Bei dem Versuch, einen Überblick über die Erinnerungen an den amerikanischen Vietnamkrieg zu erlangen – sei es im Bereich des Films, der Zeitzeugenberichte oder der autobiographischen bzw. fiktiven Literatur – scheint die obige These auf den ersten Blick verifiziert.
Unzählige Vietnamkriegsfilme und -romane sind seit Kriegsende von amerikanischen Filmemachern und Schriftstellern publiziert worden. Der Ausspruch „Winners write history; losers live with it“ scheint sich in diesem Fall ins Gegenteil verkehrt zu haben: Hier werden wir mit einem äußerst einseitigen Geschichtsbild konfrontiert – der amerikanischen Erinnerung und somit Interpretation des Vietnamkrieges.
Die Amerikaner haben zwar den Krieg verloren, aber es sind ihre Schilderungen, die auf Grund ihrer Dominanz maßgeblich bestimmen, wie sich der Westen an den Krieg erinnern wird. „The U.S. lost the shooting war, but, so far, it is winning the meta-war.”
Zwar existieren Interviews mit vietnamesischen Zeitzeugen oder Dokumentationen über Vietnam, deren Intention es ist, die vietnamesische Perspektive stärker in den Vordergrund zu stellen. Doch auch dort, wo sie authentisch erscheinen wollen, sollte hinterfragt werden, wer diese Interviews führt und inwieweit dadurch bewusst oder unbewusst die jeweilige Aussage verzerrt wird.
Dennoch gibt es einen Bereich, der wahrscheinlich am ehesten einen realistischen Blick zulässt: Es sind dies die Romane der im Westen als Dissidenten bezeichneten vietnamesischen Schriftsteller, die versuchen, dem eben erwähnten Ungleichgewicht von amerikanischen und vietnamesischen Publikationen entgegenzuwirken.
Doch wie genau sieht diese vietnamesische Erinnerung an den amerikanischen Vietnamkrieg aus? Auf welche Hindernisse stoßen vietnamesische Autoren bei der Veröffentlichung? Und warum sind ihre Werke nicht annähernd so verbreitet wie diejenigen ihrer ehemaligen Gegner?
Diese Arbeit soll eine mögliche Antwort auf jene Fragen geben und dem Leser einen Anreiz bieten, sich mit weiteren vietnamesischen literarischen Kriegserinnerungen auseinanderzusetzen. [...]
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Politik und Literatur - Literatur versus Politik
- 2.1 Der Mythos des tapferen Kriegers: Vietnam im Krieg - Die revolutionäre Schule
- 2.2 Der Mythos bröckelt: 1975 als Zäsur - Die Abkehr von der revolutionären Schule beginnt
- 2.3 Der Mythos wird zerstört: 1986-1989 - Kurzfristige Liberalisierung im Zuge von „doi moi“
- 3. Schonungsloser Realismus - Kriegserinnerungen in Bao Ninhs „The Sorrow of War“ und Duong Thu Huongs „Roman ohne Namen“
- 3.1 „The Sorrow of War“
- 3.2 „Roman ohne Namen“
- 4. Schlussbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Möglichkeiten der Erinnerung an den amerikanischen Vietnamkrieg in der vietnamesischen Literatur nach dem Funktionswandel dieser Literatur. Sie analysiert die Herausforderungen, denen vietnamesische Autoren bei der Veröffentlichung ihrer Werke begegneten und die Gründe für die geringere Verbreitung ihrer Arbeiten im Vergleich zu amerikanischen Darstellungen des Krieges. Die Arbeit konzentriert sich auf die Frage, wie die vietnamesische Perspektive auf den Krieg literarisch verarbeitet wurde und welche Rolle politische Rahmenbedingungen dabei spielten.
- Das Verhältnis von Politik und Literatur im Kontext des Vietnamkriegs.
- Der Wandel der vietnamesischen Literatur nach dem Krieg und die Auswirkungen auf die Darstellung des Krieges.
- Die Rolle von „Doi Moi“ als Katalysator für eine veränderte Kriegserinnerung.
- Eine vergleichende Analyse der Kriegserinnerungen in „The Sorrow of War“ und „Roman ohne Namen“.
- Die Herausforderungen der Veröffentlichung und Verbreitung vietnamesischer Kriegserinnerungen im Westen.
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung stellt die These auf, dass die amerikanische Perspektive auf den Vietnamkrieg in der westlichen Erinnerungskultur dominiert. Sie argumentiert, dass amerikanische Filme und Romane ein einseitiges Geschichtsbild vermitteln. Im Gegensatz dazu werden vietnamesische Kriegserinnerungen, insbesondere die Werke von Dissidenten, als potentiell realistischerer Zugang zur vietnamesischen Erfahrung des Krieges präsentiert. Die Arbeit kündigt an, die Möglichkeiten der literarischen Kriegserinnerung in Vietnam zu untersuchen, indem sie das Verhältnis von Politik und Literatur analysiert und exemplarisch zwei Romane – Bao Ninhs „The Sorrow of War“ und Duong Thu Huongs „Roman ohne Namen“ – untersucht. Die Einleitung hebt die Herausforderungen für die Veröffentlichung und Verbreitung vietnamesischer Literatur hervor.
2. Politik und Literatur - Literatur versus Politik: Dieses Kapitel analysiert die Rolle der Literatur während des Vietnamkriegs und den Funktionswandel nach 1975. Es untersucht, wie die Literatur im Krieg der revolutionären Propaganda diente und wie sich dies nach dem Kriegsende veränderte. Die Phase der „Doi Moi“-Reform wird als entscheidender Wendepunkt betrachtet, der die Bedingungen für eine neue Art der Kriegserinnerung schuf, welche sich von der staatlich gelenkten Propaganda entfernte. Das Kapitel legt die Grundlage für das Verständnis der Rahmenbedingungen, in denen die im Folgenden analysierten Romane entstanden sind.
3. Schonungsloser Realismus - Kriegserinnerungen in Bao Ninhs „The Sorrow of War“ und Duong Thu Huongs „Roman ohne Namen“: Dieses Kapitel befasst sich mit der exemplarischen Analyse von zwei Romanen, die einen schonungslosen Realismus in der Darstellung des Vietnamkriegs zeigen. Es untersucht, wie diese Romane die offiziellen Erzählungen des Krieges herausfordern und eine differenzierte Perspektive auf das Erlebte anbieten. Die Analyse beider Romane hebt die individuellen literarischen Strategien und die gemeinsame Thematik der kritischen Auseinandersetzung mit Kriegserfahrungen und deren Auswirkungen auf die beteiligten Personen hervor. Die Kapitel veranschaulichen die Vielfältigkeit und den Einfluss der vietnamesischen Literatur im Kontext von Erinnerung und Geschichtsverarbeitung.
Schlüsselwörter
Vietnamkrieg, vietnamesische Literatur, Kriegserinnerung, Politik und Literatur, „Doi Moi“, Bao Ninh, Duong Thu Huong, „The Sorrow of War“, „Roman ohne Namen“, Dissidenz, amerikanische Kriegspropaganda, Realismus.
Häufig gestellte Fragen zu: Vietnamesische Kriegserinnerungsliteratur
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert die Darstellung des Vietnamkriegs in der vietnamesischen Literatur nach dem Krieg, insbesondere die Herausforderungen für Autoren und die Verbreitung ihrer Werke im Vergleich zu amerikanischen Darstellungen. Der Fokus liegt auf der vietnamesischen Perspektive und dem Einfluss politischer Rahmenbedingungen.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit untersucht das Verhältnis von Politik und Literatur im Kontext des Vietnamkriegs, den Wandel der vietnamesischen Literatur nach dem Krieg, die Rolle der „Doi Moi“-Reform, die vergleichende Analyse von Bao Ninhs „The Sorrow of War“ und Duong Thu Huongs „Roman ohne Namen“, sowie die Herausforderungen der Veröffentlichung und Verbreitung vietnamesischer Kriegserinnerungen im Westen.
Welche Romane werden analysiert?
Die Arbeit analysiert exemplarisch Bao Ninhs „The Sorrow of War“ und Duong Thu Huongs „Roman ohne Namen“, um einen schonungslosen Realismus in der Darstellung des Vietnamkriegs zu zeigen und die Herausforderungen der Erinnerungskultur zu beleuchten.
Welche Rolle spielt die Politik?
Die Arbeit betont die starke Verknüpfung von Politik und Literatur. Sie zeigt, wie die Literatur während des Krieges der revolutionären Propaganda diente und wie sich dies nach 1975 und mit der „Doi Moi“-Reform veränderte, was zu einer neuen Art der Kriegserinnerung führte.
Was ist die These der Arbeit?
Die Arbeit argumentiert, dass die amerikanische Perspektive auf den Vietnamkrieg in der westlichen Erinnerungskultur dominiert und ein einseitiges Geschichtsbild vermittelt. Vietnamesische Kriegserinnerungen, besonders die Werke von Dissidenten, bieten einen potentiell realistischeren Zugang zur vietnamesischen Kriegserfahrung.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit besteht aus einer Einleitung, einem Kapitel über das Verhältnis von Politik und Literatur, einem Kapitel zur Analyse von „The Sorrow of War“ und „Roman ohne Namen“, und einer Schlussbemerkung. Die Einleitung präsentiert die These und den Forschungsansatz, während die Kapitel die These mit Hilfe der Analyse der ausgewählten Romane untermauern.
Was ist die Bedeutung von „Doi Moi“?
„Doi Moi“ wird als entscheidender Wendepunkt betrachtet, der die Bedingungen für eine veränderte Kriegserinnerung schuf, die sich von der staatlich gelenkten Propaganda entfernte und eine freiere Auseinandersetzung mit den Kriegserfahrungen ermöglichte.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Vietnamkrieg, vietnamesische Literatur, Kriegserinnerung, Politik und Literatur, „Doi Moi“, Bao Ninh, Duong Thu Huong, „The Sorrow of War“, „Roman ohne Namen“, Dissidenz, amerikanische Kriegspropaganda, Realismus.
- Arbeit zitieren
- Nicole Tzanakis (Autor:in), 2006, 'Schreiben nach Vietnam' - Die Möglichkeit der Erinnerung an den amerikanischen Krieg nach dem Funktionswandel der vietnamesischen Literatur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110217