mund oder dem Magen, sondern auch mit den Augen. Sehen wir z.B. hellgelbe Kugeln auf einer hellbraunen Tüte, so erwarten wir Tüten-Vanille-Eis, und gelbe Nudeln mit roter Sauce, deuten auf Spaghetti hin. Ebenso wird die Art, wie die gewünschte Speise uns serviert wird von unserem visuellen Sinnessystem beeinflusst.

Wird uns also ein knallig blauer Topfenkäse serviert, werden wir einen Moment inne halten, bevor wir dann schließlich und endlich doch unserem Geschmackssinn vertrauen und zugreifen.

Für Kinder sind solche Experimente mit dem Essen oft ganz amüsant.

- Man kann z.B. verschiedene süße Speisen auf ihren Süßegrad hin untersuchen, oder
- Das Essen mit Lebensmittelfarbe färben

Natürlich lässt sich das gustatorische Sinnessystem auch in Spielsituationen einbinden.

- So können die Kinder in einer Schmeck-Bar verschiedene kleine Häppchen mit Ausschalten der restlichen Sinne probieren und zu erraten versuchen
- Ebenso funktioniert das Spiel auch mit verschiedenen Teesorten oder ausgepresstem Obst & Gemüse

Aber mindestens genauso viel Spaß macht es, wenn man gemeinsam Speisen herstellt, z.B.

- Bananenmüsli, Müsli mit Topfen
- Frühlingsbrot, Weizenkeimbrot
- Aufstriche oder
- Kuchen

Im Rahmen der gustatorischen Sinneserziehung können auch kulinarische Spezialitäten anderer Länder & Kulturen bei vielen Ausländerfamilie oder Tischmanieren & Ernährungslehre vorgestellt werden.

Nun, da ich die Grundwahrnehmungsbereiche näher beleuchtet habe, konnte ich vielleicht auch durchschaubar machen, dass sie Bestandteile unserer gesamten Wahrnehmung sind. Alle diese Sinnessysteme sind notwendig, um auch nur die trivialsten Dinge zu erleben, wie z.B. ein Gang durch einen Regenschauer, bei dem eigentlich alle unsere Sinne mitspielen, ohne dass uns das bewusst wird. Wie oft sind wir schon durch den Regen gegangen seit, und haben ihn wirklich mit allen Sinnen erlebt oder bewusst die morgendliche Frische wahrgenommen?

Leider fallen uns solche Dinge nur mehr auf, wenn eines unserer Sinnessysteme ausfällt, und sei es nur für kurze Zeit. Wenn wir uns z.B. die Zunge an einer heißen Suppe verbrennen, oder unsere Ohren vom Höhen- oder Druckunterschied verschlagen sind, dann wird uns meist erst bewusst, wie unbewusst uns eigentlich die ganzheitliche Wahrnehmung ist.

Wenn jedoch ein Sinn geschädigt ist oder ganz ausfällt, übernehmen andere Sinnesorgane eine Kompensationsfunktion.

So ist bei Blinden Tast- und Gehörsinn viel besser ausgebildet als bei Sehenden.

Wenn bei einem Kind der Verdacht auf eine Wahrnehmungsstörung besteht, sollte zunächst ein Arzt kontaktiert werden.

Aber: Die Wahrnehmungsfähigkeit eines Menschen ist zwar von der Intaktheit der Sinnesorgane abhängig, Wahrnehmungsstörungen betreffen jedoch auch den Prozess der Reizverarbeitung im Gehirn und können deswegen trotz voller Funktionsfähigkeit der Sinnesorgane auftreten.

Wahrnehmungsstörungen können entweder organisch- oder umweltbedingt sein.

Zu den organischen Ursachen zählen Hirnfunktionsstörungen, die auf prä-, peri- oder postnatalen Beeinträchtigungen passieren.

Zu den umweltbedingten Ursachen gehören ein Mangel an Entwicklungsreize oder unausgewogene Reizeinflüsse.

Mangelnde Verarbeitung der sinnlichen Reize erschweren natürlich Konzentration und Gedächtnisleistungen im Hinblick auf schulisches Lernen.

Zu diesem Zweck ist auch die Sinneserziehung von MONTESSORI und STEINER (WaldorfPädagogik) auf die allgemeine Pädagogik übertragen worden.

Bei Montessori wird dem Kind durch die „vorbereitete Umgebung“ die Möglichkeit zum selbstständigen entdecken gegeben und mit Hilfe des „Sinnesmaterials“, das die Entwicklungsschritte auslösen soll, eine Ordnung und Strukturierung geschaffen.

In der Waldorf-Pädagogik lautet das Grundlegende Prinzip: die Nachahmung Ebenso spezialisiert sich diese Pädagogik auf den Jahreskreislauf und die vier Elemente, sowie auf Naturmaterial als Spielzeug.

Die Sinnesorgane wiederzuentdecken und dadurch Einblicke zu gewinnen, das war ein Anliegen des Pädagogen Hugo KÜCKELHAUS.

Er beschreibt den „negativen Stress“ durch Unterdrückung und Ausschaltung der Sinne und spricht von der Wiederbelebung der Sinne mit Hilfe des „Erfahrungsfelds der Sinne“, bei dem Geräte wie Trittsteine, Balancierscheiben, Partnerschaukeln, eine Tastgalerie, eine Duftorgel und vieles mehr die Sinne sowohl getrennt, als auch vereint erleben lassen.

Erst wenn wir nach draußen gehen, und unsere Umwelt mit all unseren Sinnen bewusst erleben können, dann sind wir bereit auch den Kindern eine ganzheitliche Wahrnehmung näher zu bringen und sie entdecken und erforschen zu lassen mit den ihnen gegebenen Sinnen.

Denn die Basis für das menschliche Lernen & Verhalten wird in den ersten Lebensjahren gelegt, und hier spielen vielseitige, ausgewogene Wahrnehmungserfahrungen eine wichtige Rolle!

Literaturhinweis:

Renate Zimmer: Handbuch der Sinneswahrnehmung - Grundlagen einer ganzheitlichen Erziehung (HERDER)

Franz & Renate Steiner: Die Sinne (Spielen - Gestalten - Freude entfalten) - F ö rderung der Wahrnehmungsf ä higkeit bei Kindern (VERITAS)

Wolfgang L ö scher: Vom Sinn der Sinne - Spielerische Wahrnehmungsf ö rderung f ü r Kinder (DON BOSCO VERLAG)

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Details

Titel
Die Sinneswahrnehmung
Veranstaltung
Matura
Autor
Jahr
2002
Seiten
11
Katalognummer
V106861
ISBN (eBook)
9783640051366
Dateigröße
442 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sinneswahrnehmung, Matura
Arbeit zitieren
daniela kettner (Autor:in), 2002, Die Sinneswahrnehmung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106861

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