Cristóbal de Castillejos Sonett 'Garcilaso y Boscán, siendo llegados ...'als Ausdruck einer 'Dichterfehde'


Seminararbeit, 2002

26 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0. Einleitung

1. Literaturhistorischer Abriss
1.1 Das Sonett
1.2 Petrarca
1.3 Die Einführung des Sonetts in Spanien
1.4 Cristóbal de Castillejo

2. Das Sonett „ Garcilaso y Boscán, siendo llegados, ...“
2.1 Übersetzung
2.1.1 Anmerkungen zur Übersetzung
2.2 Formale Analyse
2.3 Inhaltliche Analyse
2.4 Interpretation
2.4.1 Warum verwendet Castillejo die Sonettform?
2.4.2 Das Gedicht im Zusammenhang mit der Reprensión
2.4.3 Das Gedicht in Bezug zu den Werken Boscáns und Garcilasos
2.4.4 Das Gedicht in Bezug auf die italienischen Dichter und ihre Werke
2.4.5 Die Reprensión als Ausdruck einer ‚Dichterfehde‘
2.4.6 Das ironische Element in der Reprensión

3. Abschließende Betrachtung
3.1 Castillejo – mehr als nur ein konservativer Traditionalist?
3.2 Fazit

Literaturverzeichnis

0. Einleitung

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Erneuerung der spanischen Lyrik im Siglo de Oro. Im ersten Teil wird diese Erneuerung, nämlich die Gedichtform des Sonetts, vorgestellt und auf seine Einführung in Spanien eingegangen. Die Rezeption dieser literarischen ‚Revolution‘ war keineswegs nur positiv. Der vielleicht wichtigste Vertreter der Traditionalisten, also der Lyriker, die sich gegen die Verwendung der neuen Gedichtform weigerten, war Cristóbal de Castillejo. Dessen Leben und Werk wird im zweiten Teil der Arbeit vorgestellt. Im Anschluss daran folgt die Auseinandersetzung mit dem eigentlichen Gegenstand dieser Arbeit, das Sonett „ Garcilaso y Boscán, siendo llegados...“ aus Castillejos

Reprensión contra los poetas españoles que escriben en verso italiano “. Die Analyse und Interpretation des Sonetts sollen zu einer Erklärung führen, warum Castillejo als Traditionalist genau die Form für sein Gedicht wählt, gegen die er sich doch auflehnt. In diesem Zusammenhang ist es nötig, das Gedicht auch in Bezug auf die Werke Boscáns und Garcilasos zu betrachten – die beiden Dichter, die Castillejo dafür kritisiert, dass sie die neue italienische Form nach Spanien geführt haben. Die genannten Untersuchungen sollen dann zu der Beurteilung führen, inwieweit Castillejos Sonett als Ausdruck einer Dichterfehde anzusehen ist, was im letzten Teil der Arbeit dargestellt wird. Abschließend wird noch die Frage beantwortet, ob Castillejo aufgrund seiner Reprensión nun strikt als konservativer Traditionalist einzuordnen ist oder man ihn eventuell zu den Lyrikern der Renaissance zählen kann.

1. Literaturhistorischer Abriss

Im Laufe des 15. Jh. traten an die Stelle der mittelalterlichen Troubadours und den aficionados, also den höfischen Liebhaberdichtern, die Dichter im modernen Sinne. Als wichtiger Repräsentant ist hier vor allem Iñigo de Mendoza, der Márques de Santillana (1398-1458) zu nennen, aber auch Juan de Mena (1411-1456) und Jorge Manrique (1440-1474).

Die Lyrik des Siglo de Oro setzte metrisch und thematisch die beiden Haupttendenzen des 15. Jh. fort, womit der Keim für die hier zu behandelnde Dichterfehde gesäht wurde. Auf der einen Seite gab es weiterhin die traditionellen Cancionero -Dichter mit ihrer höfischen und ihrer volkstümlichen Komponente, auf der anderen Seite die Dichter, die im neuen italisierenden, antikisierenden Stil schrieben. Zunächst allerdings benutzten auch die Lyriker der Renaissance den alten Stil. So verwendete beispielsweise Juan Boscán in den ersten der drei Bände seiner Werke noch canciones, coplas, glosas und villancicos, im Gegensatz zu Garcilasos Werken, in denen man nur noch acht coplas castellanas findet. Obwohl die traditionelle Lyrik im 16. Jh. als eine nicht zu unterschätzende, weit verbreitete literarische Richtung weiter existierte, ist nicht von der Hand zu weisen, dass in der zweiten Hälfte des 16. Jh. die von Garcilaso gewiesene moderne Richtung die bestimmende war.

1.1 Das Sonett

Was war also diese literarische ‚Revolution‘?

Diese neue literarische ‚Revolution‘ kam ursprünglich aus Italien. Sie bestand vor allem in der Verwendung von 11-Silbnern, dem für das Sonett gebräuchliche Metrum. Die Bezeichnung Sonett leitet sich entweder vom Lateinischen ab (sonare = klingen, tönen) oder von dem altprovenzalischen Wort „ sonet “, was soviel bedeutet wie kleine, leichte Melodie. Das Sonett besitzt eine feste äußere Form. Es ist ein 14-zeiliges Gedicht, bei dem sich die ersten acht Verse in zwei Quartette aufteilen, die das Reimschema ABAB, ABAB (rima cruzada) oder ABBA, ABBA (rima abrazada) aufweisen. Die letzen sechs Verse bestehen wiederum aus zwei Terzetten mit dem Reimschema: CDE, CDE oder CDC, CDC. Somit lassen sich also vier verschiedene Typen unterscheiden:

1. ABBA, ABBA, CDE, CDE
2. ABBA, ABBA, CDC, CDC
3. ABAB, ABAB, CDE, CDE
4. ABAB, ABAB, CDC, CDC.

Die innere Struktur sollte durch Zweigliedrigkeit, einen dialektischen Ablauf, einen meist antithetischen Aufbau und die Geschlossenheit oder Selbstständigkeit gekennzeichnet sein. Hierbei sollten im Idealfall die Quartette die These und Antithese entfalten und die Terzette die Synthese davon enthalten.

Inhaltlich werden meist – ganz im Sinne von Petrarcas Canzoniere -Themen wie die irdische und geistige Liebe, antike Götter- und Heldenwelten, Natur und Landschaft sowie die Huldigung historischer Gestalten behandelt.

Die ersten Zeugnisse von bereits charakteristischen, voll ausgeprägten Sonetten fanden sich bereits zu Beginn des 13. Jahrhunderts in der Sizilianischen Dichterschule am Hofe Friedrichs II (1194-1250).

Die Regeln für den Aufbau eines Sonetts wurden schon von den frühesten Verstheoretikern wie Francesco da Barberino und Antonio da Tempo aufgestellt. Der berühmteste sizilianische Trovatore, Giacomo da Lentino, ist wahrschienlich der erste, der die Form des Sonetts kreierte.

Bei der Frage nach dem Ursprung des Sonetts wird meist die These vertreten, dass es eine verselbstständigte Sonderform der Canzonenstrophe ist.

Man kann also die beiden Quartette als die erste und zweite ‚ piede ‘ des Aufgesangs einer Canzonenstrophe und die beiden Terzette als die ‚ volte ‘ deren Abgesangs betrachten.

Das höfische Liebesthema, das die ersten Sonette mit der Canzone gemeinsam hatten, stützt also die Theorie, dass das Sonett seiner Herkunft nach eine verkürzte Variante der Canzone ist.

Bald verbreitete sich das Sonett von Süditalien auch nach Mittel- und Norditalien und wurde insbesondere von den Anhängern des ‚ dolce stil nuovo ‘ aufgenommen. Dies war eine Stilrichtung der italienischen Liebeslyrik in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts; der berühmteste Vertreter war Dante Alighieri (1265 Florenz – 1321 Ravenna). Sein für diesen Stil wichtigstes Werk war seine Jugenddichtung „ La Vita Nuova “, sein wichtigstes Lebenswerk jedoch war „ La Divina Comedia “, das an Vergils Aeneis anknüpfte.

Der Endpunkt dieser hundertjährigen Entwicklung, aber damit zugleich auch der Anfangspunkt einer neuen Bewegung der modernen abendländischen Lyrik, begann mit Francesco Petrarca.

1.2 Petrarca

Petrarca (1304 Arezzo – 1374 Arqua bei Padua) war nicht nur der Wegbereiter für die europäische Verbreitung der Sonettform (vor allem im 15. und 16. Jh.), sondern auch für die Erneuerung einer volkssprachlichen Dichtung, die nach ihm die Bezeichnung ‚Petrarkismus‘ erhielt.

Somit wurde Petrarca zu einem ersten nachantiken also neuzeitlichen ‚Klassiker‘ neben Dante, da ohne ihn die Blüte der Lyrik in der Renaissance Europas nicht zu denken wäre.

Seine Leidenschaft für die antiken Dichter und Schriftsteller machte ihn zu einem der Begründer des Humanismus.

Das größte Werk Petrarcas ist der „ Canzoniere “ (ital.: Das Buch der Lieder), dem er selbst den Titel „ Rerum vulgaria fragmenta “ (lat.: Fragmente muttersprachlicher [also italienischer] Dinge) gab.

Es war eine Lyriksammlung, die 1470 erschien. Die meisten Gedichte entstanden vermutlich zwischen 1336 und 1369.

Das durchgängige Thema des Canzoniere ist die unerfüllte Liebe des lyrischen Ichs zu seiner geliebten Laura. Die Laurasymbolik wird auch auf die Landschaft- und Naturmetaphorik ausgedehnt. Dieses kunstvolle Überblenden von der Landschaft auf die Gefühlswelt der Liebenden bildet eine seiner bedeutsamsten Erneuerungen. Petrarca benutzte als erster die Landschaft als Reflexionsmedium.

Seine Wortwahl ist bestimmt vom Klang der Wörter und von der Melodie der Sprache, sowie von einer Beschränkung auf Einfachheit und Schlichtheit.

Der Aufbau ist vor allem durch das Streben nach Ordnung gekennzeichnet. Dies zeigen nicht nur die wiederkehrenden Motive und Anspielungen zwischen den einzelnen Gedichten, sondern vor allem die Anordnung der Gedichte und die bewusst eingesetzte Zahlensymbolik.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Canzoniere ein Werk ist, das einerseits die Entwicklung von Ovid über die Provenzalen bis hin zu Dante resümiert und andererseits den weltumspannenden Petrarkismus aus sich entwickelte.

1.3 Die Einführung des Sonetts in Spanien

Schon früh bestanden Beziehungen zwischen der spanischen und italienischen Literatur, wie man an den frühesten Zeugnissen der „ sonetos fechos al itálico mode “ des Márques de Santillana erkennen kann. Doch blieben die meisten Sonette dieser Zeit ohne Wirkung.

Mit Juan Boscáns Sonetten und Kanzonen „ a la manera de los italianos “, die in seinem Werk „ Las obras de Boscán y algunas de Garcilaso de la Vega “ 1543 erschienen, begann die Epoche der petrarkisierenden Liebesdichtungen nach italienischen Vorbildern in Spanien.

Doch der Grundstein für eine eigenständige spanische Sonettdichtung wurde erst durch seinen Freund Garcilaso de la Vega gelegt. Ihm ist es gelungen, über den experimentellen Charakter Boscáns Poesie hinaus zu gelangen, und durch ihn wurden weitere Formen der italienischen Renaissance-Poesie in Spanien eingeführt.

Bei der Einführung der neuen italienischen Formen in Spanien ist häufig nur die Rede von der Einführung des 11-Silbners, wobei der Anschein erweckt wird, dass die Neuerung nur in der metrischen Form bestehe. Aber der Elfsilbner war vor allem deshalb wichtig, weil er es ermöglichte, eine neue ‚ sustancia poética ‘ zu schaffen:

„En esencia la nueva lírica representa la sustitución de la poesía tradicional, de carácter popular, ligero, entretenido, de ritmo ágil y fácil comprensión, por un estilo artificioso, culto, cuajado, de expresiones metafóricas, elaborado cuidadosamente dentro de una comedida y severa elegancia y servido por un ritmo de graves y reposadas armonías.“[1]

Die neu übernommenen italienischen Formen hatten gegenüber den tradierten spanischen den Vorteil, dass sie nicht mit dem Makel des anspruchslosen Volkstümlichen, wie im Falle der Romanzen oder wie die Refrainstruktur der canción und des villancico, sondern mit einem geistreich-witzigen Sprachstil behaftet waren.

Außerdem bot der 11-Silbner gegenüber dem wenig variablen 8-Silbner neue rhythmische Gestaltungsmöglichkeiten.

Abgesehen von den neuen Inhalten haben bereits die formalen Elemente ganz erheblich zur Intellektualisierung und Nobilitierung der Lyrik beigetragen. Die sehr weite Form der Kanzone erlaubte z.B. im Gegensatz zur canción eine ausführliche Darlegung des Gedankenganges. Das Sonett verlangte zwar eine stringente, doch nicht in einen spielerischen Refrain einmündende Gedankenführung.

Vielleicht gerade aufgrund der Tatsache, dass diese neue Form der Lyrik so großen Anklang fand, traf sie auf Widerstand. Die sog. „Dichterfehde“ entstand durch das von Cristóbal de Castillejo geschriebene Werk: „ Reprensión contra los poetas españoles que escriben en verso italiano “, welches das Sonett beinhaltet, das in der vorliegenden Arbeit untersucht werden soll. Castillejo parodierte neben der neuen poesía italianizante in seinem Werk „ Contra los encarecimientos de las coplas españolas que tratan de amores “ auch die poesía amorosa cancioneril. Als ein weiterer Gegner der italienisierenden Schule ist vor allem noch Gregorio Sylvestre zu nennen sowie Argote de Molina, Antonio de Villegas und Francisco de Castillo.

1.4 Cristóbal de Castillejo

Cristóbal de Castillejo wurde zwischen 1480 und 1490 in Ciudad Rodrigo (Salamanca) geboren. Er wuchs als Zisterziensermönch auf und trat sehr früh, wahrscheinlich schon mit 15 Jahren, in den Dienst des Hofes als Sekretär des Bruders Karls V, des Infanten Ferdinand, des späteren deutschen Kaisers. Über die Zeit zwischen 1515 bis 1525 findet man keine Berichte. Danach fungierte er wieder als Sekretär Ferdinands am Wiener Hof bis zu seinem Tode.

Unter den Dichtern zählt man ihn zu den Traditionalisten. Nach Nicolay ist er der

master of the ‚arte real‘; in the wielding of ‚redondillas‘ he displays all the grace of his versatile mind. He has a great variety of rhyme arrangements; in his long dialogues, [...], he uses ‚quebrados‘ as regular intervals, without dividing his lines into ‚stanzas‘; his rhyme scheme, however, is of regular recurrence.“[2]

Er verwendete folglich fast ausschließlich kurze Verse (coplas de arte menor) im Stil der Cancionero-Dichtung und versuchte diese gegen die coplas de arte mayor zu verteidigen. Seine 8-Silbner sind jedoch „ ágiles y desenfadados, de gran facilidad y gracejo[3].

Seine Werke erschienen erst 1573, obwohl seine Manuskripte schon vorher im Umlauf waren. Nach dieser ältesten Gesamtausgabe werden seine Werke in die folgenden drei Teile gegliedert: „ Obras de amores, Obras de conversación y pasatiempo, Obras morales y de devoción “.[4] Die Obras de amores enthalten pequeños cancioneros amorasos, glosas de romances, canciones, villancicos und motes sowie die Übersetzungen von Ovids Werken: La Fábula de Píramo y Tisbe verfasst in coplas castellanas und El Canto de Polifemo verfasst als pie quebrado.

Sein einziges Prosawerk ist die Übersetzung von Ciceros „ De senectute “ und „ De amicitia “. Er gehörte zu den ersten, die vollständige mythologische Fabeln übersetzten und diente in dieser Vorreiterstellung als Modell für nachfolgende Übersetzungen.

Dadurch, dass Castillejo sich auf die metros de arte menor (octosílabo, pie quebrado, hexasílabo) beschränkte, wurde er zu einem bedeutenden Erneuerer der traditionellen Formen.[5]

2. Das Sonett „ Garcilaso y Boscán, siendo llegados, ...“

Cristóbal de Castillejo: „ Obras de conversación y pasatiempo

Reprensión contra los poetas españoles que escriben en verso italiano “ (Lleva en Pr. este título: „ Contra los que dexan los metros castellanos y siguen los italianos “.)[6]

Soneto

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.1 Übersetzung

Als Garcilaso und Boscán dort ankamen, / wo die Dichter sich befinden, / die in unserer Sprache und ihren Meisterwerken / dieses Jahrhunderts von Bedeutung waren, // betrachteten diese sich gegenseitig // und wurden blass vor Angst, / fürchtend es könnten Widersacher sein / Spione oder zügellose Feinde; // ihrer Kleidung nach zu urteilen / schienen sie ihnen, wie es sein sollte, zu erwarten / edle spanische Caballeros; // doch sie hörten sie eine neue Sprache sprechen / vermischt mit fremder Poesie / woraufhin sie sie als Fremde ansahen.

2.1.1 Anmerkungen zur Übersetzung

Im Folgenden werde ich kurz einige Schwierigkeiten schildern, auf die ich bei der Übersetzung des Gedichtes gestoßen bin.

Für den Begriff „ corredor “ wird in dem Diccionario medieval español (1.) eine andere Erklärung als in dem Diccionario de la Real Academia (2.) gegeben:

(1.) „ Soldado que salía con otros a hacer correrías en tierra de enemigos
(2.) „ Soldado que se enviaba para descubrir y observar al enemigo, y para descubrir el campo

Nach Slabý, Grossmann wird „ correría “ mit den Begriffen „Streif-Raubzug, feindlicher Einfall“ übersetzt. Der Begriff ‚Raubritter‘ wäre zwar passend, doch für das 16. Jh. zu mittelalterlich. Der in der Übersetzung von Prof. Neumeister[7] benutzte Begriff „Zuträger“, nach dem Deutschen Wörterbuch die Bezeichnung für jemanden, der geheime Nachrichten zuträgt, steht semantisch der Erklärung (2.) sehr nah. Ich habe mich jedoch für die oben angegebene Version entschieden, um die dem Begriff innewohnende feindliche Konnotation zu unterstreichen.

Nach Slabý, Grossmann wird das Wort „ desmandado “ mit folgenden Begriffen übersetzt: „ausgelassen, zügellos, ungezogen, ungehorsam, widerspenstig“. Da ein Synonym für „ desmandado “ das Wort ‚ díscolo ‘ ist, was auf Deutsch auch ‚widerspenstig‘ bedeutet, hätte es sich für die Übersetzung zwar angeboten, jedoch ist es im Zusammenhang mit dem Begriff ‚Feind‘ unpassend. Daher habe ich mich an dieser Stelle an die Übersetzung von Prof. Neumeister gehalten.

Bei dem Ausdruck „ mudança de colores “ erschien mir hingegen die Übersetzung von Prof. Neumeister „wechselten die Farben“ zu nahe am Originaltext. Von Slabý, Grossmann wird dieser Ausdruck übersetzt mit „vor Scham, Zorn erröten“. Da das Wort ‚Angst‘ dem im folgenden Vers genannte Verb ‚sich fürchten‘ semantisch näher liegt als Zorn, erschien mir dieser Übersetzungsvorschlag dem Inhalt des Gedichts eher zu entsprechen.

2.2 Formale Analyse

Die formale Analyse des Gedichts zeigt, dass es sich um eine klassische Sonettform, bestehend aus zwei Quartetten und zwei Terzetten mit dem Reimschema ABBA, ABBA (rima abrazada) und CDE, CDE handelt: Es ist ein 11-Silbner (endecasílabo: versos simples de arte mayor), da jede letzte betonte Silbe eines Verses die zehnte ist (gekennzeichnet im Gedicht mit folgendem Zeichen: _ ). Zur Einhaltung dieser metrischen Form benutzt Castillejo nur Synalöphen (in dem Gedicht gekennzeichnet mit diesem Zeichen: | ) oder Synäresen (V. 203 „ oyéndoles “ und V.206 „ poesía “: entweder an dieser Stelle Synärese oder wie gekennzeichnet die Synalöphe). Es sind mir weder Hiate noch Synäresen oder Diäresen aufgefallen.

Im gesamten Sonett wird die Verwendung des Vollreims (ausgehend von der letzten betonten Silbe reimen sich alle Vokale und Konsonanten) eingehalten.

Bei der sprachlichen Analyse ist die Nähe zum Altspanischen z.B. an der konjugierten Verbform mit angefügtem Klitika in Vers 204 („ Paresciéronles “) zu erkennen.

2.3 Inhaltliche Analyse

Das Geschehen wird von einem Erzähler in der dritten Person berichtet. Im ersten Quartett beschreibt er die Ankunft der Dichter Garcilaso de la Vega und Juan Boscán.

Da ohne weitere Erklärungen nur ihre Namen genannt werden, kann man davon ausgehen, dass die beiden Personen dem gesellschaftlichen Kreis, für den das Gedicht bestimmt war, bekannt waren. Auch aus literaturgeschichtlicher Hinsicht ist anzunehmen, dass die beiden berühmtesten ‚ poetas italianizantes ‘ des Siglo de Oro nicht nur in Dichterkreisen namentlich bekannt waren.

Die beiden kommen also dort an, wo die Dichter jener Epoche sind, die in ‚unserer‘ Sprache schreiben. Im literalen Sinne könnte es sich entweder um einen realen Ankunftsort in Spanien handeln, da das Gedicht in kastilischer Sprache verfasst ist („ nuestra lengua “) und Cristóbal de Castillejo selbst aus Salamanca stammt. Die These wird außerdem dadurch gestützt, dass Garcilaso viele Jahre seines Lebens außerhalb von Spanien verbrachte. Dieser ‚Ort‘ könnte sich aber auch allegorisch auf die traditionellen Dichter beziehen, vielleicht sogar diejenigen, die Castillejo in seinen vorangegangen Versen in seiner Reprensión nennt: Juan de Mena, Jorge Manrique, Garci-Sánchez und Cartagena.

Die Erzählerhaltung, die in den zwei Anfangsversen noch eine neutrale war, ändert sich im dritten Vers. Durch das Personalpronomen „ nuestra “ bezieht der Erzähler nicht nur den Rezipienten mit ein, sondern auch sich selbst als einen Benutzer einer gemeinsamen Sprache und zwar der Sprache, die die „ trovadores “ für ihre Meisterwerke gebrauchten. Bereits an dieser Stelle wird der Kontrast zwischen der traditionellen und der neuen, fremden Dichtersprache aufgebaut, und bereits dabei zeichnet sich schon ab, dass der Erzähler die Sicht der traditionellen Dichter annimmt, was im Folgenden noch präzisiert wird.

Im zweiten Quartett wird vom Erzähler beschrieben, wie sich die beiden Neuangekommenen und die heimischen Dichter gegenseitig betrachten. Schon im ersten Vers dieses Quartetts wird der Stimmungswechsel durch das Wort „ alterado “ eingeleitet, für das in dem Diccionario medieval español die Erklärung „ Que ha sufrido cambio o modificación en su estado “ gegeben wird. Dieser innere Wandel wird mit „ mudança de colores “ im nächsten Vers nach Außen hin sichtbar gemacht. Erstens spricht hier die Bedeutung des Wortes ‚ mudanza ‘ (span.: Veränderung, Wandel) für sich selbst und zweitens enthält schon der Ausdruck „ mudar uno de colores“ (Diccionario de la Real Academia: „ Alterarse una persona mostrándolo en un cambio de rostro “) einen äußerlich erkennbaren Wandel im Gesichtsausdruck.

In Vers 201 wechselt die Erzählerperspektive von der Außensicht zur Innensicht, denn der Erzähler weiß um die Gefühle derer, die fürchten, Garcilaso und Boscán könnten ihnen feindlich gesinnt sein. Was der Auslöser für die Furcht ist, dass die beiden vermutliche Feinde, Spione und vielleicht sogar „ corredores “ im mittelalterlichen Sinne, also Raubritter[8], sein könnten, wird nicht genannt. Diese grundlose Verdächtigung bewirkt beim Rezipienten, dass er die zwei Personen durch die ihnen zugeschriebenen Substantive („ corredores “, „ espías “, „ enemigos “) mit einer negativen Konnotation verbindet.

Jedoch bietet die äußere Beschreibung der zwei Dichter im ersten Terzett überhaupt keinen Anlass für diese Angst. Ganz im Gegenteil sehen diese ihrer Kleidung nach zu urteilen, so wie es sich damals gehörte, aus wie vornehme spanische „ Caballeros “. Die Frage nach dem Auslöser für die Befürchtungen könnte mit dem zweiten Terzett beantwortet werden, denn hier hört man sie eine neue Sprache sprechen, die durchmischt ist mit fremder Poesie. Dies ist dann auch der Grund, warum man sie trotz ihres vornehmen Äußeren als Fremde ansieht.

2.4 Interpretation

Aus literaturhistorischer Sicht kann man die im Gedicht geschilderte Tatsache, dass Garcilaso und Boscán fremde, also nicht-spanische, Poesie gebrauchten und dass sich diese neuen Metren für an spanische Poesie gewöhnte Ohren anfangs fremd anhörten, vorerst neutral betrachten.

Doch wird die Kritik schon ohne Bezug zu anderen Teilen der Reprensión deutlich: Erstens zählen Garcilaso und Boscán anscheinend nicht zu den spanischen Dichtern, die in dieser Epoche glänzten, da sie erst an diesen Ort ankommen, und zweitens werden die zwei, die damals schon zu den bedeutendsten spanischen Dichtern der Renaissance zählten, nur aufgrund ihrer fremden poetischen Sprache, also weil sie die neuen italienischen den traditionellen spanischen Formen vorzogen, als Fremde angesehen. Drittens bezieht der Erzähler die Position der traditionellen Dichter, woraus man schließen kann, dass die Erzählhaltung gleichzeitig die Stellung des Autors widerspiegelt.

2.4.1 Warum verwendet Castillejo die Sonettform?

Es wirft sich die Frage auf, warum Castillejo dieselbe Form benutzt, gegen die sich seine Kritik wendet. Die These Nicolays, die auch Prieto[9] vertritt, halte ich für durchaus nachvollziehbar: „ The poet wanted to show that, if he spurned the new measures, it was not from inability to use them.“[10]

Dass Castillejo die Form verwendet, gegen die sich seine Invektive richtet, ist nach Güntert sogar ein Argument dafür, dass Castillejos „Plädoyer zugunsten der traditionellen Lyrik [...] im übrigen nicht allzu ernst genommen werden [darf]“[11].

2.4.2 Das Gedicht im Zusammenhang mit der Reprensión

In der Reprensión sind zwischen den 8-silbigen Coplas drei Sonette und eine Octava eingebaut. Zuerst fordert Castillejo die Bestrafung der Petrarkisten durch die Inquisition. Er kritisiert, dass diese behaupten, die italienischen Formen seien „ más ricas y loçanas “ (V.153). Indem er traditionelle Dichter sprechen lässt, denen er seine Worte in den Mund legt, unterstreicht er seine inszenierte ‚Dichterfehde‘. Bevor er das Sonett „ Garcilaso y Boscán, siendo llegados...“ direkt an diese beiden adressiert, räumt er jedoch ein, dass es ihm um die metrischen Formen geht, die diese benutzen und nicht um ihr Können[12]: „ Dios dé su gloria a Boscán / Y a Garcilaso poeta, / Que con no pequeño afán / Y por estilo galán / Sostuvieron esta seta, / Y la dexaron acá (V. 185-190)

Im Anschluss an das Sonett folgen weitere Vorwürfe, an denen deutlich wird, dass sich Castillejos Kritik nicht nur gegen die Verwendung der italienischen Metren bezieht, sondern auch gegen Garcilasos und Boscáns Abwertung der alten Formen[13] und die damit verbundene Abwertung der traditionellen Werke und ihre Verfasser richtet: „ Desprecian cualquiera cosa / De coplas compuestas antes,“ (V. 229 f.). Laut Castillejo sind Garcilaso und Boscán der Meinung, dass der Mangel an spanischen Werken in italienischem Stil nicht an der spanischen Sprache liege, sondern daran, dass Spanien bisher keine begabten Dichter hervorbrachte: „ Mas esta falta o manquera / No la dan a nuestra lengua, / Qu‘es bastante y verdadera, / Sino solo dicen que era / De buenos ingenios mengua;“ (V. 249-253).

Indem Castillejo in seinen Schlussversen[14] seiner Wertschätzung gegenüber den Erneuerern sowie der Erneuerung Ausdruck verleiht, mildert er seine harsche Kritik etwas ab und zeigt an dieser Stelle, dass er, obwohl er ein Verteidiger der traditionellen Lyrik ist, die neuen Formen und ihre Vertreter zwar kritisiert, sie jedoch im Gegensatz zu Boscán und Garcilaso nicht abwertet:

Castillejo has a very fair comment of the new forms. He shows his versatility in a fine sonnet, addressed to the poets who have gone to the place where all the troubadours, once famous in their time, have gathered.“[15]

Im Vergleich zur Reprensión scheint die Form der Kritik in dem Gedicht indirekter vermittelt zu werden, jedoch ist auch hier der kritische Unterton nicht zu überhören.

2.4.3 Das Gedicht in Bezug zu den Werken Boscáns und Garcilasos

Die Reprensión darf nicht nur als reine Kritik an einer Neuerung oder als ein Festhalten an dem Alten gesehen werden. Im literarhistorischen Kontext sollte sie vielmehr als eine Reaktion auf Boscáns und Garcilasos programmatische Weise der Durchsetzung der italienischen Formen gesehen werden: „[...] Boscán, como Garcilaso, es un refinado que quiere deslumbrar a sus conciudadanos con una actitud de snobismo activo, análogo al que ejercían los italianos.“[16]

Castillejo scheint teilweise nicht unrecht zu haben, wenn er in seinen Versen Boscán und Garcilaso unterstellt, sie würden die neuen Metren überschätzen, denn laut Boscán selbst ist der endecasílabouna forma más noble, [que] tiene ‚una disposición muy capaz para recibir cualquier material y se remonta nada menos que a los griegos ‘“.[17]

Die Carta a la Duquesa de Soma[18] von Boscán, die postum 1543 erschien, ist nach Fucilla nicht nur das erste Zeugnis für einen existenten Antipetrarkismus in Spanien[19], sie bildet zudem die Grundlage für das Material zu Castillejos Reprensión. Fucilla kommt zu dieser Aussage, da er in beiden Werken sich ähnelnde Elemente der Kritik sieht.[20]

Nach Manero Sorolla sind die in der Reprensión enthaltenen Gedichte „[...] parodiando composiciones parecidísimas de Boscán y Garcilaso – [...].“[21] Als ein Beispiel dafür nennen sie zwar das Sonett „ Garcilaso y Boscán siendo llegados, ...“, belegen dies jedoch leider nicht an konkreten Textbeispielen.

Nach Fucilla liegt die Begründung warum Castillejos Kritik sich so konkret gegen Boscán und Garcilaso richtet, in der Annahme, dass „[...] in his [Castillejos] abode far away from the center of literary strife the only examples of Petrarchism intimately known to him were the ‚Obras de Boscán y Garcilaso‘.“[22]

2.4.4 Das Gedicht in Bezug auf die italienischen Dichter und ihre Werke

Aufgrund der Tatsache, dass sich Garcilasos und Boscáns Poesie an den Werken Dantes und Petrarcas orientierte, erscheint es schlüssig, dass die Forschungsliteratur der Reprensión nicht nur Ähnlichkeiten zu deren Werken zuspricht, sondern den Gesamtzusammenhang zu der italienischen Lyrik des Cinquecento herstellt.

So sieht beispielsweise Beccaria Lago in dem Aufbau des Gedichts, der mit einem Vorwurf beginnt und letzlich mit der Aufnahme Garcilasos und Boscáns in den ruhmeswürdigen Dichterkreis endet, „[...] un pequeño argumento con vetas dantianas, [...]“[23].

Nach Nicolay ist die „ idea of having a gathering of famous men in some place after their demise [...] in itself due to Italian, i.e., to Dante’s influence“ wobei sie anmerkt, dass „Castillejo is careful not to commit himself as to the nature of the place[24].

Zusätzlich enthält die Reprensión nach Beccaria Lago

al mismo tiempo otros rasgos [que] nos traen a la memoria la Comedia del Dante: el encuentro con los poetas clásicos [...]; la presencia de poetas y trovadores que en el más allá recitan sus propios versos [...], discuten sobre cuestiones literarias candentes [...], [ y que ] constituyen algunas de las tenues semejanzas que involuntariamente nos conducen a establecer al relación, que en todo caso supone una asunción de la cultura italiana.“[25]

2.4.5 Die Reprensión als Ausdruck einer ‚Dichterfehde‘

Um die These, inwiefern das Sonett als ein Teil einer ‚Dichterfehde‘ anzusehen ist, diskutieren zu können, müsste vorerst die Frage geklärt werden, inwieweit es sich hier überhaupt um eine ‚Dichterfehde‘ handelt.

Da Castillejos Invektive erst nach dem Tode Garcilasos und Boscáns im Jahre 1573 erschien, konnte es zu keinem ‚lyrischen Schlagabtausch‘ mehr kommen; von diesem Standpunkt aus erscheint der Begriff nicht adäquat. Außerdem erschien die Replik zu einem Zeitpunkt, als sich die petrarkisierende Lyrik in Spanien längst durchgesetzt hatte und blieb damit folgenlos. Nicolay führt dies darauf zurück, dass „[...] it must have taken some time before the new manner of composing verses had become generally known.“[26], wobei hier anzumerken ist, dass Boscáns Carta a la Duquesa de Soma, auf die sich Castillejos Vorwürfe beziehen, auch erst nach Boscáns (und Garcilasos) Tode erschien.

Wenn man aber die Reprensión - wie in Punkt 2.4.2 - als ein Gegenentwurf zur Programmatik Garcilasos und Boscáns interpretiert, ist der Begriff ‚Dichterfehde‘ durchaus angemessen, denn diese Betrachtungsweise schließt mit ein, dass sich zwei kontroverse Meinungen über Dichtkunst gegenüberstehen. Davon ausgehend ist die Reprensión sogar mehr als nur ein Ausdrucksmittel des Dichterstreits, sie ist das Argument für die Rechtfertigung der Behauptung, dass dieser existiert.

Das Gedicht als ein Element der Reprensión spiegelt somit einen Teil des Dichterstreits wider.

2.4.6 Das ironische Element in der Reprensión

Nach Laferl bleibt es aber unklar, „wie ernst es Castillejo mit seiner Kritik war, da in vielen seiner Werke eine hintergründige Ironie wirksam ist und er selbst durchaus als ein mit dem italienischen Humanismus vertrauter Dichter angesehen werden kann.“[27] Weiterhin betont er, dass Castillejo „[...] in seiner Reprensión contra los poetas españoles que escriben en verso italiano in satirischem Tone Kritik an Garcilaso und Boscán übt und die Pflege der alten spanischen Formen empfiehlt.“[28]

Ebenso warnt Tietz davor „[...] diese Literaturfehde allzu ernst zu nehmen, statt die Reprensión auf den ihr zukommenden Platz einer spielerischen Replik zu verweisen“[29] mit dem „Argument“, dass Castillejos ironischer Ton auch in seinem Diálogo de las condiciones de las mujeres deutlich wird.[30]

Gleichwohl kritisiert Felten, dass „[...] allerdings gerne das ironisch-parodistische Element in der Attacke Castillejos auf die italianisierende Schule übersehen wird.“[31]

3. Abschließende Betrachtung

3.1 Castillejo – mehr als nur ein konservativer Traditionalist?

Nach der Forschungsliteratur gibt es mehrere Ansätze, warum man in Castillejo mehr als einen konservativen Traditionalisten sehen sollte:

„Es wäre jedoch falsch, in Castillejo, der am Hof Karls V. gelebt und sich im damaligen Europa durchaus umgetan hat, einen nicht informierten und blinden Verteidiger des status quo zu sehen. Auch er war sich bewußt, daß die poesía concioneril sozusagen ausgeschrieben, inauthentisch und weitgehend nur noch ein geistvolles Spiel geworden war. Er glaubte jedoch, im Bereich der von den Zeitgenossen zu Recht so hoch eingeschätzten Fragen der Metrik an eine Erneuerung aus der „poesía popular“ und dem traditionellen 8-Silber. Hinter seiner Tendenz zum feierlichen „verso menor“ scheint sich der wahre Grund für seinen Dissenz zu verbergen: er teilt die neue außerordentlich hohe Wertschätzung der Dichtung nicht. Für diesen weltläufigen Höfling bleibt die Lyrik das, als was er sie in der höfischen Welt erfahren hatte: ein artifizielles Spiel von hohem Unterhaltungswert, das aber eben doch über die reine Unterhaltung nicht hinausgeht.“[32]

Felten bewertet die Oppositionshaltung Castillejos „[...] nicht einfach [als] die platte Reaktion des Traditionalisten auf eine Neuerung. Der gelehrte Humanist und Ovid- und Cicero-Übersetzer Castillejo erkennt durchaus die Leistung Boscáns und Garcilasos an. [Dem] kommt auch der literaturgeschichtliche Sachverhalt entgegen, daß vor der Neuheit der italienisierenden Schule die alten Themen und Formen nicht gänzlich in den Hintergrund treten.“[33]

Obwohl Reyes Cano auf die mittelalterlichen Formen und Themen in Castillejos Werken hinweist, zählt er diesen, aufgrund seiner anderen sonst sehr fortschrittlichen Einstellungen, dennoch nicht zu einem „ reaccionarismo literario “.[34]

Prieto sieht in Castillejos Transfer der humanistischen Modelle auf den 8-Silbner einen ‚Antipetrarkismus‘ in Bezug auf die poetische Sprache, jedoch keine generelle Oppositionshaltung gegenüber den Ideen der Renaissance.[35] Wohingegen ihn Beccaria Lago gerade aufgrund seiner antipetrarkistischen Einstellung zu den modernen Dichtern seiner Epoche zählt.[36]

Menéndez y Pelayo sprechen sich explizit dafür aus, dass Castillejos Poesie „ a pesar de su amable negligencia, una poesía de espíritu clásico, libre y audaz en al invención; viva, espontánea y fresca en su juvenil alegría “ ist und genauso wie Boscáns Dichtung zur Renaissance zu zählen ist.[37]

Arce de Vázquez kommt bei ihrem Vergleich von Castillejos und Garcilasos Poesie zu dem Schluß, dass: „ El tradicionalismo de Castillejo se limita a la técnica; en el contenido, su poesía es gemela de la de Garcilaso.“[38] Nach ihr ist die Oppositionshaltung Castillejos ein Phänomen der natürlichen Abwehr gegen das Neue und sollte keineswegs als Basis für die Klassifizierung der Lyrik der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts dienen.[39]

Es ist bemerkenswert, dass Nicolay in ihrem Ansatz zur Klärung der Gründe für Castillejos Oppositionshaltung als einzige (mir bekannte) auch auf dessen Übersetzungstätigkeit und –erfahrung eingeht, zudem sie ihre These sogar anhand eines Zitates Castillejos belegen kann:

He had taste and understanding for literature, and his opposition to the foreign influence on Castilian poetry arose not only from patriotic predilection, but from an insight into the fitness of things concerning idiomatic peculiarities. ‚It always detracts from the beauty of style,‘ he writes, ‚when a translation is made from one language into another, however well it may be done‘.“[40]

3.2 Fazit

Abschließend bleibt festzuhalten, dass sich Castillejos Widerstand eher gegen die metrischen Formen des neuen italienischen Stils richtete, als gegen das humanistische Gedankengut der Renaissance, welches in den Gedichten inhaltlich zum Ausdruck kam.

Hinsichtlich der Dichterfehde stellt gerade das hier behandelte Gedicht und die Reprensión einen Beweis für die Existenz einer solchen dar. Jedoch macht die hintergründige Ironie in vielen seiner Werke deutlich, dass dieser Dichterstreit nicht allzu ernst genommen werden sollte.

Obwohl Castillejo ein Verfechter der traditionellen spanischen Lyrik war, zählt man ihn auch zu den Renaissance-Lyrikern, da er sich wie diese mit antiken Themen auseinandergesetzt hat.

Literaturverzeichnis

Primärtexte

- Domínguez Bordona, J. (Hg.): Clásicos Castellanos, Cristóbal de Castillejo, Obras II, Obras de amores, Obras de conversación y pasatiempo, Madrid 1957.
- Knapp, W. L. (Hg.): Obras de Boscán y Garcilaso, Madrid 1875, S. 165-173.

Sekundärtexte

Literaturgeschichte:

- Alborg, J. L.: Historia de la literatura epañola, Madid 1966.
- Cantarino, Vicente: Die spanische Literatur des Goldenen Zeitalters, in: Propyläen. Geschichte der Literatur. Literatur und Gesellschaft der westlichen Welt, Band 2, Frankfurt am Main, Berlin, Wien 1981, S.301-325.
- Felten, H.: Spanische Lyrik von der Renaissance bis zum 19. Jahrhundert, Stuttgart 1990.
- Franzbach, M.: Geschichte der spanischen Literatur im Überblick, Stuttgart 1993.
- Guglielminetti, Marziano: Die italienische Literatur vom 15. bis 17. Jahrhundert, in: Propyläen. Geschichte der Literatur. Literatur und Gesellschaft der westlichen Welt, Band 2, Frankfurt am Main, Berlin, Wien 1981, S.234-257.
- Gullón, R.: Diccionario de la literatura española y hispanoamericana, Madrid 1993.
- Güntert, G.: Siglo de Oro: Lyrik – erster Teil: Das 16. Jahrhundert, in: Strosetzki, Chr. (Hg.): Geschichte der spanischen Lyrik, Tübingen 1991, S. 119-144.
- Laferl, Chr. F.: Garcilaso de la Vega. Un rato se levanta mi esperanza, in: Tietz, M. (Hg.): Die spanische Lyrik von den Anfängen bis 1870, Frankfurt a. M. 1997, S. 209-224.
- Meid, Volker: Italien und die Lyrik der Renaissance. Propyläen. Geschichte der Literatur. Literatur und Gesellschaft der westlichen Welt, Band 2, Frankfurt am Main, Berlin, Wien 1981, S.543-556.
- Neumeister, S.: Die Lyrik im Goldenen Zeitalter, in: Neuschäfer, H.-J.: Spanische Literaturgeschichte, Stuttgart / Weimar 1997, S. 103-122.
- Prieto, A.: La poesía española del siglo XVI. Andáis tras mis escritores, Madrid 1984.
- Prieto, A.: Historia de la Litaratura Española. Renacimiento, Tomo II, Barcelona 1981.
- Tietz, M.: Die Entwicklung der spanischen Lyrik von den Anfängen bis 1870, in: Tietz, M. (Hg.): Die spanische Lyrik von den Anfängen bis 1870, Frankfurt a. M. 1997, S. 7-40.

Autoren / Werke / Petrarkismus:

- Arce de Vázquez, M: Garcilaso de la Vega. Contribución al estudio de la lírica española del siglo XVI, Ediciones de la Universidad de Puerto Rico 1961, S. 9-15.
- Fucilla, J. G.: Notes on Anti-Petrarchism in Spain, in: The Romanic Review, Volume XX, Columbia University Press 1929, S.351.
- Beccaria Lago, M. D.: Vida y obra de Cristóbal de Castillejo, Real Academia Española, Anejo LV, Madrid 1997; S. 455-468.
- Manero Sorolla, M. P.: Introducción al estudio del petrarquismo en España, Promociones y Publicaciones Universitarias, Barcelona 1978.
- Nicolay, C. L.: The life and works of Cristóbal de Castillejo. The last of the nationalists in castilian poetry, in: Publications of the University of Pennsylvania, Series in romanic languages and literatures, No. 4, Philadelphia 1910.
- Pfandl, L.: Der Diálogo de Mugeres von 1544 und seine Bedeutung für die Castillejo-Forschung, in: Archiv für das Studium der Neueren Sprachen und Literaturen 140, 1920, S. 104-108.
- Reyes Cano, R.: Medievalismo y renacentismo en la obra poética de Cristóbal de Castillejo, Madrid 1980.
- Rosso Gallo, María: La poesía de Garcilaso de la Vega. Análisis filológico y texto crítico, Madrid 1990.

Darstellung zur spanischen Verslehre

- Baehr, R.: Spanische Verslehre auf historischer Grundlage, Tübingen 1962.
- Mönch, Walter: Das Sonett. Gestalt und Geschichte, Heidelberg 1955.

Lexika

- Alonso, M.: Diccinario medieval español, Salamanca 1986.

Hausarbeit zum Proseminar (17255):

Einführung in die spanische Lyrik

Leitung: Susanne Zepp, M.A.

Cristóbal de Castillejos Sonett

„Garcilaso y Boscán, siendo llegados ...“

als Ausdruck einer „Dichterfehde“

Cora Scholz

Onkel-Tom-Strasse 131

14169 Berlin

Tel.: 0172-3851743

email: coralita@web.de

Matrikelnr.: 3411616

Spanisch (3. Fachsemester)

Deutsch (5. Fachsemester)

[...]


[1] Alborg, 1966: 326.

[2] Nicolay, 1910: 86.

[3] Alborg, 1966: 346.

[4] ebd.

[5] Gullón, 1993: 305: „ Casrillejo [...] – fue el gran renovador de los géneros tradicionales, creando una lengua poética llena de gracia e ingenio, que hizo posible los diálogos de la comedia nueva. En los ‚Diálogos‘ superó la rancia tradición de los debates medievales, aproximándolos a los nuevos temas y modelos del coloquio renacentista.“

[6] Cristóbal de Castillejo, „ Obras de conversación y pasatiempo “ in: J. Domínguez Bordona: Clásicos Castellanos 79. Cristóbal de Castillejo. Obras II. Madrid: 1957.

[7] Neumeister, 1997: 103.

[8] Diccionario medieval español: „ corredor: soldado que salía con otros a hacer correrías en tierra de enemigos “; Slabý, Grossmann: „ correría: Streif-Raubzug“ im Gegensatz zu dem Übersetzungsvorschlag Neumeisters: „Zuträger“ (Deutsches Wörterbuch: einer, der geheime Nachrichten zuträgt)

[9] Prieto, 1981: 195: „ Finge dos sonetos, din duda para indicar que no censuraba por incapacidad técnica, pero son bastant flojos y desmayados.“

[10] Nicolay, 1910: 78.

[11] Güntert, 1991: 124.

[12] Vgl. Nicolay, 1910: S. 78: „ Castillejo does not deny the beauty and grace of their verses, only they are serving the wrong case.“ In seinen coplas „Contra los encarecimientos de las coplas españolas que tratan de amores“ „[...] he admits that Boscán writes daintily and sweetly, but he reproaches him for being a renegade to a foreign cause, and for wasting his fine style on nothing.“

[13] Castillejo, V. 212-18: „ Y claramente burlaban / De las coplas españolas, / Canciones y villancicos, / Romances y cosa tal, / Arte mayor y real, / Y pies quebrados y chicos, / Y todo nuestro caudal. Castillejo, V. 244-48: „ Y qu’el metro castellano / No tenía autoridad / De decir con majestad / Lo que se dice en toscano / Con mayor felicidad.“

[14] Castillejo, V. 341-45: „ Al cabo la conclusión / Fué que por buena criança / Y por honrar la invención / De parte de la nación / Sean dignas de alabança.“

[15] Nicolay, 1910: 79.

[16] Manero Sorolla, 1978: 146.

[17] Manero Sorolla, 1987: 150.

[18] Boscán: „ Los unos se quexavan que en las trobas d’esta arte los consonantes no andavan tan descubiertos ni sonovan tanto como en las castellanas. Otros dezían que este verso no sabían si era verso o si era prosa. Otros argüían diziendo que esto principalmente havia de ser para mugeres y que ellas no curavan de cosas de sustancia sino del son de las palabras y de la dulçura del consonante [...].“

[19] Fucilla, 1929: 345 : „The first anti-Petrarchistic document in Spain is Boscán’s introductory letter to the second part of his poems. In one of its opening paragraphs he enumerates the objections of his opponents.“

[20] Fucilla, 1929: 345: „ One cannot escape the further conclusion that in Boscán’s letter he found the material for his brilliant satire. If closely examined the objections against the Italian style in the poem, and those voices in the letter, are the same. There, too, is to be found the criticism supposedly made by Boscán and Garcilaso against the old school.“

[21] Manero Sorolla, 1978: 147.

[22] Fucilla, 1929: 345.

[23] Beccaria Lago, 1997: 457.

[24] Nicolay, 1910: 79.

[25] Beccaria Lago, 1997: 458.

[26] Nicolay, 1910: 77.

[27] Laferl, 1997: 212.

[28] Laferl, 1997: 212.

[29] Tietz, 1997: 12.

[30] Tietz, 1997: 12: „Außerdem war er, wie sein in der spätmittelalterlichen anitifemistischen Tradition stehender Diálogo de las condiciones de las mujeres (1544) zeigt, ist er nicht bereit, die Grundvorraussetzung des Petrarkismus zu akzeptieren: die maßlose Idealisierung der Frau in physischer und moralischer Hinsicht. Ihr tritt er mit dem – natürlich parodistisch gemeinten – Vorschlag zu einem Gesetz entgegen, daß es den Männern erlauben soll, jederzeit und beliebig viele Frauen zu kaufen und verkaufen.“

[31] Felten, 1990: 36 f.

[32] Tietz, 1997: 21.

[33] Felten, 1990: 36 f.

[34] Reyes Cano, 1980: 4: „ El evidente medievalismo de Castillejo, patente en numerosas elementos formales y temáticos de su obra ( métrica octosílabo, amor cortés, misoginia y profeminismo, moral de casos, tema de la Fortuna, „semon joyeux“, tópicos anticortesanos ... ) no basta para adscribirlo sin más a un reaccionarismo literario que no concuerda en absoluto con otras actitudes suyas muy progresivas.“

[35] Prieto, 1984: 104: „[...], y un transferir modelos latinos o humanísticos al octosílabo, que puede ser antipetrarquismo, como lengua poética, pero no distanciamiento u oposición respecto al enclave renacentista.“

[36] Beccaria Lago, 1997: 468: „ Finalmente, cuando Castillejo es tildado de antipetrarquista, no debe considerársele anticuado sino todo lo contrario: criticar y satirizar los abusos del petrarquismo suponía, en su época, estar en línea con las últimas actitudes poéticas surgidas en Italia.“

[37] Menéndez y Pelayo: Antología de poetas líricos, tomo XIII: „ La poesía de Castillejo pertenece al Renaciemiento con el mismo derecho que la de Boscán, [...].“ (S. 242) Ebenso: Gullón, 1993: 305: „ Por sus ideales lingüísticos en verso y en prosa y por su actitud estética y crítica ante los temas y modelos, Castillejo es un escritor que, con algunos resabios medievales, pertenece a la nueva cultura renacentista.“

[38] Arce de Vázquez, 1961: 11.

[39] ebd.

[40] Nicolay, 1910: 96.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Cristóbal de Castillejos Sonett 'Garcilaso y Boscán, siendo llegados ...'als Ausdruck einer 'Dichterfehde'
Hochschule
Freie Universität Berlin
Veranstaltung
Proseminar
Note
2,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
26
Katalognummer
V110443
ISBN (eBook)
9783640086139
ISBN (Buch)
9783640118816
Dateigröße
522 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Anhand des Gedichts von Cristobal de Castillejo wird die Dichterfehde im Siglo de Oro dargestellt, die sich zwischen den Dichtern ergab, die die Form des Sonetts verwendeten, und jenen, die diese Form ablehnten.
Schlagworte
Cristóbal, Castillejos, Sonett, Garcilaso, Boscán, Ausdruck, Dichterfehde, Proseminar
Arbeit zitieren
Cora Scholz (Autor:in), 2002, Cristóbal de Castillejos Sonett 'Garcilaso y Boscán, siendo llegados ...'als Ausdruck einer 'Dichterfehde', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110443

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