Der Umgang mit rechtspopulistischen Parteien in Deutschland und Norwegen im Vergleich


Bachelorarbeit, 2021

64 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1. Einleitung
1.1 Einstieg: Rechtspopulismus in Europa
1.2 Fragestellung
1.3 Stand der Forschung

2. Die Parteien
2.1 Rechtspopulismus als Begriff
2.1.1 Rechte Parteien
2.1.2 Rechtspopulismus, Rechtsradikalismus und Rechtsextremismus
2.2 Die Fremskrittspartiet
2.2.1 Geschichte der FrP
2.2.2 Die FrP in der Gegenwart
2.2.3 Politikwissenschaftliche Einschätzung der Partei
2.3 Die Alternative für Deutschland
2.3.1 Die Geschichte der AfD
2.3.2 Die AfD in der Gegenwart
2.3.3 Politikwissenschaftliche Einschätzung der Partei

3. Umgang mit rechtspopulistischen Parteien
3.1 Umgangsstrategien im Allgemeinen
3.2 Der Umgang mit der Fremskrittspartiet
3.3 Der Umgang mit der Alternative für Deutschland

4. Vergleich der Meinungen von Politikstudierenden zum Umgang mit rechtspopulistischen Parteien in Deutschland und Norwegen
4.1 Methodik
4.1.1 Teilnehmende
4.1.2 Materialien
4.1.3 Durchführung
4.2 Auswertung
4.2.1 Angemessenheit des Umgangs mit der AfD/ FrP
4.2.2 Angemessener Umgang mit der AfD/ FrP
4.2.3 Stärkere Einbindung der AfD und FrP
4.2.4 Populismus im politischen Diskurs
4.2.5 Demokratiegefährdung durch die AfD/ FrP
4.2.6 Zukunftsrelevanz von AfD und FrP
4.3 Deutung der Ergebnisse
4.4 Diskussion

5. Fazit

6. Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

Anhang 1: Fragebogen für Studierende der EUF

Anhang 2: Fragebogen für Studierender der NTNU

Vorwort

Im Zuge meines Studiums im Bachelor Bildungswissenschaften mit den Fächern Sport und Wirtschaft/ Politik entschied ich mich Ende 2020 dazu meine Bachelorarbeit im Bereich Politikwissenschaft am Seminar für Politikwissenschaft und Politikdidaktik der Europa-Universität Flensburg zu schreiben. Das Semester, in welchem die Arbeit hauptsächlich entstand, absolvierte ich jedoch als ERASMUS+ Student an der Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität Norwegens in Trondheim. Der Abschlussarbeit auch einen norwegischen Einfluss zu verleihen, bot sich daher an.

Das Gebiet des Rechtspopulismus beschäftigte mich, aufgrund seiner Aktualität und gesellschaftlichen Relevanz, schon länger. Weiterhin ist 2021, durch die andauernde Corona Pandemie, der mit ihr einhergehenden Proteste, sowie Parlamentswahlen in Deutschland und Norwegen, ein Jahr, in welchem es sich besonders lohnt einen Blick auf Rechtspopulismus und den politischen sowie gesellschaftlichen Umgang mit ihm zu werfen.

Besonderen Dank möchte ich an dieser Stelle an Dr. Peer Egtved aussprechen, der mir als Betreuer Rat gebend und unterstützend bei der Erarbeitung und den damit einhergehenden Problemen zur Seite stand. Weiterhin gilt meine Dankbarkeit Prof. Christof Roos, Dr. Mindaugas Kuklys und a.o. Prof. Charles Butcher für ihre Unterstützung und Kooperation, den International Centern in Flensburg und Trondheim für die Ermöglichung dieses Auslandssemesters trotz der widrigen Umständen, den Teilnehmer:innen meiner Umfrage und meinen fleißigen Korrekturleser:innen an den Universitäten in Flensburg, Mainz und Kiel.

Ich hoffe ich kann mit dieser Arbeit ein Stück weit zu einer offeneren, demokratischeren und humaneren Welt beitragen. Mit den Worten des ehemaligen norwegischen Premierministers Jens Stoltenberg wünsche ich allen interessierten Leserinnen und Lesern viel Freude beim Lesen dieser Bachelorarbeit.

„Unsere Antwort ist mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Humanität, nie jedoch Naivität.“ (Stoltenberg, 2011)

Ole Voß

Trondheim im Mai 2021

1. Einleitung

1.1 Einstieg: Rechtspopulismus in Europa

„Ein Gespenst geht um in Europa“, schrieb Karl Marx 1848 im Manifest der kommunistischen Partei. Marx beschrieb damals den Kommunismus, gegen den sich die alten Mächte Europas verbündet hatten (Marx & Engels, 1848, S.1).

Über 170 Jahre später spielt der Kommunismus in Zentraleuropa kaum noch eine Rolle, doch ein neues Gespenst, ein neues Phänomen geht nun um auf unserem Kontinent. Das Gespenst des Rechtspopulismus. Während in anderen europäischen Ländern schon lange rechtspopulistische Parteien in nationalen Parlamenten vertreten sind, ist dies seit 2017 auch in Deutschland der Fall.

Vor 2017 scheiterten, in der jüngeren Vergangenheit, dem rechten Spektrum zugeordnete Parteien, wie die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) die Republikaner oder die Alternative für Deutschland (AfD), auf nationaler Ebene stets an der Fünf-Prozent-Hürde des Bundestages. Nach der Bundestagswahl 2017 zog jedoch die AfD mit 12,6% der Stimmen als drittgrößte Fraktion ins deutsche Parlament ein (Bundeswahlleiter, 2017).

Außerhalb der Bundesrepublik sind, mit Ausnahme einiger weniger Länder, wie Irland oder Island, in allen europäischen Parlamenten rechtspopulistische Parteien vertreten (Bundeszentrale für politische Bildung, 2020). Die Parteien und Länder, die in dieser Arbeit insbesondere betrachtet werden sollen, sind die norwegische „Fremskrittspartiet“ (FrP), zu Deutsch „Fortschrittspartei“ und die deutsche „Alternative für Deutschland“ (AfD).

1.2 Fragestellung

Beide beschriebenen Parteien sind dem rechtspopulistischen Spektrum zuzuordnen (Allern, 2012). Allerdings weisen sie auch deutliche Unterschiede auf. Während die AfD erst 2017 in den deutschen Bundestag einzog, war die FrP erstmalig 1973 im norwegischen Nationalparlament „Stortinget“ vertreten und zwischenzeitlich sogar an der Regierung beteiligt.

Der deutsch-norwegische Historiker Einhart Lorenz beschrieb einen weiteren zentralen Unterschied wie folgt:

„Der große Unterschied zur AfD ist, dass die skandinavischen Rechtspopulisten keinerlei ideologische Wurzeln im Nationalsozialismus oder Faschismus haben. […] Aussagen wie, man müsse stolz auf die Wehrmacht sein, oder völkisches Nazi-Vokabular, das gibt es bei den skandinavischen Parteien nicht. Es gibt dort keine Verharmlosung der Nazi-Verbrechen“ (Lorenz, 2017, Abs. 5).

Trotz und gerade wegen klarer Unterschiede soll ein Vergleich der Parteien und vor allem die Reaktion der etablierten Parteien auf diese, Kern dieser Arbeit sein. Konkret lautet daher die erste Fragestellung: Wie gehen etablierte Parteien in Norwegen und Deutschland mit der FrP, beziehungsweise der AfD um?

Um eventuelle Unterschiede zwischen den Ländern auch in der Gesellschaft zu beleuchten, wird darüber hinaus erforscht, wie Politikstudierende in beiden Ländern über die Reaktionen der etablierten Parteien und den Umgang mit rechtspopulistischen Parteien denken. Daher lautet die zweite Fragestellung dieser Arbeit: Inwiefern unterscheidet sich die Sicht auf den Umgang mit rechtspopulistischen Parteien zwischen deutschen und norwegischen Politikstudierenden?

Zur Beantwortung wird zunächst der Begriff des Rechtspopulismus erläutert und definiert. Im Anschluss werden die historischen und gegenwärtigen Hintergründe zu den Parteien in den beiden Ländern beschrieben. Daraufhin werden allgemeine Umgangsstrategien mit populistischen Parteien, sowie der konkrete Umgang mit FrP und AfD dargestellt. Anschließend wird, mittels einer Umfrage unter Studierenden der Europa-Universität Flensburg (EUF) und der Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität Norwegens (NTNU), die Beantwortung der zweiten Frage angestrebt, um schließlich die Ergebnisse der Arbeit zusammenfassen zu können. Somit kann schließlich auch ein Ausblick auf zukünftige Forschungsansätze und Handlungsempfehlungen gegeben werden.

1.3 Stand der Forschung

Der Rechtspopulismus und seine Parteien sind in der Politikwissenschaft ein beliebtes Thema. Insbesondere die älteren rechtspopulistischen Parteien in Skandinavien, West- und Osteuropa wurden bereits durch eine Vielzahl von Politikwissenschaftler:innen auf einer internationalen Ebene ausgiebig miteinander verglichen.

Die FrP wurde in Entstehung, Wandel und Bedeutung für die norwegische Politiklandschaft von vielen Autor:innen beschrieben. Besonders präsent und somit auch relevant für diese Arbeit sind hierbei Jupskås (2013) und Jupskås, Ivarsflaten, Kalsnes und Aalberg (2016), die die Entwicklung der FrP, ihre Wählerschaft und ihre politische Bedeutung in Norwegen detailliert analysieren. Letzteres untersucht auch Allern (2012) durch einen Vergleich von rechts- und linkspopulistischen Parteien in Norwegen. Bjerkem (2016) geht zusätzlich auf die starke Verankerung der FrP im Königreich Norwegen ein.

Die Forschung zur AfD ist im Vergleich dazu noch jung, jedoch nicht weniger umfangreich. Die im Folgenden genannten Werke gehören, wie auch die eben genannten, zur Basisliteratur dieser Arbeit. Bücker, Schade und Wiegerling (2019) liefern einen umfangreichen Überblick über die Entstehung, den Wandel und die Motive der Partei. Weiterhin beschreiben Bieber et al. (2018), sowie Isemann und Walther (2019) im Detail die Wählerschaft der AfD und die Kommunikation der Partei. Einen umfangreichen Überblick über das erste Jahr der AfD im deutschen Bundestag liefert zudem Ruhose (2018).

Herausstehende Werke, welche die rechtspopulistischen Parteien in Europa miteinander vergleichen, sind vor allem die im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung ausgearbeiteten Arbeiten. Namentlich sind dies Fislage, Grabow und Heinze. (2018) sowie Grabow und Hardleb (2013). Darüber hinaus werden der europäische Rechtspopulismus und seine parteiliche Ausprägung umfangreich von Wolf (2019) und Schellenberg (2018) beschrieben.

Allerdings fehlt in den internationalen Vergleichen häufig noch die AfD. Grund hierfür ist ihre noch junge Existenz, beziehungsweise bundespolitische Relevanz. Ein geeigneter, direkter Vergleich zwischen der AfD und der FrP existiert bislang noch nicht. Allerdings beschreibt Heinze in zwei separaten Arbeiten den Umgang mit rechtspopulistischen Parteien in Nordeuropa (2018) und den parlamentarischen Umgang mit der AfD (2020). Diese beiden Veröffentlichungen leisten einen elementaren Beitrag zum Vergleich der skandinavischen rechtspopulistischen Parteien mit der AfD, sowie auch zu dieser Arbeit.

Folglich ist der Stand der Forschung umfangreich und belastbar. Allerdings fehlt es den vergleichenden Veröffentlichungen, durch eine Fokussierung auf mehrere Parteien und Länder, häufig an Tiefe. Diese Arbeit kann und soll daher neue Erkenntnisse zum parlamentarischen und gesellschaftlichen Umgang mit rechtspopulistischen Parteien in Norwegen und Deutschland liefern.

2. Die Parteien

Im folgenden Kapitel wird eine Charakterisierung der beiden zu vergleichenden Parteien vorgenommen. Zunächst werden jedoch der Begriff des Rechtspopulismus und verwandte Bezeichnungen geklärt.

2.1 Rechtspopulismus als Begriff

Um einen präzisen Vergleich rechter Parteien gewährleisten zu können, bedarf es zunächst einer Definition gewisser Begrifflichkeiten. Im gesellschaftlichen Diskurs werden die Begriffe rechts, rechtspopulistisch, rechtsextrem, rechtsradikal oder rechtsideologisch häufig ohne klare Trennlinien, teils sogar synonym verwendet. Dies weist jedoch ein gewisses Risiko auf, da sich die Begriffe in ihrer Bedeutung durchaus essenziell unterscheiden.

2.1.1 Rechte Parteien

Die Frage danach was rechts ist, lässt sich daher schwierig beantworten, dass die individuellen Meinungen zu „Mitte“, „Links“ oder „Rechts“, durchaus variieren. Die Definition von Wolf (2019) soll in dieser Arbeit als Leitfaden verwendet werden, um das rechte Parteienspektrum zu definieren.

„Aus dem Begriff ‚rechte Partei‘ lässt sich zunächst einmal ableiten, dass diese Partei offenkundig auf der Skala rechts der Mitte einzuordnen ist. Obwohl das Spektrum dieser Parteien rechts der Mitte immer noch eine beachtliche Größe aufweist, können bereits eine Reihe von Gemeinsamkeiten dieser Parteien ausgemacht werden. Hierzu gehören, eine starke Betonung der nationalen Identität beziehungsweise des Nationalismus, ein gewisser Fokus auf das eigene Volk, EU-Skeptizismus, Fremdenfeindlichkeit, Islamskepsis, Migrationskritik, Ungleichwertigkeitsvorstellungen, Beschwörung einer vermeintlich homogenen Gemeinschaft sowie law and order- Forderungen“ (Wolf, 2019, S.68).

2.1.2 Rechtspopulismus, Rechtsradikalismus und Rechtsextremismus

Das „rechte Spektrum“ lässt sich darüber hinaus weiter unterteilen in rechtspopulistisch, rechtsradikal und rechtsextrem. Eine klare Definition der Begriffe liegt auch hier nicht vor. Allerdings gibt es Schnittmengen zwischen verschiedenen Autor:innen, die eine Annäherung erlauben.

Wolf (2019) greift die Definitionsversuche von Richard Stöß und Cas Mudde auf, welche hier kurz erläutert werden.

Nach Stöß lässt sich das rechte Parteienspektrum in drei Untergruppen unterteilen. Den Rechtskonservatismus, den Rechtsradikalismus und den Rechtsextremismus. Bereits der Rechtskonservatismus zeichnet sich durch nationalistische und fremdenfeindliche Ansichten aus. Diese sind jedoch gemäßigt und werden in der Regel von Europafeindlichkeit begleitet. Rechtskonservative Parteien und Bewegungen prägt jedoch eine grundsätzliche Systemkonformität und die Akzeptanz des Rechtsstaats. Der Rechtsradikalismus verfügt, laut Stöß, über eine ausgeprägte völkisch-nationalistische Ideologie. Die klare Trennlinie zum Rechtskonservatismus ist die grundsätzlich systemkritische Einstellung der Rechtsradikalen. Der Rechtsextremismus ist schließlich geprägt von neofaschistischen1 oder rassistischen2 Weltanschauungen. Darüber hinaus ist der Rechtsextremismus nicht systemkritisch, sondern systemfeindlich. Die Übergänge zwischen Rechtsradikalismus und Rechtsextremismus sind in dieser Definition fließend. Weiterhin untergliedert Stöß den Rechtsextremismus in gemäßigten (Forderungen innerhalb der politischen Ordnung und klare Abgrenzung vom Nationalsozialismus) und orthodoxen (offene Systemfeindlichkeit und Befürwortung von Gewalt) Rechtsextremismus (Wolf, 2019, S.33ff). Insbesondere die letzte Unterteilung innerhalb des Rechtsextremismus ist jedoch ein Wiederspruch zur Definition desselben.

Die Unterteilung nach Cas Mudde ist zunächst binär. Er unterteilt das rechte Parteienspektrum in rechtsradikal/-populistische und rechtsextreme Parteien. Der Rechtsradikalismus (oder Populismus, hier macht Mudde keinen klaren Unterschied) zeichnet sich durch antiliberale, minderheitenfeindliche und populistische Ansichten aus. Darüber hinaus wird eine Veränderung von Demokratie und Verfassung angestrebt. Dem entgegen steht der Rechtsextremismus, welcher sich durch Verfassungsfeindlichkeit und den Wunsch nach der Abschaffung der Demokratie auszeichnet. Den Rechtspopulismus unterteilt Mudde weiterhin in neoliberale und radikale Strömungen. Der Rechtsextremismus teilt sich wiederum auf in ethnische oder staatsnationale Parteien, die ihre Forderungen entweder auf ethnischen Kriterien oder der Staatsbürgerschaft eines Einzelnen aufbauen (ebd., S.45ff).

Die Schnittmengen aus den beiden Definitionsversuchen führen für diese Arbeit zu folgenden Erkenntnissen. Der Rechtsradikalismus zeichnet sich durch fremdenfeindliche und nationalistische Ideologien aus. Seine Forderungen sind zwar dem politischen System und der Verfassung gegenüber kritisch eingestellt, gefährden diese jedoch nicht. Der Rechtsextremismus zeichnet sich nicht nur durch ein höheres Maß an Rassismus und Gewaltbereitschaft aus, sondern auch durch eine starke Verfassungsfeindlichkeit und dem Wunsch nach der Beseitigung der Demokratie.

Da sich jedoch keine der beiden Parteien in Gänze als rechtsradikal oder rechtsextrem einstufen lässt, ist der für diese Arbeit zentrale Begriff der des Rechtspopulismus. Dieser Begriff gestaltet sich noch abstrakter, als die bereits definierten. Jedoch überschneiden sich norwegische und deutsche Definitionen in den wichtigsten Punkten. Sowohl Jupskås et al. (2016) als auch Wolf (2019) definieren den Rechtspopulismus zunächst als rhetorisches Werkzeug mit Hilfe dessen ein möglichst großes Publikum erreicht werden soll. Ein zentrales Merkmal ist hierbei häufig eine charismatische Führungsfigur. Die Narrative des Rechtspopulismus sind die Gegenüberstellung des „normalen“ Volkes und der (politischen) Eliten, sowie die Gegenüberstellung von Einheimischen und Ausländern. Ziel ist häufig die Erzeugung eines „Wir-Gefühls“ mit flachen Hierarchien und einer Kommunikation auf Augenhöhe (Jupskås et al., 2016). Die Führungsfigur präsentiert sich hierbei als Vertreter einer Mehrheit oder des Volkes (Wolf, 2019). Weiterhin werden Themen regelmäßig stark vereinfacht, unreflektiert und polarisierend dargestellt. Die Ausrichtung auf die Masse und der Versuch möglichst viele Unterstützer zu gewinnen, führt zudem häufig zu einem niedrigen Ausmaß an Organisation oder Einheit. Dies führt dazu, dass sich die Parteien und ihre Mitglieder häufig eher als Bewegung denn als Partei verstehen (ebd.). Die elementaren Unterschiede zwischen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus sind zusammenfassend in Abbildung 1 zu erkennen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nach Wolf, 2019, S.132

Abb. 1: Vergleich Rechtsextremismus und Rechtspopulismus

2.2 Die Fremskrittspartiet

Die Fremskrittspartiet (FrP), zu Deutsch Fortschrittspartei, ist die in Norwegen relevanteste rechtspopulistische Partei. Derzeit ist sie mit 26 von 169 Sitzen (15%) im norwegischen Parlament vertreten (Stortinget, o.J.).

2.2.1 Geschichte der FrP

Die Fremskrittspartiet wurde 1973 vom Journalisten Anders Lange gegründet. In ihren Anfangsjahren war die heutige FrP noch nach ihrem Gründer benannt und nannte sich „Anders Langes parti til sterk nedsettelse av skatter, avgifter og offentlige inngrep“. Zu Deutsch: Anders Langes Partei für eine starke Herabsetzung von Steuern, Abgaben und staatlichem Eingriff. Nach Langes Tod im Jahr 1977 wurde die Partei zur Parlamentswahl im selben Jahr in Fremskrittspartiet umbenannt (Jupskås, 2013).

Die Partei, die sich zunächst als Anti-Steuer und Anti-Europa Partei verstand, zog bereits im Jahr ihrer Gründung erstmalig in das norwegische Nationalparlament ein. Gründe für den frühen Erfolg der FrP waren vor allem eine wachsende Unzufriedenheit mit der Steuerpolitik, die 1972 erstmals getroffene Entscheidung der Europäischen Gemeinschaft nicht beizutreten und das charismatische Auftreten Langes (Bjerkem, 2016).

Langes Tod 1977 führte nicht nur zu besagter Namensänderung, sondern auch zu der einzigen Wahl, bei der die FrP nicht ins Storting einzog (Jupskås, 2013). In den folgenden Jahrzehnten fokussierte sich die FrP in Folge mehr auf Themen wie Migration, innere Sicherheit und Versorgung der alten Bevölkerungsschichten. Die Ablehnung von Zahlung staatlicher Transferleistungen, änderte sich zu einer Forderung von Leistungen allein für Einheimische (ebd.). Damit rückte die FrP ein Stück weit von ihren Gründungsidealen ab. Das Geld aus den Ölvorkommen in der Nordsee wollte man lieber ausgeben, als für zukünftige Generationen sparen (ebd.).

Unter ihrem neuen Parteivorsitzenden Carl I. Hagen und mit der nun wesentlich fremdenfeindlicheren Politik gelang der FrP 1981 und 1985 der knappe Wiedereinzug ins Storting. In den darauffolgenden Jahren gelang der Partei der Aufstieg zur zweitgrößten Fraktion im Parlament 1997, 2005 und 2009, sowie zur drittgrößten Faktion 2001, 2013 und 2017 (Stortinget, o.J.). Der FrP war es gelungen, sich vom Image einer reinen Protestpartei zu lösen (Allern, 2012).

Innerparteiliche Diskrepanzen führten 1994 zu einem Austritt vieler junger und offener eingestellter Mitglieder (Jupskås, 2013). Die Stimmen für die Partei stiegen infolgedessen jedoch bei der nächsten Parlamentswahl um 15%.

Bei den Wahlen 2013 und 2017 holte die Partei 29%, beziehungsweise 27% der Stimmen und war in der Folge erstmalig an der Regierung beteiligt. Neben der konservativen Høyre (48%) mit Ministerpräsidentin Erna Solberg, waren abgesehen von der FrP, noch die sozialliberale Venstre (8%, ab 2018) und die Kristelig Folkeparti (8%, ab 2019) beteiligt (Stortinget, o.J.). Für ihre erste Regierungsbeteiligung zahlte die FrP jedoch einen hohen Preis (Bjerkem, 2016). Die Koalition mit Konservativen und Sozialliberalen führte immer wieder zu schmerzhaften Kompromissen für die Partei. So wurden dauerhafte Aufenthaltserlaubnisse für Kinder von illegalen Einwanderern oder eine strengere Alkoholpolitik beschlossen, obwohl die FrP im Wahlkampf gegensätzliche Punkte beworben hatte. (Fossan, 2013 zit. nach Bjerkem, 2016). Hinzu kam die Aufnahme von rund 31.000 syrischen Flüchtlingen durch das Königreich im Jahr 2015, was kurzzeitig zu einer rapiden Verschlechterung der Zustimmungswerte der Fortschrittspartei führte (Bjerkem, 2016). Im Gegenzug errang die Partei in ihrer Regierungsphase jedoch auch Steuerreformen und strengere Immigrationsgesetze (Fossan, 2013 zit. nach Bjerkem, 2016).

Letztlich führten die starken inneren Spannungen und innerparteiliche Kritik an der Regierungsarbeit zum Austritt der FrP aus der Koalition im Januar 2020. Allerdings kündigte die Parteivorsitzende Siv Jensen an, die Regierung weiterhin zu unterstützen (Krekling et al., 2020).

2.2.2 Die FrP in der Gegenwart

Nach der Erläuterung der Parteigeschichte stellt sich jedoch auch die Frage nach der Politik der FrP in der Gegenwart. Im Januar 2021, ein Jahr nach dem Austritt aus der Koalition stand die Partei Umfragen zu Folge bei nur noch 9,6% (PolitPro, 2021).

Im Februar 2021 kündigte Jensen schließlich an, den Pateivorsitz nach 15 Jahren abgeben zu wollen. Anfang Mai wurde Sylvi Listhaug, die Jensen von Jensen für das Amt vorgeschlagen worden war, einstimmig zur neuen Parteichefin gewählt (Helljese, Krekling & Tollersrud, 2021). Die Auswirkungen dieses Wechsels an der Spitze der FrP bleiben, auch mit Aussicht auf die Parlamentswahl im Herbst 2021, ungewiss (Kalajdzic et al., 2021).

Die politische Ausrichtung der FrP im Jahr 2021 ist rechtsliberal. Nach wie vor spricht sich die Partei in ihrem Parteiprogramm für eine Reduzierung von Steuern, Privatisierung von staatlichen Unternehmen, geringere staatliche Regulierungen und eine Entbürokratisierung von öffentlichem Sektor und Gesundheitswesen aus (FrP, 2021). Durch Steuersenkungen entstehende Finanzierungslücken sollen durch Einnahmen aus dem Erdölgeschäft geschlossen werden (ebd.). Zudem vertritt die Partei strenge Anti-Establishment-, Anti-Einwanderung- und Law and Order Ansichten (Bjerkem, 2016; FrP, 2021). Die Partei stellt hierbei Immigranten nicht als unterlegen oder gar minderwertig, sondern stattdessen als wirtschaftliche und kulturelle Bedrohung dar (Jupskås, 2015 zit. nach Jupskås et al., 2016). Den humanen Strafvollzug in Norwegen sieht die FrP kritisch. Stattdessen fordert sie eine härtere Bestrafung von Tätern, einen besseren Schutz der Opfer und eine direkte Abschiebung straffällig gewordener Immigranten (Jupskas, 2013; FrP, 2021). Außenpolitisch fordert die FrP sowohl eine gute Zusammenarbeit mit demokratischen Staaten mit ähnlichen Werten als auch eine Außenpolitik, die vor allem Norwegen dient und profitieren lässt. Außerdem stellt sich die Partei als Pro-Israel dar (FrP, 2021). Die FrP betont weiterhin die Relevanz der NATO und der Rüstungsausgaben Norwegens für die Sicherheit des Königreiches. Schließlich hat die FrP ihren Standpunkt zur Europäischen Union aufgeweicht. Sie spricht sich weder dafür noch dagegen aus, sondern fordert einen Volksentscheid über einen Beitritt (ebd.). Die Forderung einer direkteren Demokratie, mittels Volksentscheides, ist eine Forderung, die die Partei schon seit langem prägt (Bjorklund, 2004 zit. nach Jupskås, 2013).

2.2.3 Politikwissenschaftliche Einschätzung der Partei

Laut Allern (2012) ist die FrP durchaus mit anderen rechtspopulistischen Parteien in Europa vergleichbar. Jupskås et al. (2016) ordnen die Partei einem moderat populistischen Bereich zu. Das liegt vor allem auch daran, dass die Partei eher establishment-feindlich als systemfeindlich oder -kritisch ist (ebd.). Weiterhin stellt sich die Partei als die Vertretung des Volkes und Verteidigung der einfachen Leute dar. Inhaltlich agiert die FrP opportun und macht sich aktuelle Themen in der Gesellschaft zu Nutze. So verwendet sie auch die Kritik an (politischen) Eliten und die Diskriminierung von Minderheiten für ihre Zwecke (ebd.). Seit der Übernahme der Parteiführung durch Siv Jensen 2006 wird die Kommunikation der Partei jedoch als weniger aggressiv und seriöser eingeschätzt, was schließlich auch die Regierungsbeteiligung ermöglichte (Jupskås, 2013). Dennoch ist die populistische Kommunikation der Partei weiterhin stark und auch auf Social Media Plattformen erfolgreich (Larsson & Kalsnes, 2014). Zudem zeichnet sich das Auftreten der Partei immer wieder durch vage und unspezifische Aussagen der Parteiführung aus, welche bestimmte Narrative bei den Zuhörer:innen bedienen, ohne dass diese konkret ausgesprochen werden (Sigurdsen, 2014).

Jupskås (2013) betont jedoch, dass sich die FrP in derlei Hinsicht von anderen europäischen rechten Parteien unterscheidet, als dass sie weit weniger autoritär und radikal ist. Während die Handlungen der Partei ihre Einordnung in die rechtspopulistische Parteienfamilie zulassen, finden sich in der Forschung keinerlei Belege für rechtsradikale oder rechtsextreme Tendenzen in der FrP (ebd.).

2.3 Die Alternative für Deutschland

Im Vergleich zur FrP ist die Alternative für Deutschland (AfD) eine noch junge Partei. Auf nationaler Ebene ist sie jedoch nicht minder relevant. Trotz ihrer jungen Geschichte ist die Diskussion um und mit der AfD in der Bundesrepublik allgegenwärtig. Dies kommt nicht zuletzt daher, dass die AfD die erste Partei seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland ist, die erfolgreich auf allen Landes-, sowie der Bundesebene Wähler:innen rechts der etablierten Parteien anspricht.

2.3.1 Die Geschichte der AfD

Gegründet wurde die AfD im Frühjahr 2013 durch den konservativen Wirtschaftspolitiker und Ökonomieprofessor Bernd Lucke. Das Berufsbild Luckes führte auch dazu, dass die AfD für lange Zeit als eine Art „Professoren-Partei“ gehandelt wurde (Bieber et al., 2018).

Die Alternative für Deutschland verstand sich in ihren Gründungsjahren als eine „Ein-Themen-Partei“, die vor allem mit ihrem Euroskeptizismus in den Zeiten der europäischen Finanzkrise punkten wollte. Allerdings wurde die kritische Einstellung gegenüber dem Euro schon zu Beginn immer wieder von ausländerfeindlichen Äußerungen Luckes begleitet (ebd.). Bei der Bundestagswahl knapp ein halbes Jahr nach der Parteigründung schaffte es die AfD zwar aus dem Stand auf 4,7% der Wähler:innenstimmen, verpasste aber mit diesem Ergebnis knapp den Einzug ins Parlament (Bundeswahlleiter, 2013).

Von großer symbolischer Bedeutung war aufgrund ihres eurokritischen Selbstbildes, der Wahlerfolg der AfD bei der Europawahl im Folgejahr (Bieber et al., 2018). Hier erhielt sie 7,1% der Stimmen in Deutschland und besetzte fortan sieben Sitze in Straßburg (Bundeswahlleiter, 2014). Allerdings gingen die ersten Erfolge der Partei auch mit einem inneren Disput einher. Immer mehr Stimmen innerhalb der Partei forderten eine geringere Präsenz Bernd Luckes und seiner engsten Parteifreunde. Die vom Parteigründer geprägte akademische Ausrichtung der Partei stieß mehr und mehr auf Unmut bei den Mitgliedern (Bieber et al., 2018).

Vor den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen wenige Monate nach der Europawahl führten die Landesverbände mit deutlich rechteren Themen und Ansichten Wahlkampf (ebd.). Dass in allen drei Bundesländern die AfD, mit teils zweistelligen Ergebnissen, in die Landesparlamente einzog, führte zu einer weiteren Befeuerung der parteiinternen Streitigkeiten. Insbesondere die Verschiebung zu rechteren und fremdenfeindlicheren Inhalten schwächten Luckes Einfluss und die ursprünglich eurokritische Ausrichtung der Partei (ebd.).

Die AfD war nach wie vor in den Medien omnipräsent. Allerdings war der Grund dafür meist ihre innere Zerrissenheit. Schließlich trat der Gründer und Parteivorsitzende im August 2015 aus der Partei aus. Die Forschungsgruppe Wahlen (2021) prognostizierte zu diesem Zeitpunkt nur noch Wahlergebnisse unterhalb der 5%-Hürde.

Fortan wurde der Parteivorstand aus Frauke Petry und Jörg Meuthen gebildet. Petry hatte schon vor Luckes Austritt zu den führenden Persönlichkeiten in der AfD gehört, jedoch eher den rechten Flügel der Partei vertreten. Somit bedeutete die Wahl Petrys einen moderaten, aber doch klaren Ruck nach rechts für die Partei (Bücker et al., 2019).

Die Partei, die nach dem Austritt Luckes sowohl in der Wählergunst als auch rund 20% ihrer Parteimitglieder verlor, erlangte schließlich noch im gleichen Jahr neue Popularität (ebd.). Wie schon 2013 die Eurokrise nutzte die AfD nun die europäische Migrationskrise zu ihren Gunsten. Der Zuspruch zu den regierungskritischen Inhalten bezüglich der Aufnahme von Geflüchteten war groß in der Bevölkerung. Dieser ebbte auch nicht ab, als sich Politiker:innen der Partei Anfang 2016 offen dafür aussprachen, Waffengewalt gegen illegal Flüchtende an den Grenzen einzusetzen (ebd.; Meisner & Schmidt, 2016)). Nur etwa ein halbes Jahr nach dem Austritt Luckes, stand die AfD in bundesweiten Umfragen schon bei niedrigen zweistelligen Ergebnissen (Forschungsgruppe Wahlen, 2021).

Dies spiegelte sich auch im Einzug der AfD in weitere Landesparlamente in den Jahren 2016 und 2017 wider. Der Erfolg in den Ländern variierte jedoch stark. Teilweise bildete die AfD mit über 20% die zweitstärkste Fraktion (Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhal t), andernorts kam sie nur auf niedrige einstellige Werte in den Landtagswahlen (Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westphalen) (Bieber et al., 2018; Bücker et al., 2019).

Innerlich war die Partei jedoch weiterhin stark gespalten. Die Partei untergliederte sich in einen rechtspopulistischen Flügel, einen eher konservativ-national ausgerichteten Flügel, sowie einen wirtschaftsliberalen und einen gemäßigten und pragmatischen Flügel (Bücker et al., 2019). Rassistische Äußerungen von führenden Parteimitgliedern (resp. Björn Höckes Rede zur Berliner Holocaust Gedenkstätte) heizten die Diskussion über die Richtung, in welche die AfD streben solle, noch weiter an. Petry verlor schon während des Bundestagswahlkampfes parteiintern stark an Rückhalt. So wurden die Anführenden des national-konservativen und des wirtschaftsliberalen Flügels Alexander Gauland und Alice Weidel, anstatt von Petry zu den Spitzenkandidaten für den Wahlkampf ernannt (Bücker et al., 2017). Dennoch wurde das Jahr 2017 bis dato zum größten Erfolgsjahr für die AfD. Neben dem Einzug in die Landesparlamente gelang ihr mit knapp unter 13% auch der erstmalige Einzug in den deutschen Bundestag (Bundeswahlleiter, 2017).

Kurz nach dem Bundestagseinzug der AfD als drittstärkste Fraktion verließ Petry die Partei. Den Vorsitz neben Jörg Meuthen bekleidete fortan Alexander Gauland (Bücker et al., 2017). In den Folgejahren konnte die AfD weitere Wahlerfolge verzeichnen. Bei verschiedenen Landtagswahlen im Westen der Republik, sowie bei der Wahl des Europäischen Parlaments erreichte sie fast durchgehend Ergebnisse im unteren zweistelligen Bereich (Tagesschau, o.J.). Besonders heraus stachen jedoch die Ergebnisse bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg 2019, bei denen die AfD in allen drei Fällen mit deutlich über 20% der Wähler:innenstimmen als zweitstärkste Fraktion in die Landesparlamente einzog (ebd.).

Eben diese Landesverbände der Partei gelten jedoch als besonders radikal. Daher werden seit März 2020 die Landesverbände der AfD in Brandenburg und Thüringen, sowie die Jugendorganisation der Partei und „Der Flügel“, eine besonders radikale Strömung innerhalb der Partei, offiziell von Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet (Farken & Merkel, 2021). Die Gesamtpartei blieb vorerst von einer Beobachtung verschont. Allerdings wurde auch diese als zu prüfender Fall beim Bundesverfassungsschutz registriert (Isemann & Walther, 2019).

2.3.2 Die AfD in der Gegenwart

Ende 2020 trat Alexander Gauland, der die Partei über die letzten Jahre maßgeblich geprägt hatte aus Altergründen vom Parteivorstand zurück. Sein Nachfolger an der Seite Jörg Meuthens wurde Tino Chrupalla (AfD, 2021).

Die Partei, die vorherige Krisen stets zu ihren Gunsten zu nutzen wusste, verlor in Folge der Corona-Krise ab März 2020 jedoch stark an Zuspruch. Neben der FDP wurde sie allgemein als einer der Verlierer der Krise gehandelt, während vor allem die Regierungsparteien an Zuspruch gewannen. Die AfD hatte vor dem Ausbruch des SARS-Cov2 Virus in Europa und Deutschland in Umfragen noch bei 14% (Februar 2020) gestanden. Im Laufe der Pandemie fiel sie jedoch in der Wählergunst auf unter 10%. Anfang des Jahres 2021 gaben nur noch 9% der Befragten an, die AfD bei einer Bundestagswahl wählen zu wollen (Forschungsgruppe Wahlen, 2021).

Außerdem fiel die AfD immer wieder negativ auf als sie zum Beispiel im November 2020 Demonstranten in den Bundestag einschleuste, die die Abstimmung zum Infektionsschutzgesetz (das von der AfD zuvor scharf kritisiert worden war) zu behindern versuchten (Schmidt & Kurz, 2020).

Dies führte unter anderem dazu, dass Anfang 2021 der Bundesverfassungsschutz prüfte, ob man die gesamte Partei als Verdachtsfall3 einstufen müsse (Farken & Merkel, 2021). Zuvor waren bereits die Landesverbände in Sachsen und Sachsen-Anhalt, neben den bereits genannten Verbänden, unter Beobachtung gestellt worden (ebd.). Im Mai 2021 folgte zudem die Beobachtung des Landesverbandes Berlin durch den Berliner Verfassungsschutz (Wehner, 2021). In der AfD trafen die Untersuchungen auf starken Widerspruch. Zum aktuellen Zeitpunkt (Mai 2021) steht die gerichtliche Entscheidung über die endgültige Einstufung der Gesamtpartei als Verdachtsfall jedoch noch aus (Farken & Merkel, 2021).

Innerparteilich versuchte zuletzt der Bundesvorsitzende Jörg Meuthen in den eigenen Reihen für Ordnung zu sorgen, um der Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu entgehen. Hierfür schloss er unter anderem Rechtsextreme aus der Partei aus, trieb die Auflösung des sogenannten Flügels voran und rief eine parteiinterne Arbeitsgruppe ins Leben, die die rechtsradikalen Strömungen in der Partei mäßigen sollte (Steffen, 2021). Allerdings sind weite Teile der Partei bei weitem keine Unterstützer von Meuthens Handeln. Vielmehr trifft er auf harten Widerstand und verliert innerparteilich an Einfluss (ebd.).

2.3.3 Politikwissenschaftliche Einschätzung der Partei

Die Alternative für Deutschland hat seit ihrer Gründung im Jahr 2013 mehrere Stufen durchlaufen. Bieber et al. (2018) nennen hierbei insgesamt drei Phasen. Erstens, die Gründungsphase, welche fast ausschließlich von der Euro-Skepsis bestimmt war. Die zweite Phase in der Geschichte der Partei war die des internen Richtungsstreits. Um die Zeit des Austritts Luckes entbrannte innerparteilich ein personenbezogener- und auch inhaltlicher Richtungsstreit. Dieser führte unter anderem auch zu einer massiv sinkenden Popularität der Partei. Schließlich nennen die Autoren die Wiederbelebungsphase, die geprägt war von Erfolgen bei Bundes- und Landtagswahlen, einer stärkeren Ausrichtung nach rechts und anhaltender Popularität in der Gesellschaft. Die potenzielle Beobachtung der Gesamtpartei durch den Verfassungsschutz könnte weiterhin den Anbruch einer vierten, postdemokratischen Phase bedeuten.

In den Jahren nach ihrer Gründung hat sich die Partei immer weiter ins politisch rechte Spektrum bewegt, was nicht zuletzt auch dazu führte, dass Mitglieder und Parteivorsitzende die Partei verließen. Die Debatte darüber, ob die AfD nun rechtsextremistisch oder nur rechtspopulistisch sei, ist tagesaktuell zu beantworten und nur wenige Jahre alte Literatur kann zu anderen Schlüssen kommen als aktuelle. Isemann und Walther (2019), Bieber et al. (2018) und Bücker et al. (2018) betonen vor allem die starken rechtspopulistischen Merkmale der Partei. Die Autoren nennen hier insbesondere die Vereinfachung von Problemen, Beschuldigung der Eliten und die geschickte Nutzung von sozialen Problemen als Belege.

Zudem erkennen Isemann und Walther (2017; 2019) eine in den vergangenen Jahren stetig voranschreitende Radikalisierung der AfD hin zu einer rechtsradikalen oder sogar rechtsextremen Partei. Dies lässt sich insbesondere an der Infragestellung des Rechtsstaates, der Dämonisierung politischer Gegner und der Legitimierung extremer Mittel festmachen (Isemann & Walther, 2019).

Neben der Prüfung des Bundesverfassungsschutzes sind jedoch auch immer mehr Wissenschaftler der Meinung, dass die Gesamtpartei als rechtsextremistisch einzuordnen sei. Pfahl-Traughber (2020) argumentiert es handle sich mittlerweile nicht mehr um eine rechtspopulistische oder rechtsdemokratische Partei, in welcher auch rechtsextreme Mitglieder zu finden seien, sondern vielmehr um eine insgesamt rechtsextreme Partei, in der auch rechtsdemokratische Anhänger vertreten seien. Dies bestätigt auch eine Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Diese belegte mittels einer repräsentativen Umfrage im Juni 2020, dass knapp ein Drittel der AfD-Wähler:innen ein gefestigt rechtsextremes Weltbild haben (Bertelsmann Stiftung, 2021). Weiterhin waren 65% der AfD-Wählerschaft fremdenfeindlich eingestellt (ebd.).

Die zukünftige und langfristige Etablierung der AfD hängt von einer Vielzahl von Gesichtspunkten ab. Bieber et al. (2018) nennen, als Beispielfaktoren, Unzufriedenheit und generelle Proteststimmung in Deutschland, sowie die fehlende Fähigkeit der Bundesregierung, Asyl- und Migrationsfragen nachhaltig und zufriedenstellend zu lösen. Weiterhin betonen sie die Relevanz innerer Einigkeit und zukünftiger Personalentscheidungen in der Partei, um langfristig relevant zu bleiben. Schließlich dürfte auch die endgültige Rechtskräftigkeit des Bundesverfassungsschutzes über die Heraufstufung der gesamten AfD zum rechtsextremen Verdachtsfall starke Auswirkungen auf die Popularität der Partei haben.

3. Umgang mit rechtspopulistischen Parteien

3.1 Umgangsstrategien im Allgemeinen

Etablierte Parteien haben eine Vielzahl von Möglichkeiten auf neue (resp. Populistische) Parteien zu reagieren. Grundsätzlich lassen sich die Reaktionsmöglichkeiten in zwei Lager gliedern: Die Ausgrenzungs- und die Einbindungsstrategien. Fislage et al. (2018) listen in ihrem Werk „Mit Haltung gegen Populismus“ insgesamt acht in der Vergangenheit angewendete Ausgrenzungsstrategien, sowie zwei Einbindungsmöglichkeiten gegenüber rechts-populistischen Parteien auf. Diese werden im Folgenden einzeln erläutert.

Nicht populistische Parteien verfügen, nach den Autoren, über acht verschiedene Möglichkeiten mit (rechts-) populistischen Parteien nicht zu kooperieren.

Die erste Taktik ist das „ Ignorieren und Hoffen“. Hierbei werden, um entweder den Populisten keine erhöhte Aufmerksamkeit zu verleihen oder aus Angst die adressierten Themen anzusprechen, die entsprechende Partei oder die populistischen Akteure ignoriert. Dies kann bei großer Mobilisierung aller Parteien und einem Großteil der Medien kurzfristig erfolgreich sein (ebd., S. 9). Langfristig bietet diese Reaktionsstrategie jedoch kaum gute Perspektiven, da Populisten erfahrungsgemäß Wege finden, um sich und ihre Forderungen öffentlich zu inszenieren.

Eine weitere Möglichkeit ist die Abgrenzung zu Populisten. Hierbei grenzen sich die Parteien durch, Erklärungen der Nicht-Kooperation mit den Populisten oder der Betonung der Unterschiede zwischen den eigenen und den populistischen Inhalten und Werten, von der entsprechenden Partei ab (ebd.).

Bei der Ausgrenzung wird die entsprechende Partei von allen anderen Parteien koordiniert und einheitlich versucht „stummzumachen“. Die Möglichkeiten hierfür sind beispielweise die Verwendung von Sperrklauseln bei Wahlen, verschärfte Regeln bei der Parteienfinanzierung, oder die Änderung von Geschäftsordnungen im Parlament. Eine weniger radikale, aber umso populärere Ausgrenzungsmöglichkeit ist der sogenannte „cordon sanitaire“. Hierbei wird den Mitgliedern der etablierten Parteien der Kontakt zu den Populisten verboten (ebd.). Auch wenn die Ausgrenzung ein beliebtes und häufig gefordertes Mittel zur Bekämpfung von rechtspopulistischen Parteien ist, ist sie demokratisch durchaus fragwürdig. Zum einen wird der Versuch unternommen eine, nicht zwingend demokratische, aber dennoch demokratisch legitimierte, Partei mundtot und handlungsunfähig zu machen. Zum anderen bestärkt diese Vorgehensweise die „Anti-Establishment“-Narrative der Populisten (ebd.).

[...]


1 Der Neofaschismus beschreibt sämtliche, an die heutigen Bedingungen angepassten, Handlungen und Ideologien, die an den Faschismus vor 1945 anknüpfen. Im deutschen Raum wird häufig der Begriff des Neonazismus synonym verwendet (DWDS, o.J.)

2 „Der Begriff Rassismus steht allgemein für Auffassungen, die von dem Bestehen nicht oder kaum veränderbarer "Rassen" ausgehen […] und hierbei eine Einschätzung im Sinne von "höherwertig" oder "minderwertig" vornehmen.“ (Bundesministerium des Innern, o.J.)

3 Die Heraufstufung zum „Verdachtsfall“ beziehungsweise die so genannte „Beobachtung“, geht mit einer größeren Zahl an Beobachtungsmöglichkeiten der Partei durch den BVerfS einher. Nach § 8 Abs. 2 S. 1 BVerfSchG darf das Bundesamt für Verfassungsschutz „Methoden, Gegenstände und Instrumente zur heimlichen Informationsbeschaffung, wie den Einsatz von Vertrauensleuten und Gewährspersonen, Observationen, Bild- und Tonaufzeichnungen, Tarnpapiere und Tarnkennzeichen anwenden. In Individualrechte darf nur nach Maßgabe besonderer Befugnisse eingegriffen werden.“

Ende der Leseprobe aus 64 Seiten

Details

Titel
Der Umgang mit rechtspopulistischen Parteien in Deutschland und Norwegen im Vergleich
Hochschule
Europa-Universität Flensburg (ehem. Universität Flensburg)
Note
2,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
64
Katalognummer
V1126258
ISBN (eBook)
9783346486318
ISBN (Buch)
9783346486325
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Norwegen Rechtspopulismus, Deutschland Rechtspopulismus, Politik Vergleich Norwegen Deutschland, Rechte Parteien in Europa, AfD, Fortschrittspartei
Arbeit zitieren
Ole Voß (Autor:in), 2021, Der Umgang mit rechtspopulistischen Parteien in Deutschland und Norwegen im Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1126258

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