Zurück in die Barbarei


Seminararbeit, 2005

15 Seiten, Note: 14

Laurin Schmitzler (Autor:in)


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung..

2. Reality Shows
2.1 Was ist Reality TV?..
2.2 Wie kam es zu den Reality Shows?..
2.3 Beispiele von erfolgreichen Reality TV Shows in den USA
2.4 Was macht das Reality TV so erfolgreich?..
2.5 Was bringt Menschen dazu, an solchen Shows teilzunehmen?
2.6 Wie real sind Reality Shows?…...

3. Ethische Analyse
3.1 Sind solche Sendungen ethisch begründbar?
3.1.1 Das Prinzip Verantwortung / Ehrfurcht vor dem Leben
3.1.2 Pflichtethik.
3.1.3 Utilitarismus.

4. Schaden uns Reality Shows?

5. Fazit.

6. Literaturverzeichnis.

1. Einleitung

Die US-Reality Shows werden immer umstrittener, was einst mit the Chair anfing, einer Show, bei der Kandidaten auf einem Stuhl Fragen beantworten mussten und dabei physischen Qualen ausgesetzt wurden, war nur der Anfang. Wenn es um Quoten geht, kennen die amerikanischen TV-Sender keine Grenzen mehr: ABC, CBS, FOX und NBC streiten sich schon seit langer Zeit um die besten Einschaltquoten.

Was für die meisten vielleicht makaber oder pervers aussehen mag, hat selbst hier in Europa schon Nachahmer gefunden und hat einen riesigen Erfolg.

Die inszenierten Sendungen reichen der heutigen Generation nicht mehr. Sie schreien förmlich nach reelen Darstellungen. So gibt es einige Sendungen, welche die Polizei, die Feuerwehr oder die Notärzte mit Kameras begleiten, um echte Verbrechen und Verwundete bzw. Tote zu filmen. So kam es in Kalifornen zu einer Live-Verfolgungsjagd der Polizei auf einem Highway, bei der der Flüchtende aus Verzweiflung schließich Selbstmord beging. Die Quoten waren dabei beträchtlich. Für die Sender ist es inzwischen zu einem harten Konkurrenzkampf gekommen, in dem es nur darum geht, die Grausamkeit weiter zu steigern und den anderen zu übertreffen.

Die römischen Bürger wären mit solcher Unterhaltung, wo Gladiatoren vor etwa 2000 Jahren um ihre Freiheit, Ehre und Leben kämpften, sicher auf ihre Kosten gekommen. So könnte sich Bill Clark, Reporter der New York Times, vorstellen, dass in naher Zukunft zwei Leute auf Leben und Tod gegeneinander kämpfen werden: „ Der eine erhält eine Million Dollar, der andere wird im Sarg rausgetragen, wie im römischen Kolosseum vor 2000 Jahren“.[1]

Zielsetzung: Diese These möchte ich im Folgenden analysieren und eine Prognose wagen, ob sie tatsächlich gerechtfertigt ist, bzw. wo uns diese Entwicklung noch hinführen wird. Anschließend will ich, an Hand von ausgewählten Ethiken, überprüfen, ob solche TV-Shows moralisch begründbar sind Kapitel

2. Reality Shows

2.1 Was ist Reality-TV?

Reality TV ist eine mediale Kunstform, bei der das Leben selbst (oder ein gewisser Teil desselben) von den Telnehmern gespielt und durch zahlreiche Kameras aufgezeichnet und in Echtzeit oder in Zusammenfassungen dem interessierten Publikum im Fernsehen dargestellt wird. Allen ist der Spiel- bzw. Wettkampcharakter gemeinsam, da während der Show laufend Teilnehmer durch Publikum- oder Jury Entscheid abgewählt werden und der Übriggebliebene das Preisgeld einstreichen darf.“[2] Reality-TV entwickelte sich langsam am Anfang des 21. Jahrhunderts und ist inzwischen zur vorherrschenden Unterhaltungssendung in den Vereinigten Staaten geworden.

2.2 Wie kam es zu den Reality Shows?

Frank Farley, ehemaliger Präsident der American Psychological Association meint, es wäre nicht klar wo alles begann. Biografien und Autobiografien hätten uns schon immer fasziniert. Genau wie Helden, Führer und Prominente. Das neue daran ist der voyeuristische Aspekt. Seiner Meinung nach liege das an der dramatischen Ausweitung des Fernsehens und der konsequenten Einbeziehung von noch extremeren Programmgestaltungen. Magazine, die sich auf das private Leben konzentrieren wie zum Beispiel das „People-Magazin“ und Boulevardmagazine waren auch einflussreich. Ein Ende sei nicht in Sicht.

Während sein Kollege Bob Thompson glaubt, dass sich voyeuristische Tendenzen tief im menschlichen Herz befänden, und dass ein sehr konkurrenzvoller Fernsehmarkt, eine entspannte Haltung gegenüber Zensierungen im Fernsehen, die heutige Technologie und die natürliche Verwandtschaft zwischen Fernsehen und Voyeurismus halfen, dass es 2000 zu so einer Entwicklung kam.[3]

2.3 Beispiele von erfolgreichen Reality TV Shows in den USA

- The Chair (ABC Network)[4]

Der ehemalige Tennisstar McEnroe, moderiert diese Reality-Show, in der Zuschauer, unter physischem und psychischem Druck, Höchstleistungen bringen müssen. Sie werden an einen, in der Luft hängenden, Stuhl geschnallt und müssen Quizfragen beantworten, während sie Stromstößen, Alligatoren und Feuerwerkskörpern ausgesetzt werden. Dabei dürfen sie eine bestimmte Herzfrequenz nicht überschreiten. Als Belohnung für diese Tortur gibt es bis zu 250.000 US-Dollar zu gewinnen.

- The Chamber (Fox Network)[5]

Dies ist wahrscheinlich die brutalste Reality-Quizshow auf dem amerikanischen Fernsehmarkt: Hier werden die Kandidaten in eine Kammer gesperrt, wo sie abwechselnd Hitze, Kälte, Elektroschocks, simulierten Sturmböen oder Erdbeben ausgesetzt werden.

Wer dies übersteht, ohne zwei Fragen nacheinander falsch zu beantworten, bekommt 10.000 US-Dollar.

- Survivor (CBS Network)[6]

Hierbei werden 16 Kandidaten unterschiedlichen Geschlechts, Alters und Charakters auf eine Insel für 39 Tage sich selbst ausgesetzt. Die Kandidaten werden in zwei rivalisierende Stämme eingeteilt und müssen in Wettbewerben gegeneinander antreten. Der Verlierer bestimmt daraufhin einen Kandidaten, der die Insel verlassen muss. Am Ende werden die zwei Stämme zusammengelegt und es entsteht ein Einzelkampf um den Gewinn von einer Millionen Dollar.

- Fear Factor (NBC Network)[7]

Das ist wahrscheinlich die ekelhafteste Reality-Show. Die Kandidaten müssen neben physischen Aufgaben auch ihren Ekel überwinden. Sie müssen sich vom Saft aus zertretenen Würmern ernähren, Schaafsaugen essen und sich in eine Grube voller Ratten legen. Dem Sieger winken 50 000 Dollar.

2.4 Was macht das Reality TV so erfolgreich?

Amerikanisches Fernsehen benötigt laut Neal Postman nur „ minimales Auffassungsvermögen “.[8] Einige Zuschauer sind nur neugierig. Diese möchten einfach erfahren, was als nächstes passiert. Andere möchten am nächsten Tag Gesprächsstoff haben. Und manche sind einfach Fernsehsüchtig. Alles was neu ist, zieht die Zuschauer an, zumindest bis etwas neues, noch spektakuläreres auftaucht[9]. Der ein oder andere kann sich vielleicht mit den Zuschauern identifizieren oder möchte etwas daraus lernen. Die Instinkte, die dabei angesprochen werden, sind allerdings alles andere als lobenswert: Voyeurismus, Sadismus und Schadenfreude.

Robert Peters von der Organisation „Morality in Media“ beschreibt es folgendermaßen:

„Es ist wie ein Autounfall, es sollte und schockieren, uns abstoßen, doch irgendetwas lässt uns halten und gucken“[10].

Des Weiteren ist es viel billiger, etwas reales zu produzieren. Man benötigt keine teuren Produzenten, Schauspieler oder Kameramänner. Die Devise lautet: einfach draufhalten und Filmen was passiert.Talent oder Kreativität ist dabei nur nebensächlich.

Die Zuschauer gewöhnen sich allmächlich an die Grausamkeit, die Freizügigkeit, die Vulgarität oder die physischen Verletzungen (à Habitualisierungsthese) und verlangen dabei immer mehr. Sie versuchen sich den Kick, den sie im Alltag nicht bekommen, anderswertig zu beschaffen[11]. Das dabei Menschen gedemütigt werden und die Menschenrechte mit Händen und Füßen getreten werden bleibt durch den Erfolg erstmals nebensächlich.

Die besten Quoten gibt es allerdings, wenn Prominente teilnehmen und der Durchschnittsbürger erfährt, dass diese auch nicht viel anders sind, als sie selbst.

2.5 Was bringt Menschen dazu, an solchen Shows teilzunehmen?

Für manche mag es nur der Nervenkitzel sein, aber die meisten möchten entweder reich oder berühmt werden, denn zur Teilnahme wird keiner gezwungen. Das Preisgeld ist dabei nicht einmal besonders entscheidend. Oft bekommen die Gewinner danach Werbeverträge oder andere Angebote, mit denen sie noch viel mehr Geld verdienen. Es ist erstaunlich, was für Qualen ausgehalten werden, um dieses Ziel zu erreichen. Denn die möglichen physischen wie psychischen Schäden sind alles andere als fiktiv und ob sie dabei Schadensersatz bekämen ist eine andere Frage.

Kurt Felix sagte einmal folgendes: „Früher wollten alle Leute in den Himmel, heute wollen sie ins Fernsehen“.[12] Oder wie Andy Warhol einst sagte: „ Jeder Mensch kann für 15 Minuten ein Star sein “ und die Kandidaten sehen in solchen Shows ihre Möglichkeiten.

Reichtum und Ruhm überschattet alles in unserer heutigen Gesellschaft. Die Teilnehmer wissen genau, dass sie bei einem möglichen Gewinn wie Helden gefeiert werden und im ganzen Land berühmt werden können. Einige steigen danach in die Schauspiel- oder Musikbranche ein, wo sie meistens gar nicht so schlecht abschneiden, da sie, trotz dem oft mangelndem Talent, bereits eine feste Fangemeinschaft mitbringen. So kommt es, dass die Casting-Agenturen eigentlich nie Schwierigkeiten haben, Kandidaten für ihre Shows zu gewinnen, auch wenn diese noch so makaber sein mögen.

2.6 Wie real sind Reality Shows?

Zumindest die Kandidaten sind „normale“ Durchschnittsbürger und keine Schauspieler.

Reality-Shows zeigen diese Kandidaten in angeblich realen Situationen, doch wie diese Kandidaten zum Teil handeln, würden Menschen unter normalen Umständen nie tun. Sie sind bereit, irgendwelche exotischen, ekligen Tiere zu essen und lebensgefährliche Stunts zu absolvieren. Auch die künstlich erzeugten Situationen wirken häufig unrealistisch: So befinden sich die Kandidaten oft in luxuriösen Villen, haben teure Autos oder gute Jobs, wie zum Beispiel in der Reality-TV Show von Multimilliardär Donald Trump: „The Apprentice“.

Des Weiteren bleibt die Tatsache, dass alles stets unter Kontrolle steht:

Es gab bisher noch keinen einzigen ernsten Unfall in den Reality Shows, obwohl zum Beispiel mit gefährlichen und giftigen Tieren hantiert wird.

3. Ethische Auseinandersetzung

3.1 Sind solche Sendungen ethisch begründbar?

Sendungen, die den Zuschauer physisch oder psychisch beeinträchtigen sind sicherlich umstritten. Doch inwiefern sie ethisch begründbar sind, ist eine andere Frage.

Fakt ist, dass man sich auf Kosten anderer amüsiert.

Es gibt zum einen, diejenigen die sich solch ein Konzept ausdenken und ausstrahlen, dann gibt es die, die aktiv als Kandidaten teilnehmen und schließlich die Zuschauer.

Laut Siegmund Freud ist Schamlosigkeit „ ein Zeichen von Schwachsinn.“[13].

Die Menschen befinden sich in einer von Medien konstruierter Realität. Sie interagieren dabei nicht unbedingt realistisch. Oft geben sie ein falsches Bild von sich, indem sie sich verstellen um für den Zuschauer beliebter zu werden. Denn beliebt sind meistens diejenigen, die aus dem Rahmen fallen und nicht den langweiligen realitätsnahen Menschen verkörpern, mit dem man sich vielleicht am besten identifizieren kann. Dabei stehen die Teilnehmer unter einer sozialen Verantwortung wenn sie, wie zum Beispiel bei „Survivor“ in einer gemeinsamen Sphäre interferieren. Verstellt man sich nun und macht das reibungslose Zusammenleben unmöglich, muss man sich nach Sparmann dieser Verantwortung unterziehen. Ein weiterer Punkt der Zuschauer ist es, am Schicksal der Kandidaten selbst Einfluss nehmen zu können. So gibt es häufig die Möglichkeit, einen Zuschauer per Telefonvotum zu irgendwelche Qualvollen Aufgaben zu schicken und so selbst „Gott“ zu spielen.

Sollte man einmal soweit sein, dass die Zuschauer über Leben oder Tod entscheiden können, sind wir endgültig wieder in der Barbarei gelandet. Auch dort konnte man den römischen Kaiser durch Zurufe oder Handzeichen in seiner Meinung beeinflussen. Dieses mal ist der Kaiser die Fernsehanstalt und die Quoten die Handzeichen. Wenn man nun öffentlich über ein Leben entscheidet, verstößt man gegen grundsätzliche ethische Regeln, die zum Teil schon in der Bibel in Form der 10 Gebote verankert sind. So heißt es im Exodus 20,2-17: „Du sollst nicht töten“[14]. Ob sich die Zuschauer bewusst sind, dass sie zumindest eine Teilverantwortung tragen, wenn sie den Tod eines Menschen fordern? Ich vermute, dass die meisten Menschen sich nicht für einen Mörder halten, solange sie die Tat nicht selbst ausführen.

Dabei könnte man dies heute schon als „Beihilfe zum Mord“ bezeichnen, denn wenn keiner solche Sendungen fordern würde, werden solche Sender wahrscheinlich auch nicht existieren. Doch so weit ist es im Moment noch nicht und wird es hoffentlich auch nie kommen.

Des Weiteren gilt es als moralisches Gesetz, keine Menschen oder Tiere zu quälen, was auch in jedem demokratischen Land in der Verfassung verankert ist. Die unantastbaren Menschenrechte garantieren das Recht auf Leben und persönlicher Freiheit sowie den Schutz vor Folterung oder Sklaverei. Somit dürfte es eigentlich gar nicht zu solchen Shows kommen, unabhängig davon, ob sich Zuschauer freiwillig dazu bereit erklären oder nicht.

Doch in einem Land in dem die Todesstrafe noch an der Tagesordnung steht, kümmert das wenig. Neben der (angeblichen) Freiheit stehen die Vereinigten Staaten nach wie vor für Kapitalismus und der ist hier vorherrschend.

3.1.1 Das Prinzip Verantwortung / Ehrfurcht vor dem Leben

- Die Verantwortungsethik [15] von Hans Jonas, bei der die Zukunft mit einbezogen werden muss, spricht gegen solche Shows. Denn wie Neil Postman einst sagte: „Wir amüsieren uns zu Tode“[16], ist im Moment kein Ende der Gewaltbereitschaft in Sicht und so könnten düstere Zukunftsvisionen wie zum Beispiel vom Film „Running Man“ von Paul Michael Glaser, nach Vorlage von Stephen King, wahr werden. Er hatte bereits 1987 die Vision, dass Menschen in Reality-Shows gegeneinander auf Leben und Tod kämpfen würden. Hierbei werden unbewaffnete Sträflinge, wie der von Arnold Schwarzenegger gespielte Ben Richards, willkürlich ausgewählt und in ein Schlachtfeld voller TV-Kämpfer mit Hockeyschlägern und Motorsägen geschickt. Überleben sie, winkt ihnen die Freiheit. Die treibende Kraft, die hierbei den Tod des vermeintlichen Bösen fordert, ist einmal mehr das Publikum.[17]

Eine Ehrfurcht vor allem Lebendigen, wie zum Beispiel Albert Schweizer proklamiert, ist nicht mehr gewährleistet, denn hier wird mit den Schicksalen anderer Menschen gespielt, als wären diese irgendwelches Spielzeug, mit dem man sich vergnügen kann. Verantwortung setzt Mündigkeit voraus, das heißt das eigene Handeln frei zu bestimmen und dessen Folgen abzusehen, was auf alle Beteiligten zutrifft. Die Teilnehmer, genau wie die TV-Anstalt sind mündig und müssen sich gegebenenfalls verantworten.

Hans Jonas formulierte den Kategorische Imperativ neu und passte ihn den neuen Technologien an: „ Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlungen verträglich sind mit der Permanenz echten Menschlichen Lebens auf Erden.“[18]

So ist das primäre ethische Ziel der Erhalt der Menschheit (nicht des Einzelmenschen). Alle technischen Entwicklungen sind solange zu unterlassen, bis wir ihre Fernwirkungen kennen. Nur so ist sichergestellt, dass wir für die zukünftige Menschheit heute Verantwortung übernehmen können und somit den neuen Imperativ einlösen können.[19]

Denn was wissen wir schon über die Technologie des Fernsehens und ihre Folgen?

Die Fernwirkungen werden immer noch untersucht, auch wenn einige Thesen schon widerlegt wurden (Katharsisthese und Suggestionsthese), weiß man doch noch zu wenig, um sagen zu können, dass uns derartige Reality-Shows nicht schaden und uns doch zu dem Ergebnis bringen wird, welches von Robert Peters vermutet wird.

Alles was die Menschheit in irgendeiner Art und Weise gefährdet und das ist bei solchen geschmacklosen Shows, bei denen Menschen gedemütigt und eventuell verletzt werden, wahrlich der Fall, ist somit für Hans Jonas und Albert Schweitzer unmoralisch. Dunkle Visionen, wie zum Beispiel im oben genannten Film „Running Man“ helfen laut der „Heuristik der Furcht“ von Hans Jonas dazu, dass die Menschheit gewarnt ist und es möglichst nicht dazu kommen lässt. Denn diese besagt, dass, wenn die Menschen bestimmte Grenzen überschreiten eine negative Motivierung, wie das Furchteinflößen, nötig sei, um ihre Meinung zu ändern.

3.1.2 Pflichtethik

- Auch nach Kant sind solche[20] TV-Shows unmoralisch, denn in seiner Pflichtethik ist alleine das Handeln gut, bei dem auch der Wille gut ist und bei den TV-Anstalten wie FOX, CBS, NBC und ABC heißt der Wille einzig und alleine „Profit“. Reality-Shows sind ein Produkt aus Verzweiflung in schlechten Zeiten. Sie verstoßen gegen moralische Regeln indem sie auf Voyeurismus, Sadismus und Schadenfreude zielen. Vor allem aber die Würde des Menschen wird missachtet, um stattdessen nach Gewinn zu streben.

Dennoch sind sie pflichtgemäß, denn die Kandidaten werden zu den Qualen nicht gezwungen und werden vorher unterrichtet, was sie zu erwarten haben. Sollte ihnen der Druck zu groß werden, haben sie jederzeit die Möglichkeit die Sendung zu verlassen.

Dies hört sich zwar vernünftig an, bedenkt man jedoch was einem Kandidaten, besonders wenn er prominent ist, bei einem möglichen Ausstieg blüht, sieht die Sache anders aus: Die Zuschauer erwarten von den Kandidaten, dass sie „auf die Zähne beißen“ und nicht so schnell aufgeben.

Mit diesen Gedanken im Hinterkopf, fällt es ihnen schwer, auszusteigen. Sie erwartet dann öffentliche Häme, Missbilligung und werden als Verlierer oder „Memmen“ abgestempelt.

Prominente können dabei viel an Sympathie verlieren, was für diese besonders schlimm ist, da dies eines ihrer Lebensgrundlagen bildet. Anderseits sind es meistens unbekannte oder erfolglose Prominente, die bei Reality-Shows teilnehmen, denn so wie sie an Sympathie verlieren können, erwartet sie bei einem möglichen Gewinn genau das Gegenteil: Sie werden in der Öffentlichkeit als Helden dargestellt und meist beliebter als je zuvor.

Kants Kategorischer Imperativ („ Handle nur nach derjenigen Maxime, von der du zugleich wollen kannst, dass sie allgemeines Gesetz werde “) spricht auch gegen Reality-Shows, denn zum einen kann es für die Allgemeinheit nicht gut sein, wenn man gewisse moralische Werte und Normen, wie die Unverletzlichkeit der Menschenwürde, überschreitet. Auch das gegenseitige Verhalten der einzelnen Teilnehmer ist auf dieses Gesetz nicht anwendbar, zumindest verhalten sie sich viele nicht dementsprechend. Ähnlich sieht es bei der goldenen Regel („ Was du nicht willst, das man dir tu, das füge auch keinem anderen zu “) aus, welche sich von dem Kategorischen Imperativ darin unterscheidet, dass diese nicht auf die Allgemeinheit übertragen werden kann.

3.1.3 Utilitarismus

- Auch beim Utilitarismus,[21] der teleologischen Ethik von Jeremy Bentham und John Stuart Mill, sieht die Sache ähnlich aus. Laut dem Utilitarismus ist das richtig, was der größten Zahl von Menschen Glück bereitet (Handle nach derjenigen Maxime, die für die Allgemeinheit am meisten Nutzen bringt). Dieses Glück beinhaltet alle nicht-moralischen Werte wie zum Beispiel Reichtum, Ruhm und Gesundheit.

Die individuellen Zustände werden laut Bentham unter den Gesichtspunkten der Intensität, der Dauer, der Gewissheit, der Nähe oder Ferne, der Folgeträchtigkeit, der Reinheit und des Ausmaßes beurteilt.

Hier muss man zwischen verschiedenen Gruppen unterscheiden: Zum einen profitiert die TV-Anstalt sowie der Gewinner der Show von solchen Sendungen. Zum anderen auch der Zuschauer in der Hinsicht, dass er voll auf seine (Unterhaltungs-) Kosten kommt und eventuell aus den Situationen etwas lernen kann. Laut der Lerntheorie kann der Zuschauer aus Situationen, die er in den Medien beobachtet hat, lernen, indem er sich den Konsequenzen des Handelns bewusst wird und in der etwaigen Realität anders handelt.

Man könnte allerdings auch so argumentieren, dass die Allgemeinheit davon verdummt und immer mehr Vulgarität, Freizügigkeit und Gewaltsamkeit fordert, was die Quoten auch bestätigen. Anfangs kamen die Fernsehanstalten mit ihren Sendungen á la „Who wants to be a millionaire?“ ganz gut zurecht.

Doch dann führte ABC Network „The Chair“ ein und keiner Interessierte sich mehr dafür, wie man mit reinem Allgemeinwissen viel Geld gewinnen konnte.

Ab dann musste man schon mehr für sein Geld tun. Die Anforderungen beinhalteten von nun an auch Dinge wie Durchhaltevermögen und Schmerzenunempfindlichkeit. In dieser Hinsicht spricht der Utilitarismus gegen solche Sendungen.

4. Schaden uns Reality Shows?

Rom, etwa 50 n. Chr.: Ein verurteilter Sklave wird in eine Arena voller Raubtiere gebracht. Die Menge tobt. Alle sind außer sich vor Freude. Die Motive sind nicht Rache, Wut, Hass oder Bestrafung – sondern entsetzliche Unterhaltung.

Ungefähr 2000 Jahre später: Die „zivilisierte“ Welt genießt es nach wie vor, Zuschauer von leidenden Menschen zu sein.

Laut Neil Postman ist „ kein Medium gefährlich, sofern seine Benutzer wissen, wo die Gefahren lauern”.[22] Doch dies ist genau der Punkt: Wissen die Zuschauer von den Gefahren, wenn sie regelmäßig ihren Fernseher anschalten?

Ich wage davon auszugehen, dass sich die meisten gar keine Gedanken machen und sich einfach unterhalten wollen. Über den menschenverachtenden Inhalt will ich an dieser Stelle nicht noch einmal eingehen. Doch, dass es ihnen spaß macht, Menschen leiden zu sehen, ist aufgrund der für sich sprechenden Quoten, unbestritten.

Solange die Zuschauer zwischen echter und künstlicher Realität unterscheiden können, herrscht keine Gefahr. Dennoch gibt es genügend Zuschauer, die während diesen Sendungen sogar richtige Emotionen zeigen.

Dabei sind sie eigentlich nur für die Unterhaltung gedacht, nicht für die Bildung oder Besinnung. Diese Zeiten sind vorbei (wenn sie denn je da waren). Der beste Indikator für diese Entwicklung ist die Quotenflaute von „Who wants to be a millionaire?“. Das Mitdenken bzw. Mitraten kommt beim amerikanischen Publikum schon lange nicht mehr so gut an, wie hier[23]. Dies prognostizierte Neil Postman bereits 1985 als er sagte „ Denken kommt auf dem Bildschirm nicht gut an, denn Denken ist keine darstellende Kunst, doch Fernsehen erfordert die Kunst der Darstellung

Nicht ungefährlich ist auch, dass die vorherrschende Altersgruppe bei den Zuschauern, die 12-21 Jährigen, die am einfachsten beeinflussbare ist, und wenn gezeigt wird, dass Trinken und Rauchen den Teilnehmern spaß machen, wundert es einen nicht, dass die Tendenzen dazu drastisch steigen.

Sicher ist auch, dass das Reality-TV unsere Medienkultur zerstört und seriöse Dokumentarsendungen langsam verschwinden lassen wird, wenn der Hunger nach noch mehr Action, noch mehr Schmerzen und noch mehr Nervenkitzel weiter steigt: „ Problematisch am Fernsehen ist nicht, dass es uns unterhaltsame Themen präsentiert, problematisch ist, dass es jedes Thema als Unterhaltung präsentiert.“[24] Denn wenn wir schon bereit sind, Leute leiden zu sehen, wären wir dann nicht auch bereit Leute sterben zu sehen?[25]

Inzwischen sind wir auch schon so weit, dass es nur noch Massenmörder auf die Titelseite schaffen. Einfachmörder sind nicht mehr genug.

Man muss heutzutage schon ein Hochhaus in die Luft jagen um die Aufmerksamkeit der Zuschauer zu erregen. Wie lange wird es also noch dauern, bis die ersten im Reality-TV sterben?

Abgesehen davon verschwindet zunehmend die Privatsphäre und wir könnten uns schon bald in einem Überwachungsstaat befinden, wie George Orwell in seinem Buch „1984“ verfasste.

Viele der Teilnehmer, die alles nur für ein Spiel halten und „nur dabei sein wollen“, finden sich schließlich schnell in der Realität wieder. So gab es in der amerikanischen TV-Show „Survivor“ schon mehrere Kandidaten, die während der Sendung zusammengebrochen sind, weil ihnen der Druck zu groß wurde. Der Gedanke an den möglichen Gewinn ist oft größer als die Vernunft.

Gefährlich ist auch, dass die Schwelle zwischen Fantasievorstellungen und Realität immer weiter verschwinden und so die Hemmschwelle sinken lässt.

5. Fazit

Aufgrund, der nun gründlichen, Analyse bin ich zu dem Schluss gekommen, dass man den Warnungen von Robert Peters bzw. Neil Postman durchaus Beachtung schenken sollte, denn wenn diese Entwicklung so rapide voranschreitet wie im Moment, ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch die letzte Hemmschwelle im Fernsehen gebrochen wird. Man sollte nicht immer nur zum größtmöglichen Gewinn schreiten, sondern bestimmte moralische Normen und Regeln einhalten, denn das ist es letztendlich das eine moderne, zivilisierte Gesellschaft ausmacht. Die Parallelen zur vergangenen Zeit sind viel zu deutlich, als dass man sie ignorieren könnte.

Literaturverzeichnis

Bibel. Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 1996, Exodus 20.2-17

Klass, Nadine: Rechtliche Grenzen des Realitätsfernsehen. Mohr Siebeck Verlag, Tübingen 2004

Postman, Neil: Wir amüsieren uns zu Tode. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1988

Rushdie, Salman: Reality: a dearth of talent and the death of morality. The guardian, 9.Juni 2001

Schön, Gerti: Heiße Antworten aus dem Backofen. Die Zeit, 1.01.2002

Wegener, Claudia: Reality-TV Leske + Budrich, 1994

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http://www.rhetorik.ch/Aktuell/Aktuell_Jan_15_2002.html

http://www.rhetorik.ch/Aktuell/Aktuell_Nov_22_2002.html

http://www.welt.de/data/2002/01/17/395956.html?search=backofen&searchHILI=1

[...]


[1] Zitat aus http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/kulturzeit/themen/28405 übernommen.

[2] Übernommen aus http://de.wikipedia.org/wiki/Reality_Show

[3] Gesamter Abschnitt von: http://www.pbs.org/newshour/forum/july00/reality1.html übersetzt.

[4] Detaillierte Beschreibung unter http://abc.go.com/primetime/thechair/

[5] Von http://www.happyrobot.net/reviews/tv_sucks.asp?id=74

[6] Von http://www.bgsu.edu/departments/tcom/faculty/ha/tcom103.fall2002/gp16/

[7] Inhalt vom Sinn aus http://www.nbc.com/Fear_Factor/faq.shtml übernommen

[8] Aus Postman, Neil: Wir amüsieren uns zu Tode. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1985, S. 109

[9] Übersetzt und übernommen aus: http://www.moralityinmedia.org/index.htm?mediaIssues/ratvictory.htm

[10] Quelle: http://www.3sat.de/kulturzeit/themen/28405/

[11] Quelle: http://www.rhetorik.ch/Aktuell/Aktuell_Jan_15_2002.html

[12] http://www.rhetorik.ch/Aktuell/Aktuell_Nov_15_2001.html

[13] Zitat von http://www.mediamanual.at/mediamanual/themen/pdf/diverse/35_heintel.pdf übernommen

[14] Aus der Bibel. Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 1996, Exodus 20.2-17

[15] Prinzip Verantwortung einzusehen unter http://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Jonas

[16] aus Postman, Neil: Wir amüsieren uns zu Tode. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1985, Titel

[17] Inhalt im Internet unter http://www.kinopolis.de/filminfo/r/runningman.html einzusehen

[18] aus http://www.learn-line.nrw.de/angebote/genbiotec/medio/540.htm teilweise übernommen

[19] Ebd

[20] Pflichtethik einzusehen unter http://de.wikipedia.org/wiki/Kategorischer_Imperativ

[21] Ethik des Utilitarismus einzusehen unter http://www.philosophielexikon.de/utilitarismus.html

[22] aus Postman, Neil: Wir amüsieren uns zu Tode. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1985, S. 196

[23] von Gerti Schön: Heiße Antworten aus dem Backofen. Die Zeit, 17.01.2002

[24] aus Postman, Neil: Wir amüsieren uns zu Tode. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1985, S. 110

[25] Salman Rushdie: Reality: a dearth of talent and the death of morality. The guardian, 9.juni 2001

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Zurück in die Barbarei
Note
14
Autor
Jahr
2005
Seiten
15
Katalognummer
V109647
ISBN (eBook)
9783640078264
Dateigröße
719 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zurück, Barbarei
Arbeit zitieren
Laurin Schmitzler (Autor:in), 2005, Zurück in die Barbarei, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109647

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