Die Biographie des Johannes Robert Becher, der heute der breiten Öffentlichkeit wohl vor allem als Texter der DDR-Nationalhymne bekannt sein dürfte, zeichnet sich durch verschiedene Phasen und einen bemerkenswerten Facettenreichtum aus. Dieses muss wohl in erster Linie mit der Vielzahl an politischen Ereignissen in Deutschland und Europa im Laufe des 20. Jahrhunderts erklärt werden, mit denen das Leben Bechers eng verknüpft gewesen ist. So reichen die Besonderheiten in Bechers Vita von persönlichen Tragödien in jungen Jahren, wie diversen Selbstmordversuchen und einer schweren Morphiumsucht, über ein bemerkenswertes, hoffnungsvolles Schaffen als expressionistischer Dichter, dem Eintritt in den Spartakusbund bzw. der KPD bis hin zur Flucht vor den Nationalsozialisten und dem damit verbundenen unfreiwilligen Aufenthalt im russischen Exil.
Diese Arbeit möchte sich die Beschäftigung mit der letzten bedeutenden Phase in Johannes R. Bechers Leben, seinem Schaffen als Kulturpolitiker in der SBZ/DDR nach Ende des Zweiten Weltkriegs, zur Aufgabe machen. Hierbei soll weniger auf den kulturproduzierenden Johannes R. Becher, also seine Rolle als Volksdichter des sozialistischen Teilstaates, sondern vielmehr auf sein Wirken als Politiker, sprich als Vorsitzender des Kulturbundes und später als Kulturminister der DDR, eingegangen werden.
In der Wissenschaft wird die Rolle des Politikers Becher in der SBZ/DDR heute kontrovers diskutiert. Gegenstand dieser Diskussion ist vor allem die Frage, wie viel Schuld Becher als Mitwisser und stiller Dulder diverser Repressalien des Staates gegenüber einiger Schriftstellerkollegen und als Verfechter des Stalinismus auf sich geladen hat? Mag es auf den ersten Blick so scheinen, als wäre Johannes R. Becher, der als Mitglied der Volkskammer und des Politbüros öffentlich nie an der politischen Linie der SED und Ulbrichts gezweifelt hat, von dieser auch persönlich restlos überzeugt gewesen, so ergibt sich vor allem nach der Lektüre seiner erst 1988 in der Zeitschrift „Sinn und Form“ erschienenen „Selbstzensur“, die eine „schonungslose Selbstkritik Bechers im Zusammenhang mit dem XX. Parteitag der KPdSU“ darstellt, ein etwas differenzierteres Bild. Wider besseren Wissens hat Becher oft geschwiegen, auch wenn sich Unrecht direkt vor seinen Augen abgespielt hat.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Becher und der Kulturbund
- Die Gründung des Kulturbunds
- Die Wende
- Bechers Bemühen um den PEN-Club
- Der Kulturbund in den Anfangsjahren der DDR
- Der 17. Juni 1953
- Der Kulturminister Johannes R. Becher
- Der XX. Parteitag der KPdSU
- Der Ungarn-Aufstand und der Fall Janka
- Fazit
- Literaturliste
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert das politische Engagement des Schriftstellers Johannes R. Becher in der SBZ/DDR nach dem Zweiten Weltkrieg, insbesondere seine Rolle als Vorsitzender des Kulturbundes und später als Kulturminister der DDR. Sie untersucht die Handlungsspielräume und Grenzen Bechers im Kontext des damaligen politischen Geschehens und beleuchtet seine Positionierung im Spannungsfeld zwischen dem Anspruch auf kulturelle Freiheit und den politischen Vorgaben der SED.
- Bechers Rolle im Kulturbund und seine Bemühungen um eine überparteiliche Kulturpolitik
- Die Herausforderungen des 17. Juni 1953 und Bechers Reaktion auf die Ereignisse
- Bechers Positionierung im Kontext des Stalinismus und seine Auseinandersetzung mit der SED-Führung
- Die Grenzen des politischen Einflusses Bechers in der DDR
- Bechers Selbstkritik und die Frage nach seiner Verantwortung für die Repressionen in der DDR
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt Johannes R. Becher und seine vielschichtige Biographie vor, die von persönlichen Tragödien, literarischem Schaffen und politischem Engagement geprägt war. Die Arbeit konzentriert sich auf Bechers Wirken als Kulturpolitiker in der SBZ/DDR und untersucht seine Rolle als Vorsitzender des Kulturbundes und später als Kulturminister der DDR.
Das zweite Kapitel beleuchtet die Gründung des Kulturbundes im Jahr 1945 und die Rolle Bechers als dessen Vorsitzender. Es wird die Überparteilichkeit des Kulturbundes in den Anfangsjahren und die Bemühungen Bechers um eine breite kulturelle Beteiligung in der SBZ/DDR hervorgehoben.
Das dritte Kapitel analysiert die Ereignisse des 17. Juni 1953 und die Reaktion Bechers auf die Aufstände. Es wird die politische Situation in der DDR und die Rolle Bechers im Kontext der Ereignisse beleuchtet.
Das vierte Kapitel befasst sich mit Bechers Zeit als Kulturminister der DDR und untersucht seine Positionierung im Kontext des Stalinismus und der SED-Führung. Es werden die Herausforderungen des Ungarn-Aufstands und der Fall Janka beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Johannes R. Becher, Kulturpolitik, Kulturbund, DDR, SBZ, Stalinismus, SED, 17. Juni 1953, Ungarn-Aufstand, Handlungsspielräume, Grenzen, Selbstzensur, politische Einflussnahme.
- Arbeit zitieren
- Jan Piekarski (Autor:in), 2006, Johannes R. Becher - Handlungsspielräume und Grenzen eines Kulturpolitikers in der SBZ/DDR, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/112857