Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Funktion der Sexualität in Wolfgang KOEPPENS Roman Der Tod in Rom. In der Forschung ist es zwar unbestritten, dass dem Komplex von sexuellem Verhalten, Triebhaftigkeit und Triebverdrängung in KOEPPENS Roman eine gewichtige Rolle zukommt (vgl. Kap. 3). Gleichwohl herrscht jedoch insofern ein Forschungsdesiderat, als bisher noch keine explizite Auseinandersetzung mit dem Thema Sexualität stattgefunden hat und lediglich Deutungsansätze geleistet wurden, die aber nicht mit Hilfe eines kulturwissenschaftlich orientierten Bezugsrahmens aufgearbeitet wurden.
Hier setzt die vorliegende Arbeit an. Unter der Annahme, dass Kategorien wie Sexualität und Geschlecht in ihrer Erscheinung kulturell überformt sind, sei es durch Erziehung, Sozialisation, Zeitgeist oder kulturelles und politisches Umfeld, kann gezeigt werden, dass kulturell vermittelte Formen der Sexualität in KOEPPENS Roman repräsentiert werden. Mit Hilfe sozio-kultureller, sexualwissenschaftlicher und historischer Beiträge zur Geschlechterforschung und zu Sexualität wird deutlich, dass sich in KOEPPENS Roman Vorstellungen von Sexualität und sexuellem Verhalten beobachten lassen, die mit den Moralvorstellungen im 19. Jahrhundert sowie deren Radikalisierung und Überführung in eine Sexualpolitik des Nationalsozialismus in Einklang gebracht werden können.
Dabei wird auch deutlich, dass sich eben keine einheitliche Sexualmoral im 19. und 20. Jahr-hundert herausgebildet hat, sondern höchst heterogene Einstellungen und Erwartungen an sexuelle Verhaltensweisen entstanden und gefördert wurden. Einerseits wurde polarisiert, indem klar definiert wurde, welches Bild von Männlichkeit und Weiblichkeit erwünscht war und welche sexuellen Handlungen als ˈabnormalˈ eingestuft und somit ausgegrenzt wurden. Andererseits aber kam es explizit in der nationalsozialistischen Normierung von Sexualität zu scheinbaren Widersprüchen. Zwar ist eine Radikalisierung bürgerlicher Sexualmoral erkennbar, die sich zum Beispiel darin äußert, dass die Beherrschung sexueller Begierden erwünscht war. Aber die nationalsozialistische Bewegung verstand sich auch als innovativ und duldete sexuelle Tabubrüche – soweit sie eben der NS-Ideologie von Nutzen sein konnten .
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- 1.1 Fragestellung und Thema
- 1.2 Vorgehensweise
- II. Zum Forschungsstand zu Koeppens Der Tod in Rom
- III. Sexual- und kulturwissenschaftliche Ansätze
- 3.1 Sexualität als sozial vermitteltes und steuerbares Verhalten
- 3.2 Repression - Pejoration - Politisierung: Sexualität im 19. Jahrhundert und im Nationalsozialismus
- 3.3 Förderung von Sexualität
- IV. Nationalsozialistische Sexualsozialisation als kulturelles Erbe in Der Tod in Rom
- 4.1 Triebkontrolle und Triebhaftigkeit als sexuelle Sujets in Der Tod in Rom
- 4.2 Judejahn
- 4.3 Siegfried
- V. Fazit
- VI. Literatur
- 5.1 Primärliteratur
- 5.2 Sekundärliteratur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert die Funktion von Sexualität in Wolfgang Koeppens Roman "Der Tod in Rom". Ziel ist es, die kulturell vermittelten Formen der Sexualität im Roman aufzuzeigen und deren Bedeutung im Kontext der Moralvorstellungen des 19. Jahrhunderts und der nationalsozialistischen Sexualpolitik zu interpretieren.
- Kulturelle Überformung von Sexualität und Geschlecht
- Repressive und fördernde Aspekte der nationalsozialistischen Sexualpolitik
- Ambivalenz sexueller Verhaltenserwartungen in "Der Tod in Rom"
- Polarisierung von Triebhaftigkeit und Affektbeherrschung bei den Romanfiguren
- Analyse der Figuren Judejahn und Siegfried Pfaffrath
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Fragestellung und das Thema der Arbeit vor. Sie beleuchtet die Forschungslücke hinsichtlich der expliziten Auseinandersetzung mit Sexualität in Koeppens Roman und skizziert die Vorgehensweise der Arbeit.
Kapitel 2 beleuchtet den Forschungsstand zu Koeppens "Der Tod in Rom". Es werden verschiedene Interpretationsansätze vorgestellt, die sich mit dem Roman auseinandersetzen, wobei die Bedeutung von Sexualität in der Forschung bisher nicht explizit thematisiert wurde.
Kapitel 3 untersucht sexual- und kulturwissenschaftliche Beiträge zur sozialen Kontrolle von Sexualität im 19. und 20. Jahrhundert. Es werden die Repression und Politisierung von Sexualität im Nationalsozialismus sowie die Ambivalenz der NS-Sexualpolitik beleuchtet.
Kapitel 4 analysiert die Funktion von Sexualität in "Der Tod in Rom" anhand der Figuren Judejahn und Siegfried Pfaffrath. Es wird gezeigt, wie die Ambivalenz sexueller Verhaltenserwartungen als kulturelles Erbe in den Figuren sichtbar wird.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Sexualität in Wolfgang Koeppens Roman "Der Tod in Rom", die kulturelle Überformung von Sexualität und Geschlecht, die nationalsozialistische Sexualpolitik, die Ambivalenz sexueller Verhaltenserwartungen, Triebhaftigkeit und Affektbeherrschung, die Figuren Judejahn und Siegfried Pfaffrath sowie die Moralvorstellungen des 19. Jahrhunderts.
- Arbeit zitieren
- Christian Hermes (Autor:in), 2008, Die Funktion der Sexualität in Wolfgang Koeppens Roman "Der Tod in Rom", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113568