Aggressives Verhalten im Internet. Auswirkungen und Prävention von Cybermobbing und Hate Speech


Hausarbeit, 2020

36 Seiten, Note: 1,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Allgemeine themenbasierte Begriffsklärungen
1.1 Begriffsklärung Aggression
1.2 Aggression und die Kommunikation im Internet

2 Formen von Aggression im Internet
2.1 Cybermobbing
2.1.1 Definition
2.1.2 Aktuelle Forschungsergebnisse
2.1.3 Auswirkungen
2.1.4 Prävention von Cybermobbing
2.2 Hate Speech
2.2.1 Definition
2.2.2 Aktuelle Forschungsergebnisse
2.2.3 Auswirkungen
2.2.4 Prävention von Hate Speech

3 Diskussion

4 Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Anlagenverzeichnis

Einleitung

Die vorliegende Arbeit thematisiert Aggression und prosoziales Verhalten im Internet. Es wird ein Überblick über die Aggressionsformen im Internet gegeben. Auf zwei Aggressionsformen wird dabei näher eingegangen und in diesem Zusammenhang der aktuelle Forschungsstand sowie mögliche Präventionsmaßnahmen vorgestellt. Anschließend wird die Thematik kritisch diskutiert und dem Phänomen prosozialen Verhaltens im Internet gegenübergestellt. Die Hausarbeit schließt mit einem Fazit.

Es liegt bereits eine Vielzahl von Befunden von aggressionsbegünstigenden Kognitionen, Affekten sowie aggressiver Handlungen im Internet vor. Gemäß des Bundesamtes für Statistik (2020) ist die Internetnutzung in den vergangenen 15 Jahren kontinuierlich angestiegen. Dabei ist bei der Beurteilung der regelmäßigen Internetnutzung das Alter ein entscheidendes Unterscheidungskriterium. So sind die regelmäßigen Internetnutzer, d.h. diejenigen, die das Internet mehrmals in der Woche nutzen, in der Gruppe der 14- bis 39-Jährigen übervertreten (Bundesamt für Statistik, 2020).

Fragt man die Zwölf- bis 19-Jährigen der JIM-Studie 2019 (Jugend, Information, Medien), ob sie im Bekanntenkreis schon mitbekommen haben, dass jemand per Smartphone oder online fertig gemacht wurde, so bestätigen dies im Jahr 2019 31 Prozent. Mädchen (35 %) haben dies häufiger mitbekommen als Jungen (26 %) und die Mobbingfälle treten in der Altersgruppe der 16- bis 17-Jährigen am häufigsten auf (37 %, 12-13 Jahre: 20 %, 14-15 Jahre: 31 %, 18-19 Jahre: 33 %). Zudem begegnen zwei Drittel der Befragten (N=1200, 12-bis 19-Jährige) innerhalb von einem Monat Hass im Internet (Feierabend, Rathgeb & Reutter, 2019). Die Ergebnisse der JIM-Studie untermauern somit die Aussage von Robertz, Oksanen und Räsänen (2016, S. 11): „Innerhalb Europas sind Soziale Medien mittlerweile zu einem Forum für aggressive und gewalthaltige Diskussionen geworden“. Der Ausdruck von Aggression und Frustration im Internet hat nicht nur in den letzten Jahren einen stetigen Zuwachs erfahren, sondern steigt auch weiter an (Kowalski, Giumetti, Schroeder & Lattanner, 2014).

1 Allgemeine themenbasierte Begriffsklärungen

Um Aussagen bezüglich der Thematik des aggressiven Verhaltens im Internet treffen zu können, ist es vorerst notwendig, die Kernbegriffe Aggression, Aggressivität sowie Gewalt zu definieren. Als Gewalt werden grundsätzlich extreme Arten von Aggression bezeichnet und der Begriff wird häufig als Synonym für physische Aggression verwendet (Müller-Brettel, 2020). Möller (2006) versteht als einen Akt der Gewalt mitunter die Benachteiligung und Diskriminierung von Teilen der Gesellschaft, beispielsweise verschiedener Minderheiten. Anderson und Bushman (2001) beschränken sich in ihrer Definition von Gewalt auf den physischen Aspekt: „Violence refers to extreme forms of aggression, such as physical assault and murder. All violence is aggression, but not all aggression is violence.“ (S.354)

Im Gegensatz zur Aggression beschreibt Aggressivität eine allgemeine, relativ andauernde Bereitschaft eines Individuums, in diversen Situationen ein aggressives Verhalten an den Tag zu legen. Entscheidend ist hierbei die allgemeine Grundeinstellung, die anders als bei dem Terminus der Aggression, generell nicht zielgerichtet ist. Personen, die eine hohe Aggressivität aufweisen, neigen lediglich dazu, in bestimmten Situationen aggressiv zu reagieren, wobei ein aggressives Verhalten nicht zwangsweise eintreten muss (Gasteiger-Klicpera & Klicpera, 1997). In der vorliegenden Arbeit liegt das Hauptaugenmerk im Allgemeinen auf dem Terminus der Aggression, weshalb auf diesen im Folgenden genauer eingegangen wird.

1.1 Begriffsklärung Aggression

Der Begriff Aggression ist, ebenso wie Gewalt und Aggressivität, ein recht weit gefasster Begriff. Ein Definitionsansatz, der heute weitestgehend von den Aggressionsforschern geteilt wird, stammt von Baron und Richardson (1994, S. 7). Sie definieren Aggression wie folgt: „Aggression is any form of behavior directed toward the goal of harming or injuring another living being who is motivated to avoid such treatment.“

Ausschlaggebend für die Einstufung, ob eine Aggression vorliegt, ist somit nicht das Ergebnis einer Aktion, sondern allein die Absicht, jemandem in irgendeiner Art und Weise Schaden zuzufügen. Diese Definition umfasst einerseits die wichtigen Elemente der Zielgerichtetheit aggressiven Handelns und der Aggression zugrunde liegenden Schädigungsintention, andererseits lässt sie genug Raum, verschiedene Formen aggressiven Verhaltens zu subsumieren (Krahé, 2013).

Baron und Richardson (1994) erwähnen zudem, dass diejenige Person, die Aggression ausgesetzt ist, versuchen wird, den Absichten des Aggressors entgegenzuwirken. Auch Anderson und Bushman (2001) folgen dieser Einschätzung in ihrer Meta-Analyse:

Aggression is behavior intended to harm another individual who is motivated toavoid the harm. It is not an affect, emotion, or aggressive thought, plan, or wish.This definition excludes accidental acts that lead to harm, such as losing control ofan auto and accidentially killing a pedestrian, but includes behaviors intended toharm even if the attempt fails, such as when a bullet fired from a gun misses its hu-man target. (S. 354)

Anhand der Definition wird nochmals verdeutlicht, dass bei einer unbeabsichtigten Schädigung eines Dritten keine Aggression vorliegt, da die Absicht Aggression ausmacht. Aggression kann dabei in unterschiedlicher Ausprägung erscheinen: verbal bzw. physisch, direkt oder indirekt (Fischer, Jander & Krueger, 2014). Dabei umfassen direkte aggressive Verhaltensweisen eine direkte Konfrontation zwischen Täter und Opfer, während indirekte aggressive Verhaltensweisen verdeckt und ohne Kenntnis des Opfers mit dem Ziel, den sozialen Beziehungen des Opfers zu schaden, ausgeführt werden. Letztere Form wird vor allem dann gewählt, wenn die Kosten eines direkten aggressiven Verhaltens hoch wären (Krahé, 2014). Somit ist eine durch Aggression motivierte Schädigung stets zielgerichtet und das Verhalten von Emotionen, Einstellungen sowie Motiven abzugrenzen. Die Art des zugefügten Schadens ist dabei irrelevant, kann also sowohl physischer wie auch psychischer Natur sein (Krahé, 2013).

1.2 Aggression und die Kommunikation im Internet

Heutzutage prägen moderne Medien die Lebenswelt und sind nicht mehr wegzudenken. Hauptsächlich dienen sie zur Vermittlung von Wissen sowie zur Kommunikation. Insbesondere die jüngeren Generationen nutzen das Internet, um mit Bekannten und Freunden in Kontakt zu bleiben oder neue Kontakte über das Internet zu knüpfen (Riebel, 2008). Voraussetzung für diese Art von Kommunikation über moderne Medien ist, dass sowohl der Sender als auch der Empfänger einen Computer für die En- und Dekodierung von Nachrichten besitzt. Zudem muss der Sender mit dem Empfänger verbunden bzw. vernetzt sein. Diese Vernetzung kommt meistens durch das Internet zustande (Fawzi, 2009). Eine weitere Möglichkeit wäre die Verbindung über das Handynetz, falls Mobiltelefone zur Kommunikation verwendet werden. So werden nach Misoch (2006, S. 37) unter der computervermittelten Kommunikation (engl. computed-mediated communication, kurz CMC) „alle kommunikativen, d.h. sozialen Austauschprozesse verstanden, die durch einen Computer als vermittelndes technisches Medium stattfinden".

Die Mehrheit der sozialen Online-Interaktionen wird als angenehm empfunden. Auch deuten Erkenntnisse mehrerer Studien (Finkelhor, Mitchell & Wolak, 2000; Patchin & Hinduja, 2006; Ybarra & Mitchell, 2004a, 2004b) darauf hin, dass eine bedeutende Minderheit, insbesondere der jugendlichen Nutzer, in negative Interaktionen verwickelt ist, entweder als Täter, Ziel oder beides. Trotz der vielen positiven Erfahrungen gilt das Medium Internet als ein idealer Raum für aggressives Verhalten (Kowalski et al., 2014). Dass jede Person die Rolle des Täters oder des Opfers einnehmen kann, liegt wohl in der hohen Bedienerfreundlichkeit des Internets begründet (Katzer, 2014). Aufgrund der Multimedialität des Internets können aggressive Verhaltensweisen nicht nur über verbale Äußerungen, sondern auch über visuelle oder auditive Kommunikationswege verbreitet werden (Robertz et al., 2016). Zu den spezifischen Verhaltensweisen zählen Werner, Bumpus und Rock (2010) unhöfliche, belästigende oder bedrohende Kommentare, unerwünschte sexuelle Kommentare und Ausschluss (z.B. das Blockieren von jemandem). Da die Inhalte im Internet unendlich reproduzierbar sind, kann jeglicher aggressiver Inhalt von den Tätern gleichzeitig an viele Menschen gesendet werden (Kowalski et al., 2014). Für die Opfer resultiert daraus ein hoher Öffentlichkeitsgrad und eine immense Reichweite ihrer Viktimisierung mit einem schnell unübersichtlich werdenden Kreis an Tätern und Mitwissern (Katzer, 2014). Hinzu kommt, dass Internetinhalte dauerhaft verfügbar sind (Kowalski et al., 2014). Eine komplette Löschung von Inhalten aus dem Internet ist somit so gut wie ausgeschlossen. Somit ist es Tätern oder Bystandern möglich zwischenzeitlich die Inhalte herunterzuladen und so jederzeit wieder online zu stellen. Daraus resultiert eine Endlosviktimisierung der Opfer, denen bewusst ist, dass diese Inhalte ein Leben lang im Netz erhalten bleiben (Katzer, 2014).

Anhand von Daten aus der Youth Internet Safety Study (YISS) mit 1.501 Internetnutzern im Alter von 11 bis 17 Jahren berichteten Ybarra und Mitchell (2004a), dass 15% im Vorjahr an Internet-Aggressionen beteiligt waren. Ähnliche Schätzungen von 11% wurden von Patchin und Hinduja (2006) in einer Online-Umfrage unter 384 Jugendlichen unter 18 Jahren und von Kowalski und Limber (2007) berichtet, die mehr als 3.000 Mittelschüler befragten. Diese Raten ähneln den nationalen Schätzungen der Prävalenz von traditionellem Mobbing oder Offline-Mobbing an US-Schulen. Beispielsweise stellten Nansel et al. (2001) fest, dass 13% der 6. bis 10. Klässler berichteten, andere in der Schule zu schikanieren. Höhere Schätzungen wurden für spezifische Akte der Internet-Aggression gemeldet. Beispielsweise ergab eine durchgeführte Umfrage, dass 82% der Instant Messaging (IM) Nutzer1 berichteten, jemanden zu blockieren, wobei 52% angaben, dass sie dieses Verhalten weniger als alle paar Monate ausübten (Lenhart, Madden & Hitlin, 2005). Wenn Jugendliche gefragt wurden, ob sie das Ziel von Internet-Aggressionen waren, reichten die Prävalenzschätzungen von 6 (Finkelhor et al., 2000) bis 43% (Patchin & Hinduja, 2006). Diese widersprüchlichen Ergebnisse sind wahrscheinlich auf die unterschiedlichen Stichprobentechniken, operativen Definitionen und Datenerhebungsmethoden zurückzuführen, die in früheren Studien zu diesem Thema verwendet wurden.

Die Anonymität des Internets wird häufig als Erklärung für seine Attraktivität für schädliche Online-Interaktionen angeführt. Dem Opfer ist in diesem Fall unklar, wer der Täter genau ist und ob dieser aus dem persönlichen Umfeld stammt (Katzer, 2014). Diese Unwissenheit ruft ein Gefühl der Machtlosigkeit bei den Opfern hervor (Kowalski et al., 2014). Sozialpsychologen haben argumentiert, dass die Anonymität dazu beiträgt, das Selbstbewusstsein eines Individuums zu verringern, was zu einer Deindividuation führt , der verringerten Selbstwahrnehmung eines Individuums durch die Wahrnehmung der Zugehörigkeit zu einer Gruppe (Postmes & Spears, 1998; Zimbardo, 1969). Im Internet spielt in diesem Kontext das Soziale Identitätsmodell der Deindividuation (SIDE-Modell) von Reicher, Spears und Postmes (1995) eine wichtige Rolle. In diesem Modell wird zwischen der sozialen und der personalen Identität differenziert, von denen in einer bestimmten Situation jeweils eine, Einfluss auf das Verhalten nimmt. Die soziale Identität beruht auf den Merkmalen einer sozialen Gruppe, zu der sich ein Individuum zugehörig fühlt, während die personale Identität auf den persönlichen Eigenschaften des Individuums basiert. Darüber hinaus differenziert das SIDE-Modell zwei Formen der Deindividuation. Zum einen den kognitiven Aspekt der Anonymität, die die Unkenntlichkeit der Interaktionspartner des Individuums beschreibt. Und zum anderen den strategischen Aspekt der fehlendem Identifizierbarkeit, die die Unkenntlichkeit des Individuums gegenüber seinen Interaktionspartnern beschreibt. Ist bei einer Person in einer bestimmten Situation die personale Identität vorherrschend, wird diese durch die Anonymität verstärkt und das Verhalten des Individuums orientiert sich mit steigender Anonymität immer stärker an den individuellen Normen und Wertvorstellungen.

Ein verwandtes Problem ist das Fehlen von kontextuellen Hinweisen in sozialen Online-Interaktionen, die wichtige regulatorische Funktionen wie Körperhaltung, Gesichtsausdruck und Tonfall erhalten (Sproull & Kiesler, 1986). Ihre Abwesenheit kann zu einem eher selbst- als anderszentrierten Verhalten der Sender führen. Zudem laufen die Empfänger Gefahr, bei der Interpretation der Kommunikation anderer ohne nonverbale Hinweise Attributions- und andere Wahrnehmungsfehler zu machen. Zur Untermauerung dieser Hypothesen berichten mehrere Studien über ein höheres Maß an zwischenmenschlichen Missverständnissen, Feindseligkeit und Aggression sowie über ein nicht konformes Verhalten bei Online-Interaktionen von Erwachsenen im Vergleich zu persönlichen Interaktionen (McKenna & Bargh, 2000).

Beispielsweise ermöglichen Chatrooms und Social-Networking-Sites wie Instagram, öffentlich Personen zu belästigen und zu demütigen (Werner et al., 2010). Auch wird immer häufiger auch das Medium der Online-Spiele für die Ausübung aggressiver Verhaltensweisen genutzt (Robertz et al., 2016). Darüber hinaus bietet die textbasierte Natur von E-Mail und Instant Messaging den Angreifern die Möglichkeit, Informationen zu sammeln und zu verbreiten (d.h. durch Ausschneiden und Einfügen, Weiterleiten oder Verknüpfen) und damit Personen oder ganzen Personengruppen zu schaden (Werner et al., 2010).

Die Asynchronität vieler Online-Austausche ist ein weiteres einzigartiges Merkmal von CMC. So können E-Mails, Kommentare zu sozialen Netzwerken und Blogeinträge sorgfältig erstellt werden, anstatt sofort antworten zu müssen, wie es normalerweise bei einem Telefon- oder persönlichen Gespräch der Fall ist. McKenna und Bargh (2000) weisen darauf hin, dass diese Unterschiede im Timing und in der Geschwindigkeit einem Individuum sehr viel mehr Kontrolle über das Gespräch ermöglichen. Dieses höhere Maß an Kontrolle, gepaart mit Anonymität, scheint dazu beizutragen, dass der Einzelne größere Risiken und Chancen eingeht, seinen eigenen Standpunkt zu offenbaren. Es ist durchaus zu erwarten, dass dieselben Merkmale auch das aggressive Verhalten im Internet beeinflussen.

2 Formen von Aggression im Internet

Allgemein lässt sich das Konzept der Cyberaggression nach einmaligen bzw. kurzfristigen und willkürlichen Vorfällen sowie nach solchen, die wiederholt, anhaltend und zielgerichtet auftreten, unterscheiden (Özsöz, 2013). Cyberaggression äußert sich durch eine Vielzahl von unterschiedlichen Verhaltensweisen. Eines der bekanntesten US-amerikanische Kategoriensystem nach Willard (2007) differenziert zwischen sieben verschiedenen Formen von Cyberaggression. Aus methodischer Sicht hat sich dieses System auch für empirische Untersuchungen mit deutschen Stichproben als brauchbar erwiesen (Julia Riebel & Jäger, 2009).

(1) Flaming (dt. hitziges Streitgespräch) bezeichnet eine kurze, hitzige Auseinandersetzung in beleidigender und vulgärer Sprache zwischen zwei oder mehreren Personen.
(2) Harassment (dt. Bedrohung, Belästigung) beinhaltet das wiederholte und anhaltende Senden von bedrohenden, beleidigenden und belästigenden Nachrichten an eine bestimmte Person über persönliche Kommunikationskanäle wie z. B. E-Mail, SMS und Instant Messaging.
(3) Denigration (dt. Verunglimpfung) umfasst das Verbreiten von verletzenden oder unwahren Informationen (auch in Form von Bildern und Videos), um den Ruf einer Person zu schädigen oder ihre Freundschaften negativ zu beeinflussen.
(4) Impersonation (dt. Identitätsübernahme) tritt auf, wenn Täter mit ausgespähten Passwörtern sich der Internetidentität einer Person bemächtigen und im Namen des Opfers Material verbreiten, das ein schlechtes Licht auf das Opfer wirft oder dessen Freundschaften beeinträchtigt.
(5) Outing & Trickery (dt. Betrug, Verrat) beruht auf einem Vertrauensbruch. Dabei wird das Opfer dahingehend getäuscht, dass die von ihm im Glauben an die Vertraulichkeit mitgeteilten persönlichen Informationen mit zumeist intimem oder peinlichem Inhalt an Dritte weitergegeben werden.
(6) Exclusion (dt. Ausschluss) hat die Ausgrenzung einer Person aus der Internetgemeinschaft zum Ziel (z. B. Ausschluss aus einem Onlinespiel oder Chat).
(7) Cyberstalking (dt. Verfolgung) beinhaltet wie Harassment das wiederholte Zusenden von beleidigenden, einschüchternden oder bedrohenden Nachrichten, die jedoch vom Opfer noch weitaus beeinträchtigender erlebt werden.

Julia Riebel und Jäger (2009) befragten insgesamt 1987 Schüler in ihrer Studie nach ihren Erfahrungen mit Cyberaggression. In der nächsten Tabelle werden die Ergebnisse nach Verteilung der Vorfälle auf die oben genannten Kategorien gezeigt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Verteilung der Vorfälle von Cyberaggression auf Kategorien nach der Studie von Riebel und Jäger (2009)

(Quelle: Riebel & Jäger, 2009, S. 237)

Neben diesen Formen stellt sexuelle Belästigung eine weitere häufig zu beobachtende Praktik der aggressiven Übergriffe im virtuellen Raum dar. Das Opfer erhält dabei z. B. unaufgefordert pornografische Fotos oder Videos, es wird ungewollt nach eigenen sexuellen Vorlieben oder Erfahrungen gefragt oder zu sexuellen Handlungen vor der Webcam genötigt (Katzer, 2008).

In das Kategoriensystem zur Klassifikation von Cyberaggression zählen zudem Autoren die Inszenierung und Aufzeichnung von physischer Gewalt mit dem Mobiltelefon – auch bekannt unter dem englischen Begriff Happy Slapping (Hilgers, 2011). Diese Form der Cyberaggression lässt sich phänomenologisch nach der Gewalthandlung unterscheiden. Ein Gewaltakt kann dabei zufällig beobachtet und aufgenommen werden oder bewusst inszeniert werden, um ihn zu filmen. Letztere können wiederum nach Hilgers (2008) gestellt sein („gespielte Gewalt“) oder mit einer expliziten Verletzungsabsicht tatsächlich ausgeführt werden („echte Gewalt“).

Eine weitere bisher nicht genannte Form der Aggression im Internet ist der sogenannte Shitstorm. Bei dieser Form vermischt sich sachliche Kritik mit unsachlicher. Shitstorms werden als ein Sturm der Entrüstung mit zum Teil beleidigenden Äußerungen definiert. Dabei richtet sich eine große Anzahl an kritischen Äußerungen, die aggressiv, beleidigend, bedrohend oder anders attackierend geführt werden gegen Unternehmen, Institutionen, Einzelpersonen oder in der Öffentlichkeit aktive Personengruppen, etwa Parteien oder Verbände (Stegbauer, 2018).

Özsöz (2013) fasste Daten aus JIM-Studien (Jugend, Information, Medien) der Jahre 2003 bis 2012 und persönlichen Mitteilungen von der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) zusammen. JIM-Studien eigen sich nach Özsöz (2013) als einzige deutsche Studie dazu, zusätzlich zur Prävalenz auch die Entwicklung des Phänomens Cyberaggression im Längsschnitt – wenn auch nur annäherungsweise- zu betrachten. Dies liegt darin begründet, dass JIM Studien ihre Ursprungsfrage aus vorherigen Studien ausdifferenzieren und veränderte Nutzungsmöglichkeiten des Internets anpassen. Zudem werden spezifische Fragen zu aggressiven Handlungen mittels Mobiltelefon in den Umfragekatalog aufgenommen. Der prozentuale Anteil der Kinder und Jugendlichen, die in den Jahren 2003 bis 2012 mindes tens einmal in irgendeiner Art und Weise von aggressiven Akten im Zusammenhang mit neuen Medien betroffen waren, ist zusammenfassend in Tabelle 2 dargestellt.

Tabelle 2: Anteil der 12- bis 19-Jährigen in Deutschland, die mindestens einmal von verschiedenen Formen von Cyberaggression betroffen waren (2003–2012)

(Quelle: Özsöz, 2013, S. 186)

[...]


1 Die Instant Messaging (IM)-Technologie ist eine Art Online-Chat, der eine Textübertragung in Echtzeit über das Internet bietet. Kurznachrichten werden in der Regel zwischen zwei Parteien übertragen, wenn jeder Benutzer sich entscheidet, einen Gedanken zu vervollständigen und "Senden" zu wählen. Fortgeschritteneres Instant Messaging kann Dateiübertragung, anklickbare Hyperlinks, Voice over IP oder Video-Chat hinzufügen (Low und Wilson, 2003).

Ende der Leseprobe aus 36 Seiten

Details

Titel
Aggressives Verhalten im Internet. Auswirkungen und Prävention von Cybermobbing und Hate Speech
Hochschule
SRH Fernhochschule
Note
1,0
Jahr
2020
Seiten
36
Katalognummer
V1134655
ISBN (eBook)
9783346513205
ISBN (Buch)
9783346513212
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Aggression, Kommunikation, Internet, Internetkommunikation, Cybermobbing, Prävention, Hate Speech, Gewalt, Online, Formen, Forschung, Internet-Agression, Evaluation, prosoziales Verhalten
Arbeit zitieren
Anonym, 2020, Aggressives Verhalten im Internet. Auswirkungen und Prävention von Cybermobbing und Hate Speech, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1134655

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