Es ist heute kaum umstritten, […] dass die Prosodie eine Art Steigbügelfunktion für den
Spracherwerb übernimmt. Man spricht in diesem Zusammenhang vom so genannten prosodic
bootstrapping, d.h. der Fähigkeit, sich an den eigenen (prosodischen) Stiefeln aus dem
metaphorischen Sumpf des Nicht-Beherrschens, z.B. der Grammatik zu ziehen. […]
Verschiedene Studien konnten aufzeigen, dass sich Kinder […] ihr (bereits bei der Geburt
teilweise ausgebildetes) Wissen über […] die Prosodie ihrer Sprache zu Nutze machen, um
einen Einstieg in die Grammatik zu finden. Im Deutschen ist beispielsweise ein dominantes
prosodisches Muster der Trochäus (betonte Silbe/unbetonte Silbe, wie etwa im Wort Apfel).
Das Erkennen dieses Musters hilft den Kleinkindern bei der Identifikation von Wörtern und
Wortbestandteilen - eine wichtige Voraussetzung für den Aufbau einer Lernergrammatik
(Bertschi-Kaufmann et al. 2006). Auch Fernald und McRoberts (1996) beschäftigten sich mit
der Hypothese zum prosodischen Bootstrapping, nach der sich kleine Kinder auf prosodische
Hinweise in der Sprache stützen, um die Syntax zu erkennen und zu erlernen. Wenn die
Grenzen zwischen syntaktischen Konstituenten durch prosodische Merkmale (z.B. Pausen,
Pitchkonturen und Vokallängung) markiert sind, kann diese akustische Zeichensetzung für
den Spracherwerb des Kindes nützlich sein. In dieser Arbeit werden ich das prosodische
Bootstrapping und dessen Grenzen näher betrachten. Zuerst wird im zweiten Abschnitt die
Prosodie in kindgerichteter (KGS) und erwachsenengerichteter Sprache (EGS) betrachtet
(Fernald und McRoberts (1996)). Im dritten Abschnitt wird das prosodische Bootstrapping als
Lösungsmöglichkeit für das Segmentierungs-, Labeling- und Strukturproblem (Gerken
(1996)) dargestellt. Bevor im fünften Abschnitt das Fazit folgt, zeigt eine Studie von Mattys
et al. (1999), dass prosodische Hinweise dominanter sind als phonotaktische und, dass sie in
Kombination auftreten. Fernald und McRoberts (1996) meinen, dass, sofern das Mapping zwischen Syntax und
Prosodie bei KGS ausgeprägter und verlässlicher wäre als bei EGS, die prosodische Struktur
der KGS das Analysieren des Sprachflusses unterstützen könnte. Ihnen ist die Hypothese des
prosodischen Bootstrappings seiner Evidenz jedoch voraus ist.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Prosodie in KGS und EGS – Argumente und Evidenzen
- Prosodische Hinweise auf syntaktische Einheiten in EGS
- Pausen als Hinweis auf die Syntax
- Grundfrequenz als Hinweis auf die Syntax
- Dehnung als Hinweis auf die Syntax
- Die Rolle der Prosodie in EGS
- Prosodische Hinweise und Wahrnehmung von Grenzen
- Wahrnehmung von Grenzen ohne syntaktische Hinweise
- Prosodische Hinweise zu syntaktischen Grenzen in künstlicher Sprache
- Prosodie und Syntax in KGS
- Prosodische Hinweise in KGS
- Die syntaktische Struktur der KGS
- Wie nützlich sind wenig verlässliche prosodische Hinweise?
- Sensibilität von Kindern in Bezug auf die prosodische Struktur
- Prosodische Hinweise auf syntaktische Einheiten in EGS
- Prosodie als Lösung des Segmentierungs-, Labeling- und Strukturproblems?
- Prosodie und das Segmentierungsproblem
- Funktionsmorpheme und das Labelingproblem
- Strukturproblem
- Phonotaktik und Prosodie bei der Wortsegmentierung
- Fazit
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit dem Konzept des prosodischen Bootstrappings, der Annahme, dass Kinder sich an prosodischen Merkmalen in der Sprache orientieren, um die Syntax zu erlernen. Die Arbeit analysiert die Rolle der Prosodie in kindgerichteter (KGS) und erwachsenengerichteter Sprache (EGS) und untersucht, ob prosodische Hinweise tatsächlich zuverlässige Indikatoren für syntaktische Strukturen sind. Darüber hinaus wird diskutiert, ob das prosodische Bootstrapping eine Lösung für das Segmentierungs-, Labeling- und Strukturproblem im Spracherwerb bietet.
- Die Rolle der Prosodie im Spracherwerb
- Prosodische Hinweise auf syntaktische Strukturen in KGS und EGS
- Die Zuverlässigkeit von prosodischen Merkmalen als Indikatoren für die Syntax
- Das prosodische Bootstrapping als Lösung für das Segmentierungs-, Labeling- und Strukturproblem
- Die Bedeutung von phonotaktischen und prosodischen Hinweisen bei der Wortsegmentierung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt das Konzept des prosodischen Bootstrappings vor und erläutert die Hypothese, dass Kinder sich an prosodischen Merkmalen orientieren, um die Syntax zu erlernen. Die Arbeit untersucht die Rolle der Prosodie in kindgerichteter (KGS) und erwachsenengerichteter Sprache (EGS) und analysiert die Zuverlässigkeit von prosodischen Hinweisen als Indikatoren für syntaktische Strukturen.
Das zweite Kapitel befasst sich mit der Rolle der Prosodie in KGS und EGS. Es werden Studien zu Pausen, Grundfrequenz und Dehnung als prosodische Hinweise auf syntaktische Einheiten in EGS analysiert. Die Arbeit zeigt, dass diese prosodischen Merkmale nicht immer zuverlässige Indikatoren für syntaktische Grenzen sind.
Das dritte Kapitel untersucht, ob das prosodische Bootstrapping eine Lösung für das Segmentierungs-, Labeling- und Strukturproblem im Spracherwerb bietet. Es wird diskutiert, ob prosodische Hinweise Kindern helfen können, Wörter aus dem Sprachstrom zu segmentieren, Funktionsmorpheme zu identifizieren und die syntaktische Struktur von Sätzen zu verstehen.
Das vierte Kapitel befasst sich mit der Rolle von Phonotaktik und Prosodie bei der Wortsegmentierung. Es wird gezeigt, dass prosodische Hinweise eine wichtige Rolle bei der Identifikation von Wortgrenzen spielen, aber dass phonotaktische Informationen ebenfalls eine wichtige Rolle spielen.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen das prosodische Bootstrapping, kindgerichtete Sprache (KGS), erwachsenengerichtete Sprache (EGS), Prosodie, Syntax, Segmentierung, Labeling, Strukturproblem, Phonotaktik, Spracherwerb.
- Arbeit zitieren
- Anonym (Autor:in), 2006, Prosodisches Bootstrapping und seine Grenzen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113120