Das Anwesend-Abwesende in der Karlsvita Einharts


Seminararbeit, 2005

25 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Geschichtswissenschaft und allgemeines Bewusstsein?

2 Das Schreiben
2.1 Biographische Konstellationen
2.2 Überlieferungen in karolingischer und nachkarolingischer Zeit
2.3 Soziokulturell-politische Konstellationen
2.4 zeitgenössische Topoi und literarischer Traditionalismus
2.4.1 Einharts Karlsvita im Spiegel frühmittelalterlicher Biographien
2.4.2 Suetons Vorlage
2.4.2.1 rubrizierende Formalisierung versus chronologischer Darstellung
2.4.2.2 frühmittelalterliche Perspektivwechsel
2.4.2.3 bewusste Trennung von Biographie und Geschichte
2.4.3 Wahrheits- und Gültigkeitsansprüche

3 Rezeption
3.1 stilistische Rezeption des Lupus von Ferrières
3.2 unmittelbare Rezeption Walahfrids und Thegans
3.3 Einharts Komposition im Hinblick auf mutmaßliche Rezipientenkreise

4 Kritische Lektüre
4.1 Die Beziehung zwischen Text und Kontext
4.2 Unterschiedliche Bewertung der Kriege
4.3 Zur legislativ-administrativen Tätigkeit Karls
4.4 textimmanente Signaturen?

5 Bibliographie
5.1 Quellenverzeichnis
5.2 Literaturverzeichnis

1 Geschichtswissenschaft und allgemeines Bewusstsein?

Vor einem gelehrten Umgang mit Vergangenem stehen Probleme, denen Historiker beikommen müssen. Doch woher kommen diese Probleme? Wessen Probleme sind das? Was ist ein Problem? Griechisch gedacht, bedeutet προβλέπο soviel, wie für jemanden Sorge tragen. Das dazugehörige Nomen πρόβλεμα meint dagegen etwas anderes: Vorgebirge, Klippe oder Ufer. Das gelöste Problem, ein rettendes Ufer etwa? Wer das Studium der Geschichte beginnt, steht vor solchen Fragen. Gewiss, sie klingen unanständig, zumal mit dieser Arbeit erste historiographische Bewältigungsversuche gewagt werden sollten. Doch gehört nicht zu jedem rationalen Gebrauch unserer Verstandeskräfte zugleich die Frage des Wozu und des für Wen? Hat man diese Fragen im Nacken, werden alle weiteren Schritte schwer. Was hilft es da, wenn Hans-Werner Goetz in seiner sonst nützlichen Handreichung die Existenz akademisch geprägter Geschichtsschreibung damit zu legitimieren versucht, indem er dem Menschen ein Bedürfnis, „sich mit seiner Geschichte zu befassen“[1], attestiert. Ohne deren Kenntnis, ihm, dem Menschen, seine Gegenwart „gar nicht verständlich“ würde. Ist dem so? Will jeder Mensch verstehen? Ist es nicht gerade so, dass es die Umschleierung der Wirklichkeit ist, durch eigene Illusionen, mittels eigener Geschichten, wonach wir Menschen verlangen? Und ist die These von Goetz nicht selbst ein performativer Widerspruch, der das Gegenteil seiner Legitimationshypothese gerade dann beweist, wenn sich dieses allgemeine Verstehensbedürfnis als Illusion erweist? Leicht ist einzusehen, dass aller Sinn des Verstehens – ebenso der Vergangenheit – in der Tat liegt. Wessen Taten sind es, denen jenes historiographisch aufbereitete Verstehen vorangehen soll? Ist der Mensch, gerade wegen seiner Geschichtlichkeit, anders als der andere? Und trägt er nicht wegen dieses Andersseins auch andere Fragen in sich und was haben diese Fragen dann mit Geschehnissen zu tun, die hundert Jahre und mehr zurückliegen? Wie will der Historiker seinem Mitmenschen, bei diesen anderen Fragen Orientierung schenken? Ebenso, wie das Paradox des Christentums darin besteht, das es beständig die Zeit und das Historische in Beziehung auf das Ewige gebraucht, so wird bei solch legitimatorischen Unternehmen eine universelle Kategorie allgemeinen Verstehens in Bezug zu Zeit und Historie gesetzt. Es geht jeweils um Orientierung, ob theologisch oder teleologisch. Die intellektuellen Eliten am Ende des 18. Jahrhunderts erkannten, dass sich ihre Gegenwart von der Vergangenheit unterschied, dass französische Revolution, napoleonische Kriege und Industrialisierung niemanden unberührt gelassen hatten. Es galt für die Geschichtsschreiber zusammenzubinden, was flüchtig vorüberrauscht, und es im Tempel der Mnemosyne[2], zur Unsterblichkeit niederzulegen. Dementsprechend sah Jacob Burckhardt die Aufgabe der Geschichte darin, „die Vergangenheit mit der Gegenwart zu vermitteln.“[3]

Blickt man vom Rand der Theorie ins Leben, dann scheint die zunehmend abnehmende Alimentierung geschichtswissenschaftlicher Institute, von eben dieser Fiktion eines allgemeinen Bedürfnisses individueller Geschichtsbewältigung zu zeugen. So zeigen gerade aktuelle Diskussionen „den großen Unterschied zwischen dem, was die Geschichtswissenschaft hervorbringt, und dem, was ins allgemeine Bewusstsein dringt.“[4] Nietzsche sprach daher nicht zu Unrecht, von einem Glauben des historischen Menschen, aus der „Betrachtung des bisherigen Prozesses die Gegenwart zu verstehen“[5]. Wie Vergessen eine notwendige Gnade ist, so gehört dennoch Gedenken, das Wiederholen empfangener Lehren, zu einem verantwortlichen Leben. Vielleicht ist es diese Verantwortung, die Historiker als Hüter dieser Lehren brauchbar werden lässt. Manch Dunkles und zugedeckt Unausgesprochene lässt sich in deren Texten entbergen, das ein „Mehr“ ihrer Zeit zu verraten verspricht, als sie ihrem Publikum tatsächlich zu verraten imstande sind. „Historiker waren im 20.Jahrhundert dementsprechend vor allem Männer mit verantwortungsvollem und sorgenvollen Blick für die Interessen des eigenen Staats“[6], da sie in der großen Mehrheit, als Angestellte bzw. Beamte im öffentlichen Dienst in massivster Weise den Einflussnahmen ihres Dienstherrn unterlagen. „Gewiss, wir brauchen die Historie, aber wir brauchen sie anders, als sie der verwöhnte Müßiggänger im Garten des Wissens braucht“[7]. Aber wie? Gibt es Antworten darauf? Möglicherweise ist dies selbst ein historiographisch zu lösendes Problem, denn es sind die Abdrücke der Vergangenheit „auf das zurückzuführen, was sich in ihnen hat ausdrücken wollen. Es gilt zu verstehen.“[8] Diese Vergangenheit erreicht uns in Gestalt von textualisierten Botschaften – Memoiren, Berichten, veröffentlichte Schriften, Archivmaterial und so weiter. Deshalb meine ich, dass wir keine falschen Schritte tun, wenn wir unter einem zu verstehenden Text, einen Sprachgebrauch begreifen, der sich in unterschiedlicher Weise in einen Kontext einschreibt, was heißt, dass beim Verstehen dieser Reste, der Verstehende, als Historiker, Kritiker und Autor gefordert ist. Es geht darum, die andere Seite historischer Texte verstehen zu lernen, sie einmal nicht dezidiert von ihrer dienenden Seite, sei es als Tradition oder Überrest, sei es aus historiographie- oder mentalitätsgeschichtlichem Impetus heraus anzusprechen, sie nicht dem hermeneutischen Fragen, was eigentlich gemeint war, zu unterziehen, sondern sie gleichsam von innen, in ihrer Qualität als Texte zu begreifen, die niemals nur aus einem einzigen Grund verfasst wurden, die immer im Spannungsfeld von historischer Gebundenheit und individueller Freiheit, von sprachlicher Notwendigkeit und literarischer Kreativität entstanden sind. Die Besinnung darauf, dass Texte ein situativer Gebrauch von Sprache sind, der sich auf die soziale Logik des Textes stützt, besteht darin, zu ermöglichen, Sprache mit dem sozialgeschichtlichen Instrumentarium zu bearbeiten, sie in einen lokalen oder regionalen gesellschaftlichen Kontext menschlicher Beziehungen, Kommunikationssystemen oder Machtverhältnissen zu stellen, die ihre spezifischen semantischen Eigenheiten erklären können. Denn alle Texte nehmen bestimmte soziale Räume ein, sowohl in ihrer Eigenschaft als Produkte der sozialen Welt der Autoren, als auch in ihrer Eigenschaft als textlich Handelnde in dieser Welt, mit der sie in oft komplexen Wechselwirkungen und widersprüchlichen Beziehungen stehen. Texte spiegeln somit die soziale Realität und schaffen sie zugleich neu. Die besondere Situierung eines Werkes im umfassenderen kulturellen Feld seiner Zeit kann deshalb nur über eine genaue Analyse von Form, Inhalt und Kontext geschehen. In dieser Auflösung lassen sich dann die Ebenen des realen Geschehens, die der Deutungen durch die wahrnehmenden Zeitgenossen und die daraus entstehenden historiographischen Konstrukte hinreichend verstehen[9]. Die Konzentration, auf die soziale Logik des Textes, „auf seine Situierung in einem größerem Komplex sozialer und intertextueller Beziehungen, gestattet es, die besonderen historischen Bedingungen kennen zu lernen, deren Gegenwart oder Abwesenheit im Werk uns für seinen gesellschaftlichen Charakter und seine gesellschaftliche Funktion, seine jeweilige Kombination von materiellen und diskursiven Praktiken, die seine historische Zielbestimmung ausmachen, sensibilisiert.“[10]

Der Verständnisprozess besteht demnach aus mindestens drei Teilen: dem einstigen Schreibprozess, der Rezeptionen des Textes und der kritische Lektüre desselben. Am Beispiel der einhartschen Karlskonstruktion, möchte ich versuchen, dem Verhältnis von Biographie und Wahrnehmung, Intention und literarischer Vorlage, zwischen egologischer und kollektiver Perspektive nachzugehen. Es handelt sich also nicht um eine weitere Karlsinterpretation, sondern um frühmittelalterliche Wahrnehmungs- und Inszenierungsprobleme. Unter Zuhilfenahme solchen Kontextualisierens ließe sich dann fragen, wie legitim es sei, durch Einharts Schrift – über sie hinaus – nach Einhart selbst zu fragen.

2 Das Schreiben

2.1 Biographische Konstellationen

Du gleichst dem Geist, den du begreifst. So neckte Goethe in seinem Faust und hatte damit nichts Irreales gesagt. Insofern unsere Begriffe selbst geschichtlich sind und in dieser Geschichtlichkeit zugleich auch die Weite unserer Horizonte abgesteckt sind, ist goetheschen Geisterblick zuzustimmen. Welchem Geist Einhart glich und welchen Weltinnenraum seine Wahrnehmungen einst ausgemacht haben könnten, dass lässt sich nicht feststellen. Ableiten aber ließen sich biographische Bezüge, die brauchbare Hinweise liefern, um der sozialen Logik seiner Texte folgen zu können. Diesem Anliegen soll folgender Abschnitt dienen.

Einhart[11] ein Mann, von edler ostfränkischer Herkunft, kleinem Wuchs und schlurfenden Schrittes, wurde vermutlich um das Jahr 770 in der Maingegend geboren. Seine Eltern gaben ihn früh ins Kloster zu Fulda, in dem er sowohl erzogen, als auch eine umfängliche Bildung erhielt. Aus dieser Schule, Bonifatius bedeutendster Klostergründung, gingen neben Einhart unter anderen auch Alkuins späterer Musterschüler Hrabanus Maurus (776-856), Walahfried Stabo und Otfrid von Weißenburg († nach 868) hervor. Zwischen 788 und 791 war Einhart als Urkundenschreiber und Kopist des Klosters tätig, wobei sich vermutlich sein Interesse an unterschiedlichsten lateinischen Klassikern ausgebildet haben könnte, so dass ihn der Abt des Klosters, Baugulf, um 791/92 zur weiteren Ausbildung an den Hof Karls des Großen in Aachen gab. Mit seiner Wissbegier, sowie der Kenntnis der lateinischen Klassiker, machte er bald Furore am Hof. Aus der mutmaßlichen Rolle des Schülers war Einhart bald herausgewachsen und avancierte zum engen Vertrauten des karolingischen Herrschers[12], dem dieser, so Walahfrid, mehr “Persönliches und Geheimes mitgeteilt habe als irgendjemanden sonst.[13] Einhart bezeichnet Karl entsprechend als seinen “Herrn und Förderer“(dominus et nutritor)[14] und lobt „das freundschaftliche Verhältnis“, das zwischen ihnen bestanden habe. Hierdurch allein stehe er so tief in des verstorbenen Herrschers Schuld, dass man es nur als Undankbarkeit auslegen könne, “wenn ich, so vieler von ihm empfangener Wohltaten uneingedenk, die herrliche und glänzende Geschichte des um mich verdienten Mannes mit Stillschweigen überginge.“[15] Er beschäftigte sich am Hofe mit literarischen und mathematischen Studien und wurde binnen kurzem Nachfolger des höchsten Gelehrten der Hofschule. Darauf hin übertrug ihm der Kaiser auch die Aufsicht über Bauten und kunstgewerblichen Werkstätten. Zu Karls Lebzeiten erhielt er jedoch keine offizielle Stellung am Hof, erst unter Ludwig dem Frommen, Karls Thronfolger, erhielt er, als Privatsekretär, eine angemessene Stellung. Jedoch war sein Verhältnis zu Ludwig nicht von der gleichen Herzlichkeit getragen, wie die, die er unter Karl erfahren hatte. Einhard wurde der Vertraute des Sohnes von Ludwig, dem er beratend und als Lehrer beistand. Als die Spannungen zwischen Vater und Sohn zunahmen, bat Einhart um seine Entlassung aus dem Hofdienst und begab sich mit seiner Frau Imma in das von ihm im Jahr 827 gegründete Kloster Seligenstadt. Zwar war er weiterhin ein aufmerksamer Beobachter der neuen Zeit, jedoch scheint er diesem Geschehen eher skeptisch gegenübergestanden zu haben. Wenig später verstarb er, am 14. März 840, in Seligenstadt.

2.2 Überlieferungen in karolingischer und nachkarolingischer Zeit

Neben den zahlreichen Briefen und religiösen Schriften, die von Einhard überliefert sind, ist das wohl bekannteste Werk seine Karlsbiographie: Vita Karoli Magni. Walter Berschin ist voll des Lobes über dieser Werk und rühmt es, als „das einzige Stück mittelalterlicher Biographie, das bislang ‘Weltliteratur‘ geworden ist“[16] Zu den Zentren der Überlieferung[17] in karolingischer und nachkarolingischen Epoche sind vor allem, das Loiregebiet und die Klöster Cluny, Saint-Bénigne/Dijon und Cîteaux für Burgund und Südfrankreich zu nennenn, Saint-Wandrille, Jumièges und Fécamp für den anglo-normannischen Raum, und Orléans und Fleury für die Champagne, Île-de France und Aquitanien. Vermutlich entstand um 875 in Reims die „überarbeitete offizielle Ausgabe“ mit der charakteristischen Bemerkung zu den Pelzen Karls des Großen in Kapitel 23, deren drei Redaktionsstufen – eine Metzer, Mailänder und Reimser Gruppe – die Überlieferung seit dem ausgehenden 9. Jahrhundert nachhaltig bestimmten.

2.3 Soziokulturell-politische Konstellationen

Die Lebensbeschreibung Karls aus der Feder Einhards entstand erst anderthalb Jahrzehnte nach Karls Tod in einer höchst spannungsreichen Situation des Frankenreichs, die von der Lage, unter dem von ihm gefeierten Helden weithin abwich. So wandte sich Ludwig der Fromme, als Karls Nachfolger gegen eine schleichende Lockerung der Sitten. Er vertrieb Prostituierte aus Aachen und verwies seine Schwestern in die vom Vater zugewiesen Klöster[18]. Man beschloss, den schlimmsten Missständen zu währen und erneuerte Chrodegangs Kanonikerregel. Als Ludwig sich im Jahre 830 im Feldzug gegen die Bretonen befand, erreichte ihn die Nachricht, dass die angestauten Konflikte am Hofe, sich in einem offenen Aufstand entluden. Die Söhne Pippin und Ludwig wurden gedrängt sich ins Kloster zurückzuziehen und Ludwigs zweite Gemahlin Judith flüchte mit den Kämmerern. Sie in ein Kloster bei Laon und die Kämmerer nach Barcelona.

2.4 zeitgenössische Topoi und literarischer Traditionalismus

2.4.1 Einharts Karlsvita im Spiegel frühmittelalterlicher Biographien

Historiker bedienen sich notgedrungen eines eigenen theoretischen Instrumentariums, welches ihnen ihre Zeit vorschlägt, und sie stehen unausweichlich einem Bündel an Theorien gegenüber, welches den Autoren ihrer Quellen erlaubt, etwas wahrzunehmen und das Wahrgenommene auszusagen.[19] Dementsprechend agiert Einhart in seiner Epoche, in der Zitate, Entlehnungen, Topoi und Formulare legitime Formen schriftlicher Darstellung waren. Das weist zwar auf eine Begrenzung der geistigen Individualität im Sinne eines bewussten Originalitätsverzichts[20] hin, bedeutet jedoch nicht deren Auslöschung. Es zeigt sich, dass diese nicht nur als tradierte Bedeutung haben, sondern, dass sie in einer funktionalen Verwendung individuellen Aussagen dienstbar gemacht werden können. So darf der Beginn der Karlsvita als eine Auseinandersetzung mit dem Prolog der Martinsvita des Sulpicius gelesen werden. Einhart wandelt hier auf zeittypischen Gestaltungspfaden, wenn diese Pfade auch durch gelegentliche Zitate Ciceros aufgelockert sind. Auffallend ist hier Einharts Cicero-Zitat über die geforderte gedankliche Ordnung[21] und den angenehmen Ausdruck des Niedergeschriebenen. Sein Bekenntnis – ganz im Stile frühmittelalterlicher Hagiographie – zu gebotener Kürze (brevitas) der Darstellung, gilt dem Vermeiden möglicher Unlust (fastitium) bei seinen Lesern.[22] Wie Sulpicius Severus, so fühlt auch Einhart sich der Wahrheit verpflichtet[23], nur die eigene Unzulänglichkeit stehe diesem Vorhaben im Wege.[24] Rundweg entgegengesetzt ist Einharts Umgang mit der memoria der darzustellenden Person: er macht es sich zur Aufgabe, das Gedenken an Karl und seine vix imitabiles actus wach zu halten, um diese nicht dem ewigen Vergessen anheim fallen zu lassen, so „als hätte er niemals gelebt.“[25] Sulpicius dagegen lehnt jede Form dauernden Gedenkens oder des Autorenruhmes demonstrativ, als eine das eigentliche Heil verfehlende Bestrebung ab.[26]

2.4.2 Suetons Vorlage

Einharts ausdrückliche Wahl[27] eines biographischen Subtextes zu seiner Karlsvita fiel bekanntlich auf den spätantiken Kaiserbiographen Gaius Suetonius Tranquillus (um 150), dessen Kaiserviten von Caesar bis Domitian er wahrscheinlich in Fulda kennen gelernt hatte. Aus diesen Kaiserviten wählte Einhart diejenige des Augustus als Vorlage. Einige haben diese Entscheidung damit zu begründen versucht, dass er hier die klarste und überzeugendste Gliederung vorfand, und somit seinen „sicheren Blick, mit dem er das suetonische Schema erkannt hatte“ bewiesen hätte[28]. Wahrscheinlicher scheint mir jedoch, dass für Einhart das gleiche Entscheidungskriterium wie für Sueton galt: der Darstellungsgegenstand, und das bedeutet hier ein spezifisches Vorstellungsbild, bestimmte die zu wählende Form. Es ist nicht das suetonische Grundschema, das Einhart in der Augustusbiographie mit einseitigem Blick als in Reinform ausgeführt erkannt hätte. Er sah in der Lebensbeschreibung des Augustus womöglich eine historische Allegorie, die eine größtmögliche Übereinstimmung mit dem karolingischen Neubegründer des antiken Caesarentums zu geben versprach. Was läge hier näher, als, dass Einhart auch die Form eben dieser Vita zum Leitfaden erhoben hätte?

2.4.2.1 rubrizierende Formalisierung versus chronologischer Darstellung

Grundlegender und weit folgenreicher als die Orientierung an Sueton für die Anordnung der Darstellungsaspekte im Einzelnen, war Einharts Entschluss zugunsten einer systematischen Grundanlage seiner Schrift im Allgemeinen. Indem er die suetonische Gewichtung zugunsten einer rubrizierenden Formalisierung gegenüber der chronologisch verfahrenden übernahm, begab er sich auf einen darstellerischen Mittelweg, den auch der römische Biograph zwischen einer Anordnung des Stoffes per tempora und derjenigen per species beschritten hatte[29]. Für Wolf Steidle ist diese kompositorische Entscheidung plausibel, da es bei regierenden Persönlichkeiten vom Gegenstand her wohl verständlich sei, dass die Zeit der Herrschaft vom übrigen Leben isoliert und in sachlichem, nicht chronologischem Zusammenhang dargestellt werde.[30]

2.4.2.2 frühmittelalterliche Perspektivwechsel

Der Wechsel von der Chronologie zur Systematik bringt zwar oftmals eine Reduktion der Namen und Fakten auf das rein Exemplarische mit sich, jedoch auch ein anderer Effekt kann hiermit erzielt werden und jeweils auch intendiert gewesen sein. Wie Klaus Herbers an einigen Viten des römischen Liber pontificalis, in denen der nämliche Perspektivenwechsel im Laufe des 9. Jahrhunderts gleichfalls vollzogen wird, herausgearbeitet hat, geht mit dieser Verlagerung auch eine veränderte Schwerpunktsetzung und Aussageintention des Schreibers einher: Es gehe diesem dann, so Herbers, “nicht mehr nur um das Amt, sondern auch um den persönlichen Anteil" eines Protagonisten, den dieser “aufgrund eigener Voraussetzungen und Prägungen" in die Amtsführung eingebracht habe[31]. Einhart dürfte wie die Autoren der späten Papstviten in der sachlich strukturierten, nicht in der diachronen Komposition bewusst die adäquate personenbezogene Kommunikationsstruktur gesucht haben. Diese, So scheint es, stechen ab 715 in einer zunehmende „Ausführlichkeit der Texte ebenso ins Auge wie neue Tendenzen der Tugendkataloge erkennbar würden. “Seit Hadrian I. (772-795) gibt es nicht nur tüchtige, sondern sogar schöne Päpste"[32], wie Klaus Herbers einleuchtend seine Quellen sprechen lässt.

2.4.2.3 bewusste Trennung von Biographie und Geschichte

Neben den Notwendigkeitserwägungen kann sicherlich bei Einhart von einer bewusst aufgenommenen Unterscheidung von Biographie und Geschichte im antiken Sinne ausgegangen werden, wie dies Walter Berschin für die Martinsvita des Sulpicius Severus[33] annimmt. Das “chronologische Moment" trenne, so Berschin, die Geschichtsschreibung von der Biographie, der Bericht werde zur Schilderung, Sulpicius sei mit seinen Chronica Historiograph, mit seiner Vita Martini Biograph. Als mittelalterlicher Geschichtsschreiber hätte Einhart deuten müssen, und das konnte zu seiner Zeit nur heißen, die historischen Begebenheiten in das gültige Aussagesystem seiner Zeit zu übertragen. Als Biograph, der sich an antiken Vorbildern orientierte, war er von dieser Aufgabe entbunden. Einhart strebte eine systematisierende, antik-biographische Inszenierung, nicht eine Säkularisierung in seiner Karlskonstruktion an. Der karolingische Schreiber übernimmt hauptsächlich die bei Sueton vorgefundene Pointierung der Darstellungsform per species, gliedert seine Schrift in drei Hauptabschnitte und ordnet diesen andere, seinem Bild entsprechende Kategorien unter. Diesbezüglich hatte Ulrich Lamprecht[34] in seiner Untersuchung zum suetonischen Herrscherbild erörtert, wie der römische Biograph mit seinen charakterisierenden Begriffen und den sich darum rankenden episodenhaften Erzählpartien ein den römischen Verhältnissen entsprechendes Wechselverhältnis von persönlichen Eigenschaften des Herrschers und seiner “Identifikation mit dem Staat" offen legt.

2.4.3 Wahrheits- und Gültigkeitsansprüche

Die aspektive Auswahl und die entsprechende Anordnung einzelner Merkmale aus diesem Fundus waren es offensichtlich, die den inhärenten Wahrheits- oder Gültigkeitsanspruch einer konkreten Darstellung in den Augen Einharts garantierten. Direkte Beschreibung der äußeren Erscheinung eines Menschen, verstanden als aspektive, formalisierte und vor dem Hintergrund des mentalen Bildes – geschaut oder imaginiert – rundum gültige Inszenierung. Einharts Wirklichkeitskonstruktion, der Körperlichkeit Karls, hat man durch empirische Befunde zu überprüfen versucht. Eine Münze zeige Karl mit dem runden Schädel, der kräftigen Nase und dem gedrungenen Nacken, wie auch Einhart ihn beschrieben habe.[35] Die 1861 am Skelett des Herrschers anlässlich der Öffnung des Karlsschreins vorgenommenen anthropologischen Untersuchungen schienen zumindest die von Einhart mit sieben Fuß angezeigte Körpergroße auch material zu verifizieren: Karl der Große war demnach etwa 1,80 bis 1,90m groß.[36] Wenn Einhard dagegen von Karl berichtet, dass er "mit dem König Alfons II. von Gallizien und Asturien ein so enges Verhältnis hatte, dass dieser, wenn er Gesandte oder Briefe an ihn abschickte, sich nur als seinen Eigenmann bezeichnen ließ."[37], so entdeckt man bei näherer Analyse der asturischen Überlieferung, dass ein solches Verhältnis in der asturischen Wirklichkeit keine Entsprechung fand.[38]

3 Rezeption

Wenn wir von Kontexten der Rezeption sprechen, dann heißt das, dass geklärt werden muss, wie der Text von verschiedenen sozialen Interakteuren gelesen wurde. Erich Auerbach, hat meisterhaft das allmähliche Verschwinden eines literarisch geschulten Rezeptionsumfeldes von der römischen Kaiserzeit über die frühmittelalterlichen Jahrhunderte bis in die Zeit des Investiturstreites gezeichnet. Sein Fazit lautet: Seit der karolingischen Bildungsreform stand das Schriftlatein dem gesprochenen Wort abgetrennt und weitgehend beziehungslos gegenüber. “Es ist eine Zeit angebrochen, und sie wird lange dauern, in der die führenden Schichten der Gesellschaft keine Bildung besitzen, auch keine Bücher, ja nicht einmal eine Sprache, in der sich eine ihnen angemessene Bildung hätte ausdrücken können"[39]

Wie bindet Einhart sein zeitgenössisches Publikum, in die Wahl der Darstellungsformen ein und welchen Konsens verständnisgarantierender Übermittlung darf er dabei nicht übergehen? Die zeitgenössische Rezeption scheint von Anfang an auf verschiedenen Ebenen stattgefunden und sich demgemäß auch unter andersartigen Prämissen artikuliert zu haben.

3.1 stilistische Rezeption des Lupus von Ferrières

Lupus von Ferrières war nicht nur voll des Lobes für Einharts ungewöhnlichen Wurf[40], sondern suchte auch dessen Grundlagen, den maßgeblichen Hintergrundtext ausfindig zu machen und zu studieren. Ein 844 von ihm verfasster Brief, zeugt von einer frühen, recht bald nach der Niederschrift des Karlslebens einsetzenden Suetonrezeption karolingischer Autoren. Lupus erbat sich hierin vermutlich genau dieselbe Suetonabschrift in zwei Codices aus dem Kloster Fulda, die auch Einhart verwendet haben dürfte[41]. Lupus fühlte sich aufgefordert, die ästhetische Dimension der Vita Karoli von ihrer philologischen und kritischen Seite her zu ergründen und zu verstehen, und darf damit einem ganz anderen Rezipientenkreis zugeordnet werden als der durchschnittliche Leser und Hörer der Schrift. Man könnte in diesem Zusammenhang von einem Leser sprechen, der zu seiner Urteilsfindung ganz andere Kriterien ansetzte.

3.2 unmittelbare Rezeption Walahfrids und Thegans

Walahfrid Strabo mag dabei für eine Form der Aufnahme stehen, deren Lese- und Deutungshorizont unmittelbar auf das biographische Objekt selbst gerichtet ist. Karl der Große sei, so Walahfrid, aus einer Perspektive geschildert, die sich dem Bemühen um “reinste Wahrheit" verdanke, verfasst von “jemanden, der fast überall dabei war."[42] Der Ludwigsbiograph Thegan etwa, der dem literarischen Publikum des neunten Jahrhunderts angehörte, lässt nicht erkennen, dass er die Vita Karoli noch in irgendeiner anderen Dimension denn als Option zur biographischen Inszenierung eines zeitgenössischen Herrschers aufgefasst hätte, die auf die historische Person Karls des Großen abzielte. Ihm blieb das Interesse des Lupus von Ferriéres fremd.

3.3 Einharts Komposition im Hinblick auf mutmaßliche Rezipientenkreise

Der intime Charakter dieser Literatur, die von einer herausgehobenen Schicht getragen und zugleich gelesen wurde, erlaubte es, jene sublimen Methoden der Aussage, des Austausches und der Polemik herauszubilden, die im Falle Einhards deutlich geworden sind. Anders als auf uns wirkte das Zitat aus dem Klassiker, dem Kirchenvater oder der Bibel auf diese Leser, die an solchen Texten nicht nur das Latein gelernt, sondern literarische Bildung überhaupt erfahren hatten. Einhart hat beiden Rezipientenkreisen auf ästhetisch-spielerischer Weise Rechnung getragen. Er hat beide bezüglich der inhärenten Authentizitätsabsicherung eines literarischen Werkes zufrieden gestellt, hat neue Modi der Aktualisierung einer historischen Person im Rückgriff auf antike Vorlagen aber auch auf ein antikes Biographieverständnis entwickelt. Er ist dabei freilich nicht zuletzt ein frühmittelalterlicher Biograph geblieben. In der Vita Karoli waren also allein aufgrund einer vom Autor bewusst konstruierten Intertextualität unterschiedliche Formen der Rezeption vorgezeichnet.

4 Kritische Lektüre

4.1 Die Beziehung zwischen Text und Kontext

Der erste karolingische Herrscherbiograph war Ästhet und damit Spieler. Er entwickelte eine eigene, “egologische Perspektive" zur literarischen Aktualisierung Karls des Großen in seiner Zeit, er war frei genug, aus dieser Positionierung sein zeitgenössisches, unterschiedlich disponiertes Publikum für seine Gedanken- und Vorstellungswelt zu gewinnen und dabei gleichzeitig mit diesem Publikum zu spielen. Zentral scheint mir in dieser Hinsicht der Umstand, dass Einhart mit einer weitgehenden Orientierung an den Kaiserviten Suetons das gültige Aussagesystem seiner Zeit bewusst gesprengt und sich damit der antiken Distinktion von Geschichtsschreibung und Biographie unterworfen hat. Doch er machte hier nicht halt. Dem innovativen “Kulissenaustausch" im Gesamtkonzept der Darstellung ist eine traditionsgebundene und zeitspezifische Durchführung im einzelnen an die Seite zu stellen. In der komplementären Erfassung und vor dem Hintergrund des medialen Bezugsfeldes zeugen beide Pole von der Gestaltungskompetenz des Autors, die es ihm ermöglichte, seine eigene Wahrnehmungs- und Deutungsebene historischer Begebenheiten sowohl für den durchschnittlichen Rezipienten als auch dem philologisch ambitionierten Leser seiner Zeit als authentische ’Geschichte', als rundum gültiges literarisches Konstrukt zu kommunizieren. Es war augenscheinlich nicht Einharts Absicht, ein entwicklungsgeschichtliches Persönlichkeitsporträt Karls des Großen zu entwerfen. Karls Erscheinung wirkt aus solchem Blickwinkel statuarisch, monumental und starr. Einhart verzichtet explizit auf die nähere Beschäftigung mit der Kindheit und Jugend seines großen Gönners. Karl agiert sowohl im res gestae - als auch im mores et studia -Teil als reifer, ausdauernder und hochherziger Herrscher, als fortdauernde Momentaufnahme eines alternden Königs mit schon ergrautem Haar. Einhart geht nicht in die Breite, er strebt nicht durch ein Erörtern möglichst vieler Wesenszüge ein komplementär-erschließendes Persönlichkeitsprofil seines Protagonisten an, sondern er beschränkt sich und formalisiert seine bildhaften Vorstellungen anders als moderne aber auch antike Biographen. In der Reduzierung der Vorlage auf die Augustusvita manifestiert sich diese Arbeitsweise bereits augenfällig. Gleichsam in der Tradition einer beliebten Technik der frühmittelalterlichen Personenbeschreibung des Äußeren, die zunächst einen Gesamteindruck der Erscheinung formulierte, um sich sodann, Einzelheiten aufgreifend, an der darzustellenden Person vom Scheitel bis zur Sohle herabzutasten.

4.2 Unterschiedliche Bewertung der Kriege

Karls Kriege werden keinem gemeinsamen Bezugspunkt zugeordnet, sie erfahren durch Einhart keine kausale Verknüpfung, wie dies bei Augustus als Rächer Caesars auf dem Weg zur Alleinherrschaft der Fall gewesen war[43]. Der gesamte Abschnitt der res gestae, der bei Sueton in der Schilderung des Augustus als Feldherr und Staatsmann seine Parallele findet, erhält zugunsten der ausführlichen Darstellung der Kriege Karls “zur Erweiterung des Reiches"[44] einen gänzlich anderen Charakter. Die vita publica schrumpft bei einhart zur Kriegsberichterstattung.

4.3 Zur legislativ-administrativen Tätigkeit Karls

Alles, was Einhart zum Komplex der legislativ-administrativen Anstrengungen schreibt, bezieht sich auf Karls gescheiterte Versuche, die unterschiedlichen Volksrechte der Franken “in Übereinstimmung zu bringen, Fehlendes zu ergänzen und Verkehrtes und Unbrauchbares zu korrigieren" und auf sein Bemühen, die leges zu verschriftlichen.

4.4 textimmanente Signaturen?

Der Andere, wird einem im Gespräch, durch Habitus und Gebärde offenbar, desgleichen der Autor in seinem Text. Sein Wortgebrauch verweist auf eine soziale Logik in der sein Text entstanden ist. So lauscht man einem Text schneller die Zeit seiner Entstehung ab, als den Namen seines Autors. Texte tragen die Signatur der Herstellung und deren Verwobenheit in Augenblick und Geschichte in sich. Solch ‚unausgeschriebenen’ Insignien kontextueller Praxis des Schreibens lassen sich bei Einhart ausmachen. Eine interessante Frage ist daher, warum Einhart seinem dominus et nutritor[45] erst in so späten Jahren hat ein Denkmal setzen wollen. Und ob, der vor der Hand bekundete Wille, die „herrliche und glänzende Geschichte“[46] niederzuschreiben, nicht doch einem anderen Motiv entsprungen war. Bei der Beantwortung dieser Frage, muss methodisches Denken spekulativer Einsicht weichen, die nur in der Plausibilität des Gedankengangs auf Akzeptanz hoffen darf. Es gibt in Einharts Text einige Anzeichen, von denen einige augenfällig sind. Offenbar und beinahe von verborgen hinweisendem Charakter, scheint ein aus der Augustusvita übernommenes Bild zu sein, dessen Authentizität bei Einhart, gerade wegen einer noch darzulegenden Ähnlichkeit, kaum überzeugen kann. In seiner Darstellung der Todesvorzeichen des Augustus berichtet Sueton, wie ein Blitz das erste Zeichen der Caesar-Titulatur aus seiner Inschrift löste, sodass nur noch ‚aesar’ – welches etruskisch ‚Gott“ bedeutet – zu lesen war[47]. Einhart hat die Zeichen des Nahenden Todes seines Gönners mit dem gleichen Topos versucht darzustellen, dessen Realitätsbezug zumindest fraglich ist:

Auch wurde die Kirche, in der er nachmals seine Grabstätte fand, vom Blitz getroffen und dabei der goldene Apfel, der die Spitze des Daches schmückte, vom Blitzstrahl heruntergerissen und auf den Bischofshof neben der Kirche geschleudert. Auf dem Reif des Kranzes, der zwischen den oberen und unteren Bogen im Innern dieser Kirche herumging, war eine Inschrift in roter Farbe, die besagte, wer der Gründer des Gotteshauses sei, und in deren letzter Zeile die Worte standen: Karolus princeps.“[48]

Für gewöhnlich wählen sich Blitze keine solch interpretationsträchtigen Einschlagorte, wie uns das Einhart erzählen will? Oder meint er etwas anderes, eine abschließende Bemerkung mit Hintersinn gleichsam? Insofern zeitgenössische Blitze, rein physikalisch betrachtet, kein vollkommen andere sind, wie sie das im Mittelalter und Antike waren, kann man die Glaubhaftigkeit dieser Geschichte aus gutem Grund zu verwerfen. Wollte Karl folglich, die biblische Metapher des Sündenfalls benutzend, seinem lesekundigen Publikum deutlich machen, wie sich die Zeiten seit dem Tode Karls verändert hatten? Verbindet man diese spekulative Idee mit einem Zitat am Anfang der Karlsvita, demzufolge die ausgezeichneten Taten Karls des Großen in der nun angebrochenen Zeit nicht mehr erreichbar[49] seien, dann lässt sich unschwer vermuten, welches die ‚wahren’ Motive Einharts, bei der Niederschrift seiner Karlsvita, gewesen sein mögen. Wie oben erwähnt, war die Zeit Ludwigs des Frommen, ein von Spannung geladene und für Einhart keineswegs glückliche Periode, der er weithin skeptisch gegenüber stand. Dies und der mehrfache Verweis auf Ciceros Tusculanae disputationes, deren Inhalt Themen, wie Leid, Schmerz und Leidenschaft problematisiert, fügt sich einem Bild ein, das Einhart als einen gealterten Caesaren-Günstling darstellt, der wie Cicero aus dem Kreis der Mächtigen verbannt, sich nun kritisch seine Nutzlosigkeit vertreibt, in dem er mit dozierender Gebärde die gute alte Zeit der lesenden Menge vor die Augen hält. In dieser Version lässt sich Einharts Karlsvita eher als eine Kritik an dieser Zeit verstehen, die er unter dem Deckmantel der Biographie seinem schriftkundigen Publikum vorhielt, als dass ihm das Gedenken an seinen einstigen Gönner wirklich am Herzen lag. So gesehen ist die Karlskonstruktion Einharts auch eine Projektion dessen, was er an der nachkarlschen Zeit missbilligte.

5 Bibliographie

5.1 Quellenverzeichnis

Einhart, Vita Karoli magni, ed. Oswald Holder-Egger (MGH SS rer. Germ. [25]), Hannover 1911.

Einhart, Einharti vita Caroli magni, ed. Philipp Jaffe (Bibliotheca rerum Germanicarum 4 = Monumenta Carolina, hg. von DEMS.), Berlin 1867, S. 487-541.

Hrabanus Maurus, in: Migne PL 107, Sp. 296.

Lupus von Ferriçres, Lupi abbatis Ferrariensis epistolae, ed. Ernst Dümmler, in: MGH Epp. VI, S. 7-126.

Notker der Stammler, Taten Kaiser Karls des Grossen: Notkeri Balbuli Gesta Karoli Magni Imperatoris, ed. Hans F. Haefele (MGH SS rer. Germ. N.S. 12), Berlin 1959.

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[...]


[1] GOETZ, Hans-Werner: Proseminar Geschichte: Mittelalter. Stuttgart 2000, S.19.

[2] HEGEL, G.W.F.: Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte. Stuttgart 1961, S. 40.

[3] BURCKHARDT, Jacob: Gesamtausgabe, Bd. VII, Stuttgart 1933, S.11

[4] FREY, Norbert: Das ist auch Verlagsmarketing. In: taz Nr. 7662 vom 12.5.2005, Seite 17.

[5] NIETZSCHE, Friedrich: Sämtliche Werke in Einzelbänden. Kritische Studienausgabe. Bd 1: Unzeitgemäße Betrachtungen, zweites Stück: Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben., Hrsg. v. Colli, Giorgio /Montinari, Mazzino. München 1999, S. 255.

[6] RAPHAEL, Lutz: Geschichtswissenschaft im Zeitalter der Extreme. Theorien, Methoden, Tendenzen von 1900 bis zur Gegenwart, München 2003, S.18f.

[7] ebd., S.245.

[8] DROYSEN, Johann Gustav, Historik, hg. von Rudolf Hübner, Darmstadt 1958, S.22.

[9] Vgl., FRIED, Johannes: Papst Leo III. besucht Karl den Großen in Paderborn oder Einhards Schweigen, in: HZ 272, 2001, S. 281-326.

[10] SPIEGEL, Gabrielle M., Geschichte, Historizität und die soziale Logik von mittelalterlichen Texten, in: Geschichte schreiben in der Postmoderne. Beiträge zur aktuellen Diskussion, hg. von Christoph CONRAD und Martina KESSEL, Stuttgart 1994, S. 193.

[11] zu Leben und Werk Einharts: SCHEFERS, Hermann (Hrsg.): Einhard. Studien zu Leben und Werk. Dem Gedenken an Helmut Beumann gewidmet, Darmstadt 1997.

[12] In Theodulfs Gedicht Ad Carolum regem, in: Theodulfi carmina: MGH Poet. Lat. I, ed. Ernst DÜMMLER, Berlin 1881, S. 445-581, ebd., S. 483-489.

[13] Prolog Walahfrids, in: Einhart, Vita, S. XXIX: Predictus itaque homuncioönam statura despicabilis videbaturöin aula Karoli, amatoris sapientiae, tantum gloriae incrementi merito prudentiae et probitatis est assecutus, ut inter omnes maiestatis regiae ministros paene nullus haberetur, cui rex id temporis potentissimus et sapientissimus plura familiaritatis suae secreta committeret. Familiaritas als Grundstimmung am Hofe Karls wird zeitgenossisch gleich mehrfach eigens hervorgehoben und fand ihre anschaulichste Literalisierung wohl in dem Lobgedicht Ad Carolum regem aus der Feder Theodulfs von Orleans: Wie Anm. zuvor;

[14] Zur Bezeichnung nutritor im hagiographischen und profan-literarischen Kontext vgl. David GANZ, The preface to Einhard’s ’Vita Karoli“, S. 302.

[15] Einhart, Vita, Praefatio, S. 1: Suberat et alia non inrationabilis, ut opinor, causa, quae vel sola sufficere posset, ut me ad haec scribenda conpelleret, nutrimentum videlicet in me inpensum et perpetua, postquam in aula eius conversari coepi, cum ipso ac liberis eius amicitia; qua me ita sibi devinxit debitoremque tam vivo quam mortuo constituit, ut merito ingratus videri et iudicari possem, si tot beneficiorum in me conlatorum inmemor clarissima et inlustrissima hominis optime de me meriti gesta silentio praeterirem patererque vitam eius, quasi qui numquam vixerit, sine litteris ac debita laude manere [...].

[16] BERSCHIN, Walter: Biographie und Epochenstil im lateinischen Mittelalter, Bd.III.: Karolingische Biographie 750-920 n. Chr., Stuttgart 1991, S. 199.

[17] Zur Überlieferungsgeschichte von Einharts Karlvita: TISCHLER, Matthias M.: Einhards Vita Karoli. Studien zur Entstehung, Überlieferung und Rezeption. Hannover 2002.

[18] Vgl. RICHÉ, Pierre: Die Karolinger. Eine Familie formt Rom, Düsseldorf 2003, S. 180.

[19] Vgl. FRIED, Johannes: Gens und regnum. Wahrnehmungs- und Deutungskategorien politischen Wandels im früheren Mittelalter. Bemerkungen zur doppelten Theoriebindung des Historikers, in: Sozialer Wandel im Mittelalter. Wahrnehmungsformen, Erklärungsmuster, Regelungsmechanismen, hg. von Jürgen MIETHKE und Klaus SCHREINER, Sigmaringen 1994, S. 91.

[20] Vgl. d. Topos bewussten Originalitätsverzichts in zeitgenössischen Handschriften: HRABANUS MAURUS, in: Migne PL 107, Sp. 296: Confido tamen omnipotentis Dei gratiae, quod fidem et sensum catholicum in omnibus tenuerim, nec per me quasi ex me ea protuli, sed auctoritati innitens majorum, per omnia illorum vestigia sum secutus. Cyprianum dico atque Hilarium, Ambrosium, Hieronymum, Augustinum, Gregorium, Joannem, Damasum, Cassiodorum, et caeteros nonnullos, quorum dicta alicubi in ipso opere ita ut ab eis scripta sunt per convenientiam posui, alicubi quoque eorum sensum meis verbis propter brevitatem operis strictim enuntiavi. Interdum vero ubi necesse fuit, secundum exemplar eorum quaedam sensu meo protuli. In omnibus tamen, ni fallor, catholicam imitatus sum veritatem, a qua (si Dominus adjuverit) non patior ullo modo divelli, quam et te prae omnibus habere atque amare confido; et ideo tua suffragia supplex peto, ut ipsa Veritas omnium creatrix atque gubernatrix, licet non meis meritis, tamen propter tuam sacratissimam orationem me in se sine ullo devio erroris in aeternum conservare dignetur.

NOTKER DER STAMMLER fügt seiner Darstellung Ludwigs des Deutschen, ähnlich entschuldigende Worte bei: NOTKER: Gesta Karoli, II, 10, S. 66: ’Si vixerit puerulus iste, aliquid magni erit.‘ Quae verba ideo de Ambrosio mutuati sumus, quia Karolus quae dixit, non possunt examussim in Latinum converti. Nec inmerito prophetiam de sancto Ambrosio magno accomodaverim Hludowico, quiöexceptis eis rebus et negociis, sine quibus res publica terrena non subsistit, coniugio videlicet usuque armorumöper omnia simillimus immo etiam quantum potentia regni tantum religionis studio, si dici liceat, quodammodo maior exstiterit Ambrosio; fide scilicet catholicus, Dei cultor eximius, servorum Christi socius, tutor et defensor indefessus.

WALAHFRID STRABO: Versus Strabi de beati Blaithmaic vita et fine, S. 34: Singula quid fari per singula verba necesse est, /Cum quicquid legitur virtutum, rite teneret, / Et, quicquid vitii monstrat scriptura, caveret?

[21] Einhart, Vita, Praef., S. 2: Mandare quemquam, inquit [Cicero, s.f.], litteris cogitationes suas, qui eas nec disponere nec inlustrare possit nec delectatione aliqua adlicere lectorem, hominis est intemperanter abutentis et otio et litteris.

[22] Einhart, Vita, Praef., S. 1: [...] quanta potui brevitate conplexus sum, operam inpendens, ut de his quae ad meam notitiam pervenire potuerunt, nihil omitterem neque prolixitate narrandi nova quaeque fastidientium animos offenderem [...].

Sulpicius, Vita s. Martini, cap. 1, S. 252: Quamquam etiam ex his, quae conperta nobis erant, plura omisimus, quia sufficere credidimus, si tantum excellentia notarentur. Simul et legentibus consulendum fuit, ne quod his pareret copia congesta fastidium.

[23] Einhart, Vita, Praef., S. 1: [...] quando mihi conscius eram nullum ea veracius quam me scribere posse, quibus ipse interfui, quaeque praesens oculata, ut dicunt, fide cognovi et, utrum ab alio scriberentur necne, liquido scire non potui.

Sulpicius, Vita s. Martini, cap. 27, S. 316: Ego mihi conscius sum me, rerum fide et amore Christi inpulsum ut scriberem, manifesta exposuisse, uera dixisse [...].

[24] Einhart, Vita, Praef., S. 2: [...] in quo praeter illius facta non est quod admireris, nisi forte, quod homo barbarius et in Romana locutione perparum exercitatus aliquid me decenter aut commode Latine scribere posse putaverim atque in tantam inpudentiam proruperim [...].

Sulpicius, Vita s. Martini, Prol., S. 248: [...] quia, ut sum natura infirmissimus, iudicia humana uitabam, ne, quod fore arbitror, sermo incultior legentibus displiceret omniumque reprehensionis dignissimus iudicarer, qui materiem disertis merito scriptoribus reseruandam inpudens occupassem [...].

[25] Einhart, Vita, Praef., S. 2: [...] quasi qui numquam vixerit [...].

[26] Sulpicius, Vita s. Martini, cap. 1, S. 250ff.: Sed tamen nihil ad beatam illam aeternamque uitam haec eorum cura pertinuit. Quid enim aut ipsis occasura cum saeculo scriptorum suorum gloria profuit? aut quid posteritas emolumenti tulit legendo Hectorem pugnantem aut Socraten philosophantem, cum eos non solum imitari stultitia sit, sed non acerrime etiam inpugnare dementia, quippe qui, humanam uitam praesentibus tantum actibus aestimantes, spes suas fabulis, animas sepulcris dederint?

[27] Zur literarischen Antikenrezeption Einharts: MANITIUS, Max: Einharts Werke und ihr Stil, in: NA (Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde) 7, 1882, S. 519-568.

[28] HELLMANN, Siegmund, Einhards literarische Stellung, in: Historische Vierteljahrsschrift 27, 1932, S. 52.

[29] Sueton, Augustusvita (Aug.), cap. 9, S. 50: Proposita uitae eius uelut summa parte(s) singillatim neque per tempora sed per species exequar, quo distinctius demonstrari cognoscique possint.

[30] Vgl. STEIDLE, Wolf: Sueton und die antike Biographie, München 1963, S. 128.

[31] HERBERS, Klaus: Zu frühmittelalterlichen Personenbeschreibungen im Liber pontificalis und in römischen hagiographischen Texten, in: Von Fakten und Fiktionen. Mittelalterliche Geschichtsdarstellungen und ihre kritische Aufarbeitung (Europäische Geschichtsdarstellungen 1), hg. von Johannes LAUDAGE, Köln 2003, S. 191.

[32] ebd., S.175.

[33] BERSCHIN, Walter, Biographie und Epochenstil im lateinischen Mitelalter, 4 Bde.(Quellen und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters 8-10 und 12/1). I.: Von der Passio Perpetuae zu den Dialogi Gregors des Großen, Stuttgart 1986; II.: Merowingische Biographie. Italien, Spanien und die Inseln im frühen Mittelalter, Stuttgart 1988; III.: Karolingische Biographie 750-920 n. Chr., Stuttgart 1991; IV.: Ottonische Biographie. Das hohe Mittelalter, 1. Halbband: 920-1070 n. Chr., Stuttgart 1999; 2. Halbband: 1070-1220 n. Chr., Stuttgart 2001.

[34] Vgl. LAMBRECHT, Ulrich: Herrscherbild und Principatsidee in Suetons Kaiserbiographien. Untersuchungen zur Caesar- und Augustus-Vita (Habelts Dissertationsdrucke Reihe Alte Geschichte 19), Bonn 1984, S. 137ff.

[35] FLECKENSTEIN, Josef: Karl der Große und sein Hof, in: Karl der Große. Lebenswerk und Nachleben, hg. von Wolfgang BRAUNFELS, Bd. 1: Persönlichkeit und Geschichte, hg. von Helmut BEUMANN, Dusseldorf 1965, S. 25.

[36] CLEMEN, Paul, Die Porträtdarstellungen Karls des Grossen, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 11, 1889, S. 200f.

[37] vita caroli, c.16:"Adeo namque Hadefonsum Galleciae atque Asturicae regem sibi societate devinxit, ut is, cum ad eum vel litteras vel legatos mitteret, non aliter se apud illum quam proprium suum appellari iuberet."

[38] DÉFORRNEAUX, M: Charlemagne et la monarchie asturienne. Paris 1951, S.177-184.

[39] AUERBACH, Erich: Literatursprache und Publikum in der lateinischen Spätantike und im Mittelalter, Bern 1958, S.191f.

[40] Lupus von Ferrières, Epp. 1, S. 8: [...] venit in manus meas opus vestrum, quo memorati imperatoris clarissima gesta (liceat mihi absque suspicione adulationis dicere) clarissime litteris allegastis.

[41] Lupus von Ferrières, Epp. 91, S. 81, wendet sich an den Abt Markward von Prüm mit folgender Bitte: Quaeso praeterea, ut ad sanctum Bonifatium sollertem aliquem monachum dirigatis, qui ex vestra parte Hattonem abbatem deposcat, ut vobis Sueton[ium] Tr[anquillum] de Vita Caesarum, qui apud eos in duos nec magnos codices divisus est, ad exscribendum dirigat; mihique eum aut ipsi, quod nimium opto, afferatis aut si haec felicitas nostris differetur peccatis, per certissimum nuntium mittendum curetis. Namque in hac regione nusquam invenitur et credimus hoc quoque nos beneficium vestra liberalitate consecutoros;

[42] Prolog Walahfrids, in: Einhart, Vita, S. XXVIII: Gloriosissimi imperatoris Karoli vitam et gesta, quae subiecta sunt, Einhartus, vir inter omnes huius temporis palatinos non solum pro scientia, verum et pro universa morum honestate laudis egregiae, descripisse cognoscitur et purissimae veritatis, utpote qui his paene omnibus interfuerit, testimonio roborasse.

[43] Sueton, Aug., cap. 10, S. 50: omnium bellorum initium et causam hinc sumpsit: nihil conuenientius ducens quam necem auunculi uindicare tuerique acta [...]

[44] Einhart, Vita, cap. 17, S. 20: Qui cum tantus in ampliando regno et subigendis exteris nationibus existeret [...].

[45] siehe Anm. 13

[46] Einhart, Vita, Praef., S. 1: „…clarissima et inlustrissima [...] gesta”

[47] Sueton 97, 2: "Sub idem tempus ictu fulminis ex inscriptione statuae eius prima nominis litera efluxit; responsum est, centum solos dies posthac victurum, quem numerum C litera notaret, futurumque ut inter deos referretur, quod aesar, id est reliqua pars e Caesaris nomine, Etrusca lingua deus vocaretur."

[48] Einhart, Vita, c.32: "Accessit ad hoc creber Aquensis palati tremor et in domibus, ubi conversabatur, assiduus laqueariorum crepitus. Tacta etiam de caelo, in qua postea sepultus est, basilica, malumque aureum, quo tecti culmen erat ornatum, ictu fulminis dissipatum et supra domum pontificis, quae basilicae contigua erat, proiectum est. Erat in eadem basilica in margine coronae, quae inter superiores et inferiores arcus interiorem aedis partem ambiebat, epigramma sinopide scriptum, continens, quis auctor esset eiusdem templi, cuius in extremo versu legebatur: KAROLUS PRINCEPS. Notatum est a quibusdam eodem, quo decessit, anno paucis ante mortem mensibus eas, quae PRINCEPS exprimebant, literas ita esse deletas, ut penitus non apparerent."

[49] Einhart, Vita, Praef., S. 1: Satiusque iudicavi eadem cum aliis velut communiter litteris mandata memoriae posterorum tradere quam regis excellentissimi et omnium sua aetate maximi clarissimam vitam et egregios atque moderni temporis hominibus vix imitabiles actus pati oblivionis tenebris aboleri.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Das Anwesend-Abwesende in der Karlsvita Einharts
Hochschule
Technische Universität Dresden
Veranstaltung
Krieg und Christianisierung in der Karolingerzeit
Note
1
Autor
Jahr
2005
Seiten
25
Katalognummer
V109528
ISBN (eBook)
9783640077083
Dateigröße
777 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Anwesend-Abwesende, Karlsvita, Einharts, Krieg, Christianisierung, Karolingerzeit
Arbeit zitieren
Steffen Fischer (Autor:in), 2005, Das Anwesend-Abwesende in der Karlsvita Einharts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109528

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