Die Finanzierbarkeit des modernen Leistungsstaates hängt in großem Maße von den erzielten Einnahmen aus den Umsätzen des Wirtschaftslebens ab. Dabei bieten sich verschiedene Möglichkeiten an, dieses Finanzaufkommen zu bewerkstelligen. Je nach wirtschaftspolitischem Hintergrund entspringen diese Einnahmen aus einem Mehr oder Weniger an direkten oder indirekten Steuern. Ziel dabei sollte es nun sein, bei Maximierung der Staatseinnahmen die Belastung für den Einzelnen möglichst gering und seiner Rolle am gesamtwirtschaftlichen Prozess entsprechend fair zu bemessen. Jedoch kommt kein Staat der Welt, der seinen Bürgern auch nur ein Mindestmaß an sozialer Sicherheit bieten will, ohne Einnahmen aus.
Sinn und Zweck der Steuergesetze ist es, dem Abgabenempfänger (Staat) zu ermöglichen, seinen Anspruch effizient und umfassend durchzusetzen. Die Tatbestände des § 33 FinStrG bilden dabei „den Kern des zum Schutz der Steuerhoheit des Bundes eingerichteten Sanktionssystems“1.
An der Erfüllung des Abgabenanspruchs hat der Steuerpflichtige in der Weise mitzuwirken, dass ihn Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten treffen. Die Verletzung dieser Pflichten begründet eine Sanktionierung durch das Finanzstrafgesetz (FinStrG). Bis zu einem Verkürzungsbetrag von 75.000 Euro fällt die Strafbarkeit in die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden, die zwar hohe Geldstrafen (bis zum dreifachen des Verkürzungsbetrages), jedoch Freiheitsstrafen lediglich bis zu drei Monaten verhängen. Im Betrugsfall drohen hier bis zu 10 Jahre Freiheitsstrafe.
Die weltweit höchst unterschiedlichen Steuerquoten und das ebenso teilweise niedrige Entdeckungsrisiko veranlassen viele Steuerpflichtige nach Möglichkeiten zu suchen, sich ihrer Abgabenpflicht zu entziehen.
Aufgabe des Staates ist es, unter Abwägung der Ermöglichung eines reibungslosen Ablaufs des wirtschaftlichen Lebens einerseits und einer möglichst wirksamen und treffsicheren Kontrolle andererseits, die Abgaben der Steuerpflichtigen zu bewirken.
[...]
Aufgabe der vorliegenden Arbeit ist es, die Rechtsfigur der objektiven Zurechnung zu klären und ihre Bedeutung im allgemeinen - und im Finanzstrafrecht - herauszuarbeiten, weiters die Relevanz sozialadäquaten Handelns im Zusammenhang mit der Beitragstäterschaft aufzuzeigen und abschließend anhand zweier Fälle deren Bedeutung in der Praxis zu verdeutlichen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1. Kapitel Die Bedeutung sozialadäquaten Verhaltens im allgemeinen Strafrecht
- I. Sinn und Zweck der objektiven Zurechnung
- II. Die objektiven Kriterien der Sozialadäquanz
- III. Dogmatische Grundlagen
- A) Objektive Zurechnung als Mittelweg zwischen restriktiver Tatbestandsinterpretation und Rechtfertigungsgrund
- 1) Trennung von empirischem und normativem Risiko
- 2) Trennung von Handlung und Erfolg
- 3) Verhältnis des Handlungsunrechts zu Vorsatz und Fahrlässigkeit
- 4) Inhaltliche Eingrenzung des normativen Risikos
- 2. Kapitel Sozialadäquanz und Beitragstäterschaft
- I. Das Prinzip der Einheitstäterschaft
- II. Das Kausalitätsproblem
- III. Der innere Wertungszusammenhang zwischen Beitrag und Haupttat
- IV. Sind die Risikosphären von Beitragstäter und unmittelbarem Täter trennbar?
- A) Alltagshandlungen und typische Berufsausübung
- 3. Kapitel Die Problematik im Finanzstrafrecht
- I. § 33 Abs 1 und Abs 2 lit a iVm § 11 FinStrG
- A) Objektiver Tatbestand
- B) Subjektiver Tatbestand
- C) Zurechnung des Tatbeitrages
- 1) Die Rechtsprechung
- a) Deutschland
- b) Österreich
- c) Schweiz
- 2) Lehrmeinungen
- a) Objektive Theorie
- Deutschland
- Österreich
- Schweiz
- b) Die objektiv-subjektive Theorie
- Deutschland
- Österreich
- Schweiz
- c) Die kausalitätsorientierte Theorie
- 4. Kapitel Anwendbarkeit in der Praxis
- I. Getränkegroßhändler-Fall
- A) Objektive Tatseite
- B) Subjektive Tatseite
- C) Zurechnung des Tatbeitrages
- II. Anonymisierter Kapitaltransfer ins Ausland
- A) Objektive Tatseite
- B) Subjektive Tatseite
- C) Zurechnung des Tatbeitrages
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Rechtsfigur der objektiven Zurechnung im Strafrecht, insbesondere im Finanzstrafrecht. Sie untersucht die Bedeutung des sozialadäquaten Verhaltens im Zusammenhang mit der Beitragstäterschaft. Die Arbeit analysiert, inwieweit ein objektiv rechtmäßig Handelnder, der lediglich seiner beruflichen Pflicht nachkommt, durch seinen Beitrag die Abgabenhinterziehung eines anderen ermöglichen kann und dafür einzustehen hat.
- Objektive Zurechnung im Strafrecht und ihre Relevanz für sozialadäquates Verhalten
- Bedeutung sozialadäquaten Verhaltens bei der Beitragstäterschaft im Strafrecht
- Anwendbarkeit der objektiven Zurechnung im Finanzstrafrecht
- Die Problematik der Abgrenzung von sozialadäquatem und strafbarem Verhalten im Kontext der Beitragstäterschaft im Finanzstrafrecht
- Praktische Anwendung der Rechtsfigur der objektiven Zurechnung im Zusammenhang mit der Beitragstäterschaft
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Diese Einleitung stellt die Bedeutung der Einnahmen aus dem Wirtschaftsleben für die Finanzierbarkeit des modernen Leistungsstaates dar und erläutert die Notwendigkeit einer effizienten und umfassenden Durchsetzung von Steueransprüchen. Sie stellt das Problem der Abgabenhinterziehung und die Frage der Strafbarkeit von Beiträgen zur Abgabenhinterziehung in den Mittelpunkt.
- 1. Kapitel Die Bedeutung sozialadäquaten Verhaltens im allgemeinen Strafrecht: Dieses Kapitel analysiert die Rechtsfigur der objektiven Zurechnung im Strafrecht und ihre Bedeutung für die Beurteilung von sozialadäquatem Verhalten. Es beleuchtet die Trennung von empirischem und normativem Risiko, die Trennung von Handlung und Erfolg und die Eingrenzung des normativen Risikos.
- 2. Kapitel Sozialadäquanz und Beitragstäterschaft: Dieses Kapitel untersucht die Problematik der Beitragstäterschaft im Strafrecht im Kontext der objektiven Zurechnung. Es betrachtet das Prinzip der Einheitstäterschaft, die Kausalitätsproblematik und die Frage der trennbaren Risikosphären von Beitragstäter und unmittelbarem Täter.
- 3. Kapitel Die Problematik im Finanzstrafrecht: Dieses Kapitel befasst sich mit der spezifischen Problematik der objektiven Zurechnung im Finanzstrafrecht. Es analysiert die Strafbarkeit von Beiträgen zur Abgabenhinterziehung nach § 33 FinStrG und befasst sich mit der Rechtsprechung und den verschiedenen Lehrmeinungen zu diesem Thema.
- 4. Kapitel Anwendbarkeit in der Praxis: Dieses Kapitel beleuchtet die praktische Anwendung der objektiven Zurechnung im Finanzstrafrecht anhand zweier Fallbeispiele: der Getränkegroßhändler-Fall und der anonymisierte Kapitaltransfer ins Ausland. Es analysiert die objektive und subjektive Tatseite sowie die Zurechnung des Tatbeitrages in diesen Fällen.
Schlüsselwörter
Objektive Zurechnung, sozialadäquates Verhalten, Beitragstäterschaft, Finanzstrafrecht, Abgabenhinterziehung, § 33 FinStrG, Rechtsprechung, Lehrmeinungen, Fallbeispiele, Getränkegroßhändler, anonymisierter Kapitaltransfer, Steuerhoheit, Risikosphären, Kausalität.
- Arbeit zitieren
- Daniel Vonbank (Autor:in), 2002, Strafbarkeit sozialadäquaten Verhaltens in Finanzstrafrecht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/10877