[...] Dass Blanscheflur an solch einem höfischen Leben Anteil nimmt, steht außer Frage, aber ist ihr Verhalten auch dementsprechend höfisch? Spielt sie nach den Spielregeln und hält sie sich an Normen und Gebote des Mittelalters oder versucht sie gewisse Grenzen zu überschreiten? Diesen Fragen möchte ich in der vorliegenden Arbeit nachgehen. Höfisches Handeln war eine der wichtigsten Tugenden im Mittelalter und ist – was die Männer betrifft – eng mit den Vorstellungen von Ritterlichkeit verknüpft. Wie aber sah das bei den Frauen aus und welche Regeln galten für sie? Ich möchte anhand der Figur Blanscheflur untersuchen, welche Ideale für die weiblichen Teilnehmer am Hof galten und inwieweit Tristans Mutter diese beachtet. Welche Attribute sind mit der perfekten Schönheit verknüpft und was wird sonst noch vorausgesetzt, um als hovelich gelten zu können? Nachdem ich einen Blick auf diese eher allgemeinen und unbeeinflussbaren Voraussetzungen geworfen habe, werde ich mich der Sprache zuwenden, denn Anstand und Sitte sind zu einem Teil auch in den Diskursen der jeweiligen Zeit verankert und somit erlernbar. Wie also drückt man sich am Hof aus und welche Wirkung hat dies?
Anschließend an diese Analyse der angeborenen und erlernten Faktoren, ist es nur logisch, auch das Verhältnis in einer höfischen Liebesbeziehung etwas genauer zu betrachten. Wer darf wie weit gehen und mit welchen Folgen? Zudem soll die Arbeit einen Einblick geben, inwieweit diese Bindung von Tristans Eltern auch einen gewissen Grad an Abhängigkeit für Blanscheflur mit sich bringt.
Im zweiten Teil soll es mir darum gehen, ihre unhöfische Seite zu hinterfragen und zu prüfen, welche Macht sinnliche Einflüsse auf ihr Verhalten haben. Dabei möchte ich mich vor allem auf die mit dem Auge wahrgenommenen Eindrücke konzentrieren, da ihnen in der Geschichte sicher das Primat zuzumessen ist. Auch die Leidenschaft darf in diesem Zusammenhang natürlich nicht unberücksichtigt bleiben, deshalb will ich Aufschluss darüber geben, welcher Stellenwert ihr in der Tristanvorgeschichte zukommt und untersuchen, ob Blanscheflur, aufgrund ihrer Handlungen, eher als selbstbewusste Frau oder als impulsgesteuert zu begreifen ist. Mein Ziel wird es sein, Argumente, die für oder gegen ihren höfischen Charakter sprechen, aufzuzeigen und nachzuweisen, welche von beiden Seiten Blanscheflurs Handeln stärker bestimmt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Gefangen zwischen Regeln - die höfische Blanscheflur
- Blanscheflur als edle, fromme und tugendhafte »Göttin«
- Höfisches Sprechen
- Aktiv, aber abhängig
- Blanscheflur – die unhöfische Sünderin
- >>Das Auge isst mit<<: Äußerliche Schönheit und visuelle Reize
- Die Macht der Leidenschaft
- Starke Frau oder Opfer ihrer Triebe?
- Fazit
- Bibliographie
- Primärliteratur
- Sekundärliteratur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert das (un)höfische Verhalten von Blanscheflur, der Mutter Tristans, im Kontext der höfischen Kultur des Mittelalters. Ziel ist es, die Ideale und Normen des höfischen Lebens zu untersuchen und zu beleuchten, inwieweit Blanscheflur diese erfüllt oder durchbricht. Die Arbeit befasst sich mit den Attributen der höfischen Frau, den sprachlichen Gepflogenheiten am Hof und dem Verhältnis in einer höfischen Liebesbeziehung.
- Die Ideale der höfischen Frau im Mittelalter
- Die Rolle der Sprache und des Diskurses in der höfischen Kultur
- Die Macht der Leidenschaft und ihre Auswirkungen auf das höfische Verhalten
- Die Abhängigkeit und Freiheit in einer höfischen Liebesbeziehung
- Die Frage, ob Blanscheflur als selbstbewusste Frau oder als Opfer ihrer Triebe zu verstehen ist
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik des höfischen Verhaltens ein und stellt die Forschungsfrage nach Blanscheflurs (un)höfischem Verhalten. Das erste Kapitel beleuchtet die Ideale der höfischen Frau im Mittelalter und untersucht, inwieweit Blanscheflur diese erfüllt. Es werden die Attribute der höfischen Frau, wie Schönheit, Tugendhaftigkeit, Frömmigkeit und Anstand, anhand von Zitaten aus dem Tristanroman von Gottfried von Strassburg analysiert. Auch die Überhöhung Blanscheflurs als »Göttin« wird in diesem Zusammenhang betrachtet.
Das zweite Kapitel befasst sich mit dem höfischen Sprechen und untersucht, wie sich Blanscheflur in ihren Dialogen mit anderen Figuren am Hof verhält. Es wird gezeigt, dass Blanscheflur die höfische Etikette beherrscht und sich in ihren Äußerungen an die Normen des Mittelalters hält.
Das dritte Kapitel widmet sich Blanscheflurs unhöfischer Seite und untersucht, welche Macht sinnliche Einflüsse auf ihr Verhalten haben. Es wird der Einfluss der Schönheit und der Leidenschaft auf Blanscheflurs Entscheidungen und Handlungen analysiert. Die Frage, ob Blanscheflur als selbstbewusste Frau oder als Opfer ihrer Triebe zu verstehen ist, wird im Zentrum dieses Kapitels stehen.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die höfische Kultur, das höfische Verhalten, Blanscheflur, Tristan, Gottfried von Strassburg, Tristanroman, Mittelalter, Ideale der höfischen Frau, Sprache, Diskurs, Leidenschaft, Abhängigkeit, Freiheit, Schönheit, Tugendhaftigkeit, Frömmigkeit, Anstand.
- Quote paper
- Robert Willrich (Author), 2007, Das (un)höfische Verhalten von Blanscheflur, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114491