Figur-Grund- und Raum-Lage-Wahrnehmung von Kindern. Individuelle Förderung anhand eines Fallbeispiels


Hausarbeit, 2021

24 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Visuelle Wahrnehmung
2.1.1 Aufgaben und Funktionen der visuellen Wahrnehmung
2.1.2 Störungen, Förderung und Therapie
2.2 Figur-Grund- und Raum-Lage-Wahrnehmung
2.2.1 Figur-Grund-Wahrnehmung
2.2.2 Raum-Lage-Erkennung
2.3 Diagnose und Förderung
2.3.1 Frostig Testverfahren
2.3.2 Fördermöglichkeiten in Alltag und Schule

3. Förderung
3.1 Vorstellung des Fallbeispiels
3.2 Beobachtungsphase
3.3 Ziel der Förderung
3.4 Durchführung

4. Ergebnisse der Förderung

5. Diskussion und Fazit

1. Einleitung

Visuelle Wahrnehmungsbeeinträchtigungen sind als Unvermögen zu kennzeichnen, die Bedeutung visueller Reize in altersentsprechender Weise zu verstehen, zu deuten und zu speichern (Schlack / Vogt, 82 in Merkens 1983, 6).

Das Thema Visuelle Wahrnehmung hat mich, vor allem durch meine eigene Betroffenheit im Grundschulalter, im Kontext dieses Seminars am meisten interessiert und gefesselt. Deshalb war schnell klar, dass ich mich auch im Rahmen dieser individuellen Förderung gerne tiefer mit der Thematik befassen wollte. In diesem Bericht liegt der Fokus daher auf der visuellen Wahrnehmung, genauer gesagt auf zwei ihrer Teilbereiche. Dazu sollen verschiedene Fragen beleuchtet und beantwortet werden: Was ist visuelle Wahrnehmung ? Welche Teilbereiche gibt es ? Was sind ihre Aufgaben und Funktionen ? Welche Störungen können auftreten und wie lassen sich diese am besten behandeln ?

Visuelle Beeinträchtigungen können sowohl den Alltag als auch die schulischen Leistungen eines Kindes stark behindern und werden in vielen Fällen nicht bedacht. Stattdessen werden sie oft einer verminderten Intelligenz oder einer unzureichenden Sehleistung zugeschrieben, wodurch sie über Jahre unentdeckt und unbehandelt bleiben und die Kinder damit durch ihre gesamte Schullaufbahn begleiten. Für das vorliegende Fallbeispiel sollte dies daher möglichst verhindert werden. Der folgende Bericht verdeutlicht zudem mögliche Anzeichen bestimmter visueller Wahrnehmungsstörungen und Chancen zur Förderung.

Dazu geht es zunächst um den theoretischen Hintergrund zur visuellen Wahrnehmung, möglichen Störungen und Fördermöglichkeiten, welcher als wissenschaftliche Basis für die spätere Förderung dienen soll. Im dritten Kapitel wird dann das Fallbeispiel vorgestellt. Beobachtungen, Ziele und Durchführung der Förderung werden beschrieben. Im vierten Kapitel werden die Ergebnisse der Förderung vorgestellt und im fünften und letzten Kapitel folgt schließlich die Diskussion der Ergebnisse und das abschließende Fazit.

2. Theoretischer Hintergrund

Dieses Kapitel soll als Grundlage für das hier behandelte Fallbeispiel und die darin erkannten Förderpotentiale dienen. Zunächst wird daher der Begriff der visuellen Wahrnehmung vorgestellt, um den es schwerpunktmäßig in dieser Arbeit gehen soll. Dazu gehören ihre Aufgaben, Funktionen und mögliche Störungen, Förderung und Therapien. Danach werden zwei konkrete Bereiche der visuellen Wahrnehmung beleuchtet, in welchen das Kind aus dem zugrundeliegenden Fallbeispiel Förderbedarf zeigte und auf welche sich die ausgewählten Fördermaßnahmen bezogen. Dies sind zum einen das Erkennen der Lage im Raum und zum anderen die Figur-Grund-Wahrnehmung.

2.1 Visuelle Wahrnehmung

2.1.1 Aufgaben und Funktionen der visuellen Wahrnehmung

Unter visueller Wahrnehmung versteht sich allgemein die Fähigkeit, Reize zu erkennen und zu unterscheiden (Merkens, 1983). Das visuelle System verwandelt Bilder, die auf die Netzhaut treffen in mentale Bilder und ergänzt, wenn nötig, auch fehlende Informationen (Rosenkötter, 2012). Darüber hinaus wird die visuelle Wahrnehmung immer auch eingesetzt, um neue Fertigkeiten zu erwerben, insbesondere auch im Grundschulbereich (vgl. ebd.). Die visuelle Perspektive entwickelt sich schon ausgesprochen früh. Bereits mit ca. 4 Monaten ist ein Säugling in der Lage, verschiedene Lichtstärken voneinander zu unterscheiden (vgl. ebd.). Im Alter von 8-12 Monaten entwickelt sich dann die sogenannte Objektpermanenz, also die Fähigkeit, gerade nicht sichtbare Objekte oder Personen dennoch als existent wahrnehmen zu können und nach ihnen zu suchen. Dabei handelt es sich um eine kognitiv sehr anspruchsvolle Leistung, die über das bloße Wahrnehmen hinausgeht (vgl. ebd.). Zwischen dem 1. und 2. Lebensjahr entstehen dann bei Kindern verschiedene visuelle Verhaltensweisen. Laut Oskar Lockowandt erreicht die visuelle Wahrnehmungsfähigkeit schließlich zwischen dem 4. und 8. Lebensjahr ihren Höhepunkt, abhängig von Kindergartenerfahrungen und Zeitpunkt der Einschulung (Merkens, 1983).

2.1.2 Störungen, Förderung und Therapie

Als visuelle Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (VVWS) bezeichnet man eine „Störung neuronaler Prozesse” (Rosenkötter, 2012, 110). Diese tritt häufig in Form einer Teilleistungsstörung bzw. „umschriebenen Entwicklungsstörung” auf (ebd., 110). Das Kind zeigt dann keine verminderte Intelligenz oder Sehbehinderung, sondern hat die betreffende Wahrnehmungsleistung einfach unzureichend oder nicht altersgemäß erlernt (vgl. ebd.). In seltenen Fällen sind auch neurologische Erkrankungen, frühkindliche Hirnschädigungen (zB. Zerebralparese), ein Hirntumor oder eine geistige Behinderung als Ursache für visuelle Wahrnehmungsstörungen zu finden (vgl. ebd.). Darüber hinaus sind jedoch ebenfalls eine unzureichende Deutung oder Speicherung der Bedeutung visueller Reize, sensorische Beeinträchtigungen oder ein bloßer Mangel an Erfahrung im entsprechenden Bereich denkbar (Merkens, 1983).

Der Behandlung visueller Wahrnehmungsstörungen sollte in jedem Fall eine augenärztliche Untersuchung vorausgehen, um Sehfehler als Ursache auszuschließen. Je nach Ausmaß und Form der Störung kann dann die Behandlung pädagogisch oder ergotherapeutisch erfolgen (Rosenkötter, 2012). Das Ziel ist in beiden Fällen eine Verbesserung von alltäglichen Funktionen. Darüber hinaus hat sich ein Testverfahren etabliert, mit deren Hilfe sich Hinweise auf Störungen erkennen lassen, um anschließend geeignete Fördermöglichkeiten zu erarbeiten. Die Rede ist vom Developmental Test of Visual Perception (DTVP), im deutschsprachigen Raum als Frostigs Entwicklungstest der visuellen Wahrnehmung bekannt, welcher bereits in den 1960er Jahren von der Österreicherin Marianne Frostig entwickelt wurde (Werpup, 2015). Ihre Überlegungen dienen gleichzeitig als Orientierung für die in diesem Bericht beschriebene Förderung und werden daher im folgenden Unterkapitel nochmal genauer beleuchtet. Es sei zunächst gesagt, dass die Förderung der visuellen Wahrnehmung immer mehrere Teilfunktionen gleichzeitig erfasst, die sich gegenseitig verstärken und überschneiden (Rosenkötter, 2012). Die Auswirkungen der Frostig Therapie auf einzelne Teilbereiche lassen sich daher schwer nachweisen und sollen nur als Richtwert dienen.

In einer Untersuchung von Lina Werpup aus dem Jahre 2015 zeigten motorisch ähnlich auffällige Kinder Probleme in mehreren bzw. unterschiedlichen Teilbereichen des Frostig Programms. 38 % der Kinder hatten Schwierigkeiten mit dem Abzeichnen, 24% mit der Formkonstanz, 19 % mit dem Gestaltschließen und 14% von ihnen mit der Figur-Grund­Unterscheidung (Werpup, 2015). Eine Differenzierung bzw. Präzisierung des Begriffs „Visuelle Wahrnehmungsstörung” scheint in diesem Kontext also angemessen, da ganz unterschiedliche Bereiche, auch zur gleichen Zeit, betroffen sein können (Werpup, 2015).

2.2 Figur-Grund- und Raum-Lage-Wahrnehmung

2.2.1 Figur-Grund-Wahrnehmung

Ein Teilbereich der visuellen Wahrnehmung ist die Figur-Grund-Unterscheidung. Damit gemeint ist die Fähigkeit, Gegenstände oder Formen auf einem anders strukturierten Untergrund identifizieren zu können (Kohlweihs, 2011). Im Alltag der Kinder könnte dies zB. das Wiederfinden eines Spielzeugs auf einem bunten Teppich oder in einer gefüllten Kiste sein, aber auch das Finden von bestimmten Wörtern oder einzelnen Buchstaben in einem Text oder einem Tafelbild (vgl. ebd.). Außerdem beschreibt die Figur-Grund-Wahrnehmung das gezielte Konzentrieren auf einen einzelnen Reiz, während andere dabei ausgeblendet werden (vgl. ebd.). Diesen Reiz, auf den wir uns konzentrieren, können wir bewusst wählen. Gleichzeitig ist das auch die Voraussetzung für viele schulisch relevante Tätigkeiten, wie schreiben, lesen und rechnen (vgl. ebd.). Kinder mit gestörter Figur-Grund-Wahrnehmung haben in der Schule zB. Probleme damit, Zahlen, Wörter oder Formen auf einem unruhigen Hintergrund (Tafel, Arbeitsblatt) zu finden (Kohlweis, 2011). Sie brauchen dann länger für gewisse Tätigkeiten und wirken unkonzentriert. Auch kommt es vor, dass Zahlen oder Buchstaben falsch geschrieben werden (vgl. ebd.).

2.2.2 Raum-Lage-Erkennung

Ein weiterer Teilbereich ist die Raum-Lage-Erkennung. Damit gemeint ist die Wahrnehmung der Beziehung des eigenen Körpers zu anderen Körpern oder Gegenständen im Raum (Kohlweis, 2011). Man selbst sieht sich immer als Mittelpunkt seiner Umwelt und beschreibt die Lage anderer Personen oder Dinge in Relation zu sich selbst, durch Begriffe wie links, rechts, hinter, vor, über oder unter (vgl. ebd.). Kinder mit gestörter Raum-Lage-Wahrnehmung haben Probleme mit diesen Unterscheidungen und verwechseln diese Raumbegriffe oder können sie bei Anweisung nicht richtig umsetzen. Im schulischen Bereich zeigt sich diese Störung auch durch vertauschen der Ziffern bei zweistelligen Zahlen oder durch gespiegeltes Schreiben von Zahlen, Buchstaben oder ganzen Wörtern (vgl. ebd.).

2.3 Diagnose und Förderung

2.3.1 Frostig Testverfahren

Marianne Frostig hatte bereits Mitte des 20. Jahrhunderts die Theorie, dass Lernstörungen bei Kindern immer im Zusammenhang mit einer gestörten (visuellen) Wahrnehmungsleistung stehen (Werpup, 2015). Daraufhin entwickelte sie den Developmental Test of Visual Perception (DTPVP) zur standardisierten Erfassung und Vergleichsmöglichkeit der visuellen Wahrnehmungsleistung bei Kindern im Alter von 4 bis 9 Jahren (vgl. ebd.). Dieser wurde von Hammill et al. In den frühen 1990er Jahren überarbeitet und von Büttner et al. im Jahre 2008 schließlich ins Deutsche übersetzt (vgl. ebd.).

Frostig nimmt folgende Unterscheidung der visuellen Wahrnehmung in fünf Teilbereiche vor:

[...]

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Details

Titel
Figur-Grund- und Raum-Lage-Wahrnehmung von Kindern. Individuelle Förderung anhand eines Fallbeispiels
Hochschule
Bergische Universität Wuppertal
Note
1,3
Autor
Jahr
2021
Seiten
24
Katalognummer
V1158665
ISBN (eBook)
9783346566584
ISBN (Buch)
9783346566591
Sprache
Deutsch
Schlagworte
figur-grund-, raum-lage-wahrnehmung, kindern, individuelle, förderung, fallbeispiels
Arbeit zitieren
Madeline Voß (Autor:in), 2021, Figur-Grund- und Raum-Lage-Wahrnehmung von Kindern. Individuelle Förderung anhand eines Fallbeispiels, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1158665

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