Vergleich Iphigenie auf Tauris 5/3 und Woyzeck beim Doctor.


Referat / Aufsatz (Schule), 2005

4 Seiten


Leseprobe


Iphigenie 5. Aufzug, 3. Auftritt und Woyzeck 5 oder 8

Analysieren Sie vergleichend die beiden Szenen! Gehen Sie in Ihrer Interpretation auch auf den Gegensatz zwischen dem klassischen und offenen Drama ein.

Goethes Drama „Iphigenie auf Tauris“ ist ein typisches Werk der Klassik, deren Ideal die Verbindung von Vernunft und Gefühl ist und die vor allem an die Humanität appelliert.

Die Protagonistin Iphigenie stammt als Tochter des Agamemnon und der Klytämnestra aus dem Geschlecht der Tantaliden, auf dem seit der Verstoßung des Tantalus ein Fluch der Götter liegt. Auch Iphigenies Familie wurde durch ein grausames Schicksal zerstört. Vor seinem Feldzug gegen Troja opferte der Vater sie in Aulis, um seinen Schiffen günstigen Wind zu verschaffen. Diana entrückte Iphigenie jedoch in ihr Heiligtum bei den Taurern, wo sie als Priesterin dient. Thoas, der König der Taurer, wird von ihr dazu veranlaßt, den uralten Brauch, jeden Fremden auf dem Altar der Diana zu opfern, abzuschaffen.

Doch Thoas beabsichigt, Iphigenie zu heiraten. Sie lehnt den Antrag ab – gekränkt durch ihre Weigerung befiehlt der König, das Fremdenopfer an zwei soeben an der Küste gelandeten Männern wieder zu vollziehen. Es handelt sich um Iphigenies Bruder Orest und dessen Freund Pylades, die sich aber zunächst nicht zu erkennen geben.

Erst im dritten Akt gibt sich Orest zu erkennen. Er akzeptiert seine Opferung als unausweichliche Folge des göttlichen Fluches, der auf seiner Familie lastet und verfällt in einen Heilschlaf, der ihn von den Erinnyen befreit. Auf Veranlassung des Pylades ist Iphigenie jedoch zunächst bereit, mit Orest und seinem Freund unter Mitnahme des Standbilds zu fliehen. Sie erkennt aber bald in diesem Vorhaben eine Fortsetzung der alten Kette von Täuschung und Betrug, denn Thoas vertraut ihr. Im Konflikt zwischen Vertrauensbruch und Rettung des Bruders offenbart sie sich schließlich dem König, der durch ihren Apell an seine Humanität veranlaßt wird, die Heimfahrt zu gewähren.

Im dritten Auftritt des fünften Aufzuges tritt Thoas zu Iphigenie mit der Frage, warum sie das Opfer aufschiebe. Die gegenseitige Ansprache klingt harsch und wie vom Misstrauen diktiert. Die Priesterin antwortet ausweichend, sie habe dem Arkas alles klar erzählt, wobei sie den wahren Sachverhalt, die Vorbereitung zur Flucht, absichtlich vernebelt. Thoas drängt unnachgiebiger auf eine klare Antwort. Daraufhin spielt Iphigenie ihre fürstliche Abstammung auf und stellt sich standesgemäß auf die Stufe des Thoas. Thoas verlangt unverzüglich die Opferhandlung, indem er sich auf ein altes Gesetz beruft, das solch ein Opfer fordere. Iphigenie freilich entgegnet als stolze Griechin, indem sie ihm das noch ältere Gesetz entgegenstellt, das den Fremden und den Gast als heilig bezeichnet. Sie spielt auf die Ohnmacht der Frau gegenüber dem Manne an und bittet Thoas, „[…] der Frauen Wort zu achten" (Vgl. S. 50, 1864) Zur Verteidigung ihrer ,,[…]reine[n] Seele[…]" (Vgl. S. 50, 1874) weist sie zugleich auf die Möglichkeit der List als Waffe gegen die Übermacht des Mannes hin. Der Widerspruch zwischen Wahrheit und Taktik wird von Thoas angeprangert in dem Wort ,,Sprich unbehutsam nicht dein eigen Urteil". (S. 50, 1875) In der Situation gewinnt tatsächlich dasjenige, was Iphigenie als ,,[…]reine Seele […]"(S.50, 1874) bezeichnet, endgültig in ihr die Oberhand, und Iphigenie legt ihrer aller Schicksal nun, indem sie den Fluchtplan offenbart, in des Thoas Hand. Iphigenie versucht, Thoas Gnade durch Mitleid zu erlangen: „Muss ein zartes Weib / Sich ihres angebornen Rechts entäußern, / Wild gegen Wilde sein, wie Amazonen / Das Recht des Schwerts euch rauben und mit Blute / Die Unterdrückung rächen?“ (S. 51, 1908 ff.) Gegen die Möglichkeit eines dämonischen Schicksals wagt Iphigenie den Glauben an die Güte und Liebe der Götter und in dem Streit zwischen Egoismus und Rücksicht gegen den anderen Menschen entscheidet sie sich für die Wahrheit und die Liebe.

Am Ende des Auftrittes schwindet Iphigenies Hoffnung auf Thoas Gnade nicht. Ihr ist es gelungen, Thoas zu besänftigen.

Büchners "Woyzeck" stellt in der Geschichte der deutschen Literatur den Beginn des sozialen Dramas dar. Das Werk ist nur als Fragment überliefert und hatte einen entscheidenden Einfluss auf die Moderne. Es wurde erst im Naturalismus wieder entdeckt und beschreibt eine realistische Darstellung der seelischen Zerstörung eines Menschen. Das Stück wurde in der Epoche des Vormärz geschrieben, dessen Kennzeichen Unzufriedenheit des Bürgertums, Unsicherheit und Zerrissenheit (Ablehnen oder Klammern an Werte und Normen) sind.

Woyzeck, ein einfacher Soldat, muss, um seine Familie, die aus seiner Geliebten Marie und den unehelichen Sohn besteht, ernähren zu können, für den Hauptmann und den Doktor arbeiten. Beide lassen ihn ihre soziale und geistige Überlegenheit spüren. Für letzteren hat er sich zeitweise sogar als medizinisches Versuchsobjekt zur Verfügung gestellt, um seine finanzielle Lage zu verbessern. Seine Braut Marie betrügt ihn aber mit dem Tambourmajor, und der Hauptmann weiß die Eifersucht Woyzecks zu wecken. Hilflos sieht der Arme zu, wie Marie mit dem verdächtigen Tambourmajor im Wirtshaus tanzt, er beginnt einen Streit mit ihm, unterliegt aber. Außer sich über die Untreue Maries gibt er alle Hoffnung auf ein bisschen Glück in dieser Welt auf, denn sie und das Kind waren seine einzige Existenzgrundlage. Heimlich und mit merkwürdiger innerer Beherrschtheit bereitet er alles auf den Tod vor, ersticht seine geliebte Marie auf einem Waldweg, stürzt sich dann in ein tolles Wirtshaustreiben, um schließlich selbst den Tod zu suchen. Er ertränkt sich in einem Teich.

In der achten Szene „Beim Doctor“ des Stückes lässt sich Woyzeck vom Doctor untersuchen. Der Doctor erzählt ihm, dass er Woyzeck beobachtet hat, als er gegen die Wand uriniert hat: „Ich hab’s gesehn Woyzeck: Er hat auf die Straß gepißt, an die Wand gepißt wie ein Hund.“ (S. 4, 27f.) Woyzeck versucht sich zu verteidigen, indem er sagt, dass ihm „[…] die Natur kommt“ (S. 4, 31f.) Der Doctor wirft in dem Dialog hauptsächlich mit Fachbegriffen und Fremdworten um sich, um Woyzeck auf einem niedrigeren sprachlichen Niveau zu stellen. Er betont immer wieder, für wie unzutreffend er Woyzecks Handeln empfunden hat. Er beginnt sogar schon sich zu ärgern, reißt sicht aber zusammen: „Behüte, wer wird sich über einen Menschen ärgern […]“ (S. 4, 18f.) Am Ende der Szene erkundigt sich der Doctor noch mal bei Woyzeck, ob er noch den Hauptmann rasiert und seine Erbsen isst: „Er thut noch Alles wie sonst, rasirt sein Hauptmann? […] Ißt sei Erbse?“ (S. 5, 3ff.)

Die vorliegenden Szene aus „Iphigenie auf Tauris“ und „Woyzeck“ sind beide ein Dialog, das über eine Auseinandersetzung handelt. Iphigenie wird von Thoas ermahnt und zur Rede gestellt, warum sie sich als Opfer aufschiebe. Der Doctor hingegen ist über Woyzecks Verhalten verärgert und spricht diesen darauf an. In beiden Szenen ragt eine Person mit ihrer sprachlichen Qualität heraus. In Goethes Stück ist es Iphigenie, die Thoas mit ihrer sprachlichen Überlegenheit immer wieder beeindruckt und übertrumpft. In Büchners Stück zeigt sich immer wieder der Doctor als überlegende Person, da er Woyzeck mit Fremdworten und Fachausdrücken konfrontiert, um so seine Überlegenheit besonders intensiv zu provozieren.

Beide Protagonisten haben ihre Waffe, um sich gegen den Gegenüber mit Worten zu wehren. So betont Iphigenie immer wieder das Wort „Seele“ und dass ihre Seele besonders kämpft. Woyzeck hingegen versucht immer wieder den Doctor davon zu überzeugen, dass er gegen die Natur nichts unternehmen kann und wenn er ein Bedürfnis hat, muss er es erledigen.

Iphigenie beweist im Gegensatz zu Woyzeck ihr sprachliches Talent und ihre Überzeugungskraft. Es gelingt ihr am Ende Thoas zu besänftigen. Woyzeck hat keinerlei Chance, dem Doctor zu beweisen, dass er nicht so dumm ist, wie alle denken. Woyzeck wird am Ende der Szene viel mehr noch verhöhnt, indem der Doctor ihn auf seine Erbsen-Diät anspricht. Woyzeck bleibt weiterhin dem Doctor untergeordnet, während es Iphigenie gelingt, sich mit Thoas auf eine Ebene zu stellen.

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Details

Titel
Vergleich Iphigenie auf Tauris 5/3 und Woyzeck beim Doctor.
Autor
Jahr
2005
Seiten
4
Katalognummer
V109271
ISBN (eBook)
9783640074525
Dateigröße
331 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Aufgabenstellung der Arbeit: Analysieren Sie vergleichend die beiden Szenen! Gehen Sie in Ihrer Interpretation auch auf den Gegensatz zwischen dem klassischen und offenen Drama ein.
Schlagworte
Vergleich, Iphigenie, Tauris, Woyzeck, Doctor
Arbeit zitieren
Ina Goebels (Autor:in), 2005, Vergleich Iphigenie auf Tauris 5/3 und Woyzeck beim Doctor., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109271

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