Die revolutionäre Antipoesie und die Ecopoemas von Nicanor Parra


Hausarbeit, 2021

28 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Einführende Worte
1.2. Literaturrecherche

2. Nicanor Parra – Ein Leben zwischen Wissenschaft und antipoetischer Literatur
2.1. Eine Kurzbiografie des chilenischen Dichters
2.2. Was ist ein Antipoet nach Nicanor Parra?
2.3. Die Antipoesie nach Nicanor Parra

3. Die sprachliche und thematische Analyse der Antipoesie und der Ecopoemas von Nicanor Parra anhand ausgewählter Werke
3.1. Manifesto – Parras Grundpfeiler der ökologisch – literarischen Bewegung
3.2. Die Ecopoemas – die Abrechnung mit dem Kapitalismus
3.3. Los siete chanchitos

4. Schlussbetrachtung – wie stark hat Nicanor Parra die literarische Bühne verändert?

5. Quellen

6. Anhang

1.Einleitung

In dieser Einleitung sollen Thematik und Aufbau dieser Hausarbeit zusammengefasst werden und ein Einblick über die Literaturrecherche gegeben werden.

1.1. Einführende Worte

Nicanor Parra war ein chilenischer Dichter und Dozent des 20. Jahrhunderts, welcher die Antipoesie offiziell ausrief und sich selbst als Antipoeten bezeichnetet. Geprägt durch das Erbe, welches Pablo Neruda und Pablo De Rhoka in seinem chilenischen Heimatland dabei waren zu hinterlassen, fühlte sich der selbst ernannte Ökopoet geradezu genötigt, seine Dichtkunst als antipoetisch zu bezeichnen, um aus den großen Fußstapfen heraus zu treten. Doch was genau ist die Antipoesie? Wenn Parra sie mit dem Präfix Anti- versieht, welches einen Gegensatz symbolisiert, was war dann konträr zu der vorherrschenden Poesie? Thematisch und stilistisch unterscheiden sich seine Gedichte sehr von denen Nerudas und anderen bekannten Dichtern seiner Zeit. Doch wie genau erreichte Parra dies? Außerdem muss die Frage geklärt werden, was Nicanor Parra unter einem Antipoeten versteht. Wie drückt sich diese antipoetische Haltung aus? Diese Fragen sollen in dieser Arbeit geklärt werden, bevor sich genauer mit drei bekannten Gedichten von Parra auseinandergesetzt wird, um die Theorie der Antipoesie auch am praktischen Beispiel zu verdeutlichen. Abschließend soll die Frage geklärt werden, ob und wie stark Nicanor Parras literarischer Einfluss weltweit existiert.

1.2. Literaturrecherche

Über Nicanor Parra findet man in der Regel sehr viel Literatur. Die Primärtexte, also seine Gedichte musste ich mir allerdings aus verschiedenen Quellen zusammenfügen, da die Universität seine Gedichtbände nicht vollständig hat. Deshalb habe ich zur Vereinfachung einen Anhang angelegt mit den Gedichten, welche ich in dieser Arbeit verwende. Sie sind chronologisch zu dieser Hausarbeit angeordnet. Als besonders wichtige Quellen erachte ich den Aufsatz von Beutler und auch Nicanor Parra selbst. In zahlreichen Interviews und eigenen Werken verrät Parra selbst, was seine Antipoesie besonders macht. Allgemein gesagt sind es relativ viele Quellen, da ein gesammeltes Werk zu Parra noch nicht existiert und man viele Einzelinformationen zu einem Gesamtergebnis zusammenfügen muss. Doch besonders die Internetseite nicanorparra.cl bot einen guten Überblick über gesammelte spanische Aufsätze zu Parra.

2. Nicanor Parra – Ein Leben zwischen Wissenschaft und antipoetischer Literatur

In diesem Abschnitt soll auf das Leben des Nicanor Parras eingegangen werden. Bevor die Fragen nach typischen Charakterisierungen des Antipoeten und der Antipoesie geklärt werden, soll zunächst erst einmal eine kleine Darstellung seines langen Lebens erfolgen.

2.1. Eine Kurzbiografie des chilenischen Dichters

Nicanor Parra wurde im September 1914 in der Nähe von Santiago de Chile geboren und führte in den frühen Jahren seines Daseins ein Art Vagabundenleben, geprägt von vielen Umzügen. Er schrieb sich 1933 am pädagogischen Institut für die Fächer Mathematik und Physik ein. Nach zwei Stipendien in den USA und England, an der Brown – University und an der Cambridge – Universität, unterrichtete er in Santiago an der Univeridad de Chile die Fächer Mathematik und Physik. Er sollte diese Position bis zum Eintritt in die Rente inne behalten. Im biblischen Alter von 103 Jahren verstarb der chilenische Poet in einem Dorf nahe der chilenischen Hauptstadt.

Während seiner Zeit als Dozent an der Universität in Santiago de Chile gelang ihm mit Poemas y antipoemas 1954 der literarische Durchbruch. Mit dem Manifesto 1963, den Artefactos 1972 und der Poesía Política 1983 gelangen ihm weitere weltweit anerkannte Gedichte bzw. Gedichtbände. Nicanor Parra gewann für seine Werke mehrere hochdotierte Preise, darunter den Premio Nacional de la Literatura de Chile im Jahr 1969. Jedoch wurde ihm nie der Nobelpreis für Literatur verliehen, obwohl er mehrmals dafür vorgeschlagen wurde.

Parra wurde häufig dafür kritisiert, nicht ausreichend gegen die Diktatur von Pinochet gekämpft zu haben, bzw. sie sogar damit unterstützt zu haben oder auch nicht ins Exil zu fliehen, wie es die meisten chilenischen Künstler und Künstlerinnen zu der Zeit taten. Über seine Gründe sprach der Chilene nie, dennoch kann man in seinem Werk Sermones y prédicas del Cristo del Elqui 1977 im vierzehnten Text folgendes lesen:“ en Chile no se respetan los derechos humanos, aquí no existe libertad de prensa“ (vgl. V.15-16). Die allermeisten Menschen wären nach diesen Zeilen zur Todesstrafe verurteilt wurden unter der Pinochet-Diktatur. Parra jedoch war ein recht angesehener Mann und zudem rettete ihn der Umstand, dass diese Worte aus der literarischen Figur des Cristo del Elqui stammten. Dieser Cristo del Elqui war eine Art chilenischer Gottesdiener im realen Leben, der behauptete die Worte Gottes zu sprechen.

2.2. Was ist ein Antipoet nach Nicanor Parra?

Die Figur des Antipoeten ist nicht so einfach zu verstehen, wie man vielleicht glauben könnte, denn Parra hat sich Zeit seines Lebens um eine konkrete Definition gescheut. Um zu verstehen, was einen solchen Autoren charakterisiert, müssen sowohl das Leben, als auch viele Gedichte von Parra betrachtet werden, denn dort drückt er sich schon etwas genauer aus und spricht auch über den Antipoeten an sich.

Der chilenische Dichter war Teil der Poetas de Claridad, welche, unter Führung von Tómas Lago die Unverständlichkeit und Vielschichtigkeit der Poesie anprangerten, wie zum Beispiel der von Pablo Neruda. Stattdessen forderten sie eine schlichtere und für das Volk verständlichere Dichtkunst. Parra selbst beschrieb die Gruppe einst wie folgt: “Políticamente éramos en general apolíticos, más exactamente izquierdistas nomilitantes: en materia religiosa no éramos católicos: la teología nos tenía sincuidado, aunque n o tanto. Yo me inclinaba por la filosofía orienta “(vgl. Parra 1958). Besonders die Attribute nicht-katholisch und nicht militante Linke fallen hier auf. Auch Parras Inspiration durch die orientalische Philosophie wird hier ersichtlich. Besonders befremdlich sind dem Ökopoeten die besondere Stellung von altbekannten Dichtern, wie Neruda und Huidobro, welche quasi auf einem nicht zu stürzenden literarischen Thron sitzen. Dies wird besonders deutlich in seinem Werk Manifesto (siehe 3.1.). In dem Werk Test fragt Parra, was ein Antipoet ist. Er gibt 19 verschiedene Antwortmöglichkeiten, die er aber alle mit einem Fragezeichen versieht, so dass der Leser die Aufgabe bzw. den Test vor sich hat, daraus eine oder mehrere passende Möglichkeiten zu wählen. Viele dieser Möglichkeiten sind an sich paradox, wie etwa “Un sacerdote que no cree en nada?“ (vgl V.3) oder auch “Un general que duda de sí mismo?” (vgl. V. 4). Für Morales sind gerade der Widerspruch, die Umkehrung, die Opposition und die Negation die wichtigsten Elemente, um für einen Antipoeten Humor, Paradoxität und Ironie zu erzeugen (vgl. Morales 1998). Dies lässt sich gut in genanntem Gedicht erkennen, denn keine Antwortmöglichkeit ist mit gewöhnlichen Formulierungen genannt, sondern alle sind in gewisser Weise humoristisch oder paradox, wie bereits festgestellt. Man muss sie analysieren und schlussendlich kombinieren, um eine halbwegs brauchbare Lösung zu erhalten, die doch in keinem Falle zufriedenstellend ist. Somit erzeugt der Antipoet auch immer ein gewisses Unbehagen beim Leser, was Parra in seinem Gedicht Montaña Rusa auch bereitwillig zugibt. In diesem sagt der Chilene, dass er nicht weiß, wann die Achterbahn für den Leser denn endet und es kann passieren, dass dieser aussteigt: “Echando sangre por boca y narices“ (vgl. V.10). In einem weiteren Gedicht, Epitafio gennant , erkennt man vielleicht die klarste aller Beschreibungen eines Antipoeten nach Parra. Ein Epitaph ist eine Textform, wie man sie auf Grabmälern findet. Das bedeutet, dass der Inhalt einer Personenbeschreibung relativ ähnlich ist. In der Regel ist diese mit tröstenden Worten und guten bis teilweise glorifizierenden Attributen verbunden. Bei Parra allerdings ist das anders. Der Tote war das Kind eines “profesor primario Y de una modista de trastienda” (vgl.V 3-4). Er war ein ganz normales Kind, nicht aus einem besonderen Elternhause, weder besonders hässlich, noch besonders hübsch: “Ni muy listo ni tonto de remate“ (vgl. V. 15). Zum Schluss erkennt man noch einmal Parras besonderen Humor, als er resümiert: “una mezcla De vinagre y de aceite de comer ¡Un embutido de ángel y bestia!“ (vgl. V. 16-18). Der chilenische Antipoet selbst schrieb 1965 in einer kubanischen Zeitung einmal: “El poeta se cree un pequeño dios. El antipoeta es un hombre vulgar y corriente. Del montón. Mi personaje es Carlito Chaplin de la primera época, con la sicología del hombre medio chileno” (vgl Morales 1998). Besonders auch hier wieder die Andeutung auf Huidobros berühmtes Zitat, dass der Poet ein kleiner Gott sei.

Der Antipoet ist für Parra ein ganz gewöhnlicher Mensch aus dem Volk, der seine Vorzüge und seine negativen Seiten hat und doch in der Realität lebt. Er ist komplexer, als man es ausdrücken könnte und doch einfacher gestrickt, als es den Anschein macht. Einen Antipoeten kann man nicht besser definieren, doch vielleicht ist dies auch das besonders charakteristische an ihm. Genau das drückt auch der Inhalt der Antipoesie aus.

2.3. Die Antipoesie nach Nicanor Parra

Ebenso wie bei der Frage nach dem Antipoeten äußert sich Parra nie explizit zu der Antipoesie. Es obliegt den Betrachtenden und Lesenden die Antipoesie zu begreifen und in den Gedichten zu erkennen, was Parra damit meint.

In seinem Werk Test fragt Parra sowohl was Antipoesie bedeutet, als auch was ein Antipoet für den Leser ist. Dieser soll unterstreichen, welche Antwortmöglichkeiten am passendsten erscheinen. Er selbst äußert sich an anderer Stelle zu dieser Frage. In Poetas de la claridad schreibt er, dass die Poesie: “hijo del matrimonio del día y de la noche” (vgl. Parra 1958) sein soll. Der Tag steht hierbei metaphorisch für die Realität und die Nacht für das menschliche Unterbewusstsein. Die Antipoesie soll somit eine Vermischung aus Wirklichkeit und Unterbewusstsein sein. Außerdem fügt er an, dass: ”El antipoema que, a la postre, no es otra cosa que el poema tradicional enriquecidocon la savia surrealista, surrealism o criollo como queráis llamarlo, debe ser aúnresuelto desde el punto de vista psicológico y social del país y del continente a quepertenecemos para que pueda ser considerado como verdadero ideal poético” (vgl. ebd.). Doch was meint Parra mit dem kreolischen Surrealismus? Parra benutzt in seinen Werken häufig eine "lenguaje de segunda mano"(vgl. Beutler 1991, S.323), also Sprache, welche sich in vielen Formen der Umgangssprache bedient. Typische Merkmale sind hier die Syntax, die Verwendung alltäglicher Ausdrücke, volkstümliche Klischees und Redewendungen aus dem Journalismus oder der Sprache der Straße. Diese Elemente vermischt er mit seinen kultiviertem bzw. künstlerischem Wissen, was so den typischen Parra – esken Stil entstehen lässt. Parras Ziel ist es:” hacer saltar a papirotazos los cimientos apolillados de las instituciones caducas y anquilosadas" (vgl. Neruda, Parra 1954: S.13). Das zeigt den Willen des chilenischen Dichters, mit aller Macht die alten Strukturen der, laut ihm festgefahrenen Dichtkunst, aufzubrechen und zu erneuern. Zu der damaligen Zeit hat dies durchaus auch Implikationen auf Strömungen wie dem Dadaismus. Doch seine zutiefst pessimistische Haltung, trennt Parra doch bereits zu Beginn massiv von diesen neuen Formen. Außerdem entwickelt sich seine Dichtkunst viel mehr in eine deutlichere und inhaltsbetonendere Art. Parra hat durchaus Interesse an psychologischen Prozessen; ins Besondere die Subjekte in seinen früheren Werken kommen mit der alltäglichen Welt nicht zurecht. Dennoch argumentiert Yamal: "sucede que la poesía de Nicanor Parra de ningún modo puede llamarse surrealista pura. Hay incluso un afán en ella de ironizar las técnicas surrealistas" (vgl. Yamal 1991). Parras kreolischer Surrealismus ist also eher eine künstlerische Finesse, um seine berühmte doch eigene Art von Ironie herzustellen. Dieser künstlerische Surrealismus wird nun laut Parra mit den sozialen und psychischen Standpunkten des eigenen Landes, hier also Chile, angereichert, um auf seine eigene Definition zurückzukehren. Doch was ist damit gemeint? In Chile standen, neben Parra, fast alle jungen Dichter unter dem Schatten Nerudas, der damals wie heute einen enormen Kult in Chile genießt. Parra gibt selbst zu: “Neruda fue siempre un problema para mi “(vgl. Beutler, 1991, S329.), ergänzt aber im selben Abschnitt noch: “Neruda no es el único monstruo de la poesía; hay muchos monstruos” (vgl. Ebd.) Damit kann zum Beispiel auch Lope de Vega gemeint sein, der den Beinamen Monstruo de la Naturaleza von Cervantes verpasst bekam. Unter diesem Schatten stehend, muss sich Nicanor Parra abgrenzen und Neruda kritisieren, um Aufmerksamkeit und Erfolg zu erhalten. Dies gelingt dem Ökopoeten indem er eine Poesie schafft, die alles in Frage stellt, eine Poesie die in den meisten Fällen frei von rhetorischer Poesie ist. Zwar voller bissigem Humor und Ironie enthaltend, kann man in den wenigsten Werken von Parra eine konstante Reimform, einen durchgängigen Rhythmus oder andere stilistische Figuren, die nicht der Ironie oder dem Humor dienen, erkennen. Für Carrasco sind besonders drei Verstöße der Antipoesie gegenüber normaler Dichtkunst typisch: der Verstoß gegen die Schönheit, gegen den Subjektivismus und gegen die Originalität. Parras Werke verstoßen gegen die Schönheit der Poesie, weil sie eben nicht kunstvoll gereimt oder mit stilistischen Merkmalen angereichert ist, sondern beinahe platt und kunstlos wirkt. Die lyrischen Sprechinstanzen sind bei Parra normale Menschen, Kleinbürger, teilweise auch einfacher Bettler, was Carrasco als Verstoß gegen den Subjektivismus betrachtet. Die Antipoesie verstößt ebenfalls gegen die Originalität, weil sich in ihr eher die Probleme des normalen Alltagsmenschen widerspiegeln, als künstlerisch kreierte Fantasiewelten. Beschrieben werden. Inhaltlich bewegt sich Parra wie bereits angesprochen in den Sphären von normalen Alltagserlebnissen. Nicht selten benutzt Parra auch Werke von anderen Dichtern, um sie ins Lächerliche zu porträtieren, so geschehen bei der Oda a unas palomas, welche sich auf Nerudas Odas Elementales bezieht. Ein Hauptaugenmerk Parras liegt allerdings in dem Kampf für eine gerechte Umweltpolitik, was besonders in den Ecopoemas sowie in Los siete chanchitos klar erscheint. Stilistisch mit seinen großen Vorgängern zu brechen ist also ein wesentliches Stilmerkmal von Parras Antipoesie.

Voller (Selbst)ironie und kritischem Hinterfragen achtet die Antipoesie weitaus mehr auf den inhaltlichen Bezug zu menschlichen Problemen und der kritischen Klimapolitik, als auf poetische Schönheit. Man könnte weit ausschweifend behaupten, die von Parra geschaffene Antipoesie ist so etwas wie der Robin Hood der chilenischen Literatur.

3. Die sprachliche und thematische Analyse der Antipoesie und der Ecopoemas von Nicanor Parra anhand ausgewählter Werke

Im dritten Teil dieser Arbeit sollen drei Gedichte analysiert werden. Mit dem Manifesto, den Ecopoemas und Los siete chanchitos sind dies drei sehr bekannte Werke Parras, die allerdings in ihrer Thematik und Stilistik sehr mannigfaltig sind. Diese Analysen sind thematisch gegliedert. Da der Inhalt für Unterpunkte zu gering ist, soll eine Kurzerläuterung hier erfolgen. Bei jedem Gedicht erfolgen zuerst einführende Worte, bevor im nächsten Absatz der Inhalt kurz wiedergegeben wird. Anschließend wird die Thematik und Stilistik analysiert, bevor eine Kurzinterpretation und Zusammenfassung erfolgt.

3.1. Manifesto – Parras Grundpfeiler der ökologisch – literarischen Bewegung

Das 1963 erschienen Werk Manifesto werden die Grundprinzipien von der Antipoesie Nicanor Parras deutlich ersichtlich. Gespickt mit zahlreichen Spitzen gegen berühmte Dichter Lateinamerikas, wird die Abgrenzung zu deren Literatur in diesem Gedicht sehr klar. Mit dem Titel Manifesto propagiert Parra, dass es eine Art Protestbewegung gibt, für die er dieses Manifest schreibt. Das Manifest als literarische Gattung ist in der Regel oftmals sehr politisch und in seiner Deutung, als eine feierliche Veröffentlichung bzw. auch Rechtfertigung einer bestimmten Handlungsweise, meist konträr zu der existierenden Welt. Das berühmteste Manifest ist sicherlich das Manifest der kommunistischen Partei von Karl Marx und Friedrich Engels 1848.

Für das Manifest von dem chilenischen Poeten lässt sich ganz klar sagen, dass er damit seine Antipoesía öffentlich erklärt bzw. auch verteidigt. Es ist die Stimme Parras, die aus diesem Gedicht spricht und uns verdeutlicht, warum ein Umdenken in der Dichtkunst erfolgen muss.

Die ersten Zeilen dienen der Verdeutlichung des manifestartigen Charakters des Gedichts. Bereits hier taucht der, für die Antipoesía sehr passende Satz auf:“ Los poetas bajaron del Olimpo“ (vgl. V.4). Anschließend vergleicht Parra seine Literatur mit der, der: “nuestros mayores“ (vgl. V.5) und er grenzt sich davon ab, dass für ihn der Dichter ein ganz gewöhnlicher Mensch ist. Seine Sprache ist die, des alltäglichen Lebens. Deutlich wird Parra, wenn er sich distanziert, von all den typischen Dichterarten. Diese typischen Dichter sollen strafrechtlich verfolgt werden, da sie: “construir castillos en el aire“ (vgl. V.30). Weiter ausführend lehnt er gewisse Poesiearten ab und verdeutlicht, was Poesie für ihn sein soll: “La poesía a ojo desnudo“ (vgl. V.43). Anschließend geht Parra auf die vorrangegangene Generation von Dichtern ein, welche er deutlich kritisiert. Diese Dichter der Bourgeoise schufen eine Poesie, für die Parra nur wenig übrighatte: “la poesía fue un desastre“ (vgl.V.70). Die Antipoesie ist eine: “La poesía del amanecer” (vgl. V.97) im Gegensatz zu der Poesie der Nacht, der alten Generation. Die Poesie soll für alle Menschen da sein, sie muss jeden erreichen und in seinem Herzen bewegen, so Parra weiter. Im Folgenden grenzt er sich wieder von drei berühmten Autoren ab, dazu später mehr, um anschließend seine Poesie weiter zu charakterisieren. Besonders starke und wichtige Elemente der Antipoesie sind, dass sie für die Natur kämpft und dass sie als sozialer Protest verstanden werden soll. Das Gedicht endet mit einem der berühmtesten Sätze Nicanor Parras: „Los poetas bajaron del Olimpo“ (vgl. V.118).

Das Gedicht besteht aus 118 Versen, unregelmäßig angeordnet in 16 Strophen, sowie zwei alleinstehenden Versen. Es gibt keine stetige Reimform und ebenfalls keinen dauerhaften Rhythmus. Generell reimen sich in diesem Werk Parras nur sehr wenige Verse und wenn, dann sind dies meist Wortwiederholungen. Dieses Element tritt hierbei vermehrt auf (vgl. Vers 44-46 oder auch Vers 55-57). Typische wiederholende Phrasen sind jene, welche eine deutliche Abgrenzung ausdrücken, wie zum Beispiel: “A diferencia de …“ (vgl. V. 10), ”Nosotros repudiamos“ (vgl. V. 38) oder auch “No creemos en …“ (vgl. V. 46). Dazu kommen sich wiederholende Ausdrücke zur Beschreibung bzw. Identifizierung der Antipoesie, wie: “Nosotros sostenemos“ (vgl. V. 12), ebenso wie bei Vers 23: “Este es nuestro mensaje“ (vgl. V.23). Das Gedicht Manifesto hat nicht den typischen bissigen Humor, den Parra sonst einsetzt. Ebenso wenig lässt sich die charakterisierende Ironie wiederfinden. Stattdessen wirkt dieses Werk des Chilenen sehr ernst und anklagend und Parra nutzt es, um aus ihm zu sprechen und die Attribute der Antipoesie und des Antipoeten zu erklären. Typisch für ein Manifest grenzt es sich auch radikal ab, was dafür sorgt, dass die Antipoesía als einzig wahre Alternative möglich ist. Durch zahlreiche Metaphern bzw. Hommagen an vergangene Dichter erhöht sich die Antipoesie selbst. Bereits Vers 4 zeigt die erste Ablehnung: “Los poetas bajaron del Olimpo“ (vgl. V.4). Dieser Satz ist eine Anlehnung an Vicente Huideburos Aussage:“ El poeta es un pequeño dios“ (vgl. V.18) aus dem Gedicht Arte Poetica. Parra stellt sich ganz klar gegen diese Überhöhung der dichtenden Person. Stattdessen ist der Poet: “Un albañil que construye su muro: Un constructor de puertas y ventanas” (vgl. V. 15), also ein ganz gewöhnlicher Mensch aus dem Volk. Die Sprache der Poeten ist die ganz gewöhnliche Alltagssprache und nicht die kabbalistische Sprache, also jene, welche voll von mythischen und überlieferten Ausdrücken aus vergangenen Zeiten ist. Dies ist eine deutliche Abgrenzung zu der damalig vorherrschenden Poesie, welche eben genau jene Attribute vertrat. Im Folgenden lehnt er Poeten ab, welche sich an den alten antiken Gedichten orientieren und quasi nichts neues konstruieren, sondern nur kopieren (vgl. V.24-26). Parra möchte diese gar vor Gericht bringen, weil sie Luftschlösser bauen und nutzlos sind. Der Ökopoet betitelt sie als Verschwendung von Raum und Zeit (vgl. V.31). Hier wird deutlich, dass Parra ein Gedicht nicht wegen des Gedichtes wegen schreibt, sondern um auf klare soziale, politische und biologische Probleme hinzuweisen. Poesie ist für den Chilenen ein Mittel zur Kanalisierung bzw. auch zur Verdeutlichung von vorherrschenden Missständen. Um eine breite Masse anzusprechen, muss es dementsprechend auch mit einfachen Ausdrücken aus der Sprache der einfachen Bevölkerung gefüllt sein. In den folgenden Versen distanziert sich Parra zum von dem französischen Dichter Louis Aragon durch die Formulierung: “Nosotros repudiamos […] La poesía de capa y espada“ (vgl. V. 38-40), da die Poemas de capa y espada ein Werk des französischen Kommunisten sind. Die Poesie soll stattdessen nackt sein, also vollkommen ehrlich und nicht die Probleme verhüllend. Weitere Ablehnungen gegenüber Poeten werden folgen. Durch die Metapher des Glasprismas drückt Parra aus, dass sich die vorrangegangen Generation zwar in verschiedene poetische Stile zerstreut hat, diese aber schlussendlich auf das Gleiche hinausliefen: es war keine Poesie des Alltäglichen, es war Poesie der Bourgeoise, selbst jene Gedichte von denen, die sich Kommunisten nannten. Dies ist bei genauerer Betrachtung eine große Beleidung an die kommunistischen Dichter, war es doch das Hauptziel der Kommunisten diesen Klasse zu entmachten. Kommunistische Dichter waren für Parra aber auch nur Teil dieser oberen Klasse. Er wiederholt: “Hay que decir las cosas como son “(vgl. V.61). Parra fordert nichts Geringeres als eine Revolution von dem Ausdruck in Gedichten, die erfolgen muss und eine Revolution von Ideen (vgl. V. 78-81), damit “Los resplandores de la poesía Deben llegar a todos por igual“ (vgl. V. 99-100). Parra lehnt die Poesie des kleinen Gottes, der heiligen Kuh und des wütenden Stiers ab. Damit kritisiert der Chilene zum wiederholten Mal Huideburo (kleiner Gott), Pablo Neruda (heilige Kuh), sowie Pablo de Rhoka (wütender Stier). Dieser antwortet: "Parra no es nada más que un snob plebeyo y populachero, no popular, un versificador a niveles intolerables de oportunismo" (vgl. Gomez Bravo 2019). Nicanor Parra setzt sich dadurch von den Größten seiner Zeit ab und hebt sich und die Antipoesie auf das Niveau der Alleingültigkeit. Diese drei Autoren sind in ihrem Inhalt und ihrem Stil sehr verschieden und dennoch wird keiner den Ansprüchen gerecht, die Parra an den Dichter und die Dichtkunst selbst stellt. Mit: “poesía de la tierra firme“ (vgl. V. 109) grenzt sich Parra zudem von Luis Cernuda ab und gleichzeitig klingt ihm mit “Somos tierrafirmistas decididos“ (vgl. V 111) ein passendes Wortspiel, denn die Antipoesie macht sich die Erhaltung der Natur zur Hauptaufgabe. Mit der Wiederholung von “Los poetas bajaron del Olimpo“ (vgl. V.118) beendet Parra das Gedicht.

Der Inhalt des Werkes Manifesto entspricht dem, was man von einem Manifest erwartet. Es ist sehr kritisch und abgrenzend. Gleichzeitig stell es das eigene Ideal, hier die Antipoesie und den Antipoeten, auf die höchste Stufe. Parra propagiert eine Poesie mit einfachen Worten, als Ausdrucksmittel des literarischen und ökologischen Kampfes und des tiefsten Teils der Seele. Deutlich anzumerken ist die Ablehnung und die Enttäuschung gegenüber linken und revolutionären Dichtern, welche ihre Kunst doch nur nutzen, um ihren Stand und ihre finanzielle Lage zu sichern. Parra propagiert eine neue, frische und nahe Poesie, als Gegensatz zu der Gegenwärtigen. Für den Chilenen ist Poesie nicht nur Kunst, sondern muss als solche auch etwas erreichen, sie ist zweckgebunden an die Mobilisierung von Menschen zur Bewältigung von Problemen. Die Antipoesie macht es sich aber auch als Aufgabe die Natur zu schützen. Die Antipoeten gehen auf den Boden der Tatsachen zurück, gehen mit ihrer Antipoesie auf die Straße, für und durch die Menschen. Sie müssen sich deshalb komplett von der vorherrschenden Poesie trennen und abgrenzen. Damit macht sich Parra aber auch durchaus Feinde, denn Autoren wie Neruda oder De Rhoka waren zu der beinahe unumstoßbare Institutionen der chilenischen Literaturkultur. Doch Parra scheut diesen Kampf nicht, was seine Entschlossenheit gegenüber dem sozialen und ökologischen Kampf betont und gleichzeitig seine Radikalität zeigt. Im Gegensatz zu anderen Werken von Nicanor Parra, ist dieses sehr ernst und lässt Ironie oder Humor zugunsten des Manifests der Antipoesie vermissen. Alle vorherigen und nachfolgenden Werke Parras können mit diesem Werk erklärt werden. Der Chilene macht sehr deutlich, für welche Werte in der Gesellschaft und der Literatur er steht, spricht er doch durch dieses Manifest an die Öffentlichkeit.

3.2. Die Ecopoemas – die Abrechnung mit dem Kapitalismus

Die Ecopoemas sind eine Reihe von Gedichten, die zuerst alleinstehend 1982 veröffentlicht wurden, 1983 aber Teil der Poesía Politíca wurden. Bei dieser Arbeit soll nur das erste Gedicht analysiert werden, was namentlich Ecopoemas betitelt wurde. Der Titel ist eine Wortneuschöpfung und Kombination aus den Nomen ecología und poemas, was übersetzt dann etwa Umweltgedichte bedeutet. 20 Jahre nach seinem Manifest, in welchem der Autor eine Poesie der Natur propagierte, erscheint nach den Artefactos 1972 ein zweites Werk, was diesen Forderungen des antipoetischen Manifests nachgeht. Parras Ironie wird hier vermischt mit der Ernsthaftigkeit und der Radikalität, wie man sie im angesprochenen Manifest wiederfinden kann. Bereits die Zusammenführung der beiden Begriff ecología und poemas kann als deutliches Zeichen des Engagements für die Natur gewertet werden. Parra legt den thematischen Schwerpunkt ganz klar auf die Natur und alles, was mit ihr einhergeht, wie deren Zerstörung, deren mögliche Erhaltung und die auftretenden Probleme. Es kann als komplette Hingabe für den Schutz der Umwelt beurteilt werden.

In der ersten Strophe kombiniert Parra die Begriffe compañero, compromiso und constitución jeweils mit dem Wort ecología und fordert somit Kampf und Engagement für eine umweltfreundliche Verfassung. (vgl. V-1-4). Darauffolgend verteufelt der Autor den Kapitalismus, welcher für unzählige schwere Verbrechen an der Menschheit schuldig gesprochen werden müsste. Doch auch der “socialismo burrocrático“ (vgl. V.9) ist nicht besser. In der dritten Strophe spricht er den Bürgermeister der Hauptstadt von Chiles an und sagt, dass er Santiago nicht mehr erkennt, es gäbe noch ein paar Palmen und (zu wenig) Prostituierte sind auf den Straßen unterwegs. Darauffolgend spricht Parra einen imaginierten Dialog des berühmten Wirtschaftswissenschaftler Milton Friedman und einem Alcaluf, einem Vertreter der Kawesquar, einer chilenischen indigenen Gemeinschaft, die so gut wie ausgerottet wurde. Kaufen sei die Lösung aller Probleme für Friedman, doch in Wahrheit verschwindet nach und nach die Welt der Kawesquar. Folgend wird der der Konsum als großes Unglück wiederholend bezeichnet, als eine Schlange, die sich selbst in den Schwanz beißt (vgl. V.21-24). In der letzten Strophe kommt wieder die Struktur der ersten Strophe ins Licht; aktuell heißt es Proletarier gegen die Bourgeoisie, aber es müsste eigentlich “pacíficos peatones versus asesinos del volante“ (vgl. V-30-32) heißen.

Das Gedicht Ecopoemas von Nicanor Parra besteht aus 34 Versen, welche unregelmäßig in sechs Strophen angeordnet sind. Ein konstantes Reimschema ist ebenso wenig vorhanden, wie ein einheitliches Metrum. Stattdessen findet man, häufiger als sonst bei Nicanor Parras Werken, zufällige Verse, welche sich reimen, wie zum Beispiel bei Vers 19-20: “A comprar a comprar quel mundo se vacabar“ (vgl. V.19-20). In diesem Gedicht fallen besonders zwei stilistische Merkmale ins Auge. Zum einen sind es die beiden letzten Strophen, welche größtenteils Ein-Wort-Verse beinhaltet. Dies sorgt natürlich für eine zusätzliche Betonung und Hervorhebung der einzelnen Begriffe; es verleiht jedem einzelnen Wort eine immense Kraft und Bedeutung. Dies wird noch einmal verstärkt durch den Umstand, dass Consumismo großgeschrieben ist. Zum anderen sind die Wortneuschöpfungen sehr charakterisitisch für das Gedicht. Bereits der Titel ist eine Neuschöpfung. Sowohl Ecopoemas, als auch ecompañero, ecompromiso und econstitución existieren nicht in der spanischsprachigen Welt. Stattdessen fordert Parra damit die Personen auf, das alltägliche Leben für einen ökologischen Kampf zu nutzen, um die Natur zu retten. Ebenfalls auffallend ist die Wiederholung der Begriffe dice und léase. Damit wird der Ist-Zustand beschrieben (dice) aber auch die Wunschvorstellung nach Parra (léase). In der zweiten Strophe erkennt man Parras Unparteilichkeit, da er sowohl dem Kapitalismus, als auch dem Sozialismus die Schuld für die unzähligen Verbrechen an der Natur gibt. Er lässt sich für keine Seite begeistern. Stattdessen sagte der Chilene selbst sagte einmal folgendes: “Ni socialista ni capitalista Sino todo lo contrario Sr. Director: Ecologista intransigente” (vgl. Rosa 2019). Somit schafft der Ökopoet quasi eine dritte Wirtschaftsform, die des Ökologismus. Was folgt ist eine scharf-ironische Strophe, bei dem er dem Bürgermeister vorwirft, Santiago de Chile nicht mehr zu erkennen. Es gäbe noch ein paar Palmen, (welche man fällen könnte), und es gibt nur noch wenig Prostituierte auf den Straßen. Interessant ist, dass bis heute auf der Avenida La Paz Palmen stehen (siehe Bild 2). Sucht man in der nahen Gegend dieser Hauptstraße, findet man dagegen gar keine Palmen. Wie es vor 50 Jahren ausgesehen hat, kann man nicht sagen, aber es scheint, als ob die Palmen in der Avenida La Paz die einzig Übrigen in ganz Santiago wären. In der darauffolgenden Strophe erfindet Parra den bereits genannten Dialog mit Friedman und den Kawesquar. Friedman sagt, Konsum und Freiheit sei für alles die Lösung. Doch in Wahrheit verschwindet dadurch die Welt, wie sie ist. Dies drückt Parra mit einer weiteren Wortneuschöpfung aus; aus vacar (frei werden) und acabarse (beenden) wird vacabarse. Der Konsum wird anschließend weiter verteufelt. Durch die Ein-Wort-Strophe setzt man die Begriffe derroche und despilfarro dem Konsum gleich. Außerdem sei der Konsum wie eine Schlange, die sich selbst in den Schwanz beißt (vgl. V.24), was langfristig zumindest den Tod der Schlange bedeutet. Durch den Begriff der Schlange sorgt Parra zudem für ein noch zweifelhafteres Image des Konsums. In der letzten Strophe spielt der Ökopoet auf den den sozialen Kampf an. Durch seine Umformulierung zu “pacíficos peatones versus asesinos del volante” (vgl. V-32-34) zeigt Parra, dass er statt des sozialen Kampfes lieber einen ökologischen Kampf hätte. Interessant ist hierbei, dass er die Stadtbewohner direkt in den Kampf für die Natur mit einbezieht. Es ist nicht die Natur, es sind nicht die Tiere und Pflanzen, die sich nach und nach ihren Lebensraum zurückholen; es ist der nicht motorisierte Mensch, der sich gegen die Herrschaft der fahrenden Leute auflehnt und ihnen den Kampf ansagt. Der Mensch ist aktiver Teil des ökologischen Kampfes und die Fußgänger sind die guten Menschen, die hoffentlich gewinnen.

Das Gedicht Ecopoemas von Nicanor Parra zeigt den Willen des Autors für die Natur zu kämpfen. Dabei bezieht er explizit den Menschen mit ein, der die Verantwortung trägt. Er überlässt die Natur also nicht deren Schicksal. Sehr deutlich wird hier Parras Wille den sozialen Kampf in einen ökologischen zu verwandeln. Dieses Gedicht hat somit auch einen Zweck, nämlich den der Mobilisierung. Der Chilene möchte nicht nur seine Landsleute, sondern alle Fußgänger der Welt vereinen, um auf die Straße zu gehen. Motoren aller Art werden als der Feind symbolisiert, welche ja auch schädliche Abgase für die Natur produzieren. Noch einmal deutlich wird deshalb auch hier die Unparteilichkeit. Nicanor Parra hat sich ganz der Sache des ökologischen Schutzes, vielleicht sogar einer Art ökologischer Reconquista verschrieben und konzentriert sich nur darauf. Nach ihm sind alle anderen Probleme der Natur unterzuordnen. Es ist eine inbrünstige Verschreibung für den Kampf für die Natur.

3.3. Los siete chanchitos

In seinem Werk Los siete chanchitos, welches 1983 in seiner poesia politica erschien, werden die Feindbilder Parras ersichtlich. Direkt am Anfang, also als Teil des Gedichts wird ausdrücklich gesagt, dass dies die offizielle Hymne der Ökologischen Bewegung sei und der Aufbau ähnelt einer solchen doch sehr. Doch es ist weit mehr, als eine Hymne; es ist eine Anklage gegen die Heuchelei, die in vielen gesellschaftlichen Teilen vorherrscht, wenn es um die Umwelt geht, besonders bei den Reichen und Mächtigen. Es werden nacheinander sieben Personengruppen aufgezählt, die, und das fügt Parra immer mit an, ohne ökologischen Gedanken nur ein: “chancho con chalete“ (vgl. V.6), also Schweine mit Weste sind. Auch hier erkennt man die typische parra-eske Ironie. Die Weste, ein Symbolbild von Autorität und Persönlichkeit wird einem Tier umgeworfen, welches sich im Dreck suhlt und allgemein als unsauber charakterisiert wird. Dadurch, dass Parra dieses Werk als Hymne tituliert, wird diesem Gedicht zum einen mehr Resonanz gewidmet und zum anderen propagiert er damit, dass es eine Gruppe gibt, die dahintersteht. Nun werden nacheinander die sieben Personengruppen aufgezeigt, was eine deutliche Verbindung zu Blanca Nieves y los siete enanos herstellt. Parras bittersüßer Humor wird so noch deutlicher. Während in dem Märchen alle sieben Zwerge nacheinander vorgestellt werden, mit verniedlichenden und gutbürgerlichen Attributen, zeigt der chilenische Autor nacheinander sieben Gruppen, die er für Heuchler und Lügner hält.

Die erste Personengruppe sind Industrielle, welche gleichzeitig kapitalistische Poet*innen sind, die ohne jegliche Einschränkung abgelehnt werden. Die zweite Gruppe betrifft Landwirte, die nicht auf ihr Land achtgeben. Die dritte Gruppe benennt Parra als Ingenieure. In der vierten Gruppe werden verschiedene politische Strömungen genannt, die ohne umweltliches Bewusstsein auch nur zu verachten sind. Auffallend ist hier, dass vorwiegend eher linke Strömungen genannt werden aber eben auch Pinochisten. Das verdeutlicht einmal mehr Parras überpolitisches Ziel der ökologischen Bewusstheit und ihm ist bewusst, dass diese Ziele von jenen Gruppierungen eben sehr gerne vereinnahmt werden, ohne dass konkrete Ergebnisse folgen. Kirchliche Vertreter bilden die fünfte Gruppe. Die sechste Gruppe umfasst Doktorant*innen und die siebte hat zivile und militärische Autoritäten als kritische Personengruppe.

Dieses Werk zeigt einmal mehr Parras durchaus unbarmherzigen und doch sehr radikal wirkenden Kampf für eine umweltfreundliche Politik. Der Dichter bricht mit vielen Gruppen, auch mit manchen, die ihm eventuell in seinem Kampf unterstützen könnten. Das Gedicht erweckt den Anschein, als ob Parra nur eine kleine, ausgewählte Personengruppe in dem Moviemiento Ecológico haben möchte.

Für eine Hymne erscheint dieses Gedicht durchaus berechtigt, was den Stil angeht, denn es hat, nicht zuletzt durch die prägnanten Wiederholungen von chancho con chalete, eine gewisse Melodie, die es für Hymnen braucht. Der Aufbau ist nicht direkt klar beschreibbar. Man kann argumentieren, dass es ein ganzer Text ist, ohne jegliche Abschnitte und Struktur, da es keinerlei abgrenzende Strophen mit einem bestimmten Versmaß oder Rhythmus gibt. Allerdings endet jede Aufzählung einer Personengruppe mit den Worten chancho con chalete, womit man doch eine Gewisse Grenze schafft. Beide Argumentationsstrukturen sind schlüssig und außerdem ist für Parra dies nicht von großer Bedeutung. Wenn man letztere annimmt, so kann man sagen, dass es 33 Verse gibt, welche in sieben ungleichen Strophen angeordnet sind. Reime, eine klare Versform und ein klassisches Metrum sucht man wie so häufig bei den behandelten Gedichten also vergebens. Die Sprache ist, wie so oft bei Parra, sehr schlicht und einfach. Es sind Alltagsbegriffe und Schimpfwörter, welche aufeinandertreffen. Jede Gruppe, die Parra beschreibt, wird mit wenigen Eigenschaften lächerlich gemacht. Industrielle, welche gleichzeitig Poet*innen sind? In den allermeisten Fällen ist dies ein klassisches Paradoxon. Landwirte: “sin inquietud ecológica“? (vgl. V4.) Gerade Landwirte geben auf ihr Land acht. So geht es mit jeder Personengruppe weiter; der Priester verpestet die Umwelt durch sein ständiges Rauchen, Doktoren sind zu unbekannt und entziehen sich deshalb der Umweltbewegung. Die letzte Personengruppe, die: “autoridad civil o militar “ ( vgl. V.28 ) wird mit Absicht großgeschrieben, um ihre Bedeutung hervorzuheben, wird mit dem stärksten Fluch bedacht. Diese Behörden werden wie folgt verwünscht:“nauseabundo chancho con chaleco” (vgl. V.33). Chancho con chalete ist an sich immer großgeschrieben, was natürlich eine immense Hervorhebung verursacht. Gleiches ist Teil von einem beliebten Stilmittel Parras, der Phraseologie. Ebenso ist das Wort: “imperdonable“( vgl. V.20 ) großgeschrieben. Auch dadurch wird Lächerlichkeit erzeugt, denn gerade im Kirchlichen Kontext steht die Vergebung der Schuld im Vordergrund; Jesus hat sich für unsere Sünden geopfert und die Schmerzen der Kreuzigung auf sich genommen. Die vielen Punkte kann man als Auslassungen deuten, wo einfach die Worte fehlen, was den umgangssprachlichen Ausdruck noch verstärkt. Wenn es eine Hymne ist, bzw. den Anspruch hat, dann ist der Inhalt doch etwas fragwürdig. Natürlich ist es wichtig, sich abzugrenzen, aber gerade eine ökologische Bewegung muss auch den Anspruch haben, seine Inhalte klar und prägnant zu äußern, auch in einer Hymne. Allgemein erweckt dieses Gedicht mehr den Anschein eines Protestslogans oder eines Kampfliedes, als den einer offiziellen Hymne.

Los siete chanchitos ist ein ausdrucksstarkes Werk von Nicanor Parra, welches es sich auf die Fahnen geschrieben hat, die Verantwortlichen einer möglichen Veränderung zu ökologischerem Verhalten anzuklagen. Mit den sieben Personengruppen benennt der Chilene auch die Grundpfeiler der heutigen Gesellschaft, von denen Veränderung ausgehen muss, da diese durch verschiedene Art und Weisen Macht ausüben; sei es der Politiker mit der politischen Entscheidungsgewalt oder auch der Doktor bzw. Professor, welcher Schüler und Studierende unterrichtet. Die typische Ausdrucksweise von Parra, geprägt von Übertreibungen und Sarkasmus, verstärkt die anklagende Schrift des Poeten. Der Ausdruck ist der Umgangssprache nachgeahmt und doch durch überlegte Verwendung von satirischen Elementen sehr prägnant. Durch Aufzählungen und Aussetzern wird eine fast schon eine leicht-familiäre Stimmung erzeugt.

Allgemein betrachtet zeigt Parra mit diesem bemerkenswerten Gedicht schon 1983 der Gesellschaft den Spiegel und verdeutlicht wo das Problem innerhalb der Bevölkerung liegt.

4. Schlussbetrachtung – wie stark hat Nicanor Parra die literarische Bühne verändert?

Die Werke Nicanor Parras waren zu dieser Zeit außergewöhnlich und aufgrund vielschichtiger Gründe. Zunächst erst einmal sagt er sich von den größten und bekanntesten Autoren seiner Zeit ab. Sei es Neruda, Huideburo oder De Rhoka: er lehnt sie alle ab. Besonders die Vorherrschaft Nerudas in der chilenischen Öffentlichkeitswahrnehmung stört ihn sehr. Seine Aussagen ihnen gegenüber sind provozierend und grenzen teilweise an Beleidigung. Doch durch diese grenzwertigen Formulierungen gewinnt Parra eben auch an die Wahrnehmung, die er braucht, um seine wahren Ziele zu verdeutlichen. Die l’art pour l’art Bewegung lehnt der Ökopoet vollständig ab. Für ihn ist Kunst und vor allem Poesie ein Mittel zur öffentlichen Darstellung sozialer und ökologischer Probleme. Seine Poesie soll wachrütteln und die Massen mobilisieren. Die Schablonenhaftigkeit der alten Poesie wird aufgebrochen. Sind es bei Neruda Ozeane, Strände oder Wälder, welche die Szenerie seiner Gedichte bilden, sind es bei Parra einfache Kaschemmen, Kinos, Fabriken und generell das großstädtische Ambiente, welches im Mittelpunkt steht. Statt Eremiten oder Intellektuellen sind es Prostituierte, Chauvinisten und andere einfache Leute aus dem Volk, welche als Personen in Parras Gedichten auftauchen. Poesie soll für jedermann zugänglich sein und deshalb verwendet der Ökopoet auch diese alltäglichen Bilder in seinen Gedichten. Auch sein Stil knüpft daran an. Während man bei Neruda und anderen bekannten Dichtern dieser Zeit meist ein konstantes Reim – und Versschema erkennen kann, benutzt Parra dies überhaupt nicht. Die Verszahl und deren Strophenanordnung erfolgt bei Parra idR. nach thematischem Kontext. Auch auf Rhythmus und andere stilistische Mittel achtet er nicht. Stattdessen nutzt er Humor, Ironie und Übertreibungen um seine Aussagen noch prägnanter und einprägsamer zu schreiben. Seine Sprache ist die der Alltagssprache, gespickt mit vulgären Ausdrücken. Man kann also zurecht behaupten, dass Nicanor Parra das Erwartungsbild des Gedichts komplett und radikal bricht. Sowohl thematisch, als auch stilistisch unterscheiden sich seine Gedichte von denen der vorherigen Generation und setzten somit einen Meilenstein in der chilenischen Poesie. In Chile sorgte Parra mit seiner neuartigen Dichtkunst für großes Aufsehen. International dagegen fand seine Poesie nur sehr selten Anklang. Für die USA ist der kürzlich verstorbene Lawrence Ferlinghetti zu nennen, welcher nicht nur die Werke Parras übersetzte, sondern auch ähnlich dachte und regelmäßig mit Parra in Kontakt stand: „Nicanor Parra is an old friend of (Lawrence) Ferlinghetti and myself. In fact, Ferlinghetti published his first book in the United States, Antipoems …“ (vgl. Gingsberg 2011) Im europäischen Kontext gibt es sehr wenige Autoren, die sich an Parra orientierten. Selbst heute in Zeiten der Protestbewegung Fridays for Future wird Parra kaum rezensiert, was mich persönlich gesehen verwundert, denn Parra war einer der ersten der sich radikal für die Umwelt einsetzte und somit auch als Urvater der ökologischen Protestbewegung genannt werden. Auch heute noch gibt es keine mir bekannte Person, welche sich offiziell als Vertreter*in der Antipoesie bezeichnet, was vielleicht mehr über den geringen Einfluss Parras sagt, als vieles zuvor.

Persönlich gesehen muss ich sagen, dass mir ein wenig die Konkretisierung in seinen Gedichten fehlt. Parra sagt zwar oft aus, dass man etwas verändern muss, beispielsweise für den Schutz der Natur. Aber konkrete inhaltliche Vorschläge wie dies passieren soll, lassen sich nicht finden. Dennoch ist Nicanor Parra eine extraordinäre Person und besonders im chilenischen Literaturkontext eine sehr wichtige Person, man könnte sogar von einem Gamechanger sprechen.

5. Quellen

Anmerkung: Da man die meisten Werke von Nicanor Parra und das Gedicht von Huideburo online findet habe ich diese Internetquellen gesondert in der Primärliteratur angeordnet, da sie zweifelsohne die Primärliteratur darstellen.

1. Primärliteratur

Huidoburo, Vicente (1916): „Arte Poética “. Auf: vicentehuidobro.uchile.cl Link: https://www.vicentehuidobro.uchile.cl/poema6.htm [zuletzt aufgerufen am 10.08.2021, 14:54 Uhr]

Parra, Nicanor (1962): “Montaña Rusa “. Auf: nicanorparra.uchile.cl.
Link: https://www.nicanorparra.uchile.cl/antologia/versosdesalon/montanarusa.html [zuletzt aufgerufen am 10.08.2021 um 15:26 Uhr]

Parra, Nicanor (1969): “Epitafio”. Auf: eluniversal.com.mx
Link: https://www.eluniversal.com.mx/cultura/letras/el-epitafio-de-si-mismo-que-nicanor-parra-escribio-en-1969 [zuletzt aufgerufen am 10.08.2021 um 15:29 Uhr]

Parra, Nicanor (1969): “Manifesto”. Auf: anffos.cl. Link: http://www.anffos.cl/Descargas/BIBLIOTECA/Nicanor%20Parra%20-%20Poemas.pdf [zuletzt aufgerufen am 10.08.2021 um 15:34 Uhr]

Parra, Nicanor (1969): “Test”. Auf: nicanorparra.uchuile.cl
Link http://www.nicanorparra.uchile.cl/antologia/camisa/test.html [zuletzt aufgerufen am 10.08.2021, 14:38 Uhr]

Parra, Nicanor (1977): “Sermones y predicas del cristo de Elqui”. Auf: academia.edu. Link: https://www.academia.edu/43310803/Sermones_y_predicas_del_cristo_de_elqui_NICANOR_PARRA [zuletzt aufgerufen am 10.08.2021 um 15:23 Uhr]

Parra, Nicanor (1982): “Ecopoemas” Auf: anffos.cl. Link: http://www.anffos.cl/Descargas/BIBLIOTECA/Nicanor%20Parra%20-%20Poemas.pdf [zuletzt aufgerufen am 10.08.2021 um 15:44 Uhr]

Parra, Nicanor (1983):” Los siete Chanchitos” Auf: anffos.cl. Link: http://www.anffos.cl/Descargas/BIBLIOTECA/Nicanor%20Parra%20-%20Poemas.pdf [zuletzt aufgerufen am 10.08.2021 um 15:38 Uhr]

2. Sekundärliteratur

Beutler, Gisela (1991): „ Vanguardismo y Antipoesía en Nicanor Parra. Algunas consideraciones “. In: Wentzlass – Eggebert, Harald (Hg.): Europäische Avantgarde im lateinamerikanischen Kontext: Akten des internationalen Berliner Kolloquiums 1989. 1. Auflage. Frankfurt am Main: Vervuert. Seite 321-Seite 333.

Cuneo, Ana María (2016): “Iván Carrasco. Para leer a Nicanor Parra”. In Revista Chilena de Literatura ISS 56. Seite 156-158.

Neruda Pablo, Parra Nicanor (1962): Discursos, 1. Auflage. Santiago de Chile: Nascimento

Muñoz, Dennis Paez (2021): “Metapoética de la ruptura: consciencia de cambio en tres poetas del ‘50: Efraín Huerta, Juan Gelman y Nicanor Parra”. In: Revista de Lingüística, Literatura y Filosofía Bandnummer 31. Seite 26 – Seite 39.

3. Hilfsmittel

Moliner, María (2007): Diccionario de uso del españo. 3 Auflage. Madrid: Gredos

4. Internetquellen

Gingsberg, Allen (2011): “Nicanor Parra”. Auf: allengingsberg.org
Link: https://allenginsberg.org/2011/09/nicanor-parra/ [zuletzt aufgerufen am 10.08.2021 um 15:03 Uhr]

Gomez Bravo, Andre (2019):” El antipoeta, el mago y el toro furioso”. Auf: latercera.com Link:https://www.latercera.com/culto/2019/01/22/antipoeta-mago-toro-furioso/ [zuletzt aufgerufen am 10.08.2021 um 14:58 Uhr]

Lastra, Pedro (1958): “Introducción a la poesía de Nicanor Parra”. Auf: nicanorparra.uchuile.cl. Link: http://www.nicanorparra.uchile.cl/estudios/lastra.html [zuletzt aufgerufen am 10.08.2021 um 14:44 Uhr]

Morales, Leonidas (1998): “Poemas y antipoemas”. Auf: archivochile.cl
Link: http://www.archivochile.cl/Cultura_Arte_Educacion/np/s/npsobre0031.pdf (zuletzt aufgerufen am 10.08.2021, 14:34 Uhr)

Parra, Nicanor (1958): “Poetas de la claridad”. Auf: scielo.cl.
Link: https://www.scielo.cl/scielo.php?script=sci_arttext&pid=S0718-04622009000200015 [zuletzt aufgerufen am 10.08.2021, 14:30 Uhr]

Rosa, Sofia (2019):” La ecopoesía de Nicanor Parra como espacio de disentimiento”. Auf: scielo.edu.uy
Link:http://www.scielo.edu.uy/scielo.php?pid=S230116292019000200199&script=sci_arttext#aff1 [zuletzt aufgerufen am 10.08.2021 um 15:06 Uhr]

Yamal, Ricardo (1991): “Sistema y vision de la poesía de Nicanor Parra” Auf: revista-iberoamericana.pitt.edu
Link:https://revista-iberoamericana.pitt.edu/ojs/index.php/Iberoamericana/article/view/4253 [zuletzt besucht am 10.08.2021 um 13:12 Uhr)

6. Anhang

Sermones y prédicas del Cristo de Elqui

XXIV

Cuando los españoles llegaron a Chile 1

se encontraron con la sorpresa

de que aquí no había oro ni plata

nieve y trumao sí: trumao y nieve

nada que valiera la pena 5

los alimentos eran escasos

y continúan siéndolo dirán ustedes

es lo que yo quería subrayar

el pueblo chileno tiene hambre

sé que por pronunciar esta frase 10

puedo ir a parar a Pisagua

pero el incorruptible Cristo de Elqui no puede tener

otra razón de ser que la verdad

el general Ibáñez me perdone

en Chile no se respetan los derechos humanos 15

aquí no existe libertad de prensa

aquí mandan los multimillonarios

el gallinero está a cargo del zorro

claro que yo les voy a pedir que me digan

en qué país se respetan los derechos humanos. 20

TEST

Qué es un antipoeta: 1

Un comerciante en urnas y ataúdes?

Un sacerdote que no cree en nada?

Un general que duda de sí mismo?

Un vagabundo que se ríe de todo 5

Hasta de la vejez y de la muerte?

Un interlocutor de mal carácter?

Un bailarín al borde del abismo?

Un narciso que ama a todo el mundo?

Un bromista sangriento? 10

Deliberadamente miserable?

Un poeta que duerme en una silla?

Un alquimista de los tiempos modernos?

Un revolucionario de bolsillo?

Un pequeño burgués? 15

Un charlatán?

un dios?

un inocente?

Un aldeano de Santiago de Chile?

Subraye la frase que considere correcta. 20

Qué es la antipoesía:

Un temporal en una taza de té?

Una mancha de nieve en una roca?

Un azafate lleno de excrementos humanos?

Como lo cree el padre Salvatierra? 25

Un espejo que dice la verdad?

Un bofetón al rostro?

Del Presidente de la Sociedad de Escritores?

(Dios lo tenga en su santo reino)

Una advertencia a los poetas jóvenes?

Un ataúd a chorro? 30

Un ataúd a fuerza centrífuga?

Un ataúd a gas de parafina?

Una capilla ardiente sin difunto?

Marque con una cruz

La definición que considere correcta 35

Montaña Rusa

Durante medio siglo 1

la poesía fue

el paraíso del tonto solemne.

Hasta que vine yo

y me instalé 5

con mi montaña rusa.

Suban, si les parece.

Claro que yo no

respondo si bajan

Echando sangre por boca y narices 10

Epitafio

De estatura mediana, 1

Con voz ni delgada ni gruesa,

Hijo mayor de profesor primario

Y de una modista de trastienda;

Flaco de nacimiento 5

Aunque devoto de la buena mesa;

De mejillas escuálidas

Y de más bien abundantes orejas;

Con un rostro cuadrado

En que los ojos se abren apenas 10

Y una nariz de boxeador mulato

Baja a la boca de ídolo azteca

Todo esto bañado

Por una luz entre irónica y pérfida

Ni muy listo ni tonto de remate 15

Fui lo que fui: una mezcla

De vinagre y de aceite de comer

¡Un embutido de ángel y bestia!

Manifesto

Señoras y señores 1

Ésta es nuestra última palabra.

-Nuestra primera y última palabra-

Los poetas bajaron del Olimpo.

Para nuestros mayores 5

La poesía fue un objeto de lujo

Pero para nosotros

Es un artículo de primera necesidad:

No podemos vivir sin poesía.

A diferencia de nuestros mayores 10

-Y esto lo digo con todo respeto-

Nosotros sostenemos

Que el poeta no es un alquimista

El poeta es un hombre como todos

Un albañil que construye su muro: 15

Un constructor de puertas y ventanas.

Nosotros conversamos

En el lenguaje de todos los días

No creemos en signos cabalísticos.

Además una cosa: 20

El poeta está ahí

Para que el árbol no crezca torcido.

Este es nuestro mensaje.

Nosotros denunciamos al poeta demiurgo

Al poeta Barata 25

Al poeta Ratón de Biblioteca.

Todos estos señores

-Y esto lo digo con mucho respeto-

Deben ser procesados y juzgados

Por construir castillos en el aire 30

Por malgastar el espacio y el tiempo

Redactando sonetos a la luna

Por agrupar palabras al azar

A la última moda de París.

Para nosotros no: 35

El pensamiento no nace en la boca

Nace en el corazón del corazón.

Nosotros repudiamos

La poesía de gafas obscuras

La poesía de capa y espada 40

La poesía de sombrero alón.

Propiciamos en cambio

La poesía a ojo desnudo

La poesía a pecho descubierto

La poesía a cabeza desnuda. 45

No creemos en ninfas ni tritones.

La poesía tiene que ser esto:

Una muchacha rodeada de espigas

O no ser absolutamente nada.

Ahora bien, en el plano político 50

Ellos, nuestros abuelos inmediatos,

¡Nuestros buenos abuelos inmediatos!

Se retractaron y se dispersaron

Al pasar por el prisma de cristal.

Unos pocos se hicieron comunistas. 55

Yo no sé si lo fueron realmente.

Supongamos que fueron comunistas,

Lo que sé es una cosa:

Que no fueron poetas populares,

Fueron unos reverendos poetas burgueses. 60

Hay que decir las cosas como son:

Sólo uno que otro

Supo llegar al corazón del pueblo.

Cada vez que pudieron

Se declararon de palabra y de hecho 65

Contra la poesía dirigida

Contra la poesía del presente

Contra la poesía proletaria.

Aceptemos que fueron comunistas

Pero la poesía fue un desastre 70

Surrealismo de segunda mano

Decadentismo de tercera mano,

Tablas viejas devueltas por el mar.

Poesía adjetiva

Poesía nasal y gutural 75

Poesía arbitraria

Poesía copiada de los libros

Poesía basada

En la revolución de la palabra

En circunstancias de que debe fundarse 80

En la revolución de las ideas.

Poesía de círculo vicioso

Para media docena de elegidos:

"Libertad absoluta de expresión".

Hoy nos hacemos cruces preguntando 85

Para qué escribirían esas cosas

¿Para asustar al pequeño burgués?

¡Tiempo perdido miserablemente!

El pequeño burgués no reacciona

Sino cuando se trata del estómago. 90

¡Qué lo van a asustar con poesías!

La situación es ésta:

Mientras ellos estaban

Por una poesía del crepúsculo

Por una poesía de la noche 95

Nosotros propugnamos

La poesía del amanecer.

Este es nuestro mensaje,

Los resplandores de la poesía

Deben llegar a todos por igual 100

La poesía alcanza para todos.

Nada más, compañeros

Nosotros condenamos

-Y esto sí que lo digo con respeto-

La poesía de pequeño dios 105

La poesía de vaca sagrada

La poesía de toro furioso.

Contra la poesía de las nubes

Nosotros oponemos

La poesía de la tierra firme 110

-Cabeza fría, corazón caliente

Somos tierrafirmistas decididos-

Contra la poesía de café

La poesía de la naturaleza

Contra la poesía de salón 115

La poesía de la plaza pública

La poesía de protesta social.

Los poetas bajaron del Olimpo.

Arte Poetica

Que el verso sea como una llave 1

que abra mil puertas.

Una hoja cae; algo pasa volando;

cuanto miren los ojos creado sea,

y el alma del oyente quede temblando. 5

Inventa mundos nuevos y cuida tu palabra;

el adjetivo, cuando no da vida, mata.

Estamos en el ciclo de los nervios.

El músculo cuelga,

como recuerdo, en los museos; 10

mas no por eso tenemos menos fuerza:

el vigor verdadero

reside en la cabeza.

Por qué cantáis la rosa, ¡oh poetas!

hacedla florecer en el poema. 15

Sólo para nosotros

viven todas las cosas bajo el sol.

El poeta es un pequeño Dios.

ECOPOEMAS

dice compañero léase ecompañero 1

.." ..compromiso .." ecompromiso

.." ..constitución

hay que luchar x una econstitución

Como su nombre lo indica el 5

Capitalismo está condenado

a la pena capital:

crímenes ecológicos imperdonables

y el socialismo burrocrático

no lo hace nada de peor tampoco 10

poco serio Sr. Alcalde

todavía quedan algunas palmeras en pie

en la Av. La Paz

y algo que no tiene color a nada:

veo pocas señoras prostitutas 15

ojo Sr. Alkalde

esto ya no parece Santiago de Chile

Qué le dijo Milton Friedman

a los pobrecitos alacalufes? -A comprar a comprar

quel mundo se vacabar! 20

CONSUMISMO

derroche

despilfarro

serpiente que se traga su propia cola

dice: 25

proletarios

versos

burgueses

léase:

pacíficos peatones 30

versus

asesinos del volante

LOS SIETE CHANCHITOS

(Himno Oficial del Movimiento Ecológico)

1) Industrial y poeta capitalista 1

naturalmente:

CHANCHO CON CHALECO

2) Agricultor sin inquietud ecológica

qué duda cabe: 5

CHANCHO CON CHALECO

3) Ingeniero

….. se ríe de la ecología

prototipo del

….. CHANCHO CON CHALECO 10

4) Comunista marxista leninista

maoísta castrista jochiminista

pinochetista

refractario a la información ecológica

lo siento mucho: 15

….. CHANCHO CON CHALECO

5) Sacerdote que fuma como murciélago

sin la menor consideración x el prójimo

que me perdone Su Santidad:

IMPERDONABLE 20

….. CHANCHO CON CHALECO

6) Profesor y conferenciante

excritor

. para mal de sus pecados

autoexcluido del Frente Ecológico 25

no tiene vuelta:

. CHANCHO CON CHALECO

7) AUTORIDAD CIVIL 0 MILITAR

indiferente a la realidad ecológica

debe ser desenmascarada públicamente 30

mono de nieve

.. CHANCHO CON CHALECO

nauseabundo chancho con chaleco

Bild 1 Avenida Independencia in Santiago de Chile

Bild 2 Avenida La Paz

Die Bilder 1+2 wurden aus urheberrechtlichen Gründen von der Redaktion entfernt

[...]

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Die revolutionäre Antipoesie und die Ecopoemas von Nicanor Parra
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Note
1,3
Jahr
2021
Seiten
28
Katalognummer
V1128932
ISBN (eBook)
9783346493262
Sprache
Deutsch
Schlagworte
antipoesie, ecopoemas, nicanor, parra
Arbeit zitieren
Anonym, 2021, Die revolutionäre Antipoesie und die Ecopoemas von Nicanor Parra, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1128932

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