Demokratische Willensbildung bei Jürgen Habermas und Axel Honneth. Ein Vergleich zweier Ansätze zeitgenössischer kritischer Theorie


Bachelorarbeit, 2021

37 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung
Kontext: Kritische Theorie
Methodik und Aufbau

Jürgen Habermas` Demokratietheorie in Faktizität und Geltung
Instrumentelle und kommunikative Vernunft
Kommunikation & Diskurs
Habermas` Gesellschaftsbild: System und Lebenswelt
Diskursive Erschließung der Demokratie
Deliberative Demokratie
Macht und Rechtsstaat

Axel Honneths Konzept demokratischer Sittlichkeit in Das Recht der Freiheit
Kampf um Anerkennung als Modus
Recht der Freiheit
Sittlichkeit als Ideal sozialer Freiheit und Demokratie
Von der Anerkennungstheorie zu einer politischen Theorie der Freiheit

Demokratische Willensbildung bei Habermas und Honneth
Vormachtstellung demokratischer Öffentlichkeit?
Demokratische Rechtstaatlichkeit
Politische Kultur

Fazit: Demokratische Willensbildung bei Habermas und Honneth?

Literaturverzeichnis

Einleitung

„Die Demokratie steht und fällt mit dem Engagement ihrer Bürgerinnen und Bürger.“

(Lammert 2017)

Mit diesen Worten beschließt der ehemalige Bundestagspräsident Norbert Lammert im Jahr 2017 seinen Abschied aus der aktiven Politik. Worte, die auf den Punkt bringen, was Demokratie, verstanden als Herrschaft des Volkes, ausmacht: Partizipation. Eine Grundvoraussetzung von Demokratie ist demnach die rechtliche Garantie, dass Bürger*innen die Möglichkeit haben, sich frei eine politische Meinung zu bilden, um darauf aufbauend an der demokratischen Herrschaft, etwa durch Wahlen oder Volksentscheide, partizipieren zu können. Politische Willensbildung ist demnach ein integraler Bestandteil funktionierender Demokratien, und dieser soll durch Recht und Rechtsstaat garantiert werden.

Politische Theorien zeitgenössischer Autor*innen befassen sich mit diesen rechtlichen und gesellschaftlichen Voraussetzungen funktionierender Demokratien und den damit verbundenen Willensbildungsprozessen. Jürgen Habermas und Axel Honneth sind zwei prominente Vertreter solcher Theorien. Beide stehen in der Tradition der Kritischen Theorie, auch Frankfurter Schule genannt. Gemeinsam ist den beiden, dass sie die soziologische und kulturkritische Ausrichtung ihrer ideengeschichtlichen Vorgänger*innen auf die Sphäre des Politischen übertragen und entsprechend anpassen.

Grundlage für die vergleichende Analyse bilden die jeweiligen politiktheoretischen Hauptwerke: Habermas` Werk „Faktizität und Geltung“ (1992)1 sowie Axel Honneths „Das Recht der Freiheit“ (2011)2. In beiden Werken wird besonders nach den Voraussetzungen funktionierender demokratischer Gesellschaften gefragt. Wie oben dargestellt fällt darunter die politische respektive demokratische Willensbildung. Auf dieser Grundlage bietet es sich an folgender Leitfrage nachzugehen:

Inwiefern unterscheiden sich beide Autoren hinsichtlich ihrer Konzeptionen demokratischer Willensbildungsprozesse innerhalb ihrer politischen Theorien?

Anders formuliert geht folgende Ausarbeitung der Frage nach, wie innerhalb der genannten politischen Theorien die Willensbildung konzipiert wird, und welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten dabei zu erkennen sind.

Kontext: Kritische Theorie

Jürgen Habermas und Axel Honneth werden als Vertreter der zeitgenössischen Kritischen Theorie verstanden. Diese, ab den 1930er bis in die 1960er Jahren besonders prominent durch Max Horkheimer und Theodor Wiesengrund Adorno vertretene, Theorierichtung widmet sich einer kritischen Analyse der in der Gesellschaft vorherrschenden Machtverhältnisse. Institutionalisiert im Frankfurter Institut für Sozialforschung, welches 1924 gegründet wird, schließt die Denkströmung unter anderem an Karl Marx und Sigmund Freud an und versteht sich als interdisziplinäres Vorhaben, gesellschaftliche Strukturen hinsichtlich menschlicher Emanzipation und Autonomie kritisch und normativ zu analysieren (Schwaabe 2018: 241).

Während sich die erste Generation der Kritischen Theorie um Adorno und Horkheimer vorwiegend mit soziologischen, kulturkritischen und psychologischen Schwerpunkten beschäftigt, bringt die zweite Generation mit Jürgen Habermas einen der bedeutendsten politischen Philosophen der Gegenwart hervor, welcher mit der Theorie des kommunikativen Handelns (1981) und darauf aufbauend mit dem Konzept der deliberativen Demokratie die Kritische Theorie nun auch für die zeitgenössische Demokratietheorie interessant macht (Schwaabe 2018: 241f.). So wird das dieser Arbeit zu Grunde liegende Werk Faktizität und Geltung als „stringenteste Auseinandersetzung mit der Begründung politischer Ordnung in der Geschichte der Kritischen Theorie“ (Kozlarek 2020: 116) bezeichnet, in welchem er sein weltweit beachtetes Konzept der deliberativen Demokratie ausarbeitet.

Axel Honneth baut ebenfalls auf der Grundlage der Kritischen Theorie seine Gedanken auf und setzt sich in Das Recht der Freiheit hier besonders mit Habermas` Demokratietheorie auseinander. Dabei zielt er darauf ab, eine umfassende Gesellschaftstheorie zu entwickeln, die an entscheidenden Punkten eine Weiterentwicklung respektive ein Umdenken der Perspektive Habermas` versucht (Lembcke 2012: 302f.). Inwiefern das auch bezüglich politischer Willensbildung stattfindet, soll Teil der anstehenden Analyse sein.

Die Kritische Theorie etabliert sich also seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auch im Themenbereich der politischen Theorie. Spätestens mit Faktizität und Geltung schafft es Habermas, seine bisherigen theoretischen Arbeiten aus den Bereichen der Philosophie und Soziologie ebenfalls in der Politikwissenschaft anschlussfähig zu machen, wie unter anderem die daran anschließende politische Theorie Honneths belegt. Diese aktuelle Annäherung der Kritischen Theorie an die Politische- beziehungsweise Demokratietheorie begründet das Interesse daran, die entsprechenden Arbeiten hinsichtlich ihrer unterschiedlichen Konzeptionen von Demokratie und ihrer Voraussetzungen zu vergleichen.

Methodik und Aufbau

Um die Theorien der beiden Autoren miteinander zu vergleichen, benötigt es zuvor eine zielgerichtete Rekonstruktion beider Ansätze, sodass der Vergleich auf einer nachvollziehbaren Grundlage aufbauen kann. Zielgerichtet deshalb, weil eine allgemeine Rekonstruktion der umfassenden Theorien einerseits nicht im Rahmen dieser Arbeit geleistet werden kann, und andererseits so ausschließlich die lediglich für die demokratische Willensbildung und damit für den Vergleich zentralen Inhalte in den Fokus genommen werden können. Die Rekonstruktionen finden in Form von qualitativen Textanalysen der Primärwerke der Autoren sowie unter Hinzunahme von ausgewählter Sekundärliteratur statt.

So wird chronologisch beginnend die Demokratietheorie Jürgen Habermas‘ in ihren Grundzügen rekonstruiert. Dazu wird abgrenzend von der ersten Generation Kritischer Theorie seine Kommunikations- und Diskurstheorie skizziert, auf welcher sich anschließend die in Faktizität und Geltung elaborierte Theorie deliberativer Demokratie darstellen lässt. Anschließend wird Axel Honneths politische Theorie aus Das Recht der Freiheit von Habermas‘ demokratietheoretischer Arbeit abgegrenzt und rekonstruiert. Beide Arbeiten als politische Theorien eint die Behandlung der Frage: Wie kommt der Wille der Bevölkerung, auf welchem politische Entscheidungen in einer Demokratie beruhen sollen, zustande, und kann somit in Gesetze und Ähnliches umgewandelt werden?

Auf Grundlage dieser Frage nach der Willensbildung in demokratischen Staaten soll der Vergleich beider Ansätze stattfinden. Um alle bedeutenden Faktoren der Willensbildung berücksichtigen zu können eignet sich eine Aufteilung in drei zentrale Teilbereiche: Öffentlichkeit, Rechtstaat und politische Kultur. Diese werden von Axel Honneths dreiteiliger Gliederung der Willensbildung aus Recht der Freiheit übernommen, welche dieselben Sphären umfasst (Honneth 2017). Diese Kategorisierung des Vergleichs ergibt sich, da die ausgewählten Kategorien das erfassen, was zur Bildung einer politischen Meinung in der Bevölkerung notwendig erscheint. Während eine Meinung sowohl im privaten Bereich als auch in der Öffentlichkeit entstehen und geäußert werden kann, sorgt eine demokratische rechtstaatliche Struktur dafür, dass dies möglichst zwang- und herrschaftsfrei stattfinden kann. Zusammengefasst werden die gebildeten Einstellungen und Meinungen der Bürger*innen zur politischen Ordnung und politischen Inhalten als politische Kultur bezeichnet. So werden diese drei Dimensionen demokratischer Willensbildung als Vergleichskategorien verwendet, um gezielt die möglichen Unterschiede oder Gemeinsamkeiten der beiden Theoriekonzeptionen herauszuarbeiten.

Abschließend wird eine Beantwortung der Frage nach den Unterschieden und Gemeinsamkeiten der beiden Autoren und ihren Konzepten bezüglich der demokratischen Willensbildung dargelegt. Dies bezieht sich auf die Ergebnisse der vergleichenden Analyse.

Jürgen Habermas` Demokratietheorie in Faktizität und Geltung

Um die Demokratietheorie Habermas` zu verstehen, benötigt es zunächst der Klärung seines Gesellschaftsbildes. Habermas geht davon aus, dass moderne Gesellschaften auf Grund der Entwicklung von zunehmender Individualisierung keinen gemeinsam geteilten Hintergrundkonsens mehr besitzen. Sein Vorschlag ist demnach, Ideen der Herrschaft und Demokratie vielmehr auf dem Medium der Kommunikation aufzubauen. So sagt er, „Wenn wir uns mit Fragen der Konfliktregelung oder der Verfolgung kollektiver Ziele konfrontiert sehen, […] müssen (Hervorhebung im Original) wir uns auf eine Praxis der Verständigung einlassen, deren Verfahren und Kommunikationsvoraussetzungen uns nicht zur Disposition stehen“ (Habermas 2006: 377). Es geht also um die Suche nach einer Verständigungsart, welcher alle zustimmen und an der alle teilnehmen können. Auf Grundlage dieser soll dann die Verfolgung kollektiver Ziele, also praktische Politik, stattfinden können. Die Institutionalisierung dieser Verständigungspraxis als Meinungs- und Willensbildung bezieht Habermas aus seiner Diskurstheorie, die er in Faktizität und Geltung auf das Politische zu übertragen versucht. Die Grundidee dahinter ist, dass Entscheidungen in einer Demokratie auf öffentlichen Meinungen basieren, aber erst durch staatliche Institutionen respektive die administrative Umsetzung Gültigkeit erlangen (Habermas 2006: 373). Es geht im Wesentlichen in Habermas` politischem Werk also darum, auf die sich individualisierende Gesellschaft nicht mit einer einseitigen Herangehensweise zu reagieren, sondern durch die Hinzunahme seiner Kommunikationstheorie die Diskursethik auf das Politische zu übertragen.

Die sogenannte „deliberative Demokratie“ (Habermas 2006) soll im Folgenden im Hinblick auf die Willensbildung rekonstruiert werden, sodass darauf aufbauend ein Vergleich mit der Demokratietheorie Honneths unternommen werden kann. Ziel ist es, eine selektive Rekonstruktion speziell derer Inhalte darzulegen, die für den daran anschließenden Vergleich notwendig sind.

Instrumentelle und kommunikative Vernunft

Mit den Vertretern der frühen Kritischen Theorie Max Horkheimer und Theodor W. Adorno ist Habermas gemeinsam, dass durch seine Arbeit eine Kritik an den „desintegrierenden Momente(n) moderner Gesellschaften wie Arbeitslosigkeit, Armut, eine verselbstständigte Ökonomie ebenso wie ein überreglementierender Verwaltungsapparat“ (Marxsen 2011: 10) deutlich wird, die Axel Honneth ebenfalls thematisieren und als „Pathologien der Vernunft“ bezeichnen wird (Honneth 2007). Am Umgang mit diesem gemeinsamen Befund alter und neuer Kritischer Theorie unterscheidet sich Habermas jedoch signifikant von seinen Vorgänger*innen. Der grundlegende Gegensatz Habermas` zu seinen Vorgängern Adorno und Horkheimer ist, dass er die in der modernen Gesellschaft vorhanden Vernunftpotentiale anders deutet.

Marx und die frühe Kritische Theorie um Horkheimer und Adorno sehen die geschichtliche Triebfeder für Veränderungen in den materiellen Gegebenheiten und als durch die Entfaltung instrumenteller Vernunft geprägt an. Kennzeichnend für Horkheimer und im speziellen Adorno ist die Tatsache, dass die benannten Pathologien nicht losgelöst von anderen Institutionen der Gesellschaft betrachtet werden, sondern als Teil eines falschen Ganzen verstanden werden. Das zeigt sich daran, dass sich die Realität in der Gesellschaftsanalyse, welche die beiden Autoren etwa im Werk Die Dialektik der Aufklärung unternehmen, als eine durch das Kapital und die damit verbundene zweckrationale, instrumentelle Vernunft beherrschte darstellt (Horkheimer/Adorno 1988: 45ff.). Diese allumfassende Herrschaft des kapitalistischen Systems stellt sich für Adorno und Horkheimer als eine Totalität dar, welcher die Bürger*innen ohnmächtig ausgeliefert sind (Horkheimer/Adorno 1988: 129). Die Konsequenz daraus ist eine fundamentale Kritik an jeglichen Elementen der modernen Gesellschaft, die es nicht erlaubt, innerhalb der bestehenden Strukturen die normativen Ziele der Theoretiker*innen zu erreichen.

Die Totalität in der Theoriearbeit führt dazu, dass Habermas seinen Vorgängern Adorno und Horkheimer einen performativen Widerspruch unterstellt, der sie in diese negative und bisweilen ausweglose Situation gebracht habe. Der Widerspruch äußert sich laut Habermas darin, dass die menschliche Vernunft mit den Mitteln eben dieser Vernunft kritisiert wird – es fehlt demnach an einem unabhängigen, unversehrten Maßstab, sodass die geäußerte Kritik total wird. Adorno und Horkheimer entnehmen sich selbst ihrer wissenschaftlichen Grundlage, wenn sie diese gleichzeitig als durch die Herrschaft instrumenteller Vernunft geprägt betrachten.

Seiner Meinung nach unterliegt zwischenmenschliche Kommunikation einer Rationalität, die nicht auf rein instrumentelle Vernunft zu reduzieren ist, da Kommunikation nicht primär nur auf den strategischen, sondern auch den verständigungsorientierten Absichten der Teilnehmenden beruht. Die kommunikative Vernunft, die Habermas in der Sprache festmacht, findet sich ebenso im Handeln. Interaktion zwischen verständigungsorientiert eingestellten Akteur*innen nennt er „kommunikatives Handeln“ (Brunkhorst et al. 2009: 332f.). Dieses unterscheidet sich von Interaktionen, die zwischen erfolgsorientierten Akteur*innen stattfinden und sich als strategisches Handeln darstellen, das nicht auf Einverständnis, sondern auf Zwang oder Macht beruht (Brunkhorst et al. 2009: 333). Kommunikativ handelt dagegen derjenige, der verständigungsorientiert handelt. Des Weiteren unterscheidet Habermas in stark kommunikativ handelnde Personen, die ein Einverständnis erzeugen wollen und schwach kommunikativ Handelnden, welche lediglich auf Verständigung abzielen (Schaal 2009: 22).

Folgt man dieser Argumentation, nach welcher in der Sprache die kommunikative Rationalität verankert scheint, lässt sich folgern, dass in der Struktur sprachlicher Verständigung die normativ-rationale Grundlage für eine freiheitliche Gesellschaft liegt. In seiner Kommunikationstheorie fragt Habermas danach, wie Menschen sich untereinander verständigen und welche Bedingungen dafür herrschen müssen.

Kommunikation & Diskurs

Er konzipiert seine Idee kommunikativer Vernunft und kommunikativen Handelns über mehrere Werke, besonders öffentlichkeitswirksam wird sie in seinem weltweit rezipierten Werk Theorie des kommunikativen Handelns ausgearbeitet, in welchem er eine systematische Analyse der Kommunikation unternimmt. Eine zentrale Erkenntnis stellt in seinen Untersuchungen die Tatsache dar, dass sich für das menschliche Kommunikationsverhalten, in Form von Sprache, allgemeine Regeln beziehungsweise Voraussetzungen benennen lassen, auf die man während der Kommunikation automatisch zurückgreift: die „allgemeinen Voraussetzungen kommunikativen Handelns“ (Habermas 1989: 353). Dazu gehören Geltungsansprüche, die als vorausgesetzte Basis von allen kommunikativ Handelnden reziprok erhoben werden und so das Erreichen des Ziels jeder Kommunikation, die Verständigung, ermöglichen. Dabei werden Wahrheit, Wahrhaftigkeit und Richtigkeit bei Äußerungen vorausgesetzt, soll es zu einer funktionierenden Kommunikation kommen. Die Anerkennung dieser Ansprüche ermöglicht eine Verständigung in der Absicht der Herbeiführung eines Einverständnisses. So behauptet jeder, der verständnisorientiert eine Aussage tätigt, dass ihr Inhalt sowohl der objektiven Realität entspricht, aufrichtig gemeint ist und den normativen Regeln entspricht. Diese Geltungsansprüche werden an jeden verständnisorientierten Sprechakt gestellt, sie sind aber auch jederzeit kritisierbar. Veranstaltungen, in denen solche Sprechakte gegenseitig als Argumente ausgetauscht werden, stellen sich als Diskurse dar.

Die Kritisierbarkeit hat hier eine hohe Bedeutung. Nach Habermas herrscht nämlich dort Rationalität, wo Äußerungen kritisierbar und begründbar sind. Diese Äußerungen beruhen wiederum auf den oben genannten mitformulierten Geltungsansprüchen (Habermas 2019a: 25f.). Rationalität wird somit nicht mehr nur als instrumentell betrachtet, sondern auch als intersubjektiver Verständigungsprozess, der auf Konsens abzielt. Gleichzeitig können die Bedingungen des Diskurses jederzeit innerhalb des Diskurses thematisiert werden. In der Kommunikation wird nicht nur über Sachverhalte in der Welt gesprochen, sondern auch die Art und Weise thematisiert, in der über eben diese Sachverhalte kommuniziert wird.

Innerhalb dieser Konzeption von Rationalität finden sich außerdem für einen rationalen Diskurs drei Bedingungen. Einerseits muss er offen sein, es darf kein geäußertes Argument von vornerein ausgeschlossen werden. Andererseits muss sich dafür jede Äußerung rechtfertigen und damit auch kritisieren lassen. Drittens muss der Diskurs lebensweltlich fundiert sein. Es kommt also darauf an, dass tatsächlich Menschen miteinander kommunizieren (Schaal 2009: 23). Übertragen auf das Politische muss ein rationaler Staat damit ein Institutionengefüge darstellen, welches Rationalität ermöglicht und befördert (ebd.). Die erhobenen Geltungsansprüche haben einen universalistischen Charakter, sie beziehen daher alle Menschen in ihrem Radius mit ein und müssen sich somit gegen jeden möglichen Gegeneinwand rechtfertigen können. Diese formalen Ansprüche an einen Diskurs sollen sichern, dass in einer argumentativen Auseinandersetzung jede Person am Diskurs ohne Zwang teilnehmen darf, jede Behauptung aufgestellt aber auch problematisiert werden darf sowie kein Zwang ausgeübt werden darf hinsichtlich der Formulierung von Argumenten. Unter Diskursethik versteht Habermas darüber hinaus, dass lediglich die Normen und Grundsätze gelten sollen, die verallgemeinerungswürdige Interessen vertreten (Habermas 2006: 138). Diese Basis herrschaftsfreier Kommunikation soll in Faktizität und Geltung auf das Politische System und die Willens- und Meinungsbildung übersetzt werden. Und erst herrschaftsfreie Kommunikation sichert nach Habermas auch eine herrschaftsfreie Bildung politischer Meinungen.

[...]


1 Im Folgenden zitiert nach der 1. Auflage des Taschenbuchs, vgl. Habermas (2006)

2 Im Folgenden zitiert nach der 3. Auflage, vgl. Honneth (2017)

Ende der Leseprobe aus 37 Seiten

Details

Titel
Demokratische Willensbildung bei Jürgen Habermas und Axel Honneth. Ein Vergleich zweier Ansätze zeitgenössischer kritischer Theorie
Hochschule
Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg  (Institut für Politikwissenschaft und Soziologie)
Note
1,3
Autor
Jahr
2021
Seiten
37
Katalognummer
V1158769
ISBN (eBook)
9783346562869
ISBN (Buch)
9783346562876
Sprache
Deutsch
Schlagworte
demokratische, willensbildung, jürgen, habermas, axel, honneth, vergleich, ansätze, theorie
Arbeit zitieren
Nikolai Trojan (Autor:in), 2021, Demokratische Willensbildung bei Jürgen Habermas und Axel Honneth. Ein Vergleich zweier Ansätze zeitgenössischer kritischer Theorie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1158769

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