Historische Grundlagen des Bewegungsunterrrichts


Hausarbeit, 2007

17 Seiten, Note: 14


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Konzeption einer naturgemäßen Erziehung bei Rousseau und den Philanthropen
2.1 Die „natürliche“ Erziehung bei Jean Jacques Rousseau
2.2 Die „vernünftig-natürliche“ Leibeserziehung der Philanthropen
2.3 Die Elementargymnastik von Johann Heinrich Pestalozzi
2.4 Vergleich der „natürlichen“ und „vernünftig-natürlichen“ Erziehung

3 Das Schulturnen & die reformpädagogische Leibeserziehung im 19. und 20. Jahrhundert
3.1 Die Deutsche Turnbewegung nach Friedrich Ludwig Jahn
3.2 Das Preußische Schulturnen nach Adolf Spiess
3.3 Ansätze der reformpädagogischen Leibeserziehung

4 Die politische Leibeserziehung im Nationalsozialismus
4.1 Der Übergang zur nationalsozialistischen Leibeserziehung
4.2 Die nationalsozialistische Leibeserziehung

5 Zusammenfassung der problemgeschichtlichen Perspektive: Wiederkehr im Wandel

6 Fazit

7 Quellen

1 Einleitung

Es geht in der folgenden Ausarbeitung darum, die Grundlagen für die pädagogische Theorie und Praxis des Sports in Deutschland aufzuzeigen und ihre Bedeutung für die heutige Sportpädagogik zu verdeutlichen.

Schon in der Antike verwandte man Konzepte, in denen körperliche Erziehung zur Gesamtausbildung gehörte. Kraft und Geschicklichkeit waren für Krieger unerlässlich, auch präsentierte ein Landesführer durch seine Person (Ausstrahlung und Körper) das Land. War er stark und gesund, wurde auch sein Land so angesehen.

Im europäischen Mittelalter spielte Sport keine große Rolle.

„Sport“ oder Körperertüchtigung wird demnach schon lange in unterschiedlichen Ausprägungen getrieben.

Geht man von einer Definition der Sportpädagogik aus, die sowohl pädagogisches Handeln im Sport als auch die Theorie dieser Praxis beinhaltet, kann man den Ursprung dieser Pädagogik zu Beginn des 17. Jahrhunderts festmachen, im Zeitalter der Aufklärung und Romantik.

Mit Jean Jacques Rousseau beginnt die Leibeserziehung, Sport gehört nun zur Ausbildung dazu, das Individuum ist sein Ausgangspunkt.

Die Philanthropen im 18.-19. Jahrhundert beginnen mit der Institutionalisierung, das heißt mit der Verschulung des Sports. Sie schaffen Grundlagen in der pädagogischen Theorie. Sport diente dem Erwerb nützlicher Fertigkeiten, die Ausrichtung zielte auf die Gesellschaft.

Die Reformpädagogen streben eine ganzheitliche Leibeserziehung an, sie sind subjektorientiert und huldigten den Leib.

Der Nationalsozialismus nutzt diese Ideologie für seine Ziele aus und benutzt den Sport wieder als Mittel zum Zweck.

Es soll also im Folgenden darum gehen die Grundlagen für die pädagogische Theorie und Praxis des Sports in Deutschland aufzuzeigen und ihre Bedeutung für die heutige Sportpädagogik in Deutschland herauszuarbeiten.

Insbesondere wird Wert darauf gelegt, das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft zu beleuchten, und zu beschreiben welche Bedeutung die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse auf die Ausrichtung der Sportpädagogik haben.

2 Die Konzeption einer naturgemäßen Erziehung bei Rousseau und den Philanthropen

2.1 Die „natürliche“ Erziehung bei Jean Jacques Rousseau

Grundlegend für den Schulsport in Deutschland gilt die Epoche der ,,Aufklärung" Ende des 18. Jahrhunderts, in der sich die ,,Entdeckung" der Kindheit vollzog. Dabei sind von Jean Jacques Rousseau (1712 - 1778) nachhaltige Wirkungen ausgegangen. Als Begründer des neuzeitlichen Denkens erkennt er die Kindheit als eine eigenständige, vollwertige Lebensphase an, in der es nicht um ,,Menschwerdung" geht, sondern um ,,Mensch-Sein". Er misst dem Leib als Natur eine eigene, nicht-intellektuelle Vernünftigkeit zu, die es in der Erziehung möglichst nicht zu stören gilt. Damit erfährt die Bedeutung des Körpers eine Aufwertung.

In seinem pädagogischen Hauptwerk „Emile oder über die Erziehung“ (1762) übt er Kritik an der feudalistisch geprägten Gesellschaft. Er stellt die Theorie auf, dass die korrupte Gesellschaft den von „Natur“ aus guten Menschen verderbe und dies nur durch die natürliche Erziehung des Individuums zu überwinden sei. Dazu entwirft er ein Modell der Bildung in Übereinstimmung mit der Natur, die dem heranwachsenden Menschen zur individuellen Wesensverwirklichung in Unabhängigkeit verhilft.

Dieses Modell beruht auf dem Konzept einer negativen Pädagogik, die in einer indirekten Erziehungsmethode („methode inactive“) ihren Ausdruck findet. Damit ist nicht gemeint, dass Rousseau jegliche Erziehung ablehnt in der der Erzieher pädagogisch auf den Lernenden einwirkt, viel mehr besteht die Aufgabe des Lehrers darin, geeignete Bedingungen (Anreize, Situationen, Umweltgestaltungen) zu schaffen und den ,,Zögling" darin zu gewähren lassen. Allein die Situation soll lehren.

Rousseau nennt dieses Konzept ,,natürliche Erziehung" und beschreibt es an seinem künstlichen Erziehungsobjekt ,,Emile". Im Mittelpunkt stehen die vielfältigen und unmittelbaren körperlichen Erfahrungen, die beim Laufen, Schwimmen, Spielen, bei Wettkämpfen und Wanderungen gesammelt werden. Dabei lernt der Schüler geschickt und gewandt zu sein, seinen Körper abzuhärten, seine Sinne einzuschätzen und schließlich lernt er die Dinge in seiner natürlichen Umgebung über seine Bewegung kennen. Demnach sind vom Lehrer vorgegebene reglementierte Leibesübungen überflüssig. Allein die Natur ist Ausgangspunkt der Erziehung. Sie ist Weg, Maß als auch Ziel der Erziehung.

Erziehung soll also dem Zweck dienen, das Kind zu seiner natürlichen Bestimmung zu führen. Hierbei geht Rousseau von einem optimistischen Menschenbild aus: Leib und Bewegung gehören zur Natur des Kindes, so dass der freie Bewegungsdrang des Kindes erzieherische Erfahrungen ermöglicht. Erziehung darf nicht das Mittel zum Zweck sein, das außerhalb der natürlichen Bestimmung des Kindes liegt.

2.2 Die „vernünftig-natürliche“ Leibeserziehung der Philanthropen

Der Rousseausche Bildungsbegriff einer individuellen Wesensverwirklichung hat sich in seiner umfassenden anthropologischen Dimension bei den aufklärerischen Philanthropen („Menschenfreunde“) in Deutschland nicht durchgesetzt. Für die Philanthropen liegt der Maßstab menschlicher Bestimmung in der Gemeinnützigkeit des Handelns. Dazu sollen alle Kräfte der Menschen ausgebildet werden: die des Geistes, des Gefühls und die des Körpers. Nicht nur die oberste Gesellschaftsschicht soll Bildung erfahren, sondern auch niederen Stände.

Johann Christoph GutsMuths (1759-1839) war der Begründer der deutschen Leibesübungen. Er gibt um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert den Anstoß zur Institutionalisierung von Leibesübungen womit die philanthropische Gymnastik ihren Anfang nimmt.

Die philanthropische Pädagogik verfolgt eine „vernünftig-natürliche“ Erziehungsphilosophie, die auf Aufklärung und Bildung, Gemeinnützigkeit und Selbsttätigkeit zielt. Diesen Zielen dienen Spiel und körperliche Ertüchtigung und die gleichmäßige Ausbildung der Sinne und Glieder.

Es wird die Meinung vertreten, dass der menschliche Geist zu seiner Entwicklung einen durch gymnastische Übungen reibungslos funktionierenden Körper benötige. Damit wird die Überlegenheit des Geistes über den Körper zur anthropologischen Grundlage ihrer Körpererziehung.

Die Vorstellung wird in reglementierten Leibesübungen und streng methodischer Gymnastik in der Schule umgesetzt, dessen Unterricht nicht nur in Schulgebäuden, sondern lebensnah in der Natur erfolgt.

Um die erzieherischen Bemühungen gegenüber der Gesellschaft nachweisen zu können, werden streng standarisierte Vermessungsmethoden und Verfahren eingesetzt, die die Leistungsmessung ermöglichen.

2.3 Die Elementargymnastik von Johann Heinrich Pestalozzi

Wie bereits die Philanthropen, so fordert auch Heinrich Pestalozzi (1746 - 1827) körperliche Erziehung und Ertüchtigung für alle Volksschichten, insbesondere aber für die unteren Stände. Für ihn sind Leibesübungen auch eine schulische Aufgabe und Vorbereitung für handwerkliche und gewerbliche Berufe.

Er sieht das Kind als unzertrennbares Ganzes, das durch die Körperbildung zur vollkommenen Harmonie mit seinem Geist und Herzen kommt.

Pestalozzis Erziehungsziel die „Veredelung des Menschengeschlecht“ durch die harmonische Bildung von Kopf, Hand und Herz kommt dem rousseauschen Bildungsideal der Natürlichkeit sehr nahe. Doch bald ist Pestalozzi der Auffassung, dass die alleinige Ausrichtung auf das Bildungsideal der Natürlichkeit nicht ausreicht, um den Menschen zu einem sittlichen Gemeinschaftswesen zu erziehen.

Er vertritt die Meinung, dass mehr als nur Natürlichkeit und Stärke zur Veredelung der Menschen benötigt werden, da Selbstsucht und Egoismus einhergehen und das Gemeinschaftsleben zerstören.

Dem zur Folge verwirft er das rousseausche Konzept zugunsten einer Erziehung zur Sittlichkeit, die die tierische Natur des Menschen berücksichtigt und diese zu überwinden versucht.

Das physio-technische Verständnis des Körpers im Dienst der sittlichen Erziehung bildet die anthropologische Grundlage Pestalozzis Körpererziehung und steht folglich im Gegensatz zu Rousseaus Vorstellung der leiblichen Entfaltung des Menschen durch freie Bewegungstätigkeit.

Dementsprechend greift auch Pestalozzi im Rahmen der Körpererziehung zu streng systematischen Übungen.

2.4 Vergleich der „natürlichen“ und „vernünftig-natürlichen“ Erziehung

Die Prinzipien Rousseaus und der Philanthropen finden eine grundsätzliche Übereinstimmung der pädagogischen Überzeugung in der Hochschätzung der Leibesübungen.

Dennoch treten einige Differenzen in der pädagogischen Theorie und Praxis auf. Das liegt an den unterschiedlichen anthropologischen Grundannahmen über die Natur des Menschen.

Rousseau sieht die kindliche Entwicklung als geistigen Prozess mit einem ursprünglichen Bewegungsdrang. Die Philanthropen hingegen vertreten die Auffassung eines kindlichen Körpers als „Maschine, die um so besser funktioniert desto mehr ihre Einzelteile bearbeitet werden“.

Daraus ergeben sich gravierende Gegensätze im pädagogischen Umgang mit Bewegung sowie der Bildungsziele, die mit den Leibesübungen verfolgt werden.

3 Das Schulturnen & die reformpädagogische Leibeserziehung im 19. und 20. Jahrhundert

3.1 Die Deutsche Turnbewegung nach Friedrich Ludwig Jahn

Deutschland verliert den Krieg gegen Frankreich und ist deshalb 1806 – 1813 unter der Herrschaft Napoleons. Friedrich Ludwig Jahn (1778-1852) ist der Vorreiter der Nationalbewegung, die zwischen den Ideen der europäischen Aufklärung und der Auflehnung gegen die Fremdherrschaft schwankt und wird auch deshalb als „Turnvater“ bezeichnet. Er ist der Meinung, dass das Deutsche Turnen für ein Gleichgewicht von Leib und Seele sorgen muss. Damit will er die Körper und Charaktere des gesamten männlichen Volkes bilden, die physische und moralische Kraft steigern und zudem die Standesunterschiede in Deutschland überwinden. Vaterland, Volkstum und die Einheit Deutschlands sollen vorne anstehen. Durch einheitliche Turnkleidung, Turnfahrten, Turnlieder, Massenwettkämpfen und Siegerehrungen soll der Patriotismus und die Gemeinschaft gestärkt werden.

Bekannt wird das Deutsche Turnen durch die „Berliner Hasenheide“, der erste öffentliche Turnplatz, der 1811 gegründet wird. Dort entsteht erstes Vereinsturnen, das sich schnell in Deutschland und Preußen verbreitet.

Da der Geist beim Turnen eine wichtige Rolle spielt und die Inhalte der Übungen eher im Hintergrund stehen läuft es auf der Hasenheide zunächst sehr chaotisch ab und hat eher Spielcharakter.

Im Vordergrund stehen Selbstentfaltung, Selbstverantwortung und Selbstorganisation.

1820 – 1842 gibt es eine vorübergehende Turnsperre, da der Adel und das Militär befürchten durch das Turnen national-patriotische und demokratische Aufbrüche zu erleben. Teilweise werden die „revolutionären Turner“ sogar verfolgt und eingesperrt.

3.2 Das Preußische Schulturnen nach Adolf Spiess

Da die staatstragenden Obrigkeiten jedoch weiterhin Volksgesundheit und Wehrtüchtigkeit wünschen, entwickelt sich das preußische Schulturnen nach Adolf Spiess (1810 – 1858). Dieser bekommt von der preußischen Kultusbehörde den Auftrag ein durchorganisiertes Konzept für das Turnen in den Schulen zu entwickeln.

Er bedient sich der Elementarisierung der Pädagogik und der naturwissenschaftlichen- anatomischen Erkenntnisse, so dass letztendlich Körperbeherrschung, Ordnung und Disziplin im Vordergrund stehen und der Geist als „Herrscher“ dem Körper als „Maschine“ übergeordnet ist.

Die Aufgabe des Turnens besteht deshalb darin, den Körper in die Zucht des Geistes zu bringen.

Es entstehen die so genannten „Spiess’schen Freiübungen“, dass heißt frei von Geräten und im Freien und die „Spiess’schen Ordnungsübungen“, wie zum Beispiel paramilitärische Antreteübungen, bei denen die Schüler lernen sollen, sich nach Befehl zu bewegen und Ordnung zu üben.

Dieses Konzept überwiegt im 19. Jahrhundert und findet viele Anhänger, die sich damit beschäftigen.

Kritiker dagegen bezeichnen diese Form des Schulturnens als „Kopfturnen“ und „erschlaffendes Stillstehen“, das zum „Stillsitzen“ im Unterricht noch dazu kommt.

Durch dieses gehorsame und unterordnete Verhalten bei den Körperübungen und durch die zusätzliche Institutionalisierung des Turnens in den Schulen werden gehorsame und kräftige Untertanen für das Militär „geschaffen“.

Durch die staatliche Unterstützung und die Verbreitung des Lehrerberufes kann sich das Schulturnen verbreiten und die Kritik unterdrückt werden. Alternative Konzeptvorschläge scheitern.

Neben den Errungenschaften des Schulturnens und die Möglichkeit zur Lehrerausbildung bezieht Spiess Ende des 19. Jahrhunderts. auch die Mädchen in die Leibesübungen mit ein und wird deshalb als „Turnvater der Mädchen“ bezeichnet.

Die Gegner des „Spiess’schen Konzepts kritisieren folgende Punkte:

Zum einen gibt es viele negative medizinische Diagnosen, wie Kopfschmerzen, Haltungsschäden oder psychische Störungen. Zusätzlich kritisieren die Pädagogen diese Form von Übungen, da Schüler mangelnde soziale Kompetenz aufweisen und es zu einem Missverhältnis zwischen Körper und Geist kommen könnte.

Außerdem wird wegen der Entsinnlichung und der Unterdrückung des natürlichen Bewegungsdrangs dieses Konzept als „Starres Schulturnen“ und „Sitz- und Paukschule“ bezeichnet.

3.3 Ansätze der reformpädagogischen Leibeserziehung

Anfang des 20. Jahrhunderts kritisiert die „Reformpädagogik“ die Künstlichkeit, Entmündigung und Militarisierung des Schulturnens und stellt die „Pädagogik vom Kinde aus“ in den Mittelpunkt.

Hier soll die Erziehung natürlich und möglichst unbehindert erfolgen, so dass Selbstständigkeit, Spontaneität und Kreativität ermöglicht werden können.

Es entsteht somit eine Gegenbewegung zur Industrialisierung und zum Rationalismus, die Reformpädagogik:

Die Ziele dieser Erziehung sind eigenständige Erarbeitung von Unterrichtsinhalten und die Einheit von Leib und Seele.

Aus Bewegungskultur heraus entwickeln sich „3 Säulen:

1.) Die Deutsche Gymnastikbewegung:

Die Deutsche Gymnastikbewegung hat eine große Bedeutung für Mädchen und Frauen, auch wenn die Gymnastik in den Schulen nur sehr langsam anlief.

Es gibt zwei Hauptrichtungen der Gymnastik:

Die „Funktionelle Gymnastik“, welche durch die schwedische Gymnastik beeinflusst wird zielt auf die Gesundheit, Kraft und Funktionstüchtigkeit des weiblichen Körpers ab.

Die „Rhythmisch-ästhetische Gymnastik“ steht in enger Beziehung zur Kunsterziehungsbewegung und entwickelt sich nach dem Ersten Weltkrieg zur „Deutschen Gymnastik“. Bekannte Vertreter davon sind Bode und Medau, nach denen auch noch heute Gymnastikschulen benannt sind.

Die erzieherische Wirkung von Gymnastik soll Folgende sein: Durch Entspannungsübungen, wie „Lösen“ oder „Lockern“ sollen Kräfte frei werden und der zivilisierte Mensch wieder zum natürlichen Menschen werden.

2.) Das natürliche Turnen:

Zur Überwindung des vorherigen Schulturnens entwickeln Gaulhofer und Streicher eine Leibeserziehung, die in die Gesamterziehung eingebunden war. Konkret bedeutet dies biologisch sinnvolle und wertvolle Übungen, biologisch begründete Haltungserziehung und eine kindgemäße Bewegungsschulung.

Dabei sollen die natürlichen Bewegungen der Schüler erhalten werden und sich entfalten können. Sie sollen durch ihre eigene Fehler lernen, sich den Stoff selbstständig erarbeiten und keine bestimmten Bewegungsformen aufgedrängt bekommen.

3.) Der englische Sport:

Zunächst hat der englische Sport keine erzieherischen Absichten, weshalb die deutschen

Turner vorerst desinteressiert daran sind.

Die Kritik zu der Zeit besteht darin, dass Wettkampf und Leistung zu sehr im Vordergrund stehen und unnatürliche technische Hilfen zur Leistungssteigerung genommen werden. Außerdem sehen die Deutschen den Aspekt des Geldverdienens, das Wetten auf Sieger und die Internationalität des Sports, wie zum Beispiel die olympische Idee kritisch.

In den Turnvereinen, wo der erzieherische Aspekt nicht so vorherrschte, fand der englische Sport jedoch Anklang und setze sich nach dem Ersten Weltkrieg durch Es gab erste Wettkämpfe, wie Fußballspiele oder Radrennen.

Carl Diem untermauert 1928 die Vorzüge dieses Sports durch pädagogische Grundsätze, wie das „Fair Play“ und hofft so, den Sport bei den Deutschen beliebter zu machen. Trotz dessen sieht man die „Internationalität“ weiterhin kritisch.

4 Die politische Leibeserziehung im Nationalsozialismus

4.1 Der Übergang zur nationalsozialistischen Leibeserziehung

Die ersten nationalsozialistischen Bestrebungen einer „Volksernennung“ treten schon nach dem ersten Weltkrieg (1914-1918) in den Vordergrund.

In den 1920ern entsteht ein fließender Übergang zwischen der reformpädagogischen und der nationalsozialistischen Leibeserziehung. So gerieten die reformpädagogischen Ansätze in den Sog der politischen Leibeserziehung des Nationalsozialismus.

In einer Gegenüberstellung der Leitbegriffe der beiden Erziehungen, kann man deutlich die Unterschiede als auch Übergänge der Bestrebungen sehen:

Im Biologismus findet man in der reformpädagogischen Leibeserziehung die Natürlichkeit und im Nationalsozialismus steht dort die Rasse im Vordergrund. Die Bestrebung nach der arischen Rasse ist sehr groß. Hitler nimmt sich an der Körperkultur der Griechen ein Beispiel. Wo es bei den Reformpädagogen im Irrationalismus um Gefühlserziehung gehr so muss man im Nationalsozialismus nach Gehorsam erziehen. Das Volk bei den Reformpädagogen ist eine Gemeinschaft und im Nationalsozialismus ist es der Nationalismus, denn es wird „aussortiert“. Nur die „Deutschen“ und keine andere Rasse wird akzeptiert.

Des Weiteren orientiert sich die Reformpädagogik an einer Erlebnispädagogik „vom Leibe aus“ wo hin gegen im Nationalsozialismus die politische Pädagogik mit dem Ziel „kerngesunder Körper heranzuzüchten“ im Vordergrund steht.

Die nationalsozialistische Leibeserziehung ist somit das Endergebnis einer langen Entwicklung die mit der individualistisch-irrationalen Kulturkritik im 19. Jahrhundert begann und über eine fortschreitende Veränderung der inhaltlichen Zielsetzungen schließlich 1933 nach der Machtübernahme Hitlers in einem dogmatischen Erziehungsprogramm der Nationalsozialisten erstarrt.

So wird die Leibeserziehung auf deren politisches Grundsatzprogramm verpflichtet.

4.2 Die nationalsozialistische Leibeserziehung

Die Nationalsozialistische Leibeserziehung ist von 1933 und endete 1945.

Vor seiner Machtübernahme veröffentlicht Hitler ein Buch („Mein Kampf“) wo er Erziehungsgrundlagen eines völkischen Staates festhält.

Die Vorstellungen und das Erziehungsideal, wie der männliche Körper sein sollte, wird von Hitler deutlich vorgegeben: „Hart wie Kruppstahl, schnell wie ein Windhund, zäh wie Leder“. Der männlich Körper soll gut durchtrainiert, athletisch und er selber ohne Angst und Furcht sein.

Hitler will aus der Jugend eine neue Welt formen. Hierzu gibt es ein Zitat: „... eine grausame, unerschrockene Jugend will ich. Schmerzen muss sie ertragen... ich will eine athletische Jugend... ich will keine intellektuelle Jugend. Mit Wissen verderbe ich mir die Jugend...“.

Es wird deutlich, dass die intellektuelle Bildung in Hitlers Erziehungsprogramm vernachlässig werden soll. Anstelle davon soll die körperliche Erziehung in den Vordergrund rücken.

So wird die Leibeserziehung zum politischen Kernstück und der „Leib zum Politikum“, das heißt, über den Leib, über die Seele und über den Geist indoktrinieren.

Der Sport wird sehr vom Staat gefördert und so kommt es, dass ab 1933 in allen Schularten / - stufen fünf Sportstunden in der Woche eingeführt werden.

Außer der Biologie war kein Fach so systemkonform organisiert wie die Leibeserziehung.

Was in der Reformpädagogik für die Frauen und Mädchen im Vordergrund stand, wie Tanz, Gymnastik und Spiel, blieb ihnen nun vorbehalten.

Die politische Leibeserziehung der Jugend ist die Eingliederung in die „soldatische Mannschaft“ und auf die „Stärkung des Kampfgeistes“ wird gezielt hin gearbeitet.

Jedoch soll man nicht denken, dass es bei der Mannschaft auf die individuelle Leistungsfähigkeit ankommt um das gemeinsame Ziel zu erreichen, noch dass sportlicher Teamgeist gefragt ist. Es geht viel mehr darum, das politische Ziel anzustreben: Eine politische Mannschaft „heran zu erziehen“.

Die Didaktik und die Methodik der Leibeserziehung im Sportunterricht hat für die Jungs eine bedeutende Rolle, denn die kämpferischen Qualitäten dominieren. So rücken Zweikampfsportarten in den Vordergrund: wie Boxen, vormilitärischer Geländesport und Kampfsportarten wie Fußball und Handball. Hier liegt der Schwerpunkt auf dem kämpferischen Körperkontakt und auf der Selbstüberwindung.

Es wird sogar gern gesehen, wie man grob den Ball erhaschen kann.

Nicht nur der Sport wird gefördert, sondern auch ein neues Bild eines Erziehertyps soll erschaffen werden: eines „soldatischen Führers“ mit „vorbildhafter nationalsozialistischer Haltung“. So wird auch das akademische Lehramtstudium zu einer politischen „Erziehungsinstitution“ umgewandelt in der eine „einheitliche, lehrmäßige Schulung“ und „SA- mäßige Ausbildung“ stattfindet. Zum Abschluss dieser Ausbildung muss sich der Lehrer im „Prüfungslager“ bewähren, indem sie sich zu einer „Kampfgemeinschaft“, zu einer „Kerntruppe“ deutscher Leibeserziehung formieren.

Am 08. Mai 1945, nach bedingungsloser Kapitulation Deutschlands, geht der zweite Weltkrieg verloren und damit scheitert auch der „Beweis für die Richtigkeit der nationalsozialistischen Leibeserziehung“.

Aufgrund der weltpolitischen Situation, wird Deutschland in zwei Staaten aufgeteilt.

So kommt es, dass der Wiederaufbau des Sports und der Bewegungskultur im geteilten Deutschland sehr unterschiedliche Entwicklungen nimmt.

In der DDR kommt es zu einer kommunistischen Körpererziehung, dessen Bildungsziele materieller Natur sind.

In der BRD herrscht von 1949-1970 die Theorie der Leibeserziehung vor und ab den Siebzigern steht das Sportcurriculum im Vordergrund.

5 Zusammenfassung der problemgeschichtlichen Perspektive: Wiederkehr im Wandel

Bei der Betrachtung der Historie wird klar, dass sich die Sportpädagogik nicht linear entwickelt hat, sondern in Pendelbewegungen. Sie wurde beeinflusst durch die Gesellschaft und ihre Anforderungen an das Individuum. Um diesen Umstand zu verdeutlichen werden hier noch einmal kurz die wichtigsten Punkte zusammengefasst.

In der Zeit des Feudalismus konzentrierte sich Jean Jaques Rousseau auf das Individuum und seine Verbindung zur Natur. Durch die Erziehung des Einzelnen sollte die Gesellschaft als Ganzes verändert werden. Hier hat die Sportpädagogik ihren Ursprung.

Zur Zeit des Philanthropismus wurden die Ziele verkehrt in eine Ausrichtung auf die Erfordernisse der Gesellschaft. Mit Friedrich Ludwig Jahn begann die Politisierung, Sport wurde institutionalisiert, mit Adolf Spiess reglementiert und die (gesellschaftlich) nützlichen Fähigkeiten wurden machtpolitisch ausgenutzt.

Die Reformpädagogik zur Jahrhundertwende besann sich wieder zurück auf den Rousseau’schen Ursprung. Das Individuum stand wieder im Mittelpunkt, die ganzheitliche Erziehung des Kindes in seiner Natur war subjektorientiert und steigerte sich in eine Huldigung des Leibes.

Die Nationalsozialisten nutzten diese Ideologie aus, beziehungsweise machten sie erst zu einer. Sport wurde Mittel zum Zweck, vollkommen politisiert, dass zur Gesellschaft passende Individuum wurde geschaffen.

Der Sinn der Leibeserziehung, das „Wozu?“, war wandelbar und dementsprechend variierten auch die Inhalte, das „Was?“, und die Methoden, das „Wie?“. Man darf trotz allem sicher davon ausgehen, dass die Unterrichtenden die besten Absichten in sportlicher Hinsicht hatten.

6 Fazit

Es erscheint nach der Auseinandersetzung mit der Historie die Frage nach der Bedeutung dieser geschichtlichen Entwicklung für Heute und auch für die Zukunft wichtig. Sie dient als Grundlage für Maßstäbe und Orientierungen um gegenwärtige Tendenzen analysieren und bewerten zu können. Mündigkeit im Umgang mit Sinn und Zweck der Unterrichtspraxis ist gefordert, sie soll nicht von Zeitströmungen und Machtverhältnissen beeinträchtigt werden.

7 Quellen

PROHL, R. (2005): Grundriss der Sportpädagogik. Wiebelsheim. S. 21-60

GRUPPE, O./KRÜGER,M. (1997): Einführung in die Sportpädagogik. Schorndorf. S. 47-59

http://www.jahn-museum.de/bilder/eigene/turnplatz.jpg

http://www.sportunterricht.de/

http://portrait.kaar.at/Deutschsprachige%20Teil%204/images/friedrich_ludwig_jahn.jpg

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Historische Grundlagen des Bewegungsunterrrichts
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Institut für Sportwissenschaft)
Veranstaltung
Grundlagen des Bewegungsunterrichts (Seminar)
Note
14
Autor
Jahr
2007
Seiten
17
Katalognummer
V111350
ISBN (eBook)
9783640094288
Dateigröße
378 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Historische, Grundlagen, Bewegungsunterrrichts, Grundlagen, Bewegungsunterrichts
Arbeit zitieren
Sita Hermand (Autor:in), 2007, Historische Grundlagen des Bewegungsunterrrichts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/111350

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