Gewalterfahrungen von Schiedsrichtern im Amateurfußballbereich

Eine empirische Analyse


Bachelorarbeit, 2021

123 Seiten, Note: 1,8


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Problemstellung

2 Der Schiedsrichter
2.1 Ausbildung
2.2 Aufgaben und Funktionen
2.3 Erwartungen

3 Gewalt
3.1 DefinitionGewalt
3.2 UrsachenfürGewalt
3.2.1 Instinkt-undTriebtheorie
3.2.2 Frustrations-Aggressions-Theorie
3.2.3 LerntheoretischeErklärungsmodelle
3.3 FormenvonGewalt
3.3.1 PersonaleGewalt
3.3.2 StrukturelleGewalt
3.3.3 KulturelleGewalt

4 Die Zuschauer
4.1 UnterscheidungderZuschauergruppen
4.1.1 Hooligans
4.1.2 Ultras
4.2 Zuschauerverhalten

5 GewaltimAmateurfußball
5.1 AbweichendesVerhalten
5.2 GewaltgegenüberSchiedsrichtem
5.3 Gewaltprävention

6 Methodik der qualitativen Inhaltsanalyse
6.1 KategorienbildungundGütekriterien
6.2 Das Experteninterview

7 Darstellung des eigenen Forschungsvorgehens
7.1 Auswahlderlnterviewpartner
7.2 Leitfadenerstellung
7.3 Datenerhebung und Materialauswertung

8 Darstellung der eigenen Forschungsergebnisse
8.1 Erwartungen und Gewaltprävention
8.2 AuslöserfürGewalt
8.3 Darstellung der Gewalterfahrungen
8.4 Auswirkungen auf die Schiedsrichtertätigkeit

9 Diskussion

10 Limitationen

11 Fazit

12 Implikationen

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: SchiedsrichterEinsatzstatistikSaison2019/2020

Abb. 2: Dampfkesselschema

Abb. 3: Gewaltdreieck

Abb. 4: Angriff auf Schiedsrichter in der Kreisliga

Abb. 5: Ultras randalieren im Regionalligaspiel

Abb. 6: Gewaltpräventionskonzept

Abb. 7: Kategoriensystem

[Anm. d. Red.: Die Abbildungen 4+5 sind aus urheberrechtlichen Gründen nicht im Lieferumfang enthalten]

Genderhinweis

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Arbeit die Sprachform des generischen Maskulinums angewandt. Es wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die ausschließliche Verwendung der männlichen Form geschlechtsunabhängig verstanden werden soll.

1 Problemstellung

Gewalt ist im täglichen Leben ein immer wieder in den Vordergrund tretendes Phänomen. Seien es Individuen, die mit einem aggressiven Verhalten oder Gewalt konfrontiert werden oder Personen, die etwaige Taten selbst ausübenjedem ist Gewalt ein Begriff. Gewaltsame Handlungen tragen sich im gesamten öffentlichen Leben zu, so zum Beispiel auch im Sport. Sie spielen jedoch nicht in allen Sportarten eine signifikante Rolle. Das Sporttreiben in der Freizeit, Einzelsportarten sowie Disziplinen mit geringer Publikumswirksamkeit sind generell weniger von Gewalthandlungen betroffen, wenn diese nicht explizit Teil der sportlichen Tätigkeit sind, wie beispielsweise im Kampfsport. Sportarten wie Fußballjedoch sind von Dominanz, was auch mit körperlichem Durchsetzungsvermögen verbunden ist, geprägt (vgl. Backes et al., 1982, S. 9). Aus diesem Grund rücken vermehrt Sportveranstaltungen wie Fußballspiele in den Vordergrund, bei denen aggressives Verhalten und Gewaltakte verstärkt vorzufinden sind.

„Die dem Sport gemeinhin zugeschriebenen positiven Eigenschaften wie Förderung der Kameradschaft, Schulung von Fairness und Ritterlichkeit, Bildung des Charakters, um nur einige zu nennen, sind [...] längst nur noch Wunschdenken, keineswegs aber mehr Verhaltensmaximen der Sportler“ (Pilz, 1982, S. 12).

Fußball, als eine Mannschaftssportart, bei der es darum geht, sich Mann-gegen-Mann zu behaupten, ist prädestiniert dafür, dass es zu Provokationen, Regelwidrigkeiten und energiegeladenen Situationen kommt. Gerade im Amateurfußballbereich werden diese durch die leidenschaftliche Hingabe für den eigenen Verein und die oft große Abneigung gegenüber der gegnerischen Mannschaft bestimmt. Der Schiedsrichter als neutrale Person ist inmitten dieser dynamischen Lage derjenige, dessen Aufgabe es ist, das Spiel so anzuleiten, dass Fairness, Respekt und die Einhaltung der Regeln stets gegeben sind. Die an den Schiedsrichter gestellten Anforderungen nehmen außerhalb des Spielbetriebs einen erheblichen Teil der Freizeit ein, da sich dieser gründlich mit dem Regelwerk auseinandersetzen muss. Die Entscheidungen, welche der Schiedsrichter allein in einem Fußballspiel zu treffen hat, sind von besonderer Bedeutung im Hinblick auf den weiteren Spielverlauf und dass dieser sich sofort festlegen muss, lässt die Situation nicht einfacher erscheinen. Sowohl von der Heim- als auch von der Auswärtsmannschaft sowie von den Zuschauern hat der Schiedsrichter grundsätzlich Widerworte zu erwarten, mit denen er professionell umgehen muss. Das Zurechtkommen mit unterschiedlichen Individuen ist neben der Reaktionsfähigkeit und Konzentrationsfähigkeit, was insbesondere in denjenigen Spielsituationen von Belangen ist, in denen entschieden werden muss, ob ein Spieler sich regelkonform verhalten hat, ein grundlegender Bestandteil der Ausbildung (vgl. Ebersberger, Malka & Pohler, 1980, S. 7 ff.). Die Funktion einzunehmen, dass Grundlegendes wie gegenseitiger Respekt und die Einhaltung des Regelwerks besteht, ist demnach nicht immer einfach, da nach Rullang, Emrich und Pierdzoich (2016, S. 44) Fußball ein Kampfspiel ist, das besonders körperbetont sowie aggressiv vonstatten geht und ansteigend einen unkontrollierten Affekt und Aggressionstrieb in einem Spiel aufweist. Verletzungen von Beteiligten, die im Kampf um den Ball anfallen, Schlägereien unter Spielern, Randale von Zuschauern und Auseinandersetzungen zwischen Spielern und Schiedsrichtern gehören zu den wesentlichen Bestandteilen eines Fußballspiels (vgl. Gabler, 1976, S. 7). Ursprünglich galt das Befolgen von Regeln, was mit dem Fairplay einhergeht, als konstitutiv im Fußball. Physische Gewalt in Form von verletztem Regelwerk hingegen nimmt in einem Fußballspiel mehr an Bedeutung zu (vgl. Pilz, 1982, S. 12). Insbesondere zählen wiederkehrend Schiedsrichter zu den Opfern psychischer und physischer Gewalt. Die Angst, ein weiteres Mal Gewalt zu erfahren, beunruhigt zahlreiche Schiedsrichter und führt letztlich zu einer Beendigung der jahrelang ausgeübten Profession. Ein gravierendes Nachwuchsproblem im Schiedsrichterbereich kann die Folge solcher Handlungen sein (vgl. https://www.derwesten.de/sport/fussball/dfb-nachwuchsprobleme-bei-schiedsrichtem- id7455561.html; Letzter Zugriff am 03.05.2021).

Diese Arbeit hat das Ziel, die möglichen Gewalterfahrungen unterschiedlicher Schiedsrichter im Bereich des Amateurfußballs zu analysieren. Aufgrund der eigenen jahrelangen und aktiven Ausübung des Fußballsports und die damit einhergehende Verbundenheit zum Sport einerseits und andererseits das Interesse daran, was Fußballspieler dazu veranlasst, Gewalt auszuüben, wurde das Thema für diese Arbeit ausgewählt. Die Gewalterfahrungen von Schiedsrichtern im Amateurfußballbereich werden anhand von zwei Forschungsfragen analysiert.

Forschungsfrage 1'. „Wie gelingt es Schiedsrichtern, die durch ihre Tätigkeit an sie gestellten Erwartungen vor allem im Hinblick auf Gewaltprävention zu erfüllen?“

Forschungsfrage 2\ „Was sind Auslöser für Gewalt, welche Dimensionen dieser erleben Schiedsrichter im Fußball, wie stellen sie sich dar und was sind (persönliche) Folgen?“

Experteninterviews mit Schiedsrichtern verschiedenen Alters und Geschlechts sollen demnach Aufschluss darüber geben, welche Erwartungen während eines Fußballspiels an diese gestellt werden und worauf sie während ihrer Tätigkeit achten, um mögliche Gewalthandlungen vorzubeugen. Außerdem soll aufgezeigt werden, wie Gewalthandlungen im Amateurfußballbereich entstehen können beziehungsweise wie diese ausgelöst werden, inwiefern sich diese äußern und was mögliche Folgen in Bezug auf die Schiedsrichtertätigkeit wären. Anhand der Interviews gilt es, unter Anwendung der qualitativen Inhaltsanalyse die formulierten Forschungsfragen zu beantworten.

Die Arbeit ist daher in zwei Hauptteile gegliedert. Im ersten Hauptteil, dem theoretischen Teil, wird zunächst auf den Hauptakteur dieser Arbeit, den Schiedsrichter, eingegangen. Anschließend wird der Begriff der Gewalt nähergebracht, indem dieser definiert wird und Ursachen sowie Formen von Gewalt weiter erläutert werden. Dieser Begriff ist von Bedeutung für diese Arbeit, da für die weitere Analyse ein grundlegendes Verständnis geschaffen werden muss. Darüber hinaus werden diejeweiligen Zuschauergruppen, welche auch im Amateurfußball vertreten sind, sowie ihr Verhalten während eines Fußballspiels dargestellt. Weiterhin werden bisherige empirische Befunde bezüglich der Gewalt im Amateurfußball insbesondere im Hinblick auf den Schiedsrichter aufgezeigt. Der zweite Hauptteil dient der Vorstellung der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse sowie der Darstellung des eigenen Forschungsvorgehens, der erzielten Forschungsergebnisse sowie des Diskussionsteils. Weiterhin werden Limitationen der Untersuchung dargelegt und Implikationen aufgezeigt. Die Arbeit wird mit einem Fazit abgeschlossen.

2 Der Schiedsrichter

Bundesweit in Deutschland sind laut dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) fast 52.000 Personen als Schiedsrichter, Schiedsrichter-Assistent, 4. Offizieller oder Schiedsrichter­Beobachter in der Saison 2019/2020 aktiv gewesen. Der Norddeutsche Fußball-Verband deckte dabei allein rund 11.000 aller Schiedsrichter ab (siehe Abbildung 1: https://www.dfb.de/fileadmin/_dfbdam/231483-schiedsrichter-statistik-19-20.pdf; Letzter Zugriffam03.05.2021).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Schiedsrichter Einsatzstatistik Saison 2019/2020 (2020). Quelle: https://www.dfb.de/fileadmin/_dfbdam/231483- schiedsrichter-statistik-19-20.pdf; Letzter Zugriff am 03.05.2021

Der Schiedsrichter ist im Fußballsport der sogenannte 23. Spieler auf dem Spielfeld und damit die einzige neutrale Person im Spiel. Sobald der Schiedsrichter den Fußballplatz betritt, beginnen seine Autorität und das Ausüben der Berechtigungen, die ihm durch das entsprechende Regelwerk gegeben werden. Sein Recht, Strafen zu verhängen, schließt auch Regelwidrigkeiten mit ein, die begangen werden, wenn sich beispielsweise der Ball nicht mehr im Spiel befindet oder eine zeitweilige Unterbrechung einsetzt. Die Entscheidungen des Schiedsrichters über Tatsachen, die im Zusammenhang mit dem Spiel stehen, sind endgültig, sofern diese das Spielergebnis betreffen (vgl. Ebersberger, Malka & Pohler, 1980, S. 27). Schiedsrichter sollten sich gerne im Freien bewegen, Spaß am Fußballspielen haben, ein gut ausgeprägtes Reaktionsvermögen besitzen und vor allem über eine ausgezeichnete Durchsetzungskraft verfügen (vgl. Ebersberger, Malka & Pohler, 1980, S. 10).

2.1 Ausbildung

Die Ausbildung eines Schiedsrichters beinhaltet laut Angaben des Deutschen Fußball­Bundes abhängig vomjeweiligen Landesverband circa 20 bis 50 Unterrichtsstunden, die in drei bis zwölf Ausbildungstagen innerhalb von ein bis sechs Wochen abgeleistet werden müssen (vgl. https://www.dfb.de/schiedsrichter/interessentin/artikel/wie-werde-ich- schiedsrichter-345/; Letzter Zugriff am 03.05.2021). Geschult werden insbesondere die Fußballregeln, Kondition, Konzentrationsfähigkeit, Reaktionsfähigkeit und der Umgang mit unterschiedlichen Menschen (vgl. Ebersberger, Malka & Pohler, 1980, S. 9). Wie der Abbildung 1 entnommen werden kann, sind bundesweit in der Saison 2019/2020 rund 3.200 neue Schiedsrichter ausgebildet worden.

2.2 Aufgaben und Funktionen

Die Aufgaben eines Schiedsrichters sind zahlreich und vielfältig. Beginnend hat er die Spielregeln zu befolgen und auf eine Bestrafung in jedem Fall zu verzichten, wenn er die Ansicht hat, dass der Mannschaft, welche die Regeln missachtet hat, aus diesem Grund ein Vorteil verschaffen wird. Außerdem muss er den Verlauf des Spiels protokollieren, die Zeit nehmen sowie die vereinbarte Spieldauer berücksichtigen und befolgen. Die verlorengegangene Zeit, die aufgrund von Unglücksfällen oder aus anderen Anlässen eintrifft, muss nachgespielt werden. Der Schiedsrichter hat die unumschränkte Befugnis, das Fußballspiel jederzeit aufgrund von Regelwidrigkeiten zu unterbrechen und es wegen der Störung durch Zuschauer, der Witterung oder aus anderen Gründen zu unterbrechen oder abzubrechen, sofern dieser eine derartige Handlung für notwendig erachtet. Sollte ein solcher Fall eintreten, ist der zuständigen Behörde innerhalb der vorgeschriebenen Frist und entsprechend den Bestimmungen des für die Leitung des Spiels verantwortlichen Verbandes ein ausführlicher Bericht zu übersenden. Darüber hinaus hat der Schiedsrichter mit Betreten des Fußballplatzes die Berechtigung, einen Spieler aufgrund von respektlosem oder unsportlichem Aufführen zu verwarnen und bei weiterer Unsportlichkeit diesen von der weiteren Teilnahme am Spiel auszuschließen. Der zuständigen Behörde ist in solch einem Fall ein detaillierter Bericht unter vollständiger Namensnennung des verantwortlichen Spielers innerhalb der vorgegebenen Frist und gemäß den Bestimmungen des für die Leitung des Spieles verantwortlichen Verbandes zuzuschicken. Das Betreten des Fußballplatzes wird ausschließlich den Spielern und den Linienrichtern gestattet, sofern der Schiedsrichter keine weitere Erlaubnis ausspricht. Überdies hat der Schiedsrichter die Befugnis, das Spiel zu unterbrechen, sobald sich ein Spieler eine Verletzung zugezogen hat. Der verletzte Spieler wird schnellstmöglich vom Spielfeld geschafft und das Spiel wird weiter fortgesetzt. Das Spiel wird jedoch bei einer leichten Verletzung eines Spielers nicht unterbrochen, bis der Ball das Spielfeld verlässt. Ein Spieler, der in der Lage ist, sich zur Seiten- oder Torlinie zu begeben, um sich medizinisch versorgen zu lassen, soll nicht auf dem Platz behandelt werden. Darüber hinaus hat der Schiedsrichter das Recht, jeden Spieler vom Platz zu verweisen, der nach seiner Ansicht beleidigende oder diskriminierende Bemerkungen äußert, ein schweres Foulspiel oder eine Tätlichkeit in Form einer gewalttätigen Handlung ausübt. Nachjeder Unterbrechung muss vom Schiedsrichter ein Zeichen für den Weitergang des Spiels gegeben werden. Schließlich hat der Schiedsrichter darüber zu entscheiden, ob der für das Spiel bestimmte Ball die Anforderungen erfüllt (vgl. Ebersberger, Malka & Pohler, 1980, S. 27f.).

2.3 Erwartungen

Die Erwartungen, die an den Schiedsrichter gestellt werden, sind ebenfalls umfangreich. Der Schiedsrichter hat das Spiel objektiv sowie neutral zu leiten und muss gerecht handeln. Es gilt, jedem Spieler jederzeit die gleiche Behandlung zukommen zu lassen, so darf es keine Unterschiede im Hinblick auf die Bewertung vergleichbarer Spielsituationen geben. Außerdem ist das Mitlaufen, um möglichst nah am Spielgeschehen zu sein, eine Erwartung an den Schiedsrichter. Darüber hinaus ist dieser dafür zuständig, dass klare und konsequente Entscheidungen getroffen werden. Der Schiedsrichter muss verständnisvoll gegenüber den Spielern sein und darf sich nicht von anderen, vor allem von den Zuschauern, beeinflussen lassen. Insbesondere wird erwartet, dass der Schiedsrichter das Spiel unparteiisch leitet beziehungsweise so auftritt, dass Spieler und Zuschauer diesem aufgrund von sicherem Auftreten sowie Verhalten ihr Vertrauen erweisen (vgl. Ebersberger, Malka & Pohler, 1980, S. 98).

Es lässt sich zusammenfassen, dassjährlich rund 52.000 Schiedsrichter Fußballspiele leiten, was ihre wichtige Funktion hervorhebt, da der Schiedsrichter als einzige neutrale Person auf dem Fußballplatz steht, dessen Aufgabe es ist, insbesondere in einer prekären Situation, das Spiel so anzuleiten, dass Respekt, Fairness und die Einhaltung des Regelwerks dauerhaft gegeben sind. Aufgrund dieser hohen Anforderungen an den Schiedsrichter nimmt das Spiel erst seinen Charakter an.

3 Gewalt

Der Begriff der Gewalt steht aufgrund der Betrachtung der verschiedenen Gewalterfahrungen von Schiedsrichtern im Amateurfußballbereich auch im Fokus dieser Arbeit. Der Ausdruck wird von daher im Folgenden definiert und die Ursachen sowie Formen der Gewalt werden in diesem Kapitel näher erläutert, sodass ein Fundament an Informationen für den weiteren Teil der Arbeit geschaffen wird.

3.1 Definition Gewalt

Der Begriff der Aggression wird des Öfteren mit dem der Gewalt gleichgesetzt. Doch wann endet aggressives Verhalten und zu welchem Zeitpunkt beginnt Gewalt? Wie ist ihr Verhältnis zueinander und bedingen sie sich gegenseitig? Im Alltag wird bei schweren, besonders bei physischen Aggressionen gegen Individuen von Gewalt gesprochen. Nach Nolting (1993, S. 26) handelt es sich hierbei um einen engeren Begriff. Schwere, insbesondere körperliche Formen der Aggression werden von Nolting als Gewalt tituliert. Die psychische Form, verbale Ausdrücke oder Gesten, werden demnach nicht der Gewalt zugeordnet, sondern lediglich dem aggressiven Verhalten. Einerseits kann Gewalt durch Affekte in Verbindung mit Wut oder Hass ausgelöst werden. Die kognitiv gesteuerte Variante, dass Ziele durch klar berechnete Mittel erlangt werden, stellt die andere Seite dar (vgl. Peters, 2008, S. 199).

Bei Preuschhoff und Preuschhoff (1992, S. 28) steht die psychische Komponente als Schädigungsvariable direkt im Vordergrund. „Manifestiert sich Aggressivität derart, dass Menschen zielgerichtet physisch oder psychisch geschädigt werden, wird von Gewalt gesprochen. Gewalt ist immer an Macht geknüpft.“ Dementsprechend wird der Ausdruck „Gewalt“ mit Gewalt gegen Menschen gleichgesetzt.

Dem Duden nach wird der Begriff in drei Auffassungen unterschieden. Die erste genannte Bedeutung des Ausdrucks wird als „Macht, Befugnis, das Recht und die Mittel, über jemanden, etwas zu bestimmen, zu herrschen“ verstanden. Das „unrechtmäßige Vorgehen, wodurchjemand zu etwas gezwungen wird“ zum einen und „gegenjemanden, angewandte physische oder psychische Kraft, mit der etwas erreicht werden soll“ zum anderen, wird der zweiten Definition zugeordnet. Unter der letzten Definition ist die „elementare Kraft von zwingenderWirkung“ zu verstehen (https://www.duden.de/rechtschreibung/Gewalt; Letzter Zugriffam03.05.2021).

Hügli (2005, S. 20 ff.) beschreibt „Gewalt“ durchaus komplizierter und unterscheidet in körperliche Gewalt und Gewalterleiden. In der ersten Form gibt es zum einen ein Opfer, das „eine körperliche Verletzung erfährt“, indem es „geschlagen, geprügelt, verhauen, verletzt, gefoltert, vergewaltigt, zerdrückt, zerhauen, durchbohrt und durchstoßen und zu Tode gebracht wird“. Zum anderen gibt es einen Verursacher, der diese Handlung ausübt. Bei dem Gewalterleiden erfährt das Individuum eine schmerzvolle Einwirkung. Diese kann sich entweder gegen die Freiheit, den menschlichen Körper, den Besitz oder die soziale Existenz richten.

Es lässt sich zusammenfassen, dass von dem Begriff „Gewalt“ mehrere Auffassungen existieren. Gewalt kann einen individuellen, gesellschaftlichen oder kulturellen Kontext haben, was entscheidend für die Einordnung ist. Der Ausdruck ist aus diesem Grund nicht leicht zu definieren. Da im weiteren Verlauf dieser Arbeit Gewalthandlungen gegenüber Schiedsrichtern im Mittelpunkt stehen werden, sollte insbesondere die Definition, dass ein Individuum psychisch in Form von Gesten oder Worten Gewalt erlebt oder jedoch eine physische Verletzung erfährt, Beachtung finden.

3.2 Ursachen für Gewalt

Gewalthandlungen entstehen im Allgemeinen nicht lediglich durch eine Ursache. Grundsätzlich spielen mehrere Faktoren zusammen, die eine Aggression auslösen können. Auch im Amateurfußballbereich sind Gewalthandlungen, ob in psychischer oder physischer Form, auf mehrere Ursachen zurückzuführen, die sich sowohl fußballspezifisch als auch unspezifisch äußern können, weshalb im Folgenden verschiedene Aggressionstheorien erläutert werden.

3.2.1 Instinkt- und Triebtheorie

Die Instinkt- und Triebtheorie legt zugrunde, dass Aggression, wie auch der Sexualtrieb, ein im Individuum festgesetzter Trieb ist. Die Theorie wird von der psychoanalytischen Lehre repräsentiert, welche in ihrem Ursprung Bezug zu Sigmund Freud herstellt. Aus diesem Grund ist die Theorie auch in der Psychologie der Verhaltensforschung, dessen Vertreter Konrad Lorenz ist, vorzufmden (vgl. Peters, 2015, S. 201). Die Vertreter dieses Erklärungsmodells nehmen eine Naturbedingtheit aggressiven Verhaltens an. Das bedeutet, dass Individuen einen angeborenen, unabänderlichen Aggressionsinstinkt besitzen, welcher permanent aggressive Energien produziert (vgl. Pilz, 1982, S. 7). Der Triebtheorie nach äußert sich Aggression wie ein Speicher, der sich immer erneut volllädt, und sich jedoch nach dem Auslösen auch plötzlich entladen kann (vgl. Peters, 2015, S. 201).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Dampfkesselschema (angelehnt an Lorenz nach Pilz & Moesch, 1975, S. 28)

Angelehnt an Lorenz verdeutlicht die Abbildung 2 anhand des Dampfkesselschemas (Pilz & Moesch, 1975, S. 28) den Aggressionsvorgang in der Triebtheorie. Da die Heizplatte permanent aktiv ist und nicht ausgeschaltet werden kann, reichert sich der Dampf immer weiter an. Die einzige Möglichkeit diesen austreten zu lassen, besteht darin, eine aggressive Handlung auszuführen. Eine solche Folgereaktion wird durch einen angeborenen Mechanismus ausgelöst, der sehr komplex ist und ähnlich wie ein Ventil funktioniert. Verschiedenste Reize, die individuell unterschiedlich sind, wie beispielsweise Frustrationen können diesen Auslösemechanismus triggern. Wie stark die letztliche aggressive Handlung ist, hängt von der Hemmung dieser ab. Es kommt zum Aufstau von immer mehr Dampf, der „Druck“, eine aggressive Handlung auszuführen, wird größer, aber so lange unterdrückt, wie die hemmenden Energien größer sind. Wird ein bestimmter individueller Schwellenwert überschritten, ist die Hemmung nicht groß genug und es kommt zu Aggressionen. Dies bedeutet, dass sobald eine Stauung entsteht, eine starke Hemmung die Folge ist. Wenn dementsprechend die Stauung größer ist, nimmt auch die aggressive Handlung zu, was sich auch umgekehrt zutragen kann (vgl. https://docplayer.org/14719718-Sportpsychologie-i- aggression-und-sport-l-defmition-lat-aggressio-angriff.html).

3.2.2 Frustrations-Aggressions-Theorie

Diese Theorie basiert auf der Instinkt- und Triebtheorie, jedoch wird im Gegensatz zur Instinkt- und Triebtheorie hier eine aggressive Handlung als eine zwangsläufige Auswirkung von Frustration betrachtet. Das Frustrationsausmaß beziehungsweise die Häufigkeit dieser bedingt die Stärke der Aggression. Bezogen auf den Fußballsport bedeutet dies, dass sobald ein Fußballspieler Frustration erlebt, der „Aggressions-Akku“ neu aufgeladen wird (vgl. Peters, 2015, S. 201).

3.2.3 Lerntheoretische Erklärungsmodelle

Die beiden Erklärungsmodelle stellen die Theorie auf, dass aggressives Verhalten erlernt wird. Voneinander unterschieden wird hier zwischen dem Bekräftigungsiemen, was das Lernen am Erfolg veranschaulicht, und dem Beobachtungslernen, welches das Lernen am Modell beschreibt.

Das Bekräftigungslernen oder auch Lernen am Erfolg besagt, dass Lob und Belohnungen das aggressive Verhalten eines Individuums verstärken. Die Formen der Belohnung können vielseitig sein. Erfolg im Sinne, etwas geleistet zu haben, soziale Anerkennung beispielsweise ein Zuspruch vom Trainer oder Applaus des Publikums, extrinsische Belohnung in Form von Geld sowie Geschenken und letztlich die Vermeidung von einer Niederlage oder einem Statusverlust sind verschiedene Formen der Belohnung. Sobald ein Fußballspieler positive Erfahrungen sammelt, indem dieser Erfolg mit seinem aggressiven Verhalten hat, wird der Spieler Aggression öfter einsetzten, um sein Ziel zu erreichen (vgl. Peters, 2015, S. 201).

Unter dem Beobachtungsiemen beziehungsweise dem Lernen am Modell wird verstanden, dass Aggressionsverhalten von anderen wie beispielsweise Vorbildern, welches erfolgreich ist sowie ungestraft bleibt, die Erwartung erhöht, dass eigene Ziele durch aggressives Verhalten erreicht werden können. Die Nachahmung ist unter anderem abhängig von dem sozialen Status des Modells, der Ähnlichkeit zum Beobachter und der persönlichen Beziehung zum Modell (vgl. Peters, 2015, S. 201).

Festzuhalten ist, dass es verschiedene Auslöser für Aggression gibt, welche sich in Gewalt äußern kann. Diese Auslöser können auf den im Individuum fest verankerten Trieb zurückzuführen sein. Weiterhin wird die aggressive Handlung als eine zwangsläufige Folge von Frustration gesehen. Schließlich lässt sich Aggression auch von einem Individuum aneignen, indem es entweder andere beobachtet und nachahmt oder in Form von Belohnungen bekräftigt wird.

3.3 Formen von Gewalt

Wenn der Begriff „Gewalt“ fällt, stellt sich grundsätzlich die Frage, von wo die Gewalt ausgeht. Angelehnt an Galtung wird in Abbildung 3 graphisch veranschaulicht, dass der norwegische Friedensforscher Johan Galtung den Ausdruck in drei verschiedene Unterformen, der personalen, strukturellen und kulturellen Gewalt, segmentiert hat, welche in ständiger Wechselwirkung miteinander stehen (vgl. Weissenberger-Leduc & Weiberg, 2011, S. 45).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Gewaltdreieck (angelehnt an Galtung nach Weissenberger-Leduc & Weiberg, 2011, S. 45)

3.3.1 Personale Gewalt

Insbesondere personale Gewalt tritt im Amateurfußballbereich regelmäßig in Erscheinung. Fußballspiele mit Beleidigungen, Anschreien und Gesten auf dem Platz zwischen den Spielern gegnerischer Mannschaften und dem Schiedsrichter gegenüber sind heutzutage allgegenwärtig. Auch die physische Gewalt kommt immer häufiger zum Vorschein.

Personale Gewalt kann wie folgt definiert werden: „Bei personaler Gewalt beruht die Gewalthandlung - auf zumindest - ungleichen Machtverhältnissen zwischen den Beteiligten, die sich in physischer oder psychischer des oder der Betroffenen ausdrücken“ (Schorb & Theunert, 1984, S. 30; zit. nach Theunert, 1987, S. 71).

Ausgehend von einem Aggressor oder mehreren Aggressoren lässt sich personale Gewalt somit auch als direkte Gewalt formulieren. Wenn eine Schädigung psychisch erfolgt, sind im Wesentlichen Menschen betroffen. Sowohl Beeinträchtigungen in der interpersonalen Beziehung als auch Gewalt gegenüber Tieren und Gegenständen sind im Rahmen der physischen Schädigung inbegriffen (vgl. Theunert, 1984, S. 71).

Nach Pilz (2013, S. 12) bezieht sich die personale Gewalt im Fußball, welche sich psychisch oder physisch zutragen kann, auf Spieler, Schiedsrichter, Trainer oder Zuschauer. Die Abbildung 4 (https://www.wochenblatt.de/news-stream/regensburg/artikel/39390/skandal- in-der-kreisliga-schiedsrichter-angegriffen; Letzter Zugriff am 03.05.2021) veranschaulicht eine Gewaltsituation in der Kreisliga, in welcher der Schiedsrichter von einem Fußballspieler zu Boden geschlagen wurde.

[Die Abbildung wurde aus urheberrechtlichen Gründen von der Redaktion entfernt]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Angriff auf Schiedsrichter in der Kreisliga (2012). Quelle: https://www.wochenblatt.de/news- stream/regensburg/artikel/39390/skandal-in-der-kreisliga-schiedsrichter-angegriffen; Letzter Zugriff am 03.05.2021

3.3.2 Strukturelle Gewalt

Anders sieht es mit der strukturellen Gewalt aus. Diese ist die Folge von gesellschaftlichen Bedingungen wie beispielsweise Ungleichheit, Armut oder auch Unterdrückung (vgl. Tillmann, 2012, S. 11). Da sich die strukturelle Gewalt meist auf eine indirekte Art und Weise zeigt, gibt es keinen unmittelbar festzustellenden Verursacher. Bei dieser Form der Gewalt handelt es sich im Allgemeinen um „gesellschaftlich grundlegende Ordnungssysteme“, die „materielle, soziale und ideelle menschliche Entwicklungen und Lebenszukunft verhindern“. Sie wird legal ausgeübt in Form von Maßnahmen, Erlassen und Gesetzen, die viele Menschen nicht durchschauen“ (Preuschhoff & Preuschhoff, 1992, S. 29 f.).

Im Hinblick auf Lebenschancen sowie Machtverhältnisse in Gestalt von ungerechten Sozialverhältnissen wie beispielsweise fehlender Bildung, schlechten Wohnverhältnissen, Arbeitslosigkeit oder fehlenden hygienischen Standards sowie fehlender medizinischer Versorgung ist strukturelle Gewalt als Ungleichheit sowohl in das wirtschaftliche als auch in das politische System implementiert (vgl. Hügli, 2005, S. 37 f.). Sobald Grundbedürfnisse eines Individuums in Form von Freiheit oder allgemeinem Wohlbefinden Schaden nehmen, besteht nach Galtung Gewalt (vgl. Wahl, 2009, S. 12).

Wird die strukturelle Gewalt auf den Fußballsport projiziert, so stehen vermehrt Diskriminierung und Rassismus bei Sportveranstaltungen im Vordergrund. Anders als bei der personalen Gewalt ist bei der strukturellen Gewalt das Vorhandensein von Opfern und Tätern jedoch nicht gegeben. Die Geschädigten betrachten diese Form von Gewalt im Gegensatz zur personalen Gewalt, welche von den Opfern bewusst wahrgenommen wird, als selbstverständlich sowie der Norm entsprechend, da die strukturelle Gewalt vielmehr in die soziale Struktur eingebettet ist (vgl. Kailitz, 2007, S. 135).

Außerdem werden nach Pilz (2013, S. 12) im Sport Vereins- und Verbandstrukturen der strukturellen Gewalt untergeordnet, von denen unter anderem Vorschriften ausgehen.

3.3.3 Kulturelle Gewalt

Die Form der kulturellen Gewalt führt nicht direkt zu körperlichen Verletzungen oder zum Tod, jedoch ist diese ein Auslöser für Unruhen. Diejenigen Aspekte der Kultur wie beispielsweise Religion und Ideologie, Sprache und Kunst sowie empirische und formale Wissenschaft können dazu verwendet werden, personale (direkte) oder strukturelle (indirekte) Gewalt zu rechtfertigen. Nach Galtung wird die personale und strukturelle Gewalt von der kulturellen Gewalt legitimiert, anderen Individuen gegenüber Gewalt auszuüben (vgl. Kailitz, 2007, S. 35).

Bei Sportveranstaltungen wird kulturelle Gewalt insofern sichtbar, als dass insbesondere die Gruppe der Zuschauer beispielsweise Plakate und Flaggen hochhalten oder verschiedene Lieder singen, die vor allem intolerante Inhalte gegenüber Religion, Hautfarbe beziehungsweise Herkunft oder auch Sexualität enthalten (vgl. Pilz, 2003, S. 4). Diese Beweggründe veranlassen wiederum andere Zuschauer oder auch Spieler und Trainer, dagegen anzugehen, was beispielweise in einer Schlägerei enden könnte, die sich negativ auf das Spiel auswirkt und zu einem Spielabbruch führen kann.

4 Die Zuschauer

Der Fußballsport ist seit Jahrzehnten der Lieblingssport von vielen Europäern und die Zuschauerzahlen bei Fußballspielen steigt daher fortlaufend an. Fußball wird heutzutage auf allen Kontinenten ausgeübt. Aus diesem Grund gibt es keine andere soziale Bewegung, die so viel Popularität erlangt wie der Fußballsport selbst, da dieser mit der Zeit zu einer starken Passion vieler Fans geworden ist (vgl. Giurgi, 2008, S.14).

4.1 Unterscheidung der Zuschauergruppen

Das Regelwerk und die Spielidee des Fußballsports haben einen erheblichen Einfluss auf das Verhalten der Zuschauer, da diese Sportart mit Dynamik, Aggression, Spannung, oder auch Sensationslust verbunden ist (vgl. Pilz, 2015 a, S. 103). Ein Fußballspiel wird im Vergleich zum Profifußball auch im Amateurbereich von diversen Zuschauern besucht. Diese unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Einstellungen in verschiedenen Kategorien. Die friedlichen, harmlosen Fußballfans, welche sich von gewalttätigen Ausschreitungen distanzieren und Gewalt ablehnen, gehören der Kategorie „A-Fans“ an. Die gewaltbereiten Fans wie die Ultras sind in der Kategorie „B-Fans“ wiederzufinden. Zudem gibt es eine weitere Kategorie, die der „C-Fans“. Diese wird von Hooligans verkörpert, die als gewalttätig und erlebnisorientiert beschrieben werden (vgl. Giurgi, 2008, S. 47).

Da Schiedsrichter im Amateurfußball verschiedene Dimensionen von Gewalt erleben, werden im weiteren Verlauf dieser Arbeit die möglichen Auslöser solcher begründet. Zunächst werden daher die beiden Fangruppen der Hooligans und Ultras näher ausgeführt, weil diese eine enorme Gewaltbereitschaft bezüglich Sportveranstaltungen nachweisen. Diese kann sich auch auf die Spieler, Trainer sowie Betreuer übertragen und letztendlich zu regelwidrigen Handlungen in Form von Gewalt gegen den Schiedsrichter führen.

4.1.1 Hooligans

Unter „Hooligans“ werden grundsätzlich junge Männer verstanden, die in Gruppen im Umfeld von Sportveranstaltungen wie Fußballspielen oder anderen Großereignissen zum Vorschein kommen. Prügeleien mit rivalisierenden Gruppen oder auch örtlichen Ordnungskräften gehören zu den grundlegenden Tätigkeiten dieser Kategorie der „C-Fans“ (vgl. Bliesener, 2009, S. 319). Gesellschaftliche Phänomene wie Diskriminierungen, Rassismus, Antisemitismus und Sexismus sind ebenso charakteristisch für diese Fanszene (vgl. Dembowski & Scheidle, 2002, S. 14). Außerdem tritt die Gewalt gegen unbeteiligte Dritte wie beispielsweise Schiedsrichter, die beleidigt oder diskriminiert werden, immer häufigerinErscheinung (vgl. Bliesener, 2009, S. 319).

Ihren Ursprung hat der Hooliganismus in Großbritannien, da eine irische Einwandererfamilie mit dem Namen „Hooligan“ enorm zu Schlägereien neigte, weshalb der Fan-Begriff diesen Namen erhielt. Englische Hooligans traten aufgrund ihrer hohen Gewaltbereitschaft und Unberechenbarkeit besonders in Erscheinung und wurden international zum Vorbild für massive Regelüberschreitungen unter Zuschauern (vgl. Bliesener, 2009, S. 320).

Die Gruppe der Hooligans trägt einen an teuren Markenprodukten orientierten Kleidungsstil, weshalb Jugendliche aufgrund des Kleidungsstils, der sich in teuren Produkten äußert, den Hooligans zugeordnet werden können (vgl. Griurgi, 2008, S. 20).

Die nahezu bedingungslose Identifikation mit dem eigenen Verein und der eigenen Mannschaft als Vertreter der Eigengruppe ist ein wesentlicher Bestandteil dieser Fankultur. Zudem werden aufgrund dieser Identifikation dauerhaft gegnerische Mannschaften und Vereine sowie ihre Spieler Anhänger als Vertreter einer Fremdgruppe abgelehnt. Insbesondere während des Fußballspiels versuchen Hooligans, die gegnerischen Spieler und ihre Anhänger beispielsweise durch Fangesänge, Rufe sowie Bildsymbole zu provozieren. Da häufig auch ausländische Spieler Mannschaften angehören, sind verstärkt auch verbale Angriffe besonders mit diskriminierenden und rassistischen Inhalten, wie beispielsweise Affenlaute, zu hören und physische Attacken gegen ausländische Spieler festzustellen (vgl. Bliesener, 2009, S. 322).

Im Vergleich zu der Fanszene der Ultras gehen die Hooligans, um sich aggressiv zu verhalten, absichtlich zu Fußballspielen (vgl. Kübert & Neumann, 1994, S. 32). Bei den Hooligans steht die bewusste Absprache von Prügeleien im Vordergrund, bei denen diese in einer ähnlich großen Gruppe wie die der Gegner auftreten. Die Gewalttaten einer solchen Gruppe stehen nicht in Verbindung mit dem Spielgeschehen. Charakteristisch für die Hooligans ist, dass diese insbesondere die körperlichen Konfrontationen suchen, weshalb ein erheblicher Teil der Gruppe Kampfsport betreibt und häufig keinen Alkohol konsumiert, um körperlich in Form zu bleiben (vgl. Giurgi, 2008, S. 56).

Da in den letzten Jahren die Zahlen der Gewalttätigkeiten angestiegen sind, stellt die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) jährlich Berichte von Strafverfahren zusammen. In dem Jahresbericht der Saison 2018/2019 wird dargestellt, dass in 1.530 Regionalligaspielen von den einsatzführenden Polizeibehörden 396 Strafverfahren eingeleitet wurden (vgl. https://lzpd.polizei.nrw/sites/default/files/2019-10/ZIS- Jahresbericht%202018-2019.pdf, S. 27; Letzter Zugriff am 03.05.2021). Würde dies rein rechnerisch betrachtet werden, käme es damit in dem Umfeld eines etwa jeden vierten Fußballspiels der männlichen Regionalliga zu einer strafrechtlich relevanten Handlung.

4.1.2 Ultras

In der Bundesrepublik Deutschland entwickelte sich in den 1990er Jahren die Fangruppe der Ultras, da sich die deutschen Fans von den französischen, italienischen und spanischen Ultras inspirieren ließen. Charakteristisch sind beispielweise die Choreografien, Schwenkfahnen, Gesänge sowie Kurvenshows. Ultras tragen im Vergleich zu den Hooligans den gleichen Kleidungsstil mit dunklen Farben und sportlichem Design mit ebenso übereinstimmenden Marken. Zu der typischen Kleidung zählen beispielsweise Turnschuhe von New Balance, Pullover von Umbro, Jacken von Stone-Island oder Lonsdale-Harrington, Mützen von Burberry, Parker, Tarnjacken sowie Armeehosen. Die Gruppe der Ultras grenzt sich insofern von den anderen ab, dass sie ihre eigene Kollektion mit dem Schriftzug oder Logo tragen. Außerdem wird mit einem Pin oder Schal die Zugehörigkeit ausgedrückt (vgl. Giurgi, 2008, S. 50 f.).

Im Vergleich zu den Hooligans kommt es bei der Gruppe der Ultras unabhängig vom Spielgeschehen nicht zu Prügeleien. Der enorme Konsum von Alkohol ist stärker bei den Ultras vorzufinden als bei den Hooligans. Diese werden niemals alleine gewalttätig und provozieren Stress, da sie immer in der Gruppe auftreten. Überdies ist die Größe der Gruppe im Falle einer Auseinandersetzung mit anderen Gruppen nicht von Belangen. Insbesondere bei Unzufriedenheit mit den Entscheidungen des Schiedsrichters, Provokationen anderer Gruppen in Bezug auf das Spielgeschehen sowie aufgrund von Bedrohungen der Polizei wird die Fanszene der Ultras gewalttätig. Die Tätlichkeiten äußern sich hauptsächlich in Form der psychischen Gewalt wie beispielsweise verbale Provokationen, Erniedrigungen oderBeleidigungen (vgl. Giurgi, 2008, S. 56).

Abbildung 5 (https://www.allgemeine-zeitung.de/sport/fussball/mainz/gewalt-aus- tradition-hohes-konfliktpotenzial-in-den-fan-reihen-der-fussball-regionalliga_18073514; Letzter Zugriff am 03.05.2021) verdeutlicht die Bereitschaft der Gewalttätigkeiten von Ultras.

[Die Abbildung wurde aus urheberrechtlichen Gründen von der Redaktion entfernt]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Ultras randalieren im Regionalligaspiel (2017). Quelle: https://www.allgemeine- zeitung.de/sport/fussball/mainz/gewalt-aus-tradition-hohes-konfliktpotenzial-in-den-fan-reihen-der-fussball- regionalliga_18073514 ; LetzterZugriff am 03.05.2021

Somit lässt sich festhalten, dass Hooligans das Fußballspiel lediglich als Anlass nutzen, um ihre Gewaltbereitschaft gegenüber anderen zu demonstrieren sowie ausüben zu können. Das Spielgeschehen an sich hat für diese weniger Relevanz. Außerdem reagieren sie mit ihren Taten auch nicht auf das Spiel, weshalb diese für den Schiedsrichter eine kleinere Bedrohung darstellen sollten. Ausnahmen sind aber dennoch möglich, wenn sich aufgrund von bestimmten Geschehnissen wie beispielsweise einem Spielabbruch durch den Schiedsrichter aufgrund von aggressivem Verhalten der Zuschauer untereinander auch die Gewaltbereitschaft der Hooligans auf den Schiedsrichter konzentriert. Ultras hingegen beschäftigen sich mit dem Fußballspiel und reagieren auf den Spielverlauf. Diese sind leidenschaftliche Anhänger ihrer Mannschaft und reagieren oftmals mit großer Unzufriedenheit auf Niederlagen oder vermeintliche Fehlentscheidungen des Schiedsrichters, weshalb von solch einer Gruppe durchaus eine Bedrohung für den Schiedsrichter ausgehen kann.

4.2 Zuschauerverhalten

Nach dem Erleben von Fußballspielen steigt im Allgemeinen die Bereitschaft zu aggressiven Handlungen an. Insbesondere bei Spielen, die von Hektik geprägt sind und in denen zahlreiche Fouls ausgespielt werden, welche sich in einer gelben oder roten Karte äußern können, nimmt die Gewaltbereitschaft der Zuschauer bedeutend zu. Demnach führt die Gewalt auf dem Spielfeld zu einer höheren Emotionalität und Gewaltbereitschaft der Zuschauer. Bejubelt, verharmlost und damit verstärkt werden die Fouls der eigenen Mannschaft, im Gegenzug werden Fouls der gegnerischen Mannschaft dramatisiert (vgl. Pilz, 2013, S. 78).

Vor allem tragen bei Fußballspielen die Schiedsrichterentscheidungen dazu bei, dass es unter den Zuschauern zu Ausschreitungen kommt. Die Zuschauer werden häufig gegen den Schiedsrichter aufgebracht, da aufgrund des gestenhaften Verhaltens der Spieler wie beispielsweise Schwalben bei den Zuschauern Emotionen entstehen, die sich in Form von Beleidigungen sowohl gegenüber dem Spieler der gegnerischen Mannschaft als auch dem Schiedsrichter äußern können (vgl. Pilz, 2013, S. 79).

5 Gewalt im Amateurfußball

Im Amateurfußballbereich stehen anders als im Profifußball nicht lediglich die Fangruppen der Hooligans und Ultras im Fokus der Gewalt, sondern insbesondere die Spieler, Betreuer und auch die verschiedenen Fanszenen, die diese Gewalthandlungen ausüben. Vor allem die Spieler stehen mit einem Anteil von 57,6 Prozent an der Spitze der Gewalttaten im Amateurbereich, was bedeutet, dass über die Hälfte der gewalttätigen Handlungen auf die Spieler der deutschlandweiten Kreisligen sowie Kreisklassen zurückzuführen sind. Gefolgt werden die Spieler von den Zuschauern mit 23,3 Prozent und den Betreuern mit 17,4 Prozent. Die Spieler sind jedoch nicht lediglich die Haupttäter der Gewalt im Amateurfußballbereich, denn mit 49,7 Prozent sind diese auch gleichzeitig die häufigsten Opfer der Gewalt. Neben den Spielern sind besonders die Schiedsrichter mit 39,6 Prozent vermehrt von psychischer und physischer Gewalt betroffen (vgl. Pilz, 2015 b, S. 10).

Im Folgenden werden alle bisherigen empirischen Befunde in Bezug auf die Gewalthandlungen gegenüber Schiedsrichtern im Amateurfußballbereich aufgeführt und erläutert werden.

5.1 Abweichendes Verhalten

Das abweichende Verhalten im Fußball äußert sich grundsätzlich in Form von Regelverletzungen. Dies bedeutet, dass gegen institutionelle Erwartungen verstoßen wird oder kollektive Normen verletzt werden. Auch die unterschiedlichen Dimensionen der Gewalt gegen Schiedsrichter im Fußball können als ein Bereich abweichenden Verhaltens vor, während und nach dem Spiel bezeichnet werden. Diese gelten im Allgemeinen als illegal oder illegitim. Der Verstoß gegen das Regelwerk der jeweiligen Sportart oder das Strafgesetzbuch gilt als illegal. Illegitime Handlungen sind solche, die gegen geltende ethnische und moralische Auffassungen verstoßen. Somit verhält sich jene Person abweichend, die den Schiedsrichter verbal in Form von Worten beziehungsweise non-verbal in Form von Gesten beleidigt oder physisch angreift (vgl. Rullang, Emrich & Pierdzioch, 2015, S. 47f.).

Um eine spielbezogene Handlung als abweichend zu beurteilen, muss diese immer im sportsituativen Kontext betrachtet werden. Im Fußballsport wäre beispielsweise ein Schlag ins Gesicht wie es im Boxen dem Regelwerk entspricht ein aggressives, unsportliches sowie gewalttätiges Verhalten. Da der Fußball ein körperbetontes Kampfspiel ist, bei dem aggressives Verhalten im Verlauf des Spiels dazugehört, erfährt der tätige Spieler keine Bestrafung, solange dieser die institutionalisierten Werte und Normen nicht verletzt. Werden jedoch die Normen und Regeln missachtet, stuft der Schiedsrichter dieses als abweichendes Verhalten ein und die Folge wäre eine Bestrafung des Spielers. Diese Handlung wirkt sich meist negativ auf die parteilichen Zuschauer aus, da deren Erwartungen enttäuscht werden (vgl. Rullang, Emrich & Pierdzioch, 2015, S. 49 f.).

Auch der Trainer kann seine Mannschaft dazu verleiten, sich im Spiel aggressiv zu verhalten, da dieser unmittelbar vor dem Spiel oder in der Halbzeitpause seine Spieler zu Regelwidrigkeiten anstacheln könnte. Dieses unsportliche Verhalten des Trainers wird demnach als sozial abweichend bezeichnet (vgl. Rullang, Emrich & Pierdzioch, 2015, S. 48).

Darüber hinaus kann es ebenso außerhalb des Spielgeschehens zu gewalttätigen Handlungen kommen. Diese entstehen oftmals aufgrund von Auseinandersetzungen innerhalb einer Personengruppe oder zwischen den unterschiedlichen Gruppen. Zu den verschiedenen Personengruppen zählen beispielsweise Zuschauer, Trainer, Betreuer oder auch Eltern. Ausschreitungen der Fangruppen, die im Umfeld der Sportveranstaltung stattfinden, sind somit kein direkter Teil des sportlichen Geschehens. Der Schiedsrichter hat gegenüber den Zuschauern keine Sanktions- beziehungsweise Regulierungsmöglichkeiten, sofern die Zuschauer nicht die Sicherheit der Beteiligten gefährden, was eine Unterbrechung oder einen Abbruch des Spiels als Folge hat (vgl. Rullang, Emrich & Pierdzioch, 2015, S. 50).

5.2 Gewalt gegenüber Schiedsrichtern

Deutschlandweit finden jedes Wochenende rund 80.000 Spiele im Amateurfußballbereich statt. Die Mehrheit der Spiele verlaufen friedlich sowie fair. Laut einer Auswertung der Online-Spielberichte der Schiedsrichter wurden jedoch fünf von 10.000 Spielen aufgrund von Diskriminierung oder Gewalt abgebrochen. Würde dies auf die 80.000 Spiele hochgerechnet werden, wären das 40 abgebrochene Spiele an jedem Wochenende (vgl. Schultjans, 2018, https://www.stem.de/sport/fussball/gewalt-im-amateurfussball-bleibt-ein- problem-8358840.html; Letzter Zugriff am 03.05.2021).

Oftmals sind die Schiedsrichter selbst Opfer von Gewalt, was ebenfalls in einer Befragung belegt wird, die von Adrian Siegel im Rahmen seiner Masterarbeit durchgeführt wurde. Von 915 befragten Schiedsrichtern gaben 62 % an, dass ihnen schon einmal Gewalt angedroht wurde. Werden diese Zahlen als Grundlage genommen, bedeutet dies, dass im Durchschnitt deutlich mehr alsjedem zweiten Schiedsrichter Gewalt angedroht wird. Hinzu kommt, dass mehr als ein Viertel der Befragten angaben, bereits selbst Opfer von gewalttätigen Handlungen gewesen zu sein (vgl. Schulz, Teevs & Heier, 2016, https://www.spiegel.de/sport/fussball/gewalt-gegen-schiedsrichter-schiri-du-arschloch-a- 1109141.html; Letzter Zugriff am 03.05.2021).

Mit Maßnahmen wie Boykotten oder Brandreden versuchen die Schiedsrichter, diesen gewalttätigen Handlungen entgegenzuwirken. Auch der Deutsche Fußball-Bund versucht, die Gewalttaten aufgrund von Geldstrafen oder Sperren zu mindern. Diese Maßnahmen haben jedoch eine kurzfristige Wirkung und geraten bis zu dem nächsten Spieltag in Vergessenheit. Eine mögliche Folge ist dementsprechend das Einstellen der Profession, wovon insbesondere Jungschiedsrichter betroffen sind. Außerdem legen viele der neu ausgebildeten Schiedsrichter bereits in den ersten Jahren ihre Tätigkeit nieder (vgl. Schulz, Teevs & Heier, 2016, https://www.spiegel.de/sport/fussball/gewalt-gegen-schiedsrichter- schiri-du-arschloch-a-1109141.html; Letzter Zugriff am 03.05.2021).

Um weitere Informationen zu möglichen Problemlagen im Fußballsport zu erlangen, fand zum Thema Gewalt im Fußball eine Befragung von Funktionsträgern aus 16 Fußballkreisen des Fußball-Verbandes Mittelrhein statt. Diesbezüglich wurden 63 Interviews mit 62 Fragen, wovon zehn Fragen an die Schiedsrichter gestellt wurden, getätigt (vgl. Rullang, Emrich & Pierdzioch, 2015, S. 50).

Ein wesentlicher Einflussfaktor für Konfliktsituationen seien laut den Befragten die Entscheidungen des Schiedsrichters, die als Grund für gewalttätige Handlungen gesehen werden. Der allgemeine Ausbildungsstand der Schiedsrichter wird von den Befragten als gut bezeichnet. Im Bereich der Deeskalationsmethoden jedoch werden Defizite festgestellt. Aussagen darüber, wie oft aggressives oder gewalttätiges Verhalten gegen Schiedsrichter erfolgt, werden nicht getroffen (vgl. Rullang, Emrich & Pierdzioch, 2015. S. 50 f.).

In einer anderen Studie wurden insgesamt 2.602 Schiedsrichter des Württembergischen Fußballverbandes bezüglich der Gewaltvorkommnisse und was aus der Sicht der Schiedsrichter geändert werden müsse, interviewt. Ein Großteil der befragten Schiedsrichter (42,7 %) hat während ihrer Tätigkeit selten beziehungsweise noch nie (41,7 %) Unwohlsein verspürt. Häufig (1,9 %) oder fast immer (1,4 %) haben nur wenige Schiedsrichter ein unwohles Gefühl während ihrer Tätigkeit auf dem Platz. Zudem wurde das Sicherheitsgefühl der Schiedsrichter untersucht. Die Mehrheit der Befragten (72,2 %) fühlen sich immer beziehungsweise fast immer auf dem Sportplatz sicher. Über Unsicherheit klagen lediglich 0,9 % der Schiedsrichter (vgl. Rullang, Emrich & Pierdzioch, 2015, S. 51).

Überdies wurden die Befragten zu ihren Erfahrungen bezüglich Beleidigungen und Bedrohungen interviewt. 13,4 % der Schiedsrichter wurden noch nie während ihrer Tätigkeit beleidigt. Fast immer (3,3 %) oder oft (12,0 %) erfuhren die befragten Schiedsrichter beleidigende Äußerungen. Mehr als die Hälfte (61,6 %) gaben an, noch nie bedroht worden zu sein. Selten bedroht wurden hingegen 29,8 % der Schiedsrichter. 8,4 % gaben an, manchmal Bedrohungen erfahren zu haben. Nur 0,7 % der Schiedsrichter wurden häufig bedroht (vgl. Rullang, Emrich & Pierdzioch, 2015, S. 51).

Weiterhin wurden die Schiedsrichter befragt, ob diese tätliche Angriffe erfahren haben. Ein Großteil der Befragten (82,7 %) wurde bisher kein Geschädigter von tätlichen Attacken. Ganze 12,6 % gaben an, bereits einmal tätlich angegriffen worden zu sein. Lediglich 4,7 % erfuhren des Öfteren einen tätlichen Angriff (vgl. Rullang, Emrich & Pierdzioch, 2015, S. 51).

Da die Bedrohung und Gewalterfahrung unterschiedlich operationalisiert wurde, wurden diese in Abstufungsformen der Opferwerdung kategorisiert. Die Mehrheit der Befragten (58,7 %) waren dementsprechend gänzlich unbelastet, 24,0 % wurden mindestens einmal bedroht. Mindestens einen tätlichen Angriff erfuhren 2,4 % der Schiedsrichter. Ganze 15 % der Befragten wurden während ihrer Tätigkeit als Schiedsrichter bedroht und tätlich angegriffen (vgl. Rullang, Emrich & Pierdzioch, 2015, S. 51)

Deutlich wird, dass solange der Grad der Opferwerdung zunimmt, das Sicherheitsgefühl der betroffenen Schiedsrichter abnimmt. Insgesamt 90 % aller Befragten gaben an, sich während ihrer Tätigkeit immer auf dem Sportplatz sicher zu fühlen. Im Vergleich zu den gänzlich unbelasteten Schiedsrichtern wiesen diejenigen, die sich ständig sicher fühlen, ein höheres Sicherheitsempfinden auf (vgl. Rullang, Emrich & Pierdzioch, 2015, S. 51).

5.3 Gewaltprävention

Um der Gewalt im Amateurfußball entgegenzuwirken, entwickelte der Deutsche Fußball­Bund ein Gewaltpräventionskonzept, welches in Abbildung 6 dargestellt wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: Gewaltpräventionskonzept (2014). Quelle: https://www.dfb.de/fair-playgewaltpraevention/start/; Letzter Zugriff am03.05.2021

Das Konzept des Deutschen Fußball-Bundes basiert grundsätzlich auf der Verankerung der Präventionsmaßnahmen im Verband selber. Damit wird eine Grundlage geschaffen, auf der drei verschiedene Bausteine beruhen, die allesamt zur Gewaltprävention beitragen sollen. Im Hinblick auf die Schaffung einer Handlungsbasis gilt es, entsprechende Methoden zur Vorbeugung von Gewalt in die Satzungen des Deutschen Fußball-Bundes einzupflegen, Mitglieder der Führungsriege mit der Verantwortung für die Umsetzung zu betrauen sowie Gremien und Ansprechpartner für die Vereine und Verbände zu schaffen, die bei der Umsetzung Unterstützung bieten können. Der erste Baustein umfasst im Wesentlichen die aktive Stärkung des Fairplay. Dazu gehören unter anderem die Anerkennung von fairem Verhalten der Spieler, die Ausrichtung von Fairplay-Tagen und Etablierung einer Fairplay- Liga. Zudem gilt es, die Erkennung von Gewaltpotentialen zu fördern. Diesbezüglich sollen entsprechende Instrumente entwickelt, Beratung und Begleitung ermöglicht werden. Darüber hinaus sollen Sicherheitskonzepte verbessert werden. Zuletzt müssen gewaltbezogene Geschehnisse, die bereits stattgefunden haben, entsprechend aufgearbeitet werden. Dies umfasst zum einen Sanktionsmaßnahmen durch das Sportgericht, zum anderen aber auch das Coaching von Vereinen hinsichtlich der Reaktion auf Gewalthandlungen.

6 Methodik der qualitativen Inhaltsanalyse

Sich veränderte Ansprüche der Forschung in den letzten Jahrzehnten wirken sich auf die Entwicklung der Methoden aus. Die quantitative Forschung gewinnt fortlaufend an Komplexität durch frequentiertes und standardisiertes Datenmaterial. In der qualitativen Forschung oder auch Content Analysis steigt der Anspruch an solche Methoden an, welche sich individuell auf den Befragten fokussieren und damit auch Raum für Interpretation und die Konstruktion von Sinnstrukturen bieten (vgl. Mayring, 2007, S. 9). Nach Lisch und Kriz (1978, S. 44) wird die qualitative Inhaltsanalyse definiert alsversuchte Rekonstruktion eines (umfassenden) sozialen Prozesses“ und als „das zentrale Modell zur Erfassung (bzw. Konstituierung) sozialwissenschaftlicher Realität“. Das zu interpretierende Material ist in protokollierender Form vorhanden. Das analytische Vorgehen verfährt nach gewissen Regeln beziehungsweise Standards und bietet Außenstehenden somit eine wirksamere Prüfbarkeit und Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse (vgl. Mayring, 2007, S. 12). In der Forschung ist die Inhaltsanalyse als gut fundierte sowie umfangreiche Methode zum Verwerten von Sprachmaterial geläufig (vgl. Mayring, 2007, S. 24).

Die qualitative Inhaltsanalyse wird mit einer spezifisch formulierten Fragestellung und mit dem Ziel vollzogen, Kommunikation systematisch zu analysieren (vgl. Mayring, 2007, S. 9). Außerdem betiteln Mayring und Gläser-Zikuda (2008, S. 9) die Methodik der qualitativen Inhaltsanalyse auch als „Instrument zur Erhebung sozialer Wirklichkeit“. Aufgrund der Methodik der qualitativen Inhaltsanalyse werden in der Forschung wesentliche Zugänge geschaffen. Mithilfe dieser Inhaltsanalyse wird für die weitere Untersuchung eigens generiertes Schriftmaterial einerseits und Schriftmaterial aus den Interviews sowie Beobachtungen andererseits verwendet (vgl. Mayring & Hurst, 2017, S. 494 f.). Die qualitative Inhaltsanalyse verfügt über ein großes Spektrum möglicher Anwendungen und wird gegenüber Methoden der empirischen Forschung häufig unterschätzt (vgl. Früh, 2015, S. 15). Eine solche Inhaltsanalyse ermöglicht je nach Forschungsinteresse im Kontext diverser Modelle eine methodisch fundierte Beobachtung des zu untersuchenden Objekts aus verschiedenen Sichtweisen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 123 Seiten

Details

Titel
Gewalterfahrungen von Schiedsrichtern im Amateurfußballbereich
Untertitel
Eine empirische Analyse
Hochschule
Universität Vechta; früher Hochschule Vechta
Note
1,8
Autor
Jahr
2021
Seiten
123
Katalognummer
V1154069
ISBN (eBook)
9783346547422
ISBN (Buch)
9783346547439
Sprache
Deutsch
Schlagworte
gewalterfahrungen, schiedsrichtern, amateurfußballbereich, eine, analyse
Arbeit zitieren
Mareike Schröder (Autor:in), 2021, Gewalterfahrungen von Schiedsrichtern im Amateurfußballbereich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1154069

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