Im Herbst 2006 feierte die Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb) ihr 40jähriges Jubiläum. Die geladenen Ehrengäste der obligaten Feierstunde wurden mit Hartmut Bitomski von jemandem begrüßt, der einst als Student von eben dieser dffb relegiert wurde, der er nun als Direktor vorstand. Es war im Herbst 1968, als die damalige dffb-Leitung auf einen Schlag etwa ein Drittel ihrer Studenten, 18 an der Zahl, vom Studium ausschloss. Selbst im Symboljahr der Studentenunruhen war eine solche Massenrelegation ein einmaliger Vorgang. Vorausgegangen war ihr eine anderthalb Jahre dauernde schwere Auseinandersetzung zwischen Studenten und Leitung, die die dffb fast an den Rand ihrer Schließung manövriert hätte, nach gerade Mal zwei Jahren des Bestehens.
Unter großem öffentlichem Interesse hatte im September 1966 mit der feierlichen Eröffnung der dffb als der ersten westdeutschen Filmschule die akademische Filmausbildung in der BRD überhaupt erst begonnen. Erstmalig in der BRD sollten 35 Ausgewählte eine akademische Filmausbildung erhalten. Dazu zählten zahlreiche später relevante Namen, etwa erwähnter Bitomski und Harun Farocki, beide maßgebend für den Essayfilm; Helke Sander, später eine Wortführerin des Frauenfilms; Christian Ziewer und Max Willutzki, Protagonisten des Arbeiterfilms und Jonathan Briel, dem maßgebende Wirkung für Literaturverfilmungen nachgesagt wird. Aber auch Namen, die sich weniger mit dem späteren Profil der dffb als Schule des politisch-engagierten Gegenwartsfilms verbinden, wie Daniel Schmidt, Wolf Gremm oder Wolfgang Petersen. Andere erlangten außerhalb des Films Bekanntheit, wie Gerry Schum, der mit seinen „Fernsehausstellungen“ und der „Videogalerie“ zu einem Vorreiter der Videokunst avancierte, oder der spätere RAF-Terrorist, Holger Meins. Die Studienzeit dieses Jahrgangs und die ersten Betriebsjahre der dffb fielen zusammen mit „68“. Bereits im Frühsommer 1967 kam es zu öffentlichen Angriffen und Rücktrittsforderungen gegenüber dem Direktor, Erwin Leiser. Die nach dem Mord an dem Studenten Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 durch einen Polizisten einsetzenden Studentenrevolten ergriffen auch die Filmakademie. Öffentliche Aktionen, wie die Besetzung der Akademieräume, und politisch radikale Filme der Studenten, etwa gegen die Springerpresse, verliehen der dffb den Ruf, ein „Hort linker Umtriebe“ zu sein.[...]
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- 1. GRÜNDUNG AUS DER KRISE
- 1.1. Der deutsche Film zwischen Zusammenbruch und Aufbruch
- 1.2. Eine Doppelakademie für den deutschen Film
- 1.3. Welche Akademie braucht der deutsche Film?
- 1.4. Ein „Bauhaus für den Film“, im Rohbau fertig
- 2. FILMSTUDIUM IM ZEICHEN DER STUDENTENPROTESTE
- 2.1. Die Studentenproteste in Berlin
- 2.2. Die Probezeit der Filmstudenten
- 2.2.1. Sozialkritik und Experiment – erste Übungen
- 2.2.2. Am Ende der Probezeit
- 2.3. „Dziga-Vertow-Akademie (vormals dffb)“
- 2.3.1. Das kämpfende Kollektiv
- 2.3.2. Kämpfende Filme
- 2.3.3. Schlacht um die Akademie
- 3. DAS FILMKULTURELLE ERBE VON „68“
- 3.1. Das Konzept „Zielgruppenfilm“
- 3.1.1. Schülerfilmprojekte
- 3.1.2. Vom Zielgruppenfilm zum engagierten Film
- 3.1.3. Der Berliner Arbeiterfilm
- 3.1.4. Zielgruppen-Distribution
- 3.2. Abseits des Zielgruppenfilms
- 3.2.1. Helke Sander und die Frauenfilmbewegung
- 3.2.2. Harun Farockis Guerillakino
- 3.3. Rückschauen der Studentenbewegten
- 3.1. Das Konzept „Zielgruppenfilm“
- ZUSAMMENFASSUNG
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die filmkulturelle Bedeutung der 68er-Generation von Filmstudierenden an der neu gegründeten Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb). Die Hauptziele sind die Analyse der Studentenproteste an der dffb, die Erforschung ihres Einflusses auf die Filmausbildung und die Bewertung ihres nachhaltigen Einflusses auf die deutsche Filmlandschaft.
- Die Gründung der dffb im Kontext der deutschen Filmgeschichte und der gesellschaftlichen Umbrüche der 1960er Jahre.
- Die Studentenproteste an der dffb und ihre Auswirkungen auf die Institution und die Ausbildung.
- Der Einfluss der 68er-Bewegung auf die filmische Ästhetik und die Themenwahl der damaligen Filmstudenten.
- Die Entwicklung des „Neuen deutschen Films“ und seine Verbindung zu den Protesten der 68er.
- Das filmische Erbe der dffb-Studenten der 68er-Generation.
Zusammenfassung der Kapitel
EINLEITUNG: Die Einleitung beschreibt die Gründung der dffb im Jahr 1966 und die Massenrelegation von Studenten im Jahr 1968, die den Kontext für die gesamte Arbeit bildet. Sie hebt die Bedeutung des Jahres 1968 sowohl in der Zeitgeschichte als auch in der Filmgeschichte hervor und stellt die These auf, dass die 68er-Bewegung die deutsche Filmlandschaft nachhaltig geprägt hat. Der Fokus liegt auf der Verbindung zwischen den Studentenprotesten und der Entwicklung des Filmschaffens. Die Einleitung betont auch den ungewöhnlichen Aspekt der Massenrelegation im Kontext der Studentenunruhen und die spätere Bedeutung der betroffenen Studenten für die deutsche Filmgeschichte.
1. GRÜNDUNG AUS DER KRISE: Dieses Kapitel analysiert die Entstehung der dffb vor dem Hintergrund der damaligen Situation des deutschen Films. Es beschreibt den Übergang vom "alten" deutschen Film hin zu einer neuen Ära und die Notwendigkeit einer Reform der Filmausbildung. Es beleuchtet die Diskussionen um die Gründung einer Doppelakademie und die Herausforderungen, vor denen die neue Institution stand. Die Beschreibung des „Bauhaus für den Film“ im Rohbau betont die Visionen und Ambitionen, die mit der Gründung verbunden waren, aber auch die Unvollständigkeit und die damit verbundenen Herausforderungen. Das Kapitel unterstreicht die besondere Bedeutung der dffb als erste westdeutsche Filmschule und deren Einfluss auf die zukünftige Filmbildung.
2. FILMSTUDIUM IM ZEICHEN DER STUDENTENPROTESTE: Dieses Kapitel behandelt die Studentenproteste an der dffb und deren Auswirkungen auf die Lehre. Es beschreibt die Auseinandersetzung zwischen Studenten und Leitung, die zu der erwähnten Massenrelegation führte. Der Fokus liegt auf der politischen Radikalisierung der Studenten, ihren Filmen als Ausdruck der Protestbewegung und dem Kampf um die Kontrolle der Akademie. Die Kapitel analysiert die "Dziga-Vertow-Akademie" als Ausdruck des kämpfenden Kollektivs und beleuchtet die Auswirkungen des Konflikts auf die institutionelle Struktur und die Filmarbeit der Studenten. Die detaillierte Beschreibung der Ereignisse und ihrer Folgen zeigt die zentrale Rolle der Studentenproteste bei der Gestaltung der dffb.
3. DAS FILMKULTURELLE ERBE VON „68“: Das Kapitel untersucht die nachhaltige Wirkung der 68er-Bewegung auf die deutsche Filmkultur. Es analysiert das Konzept des "Zielgruppenfilms", Schülerfilmprojekte, engagierte Filme und den Berliner Arbeiterfilm sowie deren Bedeutung in der filmischen Landschaft. Des Weiteren widmet es sich Filmemacherinnen und Filmemachern wie Helke Sander und Harun Farocki, die exemplarisch für bestimmte Strömungen des "Neuen deutschen Films" stehen. Die Zusammenfassung der unterschiedlichen filmischen Richtungen der Studentenbewegung ermöglicht eine ganzheitliche Betrachtung des Einflusses der 68er-Bewegung auf die deutsche Filmgeschichte.
Schlüsselwörter
Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb), Studentenproteste 1968, Neuer Deutscher Film, Zielgruppenfilm, politischer Film, Essayfilm, Frauenfilmbewegung, Arbeiterfilm, 68er-Bewegung, Filmpädagogik, Institutionengeschichte.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb) im Kontext der 68er-Bewegung
Was ist das Thema dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die filmkulturelle Bedeutung der 68er-Generation von Filmstudierenden an der neu gegründeten Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb). Der Fokus liegt auf den Studentenprotesten an der dffb, ihrem Einfluss auf die Filmausbildung und ihrem nachhaltigen Einfluss auf die deutsche Filmlandschaft.
Wann und warum wurde die dffb gegründet?
Die dffb wurde 1966 gegründet, um die deutsche Filmausbildung zu reformieren und dem Bedarf an neuen, modernen Filmen zu begegnen. Die Gründung fand im Kontext des gesellschaftlichen Umbruchs der 1960er Jahre und des Übergangs vom "alten" deutschen Film zu einer neuen Ära statt.
Welche Rolle spielten die Studentenproteste von 1968 an der dffb?
Die Studentenproteste an der dffb waren ein zentrales Ereignis, das die Institution und die Filmausbildung nachhaltig prägte. Sie führten zu einer Massenrelegation von Studenten und zu einem Kampf um die Kontrolle der Akademie. Die Proteste spiegelten die politische Radikalisierung der Zeit wider und beeinflussten die Filmarbeit der Studenten stark.
Wie beeinflussten die Studentenproteste die Filmarbeit der Studenten?
Die Studentenproteste führten zu einer politischen Radikalisierung in der Filmarbeit. Filme wurden zu einem Ausdruck der Protestbewegung und spiegelten die Themen und Anliegen der Studenten wider. Konzepte wie der "Zielgruppenfilm" und der Berliner Arbeiterfilm entstanden in diesem Kontext.
Was ist der "Zielgruppenfilm" und welche Rolle spielte er?
Der "Zielgruppenfilm" war ein Konzept, das im Kontext der Studentenproteste entstand. Es zielte darauf ab, Filme für spezifische Zielgruppen (z.B. Schüler, Arbeiter) zu produzieren und so ein breiteres Publikum zu erreichen. Dies war ein Ausdruck des Engagements der Studenten für gesellschaftliche Veränderung.
Welche Filmemacher und Filmströmungen werden in der Arbeit behandelt?
Die Arbeit behandelt verschiedene Filmemacher und Filmströmungen, die durch die 68er-Bewegung beeinflusst wurden. Hierzu gehören unter anderem Helke Sander und die Frauenfilmbewegung sowie Harun Farocki und sein Guerillakino. Die Arbeit analysiert auch den "Neuen deutschen Film" und seine Verbindung zu den Protesten.
Welches ist das filmische Erbe der 68er-Generation an der dffb?
Das filmische Erbe der 68er-Generation an der dffb ist vielfältig und nachhaltig. Es umfasst den Einfluss auf die Filmpädagogik, die Entwicklung des "Neuen deutschen Films", die Entstehung von neuen Filmformen und die Auseinandersetzung mit politischen und gesellschaftlichen Themen im Film. Die Arbeit betont den nachhaltigen Einfluss auf die deutsche Filmlandschaft.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit am besten?
Schlüsselwörter sind: Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb), Studentenproteste 1968, Neuer Deutscher Film, Zielgruppenfilm, politischer Film, Essayfilm, Frauenfilmbewegung, Arbeiterfilm, 68er-Bewegung, Filmpädagogik, Institutionengeschichte.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit besteht aus einer Einleitung, drei Hauptkapiteln (Gründung aus der Krise, Filmstudium im Zeichen der Studentenproteste, Das filmkulturelle Erbe von „68“) und einer Zusammenfassung. Jedes Kapitel behandelt spezifische Aspekte der Thematik, von der Gründung der dffb bis zum nachhaltigen Einfluss der 68er-Bewegung auf den deutschen Film.
- Arbeit zitieren
- Dipl. kuwi Karl-Heinz Stenz (Autor:in), 2007, Kampfplatz Kamera. Die filmkulturelle Bedeutung der filmstudierenden '68er Generation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113795