Die Westfront im Ersten Weltkrieg: Auswirkungen des Fronteinsatzes auf Psyche und Verhalten kämpfender Soldaten


Hausarbeit (Hauptseminar), 2000

14 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Hauptteil
2.1 Das Leben an der Front
2.2 Kriegsmoral und Desillusionierung der Frontsoldaten
2.3 Das Verhältnis zu den Daheimgebliebenen

3. Schlußbetrachtung

4. Bibliographie

1. Einleitung

„Es war ein schwerer Abschied, denn man wußte nicht, ob wir uns wiedersehen würden. Wir weinten alle drei. Beim Fortgehen ermahnte mich mein Vater, ja immer recht vorsichtig zu sein, und daß ich mich nie freiwillig zu irgendetwas melden sollte. Diese Mahnung war eigentlich nicht nötig, denn meine Vaterlandsliebe war nicht so groß, und der Gedanke, den sogenannten Heldentod zu sterben, erfüllte mich mit Grauen.“[1]

Diese knapp ausformulierten, deshalb jedoch nicht minder eindrucksvollen Zeilen stammen von dem 1893 geborenen Rekruten Dominik Richert, der seine Erlebnisse an der Front nachträglich aufgeschriebenen und somit ein außergewöhnliches Zeugnis seiner Kriegserfahrungen abgegeben hat. Sein „lakonischer Bericht“ anstelle von „formelhaft erstarrter Anekdoten“[2] ist das, was uns aufmerksam macht und Interesse weckt, nicht an Geschichte als Ausdruck staatenpolitischer Entscheidungen, sondern an einer „Geschichte von unten“, einer Mentalitätsgeschichte, die sich mit individuell begründeten Empfindungen und Verhaltensweisen des Einzelnen beschäftigt und sich damit auch auf eine „terra incognita“ vorwagt.[3]

Wie fühlte der kämpfende Soldat an vorderster Front? Wie äußerte sich sein Überlebenswille? Konnte er dem Druck auf Dauer psychisch überhaupt standhalten? Wie stand er zu seiner Familie in der Heimat?

Diese Seminararbeit wird sich im Folgenden mit diesen Fragestellungen auseinandersetzen, wobei neben den Erlebnissen des Dominik Richert auch verschiedene andere Tagebucheinträge und Feldpostbriefe[4] Beachtung finden werden.[5] An ergebnisreichen Aufsätzen und Monographien möchte ich an dieser Stelle vor allem noch die Monographie Tanz über Gräben[6] von Modris Eksteins erwähnen, die sich besonders mit der Kriegssituation auf „flandrischen Feldern“ auseinandergesetzt und damit eine Vielzahl von Einblicken in aufschlußreiche Quellen gewährt. Darüber hinaus waren auch die beiden Sammelbände Der Erste Weltkrieg[7] und Der Krieg des kleinen Mannes[8] mit diversen Beiträgen zum Thema hilfreich, wobei vor allem letzterer, da er sich explizit mit einer „Militärgeschichte von unten“ befaßt, mit verschiedenen Aufsätzen, unter anderem von Bernd Ulrich und Wolfram Wette, zu dieser Seminararbeit beigetragen hat. Gerade in Auseinandersetzung mit der bereits erwähnten Mentaliätsgeschichte[9] als neuer Zweig der Geschichtswissenschaft brachten sich vermehrt Feldpostbriefe, Tagebucheinträge und persönliche Berichte in die stark quellenorientierte Auseinandersetzung mit ein, anhand derer man versuchen konnte, sich zumindest teilweise Einblick in eine Lebenssituation zu verschaffen, welche in ihren Erfahrungswerten so grauenvoll gewesen sein muß, daß teilweise nur noch Resignation und Abstumpfung vor dem eigenen psychischen Tod bewahren konnte. Ein Überlebender des Krieges schrieb: „Ein Mann, der den Augenblick, in dem er aus dem Graben gestiegen ist, überlebt hat, hat den ganzen Rest seines Leben keinen derartigen Höhepunkt mehr erlebt.“[10]

Eine umfassende Auseinandersetzung mit dem Thema ist schon allein wegen dem begrenzten Umfang der Seminararbeit nicht möglich, wobei aber auch das Thema an sich nicht in all seinen Facetten zu greifen ist, da niemand dazu befähigt ist, sich einen wirklich komplexen und vollständigen Einblick in die Seelenwelt eines anderen Menschen zu verschaffen.

2. Hauptteil

2.1 Das Leben an der Front

Es gibt wohl keine schwerere Aufgabe für einen Menschen, als die Komplexität aller Dinge, die ihn betreffen, zu verstehen. Auf ähnliche Weise verhält es sich auch mit dieser uns so fremden Welt eines Kriegsalltages an der Front, in den wir uns zwar einzufühlen versuchen können, den wir aber dennoch niemals vollständig begreifen werden können. Was ist das überhaupt, ein Leben an der Front? Kann man in einer solchen Situation denn überhaupt noch von „Leben“ sprechen? Sind die menschlichen Bedürfnisse und Anforderungen nicht eher auf einen Tagesablauf minimiert, der möglichst wenig Raum zur Besinnung läßt?

Um ein Leben an der Front zumindest Ansatzweise nachvollziehen zu können, bilden Feldpostbriefe und Tagebucheinträge eine ideale Grundlage, die Aufschluß geben können über Bedürfnisse und Gefühlsleben einzelner Soldaten. Natürlich ist es auch hier nicht möglich. Über „den Soldaten“ im Allgemeinen zu sprechen, doch kann man versuchen, zumindest die Kategorien, welche die allgemeine Mehrheit betreffen, zusammenzufassen und dementsprechend als allgemeingültige Faktoren darzulegen.

So hat Martin Hohbohm, Sachverständiger über Heeresmißstände, bereits 1929 dokumentiert, daß die überwiegende Mehrheit der Briefschreiber sich „unerträglichen Mißständen ausgeliefert“ sähen.[11] Gerade psychologisch verankerte Gefühle wie das der Rechtlosigkeit gegenüber Vorgesetzten, aber auch physische Auszehrung und Wetterumstände gehörten zu den Hauptbelastungen der Soldaten.

Nachdem der Schlieffenplan mit der Marneschlacht im September 1914 gescheitert war und auch der „Wettlauf zum Meer“ den Gegner weder hatte umfassen noch eine Behinderung des britischen Nachschubs hatte erzielen können, waren alle Hoffnungen zunichte gemacht worden, den Krieg an der Westfront möglichst rasch beenden zu können. Der Bewegungskrieg wurde im folgenden durch den Stellungskrieg ersetzt, der sich auf einer Front vom Atlantik bis hin zur schweizerischen Grenze erstreckte; an Stelle der Entscheidungsschlachten trat der Zermürbungskrieg mit gelegentlichen Stellungsverbesserungen und Durchbruchsversuchen. Die Zahl der Opfer betrugen bereits in den ersten fünf Kriegsmonaten auf deutscher Seite eine Million, wobei bis Ende des Jahres 1914 fast jede deutsche und französische Familie die Verluste schmerzlich zu spüren bekommen sollten.[12]

[...]


[1] Dominik Richert, Beste Gelegenheit zum Sterben. Meine Erlebnisse im Kriege 1914 – 1918, München 1989, S. 16. Vgl. hierzu auch Wette, Wolfram, Die unheroischen Kriegserinnerungen des Elsässer Bauern Dominik Richert aus den Jahren 1914-1918, in: Der Krieg des kleinen Mannes. Eine Militärgeschichte von unten, hrsg. von Wolfram Wette, München 1992, S. 127-125.

[2] Angelika Tramnitz, Vorwort. Ein Mensch im Krieg, in: ebenda, S. 5 - 14, S. 6.

[3] Gerhard Hirschfeld, Vorwort, in: Keiner fühlt sich hier mehr als Mensch... Erlebnis und Wirkung des Ersten Weltkriegs, hrsg. von Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich, Irina Renz, Essen 1993, S. 7 – 9, S. 7.

[4] Feldpostbriefe als „Massenquelle“, so Manfred Hettling und Michael Jeismann, wurden nach Schätzung der Post im Jahre 1914 in Höhe von vier Milliarden Sendungen befördert. Vgl. Manfred Hertling und Michael Jeismann, Der Weltkrieg als Epos. Philipp Witkops „Kriegsbriefe gefallener Studenten“, in: ebenda, S. 175 – 198, S. 183.

[5] An dieser Stelle möchte ich anmerken, daß der Großteil der hier verwendeten Briefe nicht aus direkter Quelle entnommen wurden, da viele Sammlungen entweder unzugänglich oder gar nicht vorhanden waren. Eine schöne Sammlung von Zitaten ist dennoch beispielsweise in dem Werk von Modris Eksteins enthalten. Vgl. Modris Eksteins, Tanz über Gräben, Hamburg 1990.

[6] Modris Eksteins, Tanz über Gräben, Hamburg 1990.

[7] Wolfgang Michalka (Hrsg.), Der Erste Weltkrieg. Wirkung, Wahrnehmung, Analyse, München 1994.

[8] Wolfram Wette (Hrsg.), Der Krieg des kleinen Mannes. Eine Militärgeschichte von unten, München 1992.

[9] An dieser Stelle möchte ich zum Thema „Mentalitätsgeschichte“ auf einen Artikel aus der Zeit vom 9. Dezember 1999 verweisen, welcher auf ein neues Buch von Alain Corbin hinweist, worin dieser einen willkürlich gewählten Menschen des 19. Jahrhunderts zu erforschen sucht und erstaunliche Entdeckungen zutage fördert. In: Schöttler, Peter, Ein Staubkorn in der Unendlichkeit, in: Die Zeit 50 (9. Dezember 1999), S.22.

[10] Modris Eksteins, Tanz über Gräben, S. 217.

[11] Martin Hohbohm, Soziale Heeresmißstände im Ersten Weltkrieg, in: Der Krieg des kleinen Mannes, S. 136 – 145, S. 141.

[12] Modris Eksteins, Tanz über Gräben, S. 158. Vgl. hierzu auch Dieter Storz, Die Schlacht der Zukunft. Die Vorbereitungen der Armeen Deutschlands und Frankreichs auf den Landkrieg des 20. Jahrhunderts, in: Der Erste Weltkrieg, S. 252 –279, S. 252. Storz spricht vom September 1914, dem Monat der Marneschlacht, als den verlustbringendsten des gesamten Krieges. Die Gefechtsstärken der deutschen Armeen waren allenthalben um teilweise bis zu 50 Prozent dezimiert worden.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Die Westfront im Ersten Weltkrieg: Auswirkungen des Fronteinsatzes auf Psyche und Verhalten kämpfender Soldaten
Hochschule
Universität Karlsruhe (TH)  (Geschichte)
Veranstaltung
Der Erste Weltkrieg. Wege und Bilanzen neuerer Forschungsansätze
Note
1,3
Autor
Jahr
2000
Seiten
14
Katalognummer
V115149
ISBN (eBook)
9783640165902
Dateigröße
452 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Westfront, Ersten, Weltkrieg, Auswirkungen, Fronteinsatzes, Psyche, Verhalten, Soldaten, Erste, Weltkrieg, Wege, Bilanzen, Forschungsansätze
Arbeit zitieren
M.A. Mia Gerhardt (Autor:in), 2000, Die Westfront im Ersten Weltkrieg: Auswirkungen des Fronteinsatzes auf Psyche und Verhalten kämpfender Soldaten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115149

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