Kann das Christentum als Angstreligion bezeichnet werden? Diese Frage umfassend und differenziert beantworten zu wollen, würde zweifellos den Rahmen einer Arbeit wie der hier vorliegenden bei Weitem sprengen. Zunächst müsste im Zusammenhang mit einer solchen Fragestellung geklärt werden, was denn überhaupt unter Christentum verstanden werden will, mit welcher Auffassung von Christentum in seinen vielgestaltigen Erscheinungsformen und Ausprägungen also gearbeitet werden soll, bevor eine eventuelle Verbindung zum Thema Angst untersucht werden könnte.
Auch wenn eine vollständige Beantwortung der Eingangsfrage an dieser Stelle nicht zu leisten ist und ein zu ehrgeiziges Anliegen wäre, soll zumindest ein Teilaspekt derselben auf den folgenden Seiten aufgegriffen werden. Als Untersuchungsgegenstand wird hierfür ein Werk aus der Kleinepik Konrads von Würzburg herangezogen – die Erzählung „Der Welt Lohn“. Diese soll unter dem Gesichtspunkt eines möglichen Konnexes zwischen Christentum und Angst genauer in Augenschein genommen werden, um somit einen Ausschnitt im weitaus größeren Komplex des Themas zu beleuchten. Der Erzähler des hier behandelten „mære“ macht gleich zu Beginn deutlich, an wen sich seine Erzählung richtet – „ir werlte minnære“ –, bevor er ab Vers 4 mit der descriptio des vermeintlich idealen Ritters beginnt. Darin ist u.a. die Rede von einem „ritter […] der nâch der werlte lône […] ranc beidiu spâte unde fruo“ und „hæte werltlîchiu werc gewürket alliu sîniu jâr“. Dieser „hôchgelobte“ sitzt in „einer kemenâten“, vertieft in die Lektüre eines Buches „dar an er âventiure vant von der minne geschriben“ als ihm der weibliche Inbegriff seiner Träume begegnet, „ein wîp nâch sînes herzen ger ze wunsche“. Der Ritter ist bereit, ihr mit „herze“ und „lîp […] ze dienste“ zu sein, „ûf“ seines „tôdes zil“. Auf seine Frage nach ihrer Identität gibt sie ihm zu verstehen: „diu Werlt bin geheizen ich“ und dreht ihm den Rücken zu. Der eben noch zu allen Diensten bereite Ritter gelangt ob des Anblicks, der sich ihm darbietet zu der Erkenntnis, „er wære gar verwâzen, swer sich wolte lâzen an ir dienste vinden“ – in seiner Abneigung unterstützt durch die erzählende Instanz: „daz si von mir verbannen und aller cristenheite sî!“
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Deutung des Werks
- 3. Eine kurze Geschichte der Angst
- 3.1. Gefühl, Emotion, Affekt? – Zur terminologischen Einordnung der Angst
- 3.2. Contemptus Mundi
- 4. Angst als Motiv?
- 4.1. Flucht oder Buße - Abkehr vs. Umkehr
- 4.2. Frauenbild Wirnts
- 4.3. Christentum und Angst
- 5. Wirntein Erlöster?
- 6. Fazit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Rolle der Angst im Kontext des Christentums anhand der Kleinepik Konrads von Würzburg, „Der Welt Lohn“. Ziel ist es, die Beziehung zwischen Christentum und Angst in diesem Werk zu analysieren und zu beleuchten, inwiefern die Angst als Motiv für Wirnts Abkehr von der Welt fungiert.
- Die Darstellung der Welt als verführerische und verdammende Macht
- Die Rolle der Angst als Motiv für Wirnts Entscheidung, sich von der Welt abzuwenden
- Die Verbindung zwischen Angst und dem christlichen Konzept der Buße und Umkehr
- Die Frage nach der Erlösung und der Bedeutung von Wirnts Abkehr für seine Seelenrettung
- Die Interpretation des Werks im Kontext der mittelalterlichen Angstkultur
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Forschungsfrage nach der Verbindung zwischen Christentum und Angst und führt das Werk „Der Welt Lohn“ als Untersuchungsgegenstand ein. Kapitel 2 analysiert die Deutung des Werks und beleuchtet die Darstellung von Wirnt als Ritter, der sich von der Welt abwendet. Kapitel 3 bietet einen kurzen Überblick über die Geschichte der Angst und beleuchtet die terminologische Einordnung des Begriffs. Kapitel 4 untersucht die Angst als Motiv für Wirnts Abkehr und beleuchtet die Rolle des Frauenbildes und die Verbindung zwischen Christentum und Angst. Kapitel 5 befasst sich mit der Frage, ob Wirnt als Erlöster betrachtet werden kann. Das Fazit fasst die Ergebnisse der Untersuchung zusammen.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Kleinepik Konrads von Würzburg, „Der Welt Lohn“, das Christentum, Angst, Abkehr von der Welt, Buße, Umkehr, Erlösung, Frauenbild, mittelalterliche Angstkultur.
- Arbeit zitieren
- Fritz Hubertus Vaziri (Autor:in), 2007, "Der Welt Lohn", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113290